Am Schnittpunkt Wohnung oder Serviced Apartment Die Abgrenzung ist rechtlich schwierig
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Am Schnittpunkt

Wohnung oder Serviced Apartment? Die Abgrenzung ist rechtlich schwierig

Das erste Serviced Apartment-Haus der Marke Soulmade steht mitten in einem Wohngebiet in München-Garching.Foto: map

München. Ein Segment boomt derzeit: Serviced Apartments. Hinter dem Begriff steht eine Vielzahl von Nutzungskonzepten, die aber den Unterschied zwischen einem klassischen Hotelbetrieb und der klassischen Wohnnutzung mehr und mehr nivellieren. Alle sind auf einen längeren Aufenthalt ausgelegt, nur muss der Wohnende nicht unbedingt Hotel-Services beanspruchen. Damit entstehen Mischformen aus Wohnen und Beherbergungsbetrieb. Und genau das bringt dieses junge, attraktive Segment in Kollision mit den Begrifflichkeiten des öffentlichen Baurechts in Deutschland. Thomas Hartl, Senior Associate bei der Kanzlei Arnecke Sibeth in München, ist Experte für öffentliches Baurecht und erläutert in diesem Gastbeitrag den juristischen Spagat, der Projekt-Entwickler wie Bauherren und Betreiber nicht zufrieden stellen kann.

Die unterschiedliche Einordnung des Nutzungskonzeptes – Wohnnutzung oder Beherbergungsbetrieb? – wirkt sich unmittelbar auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit in den verschiedenen Baugebieten aus. In Wohngebieten sind Serviced Apartments nur ausnahmsweise zulässig, der Behörde obliegt die Erteilung der Baugenehmigung. In Gewerbegebieten sind Wohnnutzungen und wohnähnliche Beherbergungsbetriebe überhaupt nicht zulässig.

Ändert ein bestehender Betrieb sein Konzept derart, dass eine andere Nutzung entsteht, wird diese zumeist nicht mehr von der bestehenden Baugenehmigung gedeckt. Die Folge: Eine geänderte Nutzung könnte in dem jeweiligen Baugebiet nicht mehr zulässig sein, wodurch eine Baugenehmigung nicht mehr erteilt wird. In diesem Fall droht auch eine Nutzungsuntersagung für den geänderten Betrieb. Auch in der Bauordnung ergeben sich aus dem jeweiligen Landesrecht unterschiedliche Anforderungen, insbesondere im Hinblick auf den Brandschutz und die Zahl der erforderlichen Stellplätze.

Beherbergung in der Abgrenzung

Nach der bisherigen Rechtsprechung ist ein Beherbergungsbetrieb ein gewerblicher Betrieb, der einem ständig wechselnden Kreis von Gästen gegen Entgelt vorübergehende Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung stellt, ohne dass die Gäste in den Räumen unabhängig eine eigene Häuslichkeit begründen können (BVerwG, Beschluss v. 08.05.1989, Az.: 4 B 78/89). Dies ist nur gegeben, wenn den Gästen keine Wohnausstattung, insbesondere keine Küche, zur Verfügung steht und diese damit auf die Inanspruchnahme hotel-typischer Dienstleistungen angewiesen sind.

Anhand dieser Definition lassen sich heutige Nutzungskonzepte nicht mehr eindeutig dem Wohnen oder dem Beherbergungsbetrieb zuordnen. Serviced Apartments sind zwar darauf ausgelegt, einem wechselnden Kreis von Menschen für einen vorübergehenden Zeitraum Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Auch werden oft hoteltypische Dienstleistungen angeboten. Im Unterschied zum klassischen Hotelbetrieb macht es aber Sinn, dass sich der Gast aufgrund der längeren Aufenthaltsdauer auch eine eigene Häuslichkeit einrichten kann.

Die Rechtsprechung war also gezwungen, die Abgrenzung anhand anderer Kriterien vorzunehmen. Massgeblich ist, ob der Schwerpunkt auf dem Wohnen oder der Beherbergung liegt. Dies ist anhand der folgenden Kriterien zu ermitteln, welche oftmals leider nicht ganz eindeutig sind:

Bauliche Ausgestaltung. Zunächst ist die räumliche Struktur der vermieteten Nutzungseinheit von Bedeutung, also ob Grösse und Ausstattung eher einem Beherbergungsbetrieb oder einer Wohnung entsprechen. Grosse Räume mit der Möglichkeit zur Selbstversorgung sprechen für eine Wohnnutzung. Ist keine Ausstattung zur Selbstversorgung vorhanden oder werden Mehrbettzimmer vermietet, scheidet eine Wohnnutzung aus. Massgeblich ist auch, ob neben den vermieteten Räumlichkeiten hotel-typische Gemeinschafts- und Nebenräume zur Verfügung stehen.

Serviceleistungen. Daneben ist entscheidend, ob und in welchem Umfang hotel-typische Dienstleistungen erbracht werden. Selbst wenn die baulichen Gegebenheiten einer Wohnnutzung entsprechen, kann ein Beherbergungsbetrieb vorliegen, falls Services wie Frühstück, täglicher Reinigungsdienst, Wäscheservice, Bettwäsche-Wechsel oder ein Lebensmitteldienst in einem nennenswerten Umfang erbracht werden. Massgeblich ist auch, ob die Leistungen vom Hauspersonal oder von externen Dienstleistern erbracht werden und ob die Leistungen im Preis inbegriffen sind oder ob sie gesondert abgerechnet werden.

Gast-Autor Thomas Hartl.

Entspricht der Umfang der Serviceleistungen denen eines klassischen Hotelbetriebs, ist von einem Beherbergungsbetrieb auszugehen. Das OVG Berlin (Beschluss v. 06.07.2006, Az.: OVG 2 S 2.06) ist allerdings davon ausgegangen, dass – sofern die bauliche Ausgestaltung einer Wohnnutzung entspricht und keine Gemeinschafts- oder Nebenräume bestehen – die Vollausstattung der vermieteten Räume mit Bett-, Tisch- und Badwäsche, einer wöchentlichen Reinigung und gesonderter Abrechnung weitergehender Dienstleistungen nicht ausreicht, um einen Beherbergungsbetrieb anzunehmen. Dies entspreche einer möblierten Vermietung.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem anderen Fall aber ausdrücklich offen gelassen, wie die Dinge eingeordnet werden können, wenn beherbergungstypische Dienstleistungen bei der Unterbringung von Montage-Arbeitern in Zweibett-Zimmern nicht erbracht werden. In diesem Fall kann eigentlich nicht von einem Beherbergungsbetrieb ausgegangen werden. Aber es könne – jedenfalls bei der Unterbringung in Zweibett-Zimmern – nicht alleine aufgrund des fehlenden Serviceangebots davon ausgegangen werden, dass es sich um Wohnnutzung handele.

Aus diesen Urteilen wird deutlich, dass allein das Abstellen auf die genannten Kriterien oftmals nicht weiter führt, sondern dass jede Unterbringungsform individuell betrachtet werden muss.

Sonstige Kriterien. Neben den bereits genannten Kriterien können auch weitere Gründe eine Rolle spielen. So wird bei Beherbergungsbetrieben das Entgelt typischerweise pro Übernachtung abgerechnet, während Wohnungen in der Regel monatsweise bezahlt werden (z.B. VG Karlsruhe, Beschluss v. 13.06.2016, Az.: 4 K 817/16). Dementsprechend können auch die Buchungsmodalitäten eine Rolle spielen und ein Indiz für die eine oder andere Nutzung darstellen. Auch die Bewerbung der Räumlichkeiten im Internet kann eine Rolle bei der Einordnung als Beherbergungsbetrieb eine Rolle spielen (VG Karlsruhe, a.a.O.; a.A. OVG Berlin, a.a.O.).

Fazit: Früh mit den Behörden sprechen

Aufgrund der zahlreichen Kriterien für die rechtliche Abgrenzung zwischen Wohnnutzung und Beherbergungsbetrieben bleibt die Abgrenzung im Einzelfall schwierig. Sie unterliegt letztlich auch subjektiven Wertungen. Um langwierige Gerichtsstreitigkeiten über die Zulässigkeit eines Vorhabens zu vermeiden, sollte das geplante Nutzungskonzept möglichst frühzeitig mit den Behörden abgestimmt werden, weil zu diesem Zeitpunkt die oftmals nur kleinen Anpassungen des Konzepts noch möglich sind. Sofern es der zeitliche Horizont erlaubt, sollte eine Bauvoranfrage gestellt werden, in der verschiedene Nutzungskonzepte abgefragt werden können.

Gerade bei Bestandsnutzungen sollte aber darauf geachtet werden, dass die Nutzung nicht durch schleichende Veränderungen in die eine oder in die andere Nutzungsart umschlägt und deshalb eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung nötig macht. Dies kann schlimmstenfalls dazu führen, dass das neue Konzept rückgängig gemacht werden muss.

 

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