Brexit das Gute Schlechte und Hässliche Britische Hoteliers spüren erste Folgen Kosten steigen Arbeitskräfte fehlen
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Brexit: das Gute, Schlechte und Hässliche

Britische Hoteliers spüren erste Folgen: Kosten steigen, Arbeitskräfte fehlen

Der Brexit bewirkt eine Menge Vewirrung und beschleunigt Ängste.Foto: Rawpixel.com Fotolia

London. London leidet bereits unter den ersten Folgen der Brexit-Entscheidung, die Regionen übernehmen nun die Führung. Wegen des Pfund-Verfalls ändert sich das Reiseverhalten und die Kosten für Hoteliers und Entwickler steigen. Während niemand weiss, was der Brexit wirklich bedeutet – die Regierung mit eingeschlossen – hat die Entscheidung vom 23. Juni, die EU zu verlassen, bereits weitreichende Folgen für die Hotellerie im Land. Einige davon sind gut, andere wiederum schlecht. Zwangsläufig war am 23. November 2016 der Brexit das vorherrschende Thema auf der Henry Stewart Konferenz "Hotel Finance, Investment and Development in the UK and Continental Europe".

Bisher ist das greifbarste Ergebnis des Referendums eine starke Abwertung des britischen Pfunds, das gegenüber wichtigen Währungen, abhängig vom jeweiligen Analysezeitraum, rund 15 bis 20 Prozent verloren hat.

Erst die gute Nachricht: Das schwache Pfund hat zwei positive Effekte auf den britischen Hotel-Sektor. Zunächst ist die Zahl der Touristen-Ankünfte gestiegen, besonders im Freizeit-Segment. Zweitens hat das schwache Pfund die Briten davon abgehalten, Urlaub im Ausland zu machen, was zu einer Zunahme der "Staycations" führte. Die gestiegenen Zahlen bei den Ankünften von Besuchern aus Nordamerika, traditionell der Quellmarkt mit den höchsten Ausgaben pro Kopf, sind besonders beeindruckend und sie werden auch im nächsten Jahr weiterhin wachsen, wenn das Pfund auf ähnlichem Niveau wie jetzt bleibt.

Sabina Wyss di Corrado, Director of Acquisitions & Development PPHE Hotel Group, einer mittelgrossen Hotelkette mit 38 Häusern und rund 8.300 Zimmern mit Sitz in Grossbritannien, berichtet von einer starken Nachfrage nach den Häusern der Gruppe im Land, besonders während der Schulferien im Oktober und durch Familien im Allgemeinen, die Urlaub machen.

Bisher ist die Nachfrage im MICE-Segment stark und wurde durch die Brexit-Entscheidung nicht sichtlich beeinflusst, obwohl Sabina Wyss di Corrado davon ausgeht, dass sich die Folgen aufgrund der langfristigen Buchungen in diesem Segment vielleicht auch erst Anfang 2017 bemerkbar machen. Im Übrigen warnt sie davor, dass die Gäste immer häufiger zu Frühbucher-Preisen buchen, die nicht stornierbar sind, was den ADR zunehmend unter Druck setzt.

Regionen übernehmen Führung, Resorts boomen

Jahrelang ist die Leistung des Hotel-Sektors in London in die Höhe geschossen und hat die Provinzen abgehängt. Jetzt nach der Entscheidung für den Brexit ist es genau andersherum. Die Verschiebung der Performance zugunsten des regionalen Hotel-Sektors in Grossbritannien spiegelt das Ergebnis der Wahl am 23. Juni wieder, wo die Mehrheit der Provinzen für den Brexit stimmte und sich nur der Grossraum London und einige andere Ballungsräume wie Manchester und Newcastle gegen den Austritt aussprachen.
Dieses Jahr liegt der regionale RevPAR bisher fast drei Prozent über dem Vorjahres-Niveau und dies hauptsächlich wegen eines höheren ADR, was gut ist für die Profitabilität ist, während der RevPAR in London aufgrund einer schwächeren Auslastung um 1,6 Prozent gesunken ist, wodurch die Preise auf gleichem Niveau bleiben.

Die nachlassende Performance des Hotel-Sektors in London ist allerdings nicht nur auf die Brexit-Entscheidung zurückzuführen, da sich das Überangebot am Markt langsam bemerkbar macht, wie die Hauptrednerin der Konferenz, Sophie Perret, Director HVS London, anmerkte. Ausserdem wird das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage durch rund 7.000 neue Zimmer noch verstärkt, die bis Ende 2017 hinzukommen, wie Bob Silk von der Barclays Bank erklärte.

HOTEL-PERFORMANCE REGIONEN ZU LONDON,
seit Jahresbeginn bis September 2016

Regionaler RevPAR September 2015
ab Jahresbeginn
September 2016
ab Jahresbeginn 
Veränderung
im Vergleich
zum Vorjahr
Belegung % 76,5 %76,7 % +0,2 % 
ADR 67,£ 69 £ +2,9 %
RevPAR 51,7 £ 53,2 £ +2,9 % 


London RevPAR September 2015
ab Jahresbeginn
September 2016
ab Jahresbeginn 
Veränderung
im Vergleich
zum Vorjahr
Belegung %  82,3 %  80,7 % -1,6 %
ADR 140,9 £140,7 £-0,01 %
RevPAR 116 £114 £-1,6 %

Quelle: HVS/STR

Anhaltspunkte weisen auf ein Rekordjahr für Resort-Hotels in Grossbritannien hin. Jim Gordon, Managing Director Legacy Hotels & Resorts Limited, einem mittelgrossen Hotel-Betreiber von 3- und 4 Sterne-Hotels mit vielen Häusern an zweitklassigen Standorten, nennt das Hotel Victoria Newquay mit 71 Zimmern als Beispiel. Das Haus der Gruppe befindet sich an der beliebtesten Surf-Destination des Landes. Bisher kann der EBITDA des Hauses 2016 mit einem Plus von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahr aufwarten. Jim Gordon wies speziell auf das sehr profitable Segment der deutschen Reisegruppen hin, die im Allgemeinen hohe Preise zahlen, geringe Vertriebskosten verursachen und zusätzliche Dienstleistungen des Hotels in grossem Masse in Anspruch nehmen.

Abgesehen davon ist der ADR der britischen Häuser der Gruppe im August insgesamt um 15 Prozent gestiegen, hauptsächlich aufgrund des wachsenden "Staycation"-Marktes Ausserdem erwartet er beim EBITDA des britischen Portfolios der Gruppe für 2017 ein Wachstum von sechs bis sieben Prozent.

Das Schlechte: steigende Lohn- und Lebensmittel-Kosten

Jim Gordon: Lohnkosten steigen um 6 Prozent.

Und nun zum "Schlechten und Hässlichen": Viele negative Folgen des Brexit kommen erst noch und die Effekte der scharfen Abwertung des Pfunds und die zu erwartenden Einschränkungen bei der Personen-Freizügigkeit in der EU werden erst in den kommenden Quartalen und Jahren spürbar sein. Steigende Kosten und Druck auf die Gewinn-Marge gefährden die Weiterentwicklung des britischen Hotel-Sektors.

In der Herbst-Stellungnahme von Finanzminister Philip Hammond wurde der Mindestlohn von 7,20 £/Stunde auf 7,50 £/Stunde erhöht, was einer Steigerung um vier Prozent entspricht. Laut Jim Gordon von Legacy wird der Mindestlohn bis 2020 auf 9 £/Stunde steigen. Für 2017 sagt er für Legacy um sechs Prozent steigende Lohnkosten voraus und er geht davon aus, dass sich die Preise für Lebensmittel aufgrund des schwachen Pfunds ebenfalls um fünf Prozent verteuern werden.

Personal-Probleme: Erste Engpässe an Weihnachten

Obwohl der Brexit an sich noch nicht erfolgt ist, hat die Wahl bereits Auswirkungen für den Arbeitsmarkt, da Mitarbeiter aus dem Ausland nun weniger Anreize haben, in Grossbritannien zu arbeiten. Der britische Hospitality-Sektor ist von Mitarbeitern aus dem EU-Ausland sehr abhängig, die 31 Prozent der Arbeitskräfte in diesem Bereich stellen. In London ist dieser Anteil natürlich sehr viel höher. Arbeitskräfte aus dem Ausland fühlen sich in Grossbritannien nach einer Flutwelle von Übergriffen und Belästigungen nach der Brexit-Wahl nicht mehr so sehr willkommen. Da auch viele Arbeitskräfte, die in britischen Hotels arbeiten, einen Grossteil ihres Verdiensts in die Heimat schicken, haben sie laut Sabina Wyss di Corrado von PPHE weniger Anreize, nach der starken Abwertung des Pfunds in Grossbritannien zu bleiben.

Das Pfund Sterling hat zwischen dem 23. Juni und Mitte Oktober im Vergleich zum polnischen Zloty über 15 Prozent an Wert verloren. Ausserdem macht sich der Mangel an Arbeitskräften in der britischen Wirtschaft bereits bemerkbar. Richard Bursby, Partner der Anwaltskanzlei Taylor Wessing, erwähnte beispielsweise, dass es zum ersten Mal Engpässe bei Lastwagenfahrern für Weihnachts-Lieferungen und bei qualifizierten Köchen gibt. Wenn ein "harter Brexit" mit Einschränkung der Freizügigkeit der Arbeitskräfte erfolgt, wird sich diese Situation verschärfen, da sich die Hotel-Brance dann vielleicht gezwungen sieht, weniger motivierte und schlechter ausgebildete britische Bürger zu höheren Lohnkosten einzustellen.

Das schwache Pfund lockt Touristen und die Briten bevorzugen 'Staycation', Urlaub im eigenen Land. 

Höhere Entwicklungskosten

Vivek Chadha, Director Nine Group Hotels & Investments, einer gewerblichen Immobilien-Investmentgruppe, die rund 14 Häuser hauptsächlich als Franchise-Hotels besitzt und betreibt, hat schlechte Nachrichten in Bezug auf Material und Ausrüstung. Er merkte an, dass die Kosten für weisse Waren, die grösstenteils importiert werden, schon bald aufgrund des schwachen Pfunds um 15 bis 25 Prozent steigen werden. Ausserdem erinnerte er die Zuhörer daran, dass rund 60 Prozent der Gegenstände, die für FF&E-Kosten sorgen, importiert werden. Da sich die FF&E-Kosten auf rund 40 Prozent der Baukosten belaufen, ist davon auszugehen, dass der Pfund-Verfall direkte Auswirkungen auf zumindest ein Viertel der Gesamt-Baukosten von Hotels haben wird.

Grosses Wunschdenken

Die britische Nation, darunter auch die ansonsten gut informierten und international denkenden Mitglieder der Regierung, der Presse und der Geschäftswelt, scheinen mögliche Konsequenzen der Verhandlungen mit der EU auszublenden, falls die Personen-Freizügigkeit nicht von Anfang an akzeptiert wird. Diese Freizügigkeit wurde von allen 27 Vertretern der verbleibenden EU-Mitglieder, die sich in der Sache äusserten, klar als Vorbedingung genannt, um nach wie vor Zugang zum EU-Markt zu erhalten. Ein Redner auf der Konferenz gab an, dass Angela Merkel in ihrer Haltung zum freien Personenverkehr nachgiebiger geworden sei, wobei es sich aber scheinbar um eine falsche Interpretation einer Rede handelte, in der sie vor einigen Wochen die Handhabung der Flüchtlings-Krise beklagte, und die von der Boulevard-Presse verzerrt wurde.

Ein weiterer Redner kam beim Versuch, verzweifelt nach einem Strohhalm zu greifen, zu folgender Aussage auf einer seiner Folien: "Trumps Sieg könnte Grossbritannien zu mehr Einfluss bei den Verhandlungen mit der EU verhelfen. Wenn zwischen den USA und Grossbritannien ein zügiges Handelsabkommen geschlossen wird, betrifft dies auch Brüssel." Es ist unvorstellbar, dass der zukünftige US-Präsident Donald Trump, der die sofortige Aufhebung der transpazifischen Partnerschaft und der NAFTA bei Amtsantritt im Januar angekündigt hat, ein schnelles Abkommen mit Grossbritannien unterzeichnen wird. Auf jeden Fall werden die Bedingungen unter Trump für alle möglichen Partner mit grosser Wahrscheinlichkeit höchst unattraktiv sein. Wenn Grossbritannien die vier Freiheiten der EU letztendlich nicht akzeptiert, darunter auch die Personenfreizügigkeit, stehen der britischen Wirtschaft und Hotellerie schwere Zeiten bevor. / Macy Marvel

 

BHA: VERWIRRENDE DATEN

Bis der Brexit endgültig eintritt, bleibt die British Hospitality Association skeptisch. Geschäftsführer Ufi Ibrahim veröffentlichte diese Woche auf der Website der Vereinigung eine Stellungnahme und erklärte darin, dass bereits veröffentlichte Daten nur verwirren würden. "Wir haben den 'BHA Travel Monitor' gestartet, so dass wir durch eine detaillierte und strukturierte Analyse von Passagierdaten ein genaues Bild über die Performance in der Hotellerie und im Tourismus erhalten. So zeigt beispielsweise unsere Analyse bei den gestiegenen Zahlen bei den ankommenden Gästen bis Ende September, dass es sich nicht, wie es zunächst angenommen, um mehr Freizeit-Touristen handelt. Nach dem EU-Referendum hat es keinen starken Anstieg bei den Touristen-Zahlen gegeben."

Der BHA Travel Monitor weist vielmehr darauf hin, dass die Anzahl der Freizeit-Touristen in den ersten neun Monaten des Jahres beinahe um 400.000 gesunken ist. "Ja, die Zahl der Besucher ist um 700.000 gestiegen", so der Bericht, "aber diese Steigerung ist auf eine Erhöhung bei den Zahlen der Geschäftsreisenden um 3,8 Prozent zurückzuführen und bei Personen, die Freunde oder Verwandte besuchen, um 8,2 Prozent."

Trotz einer Studie von VisitBritain und Zahlen von PricewaterhouseCoopers, die besagen, dass sich 45 Prozent der Briten im nächsten Jahr eher für den Urlaub im eigenen Land entscheiden werden, beschreibt die BHA den Bericht als "verwirrende Erwartungen nach dem Brexit" durch ausländische Touristen, die aufgrund des schwachen Pfunds ins Land strömen. "Ausländische Besucher haben 2016 weniger Zeit in Grossbritannien verbracht", so die Hotellerie-Vereinigung. Trotz allem gehen die britischen Hotellerie-Experten davon aus, dass ihre Buchungs-Zahlen im nächsten Jahr steigen werden. / SD

 

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