Ausländische Bewerber Kein Problem Hotels und ihr Umgang mit jungen Migranten im Unternehmen
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Ausländische Bewerber: Kein Problem?!

Hotels und ihr Umgang mit jungen Migranten im Unternehmen

Lindner Hotels-Vorstand Otto Lindner und Schulleiterin Gabriele Lamottke: Auszubildende mit Migrationshintergrund - kein Problem für Lindner.

München. Aktuelle Studien zeigen, dass nur wenige Unternehmen Auszubildende mit Migrationshintergrund einstellen und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln bei der Bewerbung benachteiligt werden. In der Hotelbranche ist das angeblich kein Thema, meinen das Estrel Hotel Berlin, die Lindner, Maritim und Steigenberger Hotels. Und nennen Beispiele, wie sie mit diesem Thema umgehen. Psychologen sehen das Ganze anders und warnen vor impliziten Vorurteilen.

Die Zahlen sind erschreckend. Eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass nur 15 Prozent aller Ausbildungsbetriebe Jugendliche mit Migrationshintergrund ausbilden. 38 Prozent der Firmen machen laut Umfrage Sprachbarrieren dafür verantwortlich. 14,7 Prozent haben Sorgen, dass kulturelle Unterschiede das Betriebsklima belasten könnten. Und 9,1 Prozent befürchten schlechtere Leistungen. Das führt dazu, dass ein Drittel der Schulabgänger mit ausländischen Wurzeln keine Lehrstelle findet - auch wenn sie den erforderlichen Abschluss haben.
Eine weitere Studie bescheinigte Deutschland sogar generell ein ernstes Diskriminierungsproblem: Jugendliche mit ausländischen Wurzeln müssen deutlich mehr Bewerbungen schreiben, um zu einem Vorstellungsgespräch überhaupt eingeladen zu werden.

Dazu kommt die veränderte Einstellung der Bevölkerung zum Islam – nicht zuletzt durch Pegida-Demonstrationen und die Gräueltaten der IS. Über die Hälfte der Bevölkerung nimmt den Islam als Bedrohung wahr, zeigt eine repräsentative Studie vom Januar dieses Jahres. 2012 waren es erst 53 Prozent. Islam-Feindlichkeit sei keine gesellschaftliche Randerscheinung, sondern findet sich in der Mitte der Gesellschaft, schreibt die Bertelsmann Stiftung. Als "salonfähiger" Trend könne sie zur Legitimation diskriminierender und ausgrenzender Verhaltensweisen genutzt werden.

Annette Bramkamp, Personadirektorin im Estrel Berlin: Toleranztäglich leben!

Nur die Leidenschaft zählt

Was bedeutet das für die Hotellerie? Ist es schwieriger geworden für ausländische – und vor allem für muslimische – Bewerber einen Job zu finden? Nein, behaupten die Hotels unisono. "Wir haben definitiv keine Probleme mit ausländischen Mitbürgern und Gästen", betonte Ernst Fischer, Präsident des DEHOGA Bundesverbands im Februar. "Unsere internationale Branche muss sich glücklich schätzen, dass sie Mitarbeiter aus mehr als 100 Nationen vereint und unsere ausländischen Kollegen tragen zu einer einzigartigen Vielfalt bei."

Sie glaube, dass die Hotellerie hier schon viel weiter sei als anderer Branchen, da es hier von jeher üblich war, in der weiten Welt zu arbeiten, schreibt Annette Bramkamp, Personaldirektorin vom Estrel Hotel in Berlin. "Viele Mitarbeiter waren selbst einige Zeit im Ausland und haben Erfahrung, wie es ist, Ausländer zu sein." In dem Hotel werde gegenseitige Toleranz täglich gelebt.

So nähmen z.B. seit vielen Jahren Kollegen aktiv am Ramadan teil und vor zwei Jahren habe man begonnen, zum "Zuckerfest" ein spezielles Buffet für diesen Mitarbeiterkreis anzubieten. "Damit wollen wir zeigen, dass wir die Rituale ihrer Religion unterstützen und uns für die Arbeit in der vorhergegangenen Fastenzeit bedanken", so Bramkamp.

Schon aufgrund der Lage im multikulturellen Berliner Bezirk Neukölln habe man im Hotel von je her eine bunte Mischung aller Nationalitäten gehabt. Bei der Auswahl von Auszubildenden achte man in erster Linie auf die Leidenschaft, im Dienstleistungsbereich arbeiten zu wollen, sowie auf Freundlichkeit, Höflichkeit und Freude im Umgang mit einem internationalen Gästekreis. Notwendig seien aber auch ein paar "Hard-Skills" wie gute deutsche und englische Sprachkenntnisse.

Die Eltern mit einbeziehen

Bei Lindner Hotels unterscheide man nicht zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund – allein die Persönlichkeit und die Leistungsbereitschaft zählen, schreibt Pressesprecherin Catherine Bouchon. Man habe ohnehin fast ausschliesslich weltoffene Bewerber, die die internationale Tätigkeit auch als einen Hauptgrund für die Ausbildung in der Hotellerie nennen.

"Bei unserem Auswahlprozess für Auszubildende dominiert die Begeisterung für die Hotellerie sowie die positive Grundeinstellung zur Dienstleistung", schreibt Gunther Träger, Pressesprecher der Steigenberger Hotels. Die Herkunft spiele dabei keine Rolle. "Was vielmehr in unserem Unternehmen zählt ist, dass man das Herz am richtigen Fleck trägt." Nichtsdestotrotz sei man sich der Herausforderungen bewusst, dass Auszubildende mit Migrationshintergrund ein angepasstes "On-Boarding" benötigen, da sie mit unserer Kultur noch nicht so vertraut sind. Dafür gebe es Sprach- und Migrationskurse, Azubi-Patenschaftsprogramme oder einen Einführungstag in den Konzern.

Steigenberger Hotels: Trommeln für die Zukunft. 'Herkunft spielt keine Rolle. Begeisterung und positive Grundeinstellung zur Dienstleistung sind viel wichtiger.'

"Uns ist auch der familiäre Hintergrund sehr wichtig", erklärt Guido David, Leiter Personalwirtschaft bei der Maritim Hotelgesellschaft. Sind die Eltern mit der Ausbildung einverstanden? Kennen sie die Arbeitszeiten, die der Job mit sich bringt? Natürlich weise man jeden Auszubildenden darauf hin. "Allerdings wissen wir aus Erfahrung, dass z.B. einige Familienfeste in anderen Kulturen mitunter wichtiger sind, als es uns bewusst ist", so der Personalmanager. "Diese Punkte klären wir dann direkt."

Das Küchen-Kopftuch
als Symbol

Auch die sprachlichen Barrieren dürften nicht zu gross sein. Das gelte vor allem beim schulischen Anteil der Ausbildung, wo sich die Azubis sonst schwer tun, dem Unterricht in den fachbezogenen Fächern zu folgen. Im Betrieb seien sprachliche Barrieren in Stress-Situationen vielleicht manchmal hinderlich, grösstenteils komme es aber nicht zu Problemen.
Viele der Auszubildenden mit Migrationshintergrund seien zudem echte "Kämpfer-Naturen". "Jeder hat eine andere Geschichte und viele mussten bereits viel durchmachen und sich oft auch durchkämpfen", so David. "Das äussert sich sehr in ihrem besonderen Einsatz und Engagement während der Ausbildung." Bisher habe man mit den kulturell gemischten Teams in der Regel sehr gute Erfahrungen gemacht.

Von Problemen mit Auszubildenden mit Migrationshintergrund könne sie nicht berichten, so Annette Bramkamp vom Estrel. Einmal habe es eine muslimische Auszubildende gegeben, die als angehende Köchin ihr eigenes Kopftuch tragen wollte und es daher Bedenken bezüglich der Hygiene-Vorschriften gab. "Wir haben dann bei unserem Uniform-Lieferanten spezielle Tücher angeschafft, die allen Standards entsprachen und damit war das Thema erledigt", so Bramkamp.

Manchmal habe man auch den Eindruck, dass junge muslimische Männer Schwierigkeiten mit der Akzeptanz weiblicher Vorgesetzter haben. "Wir versuchen dann noch einen männlichen Ansprechpartner zur Seite zu stellen und das funktioniert wunderbar", erklärt die Estrel-Personaldirektorin.
Spezielle Förderprogramme für Auszubildende mit Migrationshintergrund gebe es zwar nicht, aber in den letzten Jahren habe man verstärkt Unterstützung beim Erwerb der theoretischen Kenntnisse und Schulungen zu allgemeingültigen Umgangsformen angeboten.

Maritim Hotels: Sehr gute Erfahrungen mit kulturell gemischten Teams.

Gezielte Massnahmen
noch die Ausnahme

Trotz akutem Nachwuchs-Mangel sind gezielte Massnahmen, um Jugendliche mit Migrationshintergrund oder Ausländer zu rekrutieren, eher noch die Ausnahme. Eine Möglichkeit dazu wäre das Programm "MobiPro", ein Sonderprogramm des Bundes zur "Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa". Es unterstützt junge EU-Bürger bei der Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung in Deutschland. Insbesondere für kleine und mittlere Betriebe, die ja das Gastgewerbe prägen, ergebe sich damit eine praktikable Möglichkeit, überhaupt Auszubildende aus dem Ausland zu finden, heisst es beim Dehoga.

Bei Steigenberger nützt man das Programm seit Ende 2014 zur Rekrutierung für junge Spanier. Im Zuge dieses Azubi-Projektes habe man sich auch mit den Herausforderungen auseinandergesetzt und entsprechende Programme wie eine Azubi-Patenschaft aufgelegt.

Bei Lindner Hotels ist man vor Kurzem in Zusammenarbeit mit der Stiftung Pro Ausbildung eine "Lernpartnerschaft" mit der Dumont-Lindemann-Gemeinschaftshauptschule in Düsseldorf eingegangen. Das sei ein wichtiger Baustein, um mit zukünftigen Auszubildenden in Kontakt zu treten und Schüler aktiv bei der Berufswahl zu unterstützen, erklärte Vorstand Otto Lindner.

So werden die Schüler der neunten Klasse im Rahmen des regulären Unterrichts durch einen Vertreter von Lindner Hotels mit den Prozessen und Abläufen im Unternehmen sowie möglichen Ausbildungsberufen vertraut gemacht. Auf diese Weise lernt die Hotelgruppe frühzeitig potenzielle Auszubildende kennenlernen. Die Lernpartnerschaft richtet sich zwar nicht direkt an Jugendliche mit Migrationshintergrund, allerdings liegt der Anteil ausländischer Kinder und Jugendlicher an der Schule bei über 50 Prozent.

Prof. Andreas Zick: 'Wir alle haben implizite Vorurteile.'

Genügen gute Absichten?

Doch genügen die guten Absichten? Nein, sagt Professor Andreas Zick von der Universität Bielefeld. "Wir alle haben implizite Vorurteile, die uns selbst gar nicht bewusst sind", erklärt der Psychologe. "Die Forschung über implizite Vorurteile zeigt, dass selbst, wenn wir motiviert sind, Vorurteile zu unterdrücken, dennoch andere diskriminieren." Dann lehnen wir jemanden zwar nicht ab, weil er einen ausländischen Namen hat, sondern weil wir ihm bestimmte positive Merkmale nicht zuschreiben.

Beispiel Islam: Wir wissen viel Negatives über den Islam. Aber es gibt meist nichts, was wir am Islam bewundern. Fragt man Menschen mit höherem Bildungsniveau, ob der Islam per se gewalttätig ist, verneinen sie das, so der Professor. Menschen mit einem niedrigeren Bildungsniveau bejahen das hingegen häufiger. Frage man dagegen, ob sie den Islam schon mal bewundert haben, dann sagen beide Gruppen in der Regel nein.

Wie sich unbewusste Vorurteile durch die Hintertür einschleichen, hat der Professor bei einem Experiment erlebt. Studenten sollten das Foto derselben Person beurteilen. Es ging um einen der begehrten Studienplätze in Psychologie. Das Ergebnis: Die Studenten fanden zwar beide bestens geeignet, brachten aber bei Hülya Argumente wie "Vielleicht passt die bei uns doch nicht rein" oder "Die hat doch woanders auch gute Chancen."

Wer sich bei der Bewerber-Auswahl stark mit seinem kulturellen Leitbild identifiziert, lässt das auch in die Auswahl einfliessen. "Dann nimmt man eben doch lieber den Josef aus Bayern als den Mehmet aus der Türkei", so der Professor. "Da muss man aufpassen, ob die Herkunft nicht doch ein Kriterium ist, ohne dass man es selbst merkt."

Personal-Verantwortliche müssten sich daher klar darüber werden, dass sie oftmals implizite Vorurteile haben, so der Psychologie-Professor. Wichtig sei daher eine Schulung zur Wirkung von Stereotypen. In der Industrie gibt es bei einigen Unternehmen inzwischen bereits spezielle Workshops, in denen sich Führungskräfte mit ihren impliziten Vorurteilen auseinandersetzen. / Bärbel Schwertfeger

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