Chinesen Lust auf Lokales ITB Hospitality Day 2014 zeigte das veränderte Reiseverhalten aus China

Chinesen: Lust auf Lokales

ITB Hospitality Day 2014 zeigte das veränderte Reiseverhalten aus China

Grosse Zuschauer-Resonanz beim Panel über die 'neuen Chinesen' während der Hotelkonferenz an der ITB 2014, dem 'ITB Hospitality Day'. Moderator Prof. Wolfgang Arlt führt in das Thema ein. Fotos: ostwestfoto

Berlin. "Reisen waren immer schon ein wichtiger Teil des chinesischen Lebens," betonte der Direktor des China Outbound Tourism Research Institute, Professor Dr. Wolfgang Georg Arlt, zum Auftakt der China-Talkrunde am 9. "ITB Hospitality Day" in Berlin. Doch erst seit 2013 unterstützt die chinesische Regierung Outbound-Reisen aktiv. Fanden die Reisen der vergangenen Jahre vorwiegend im eigenen Land statt, verzeichneten die Grenzüberschreitungen inzwischen ein enormes Wachstum. Gleichzeitig stiegen die Ausgaben der Reisenden. "Das Durchschnittsalter chinesischer Millionäre liegt bei 39 Jahren, in Deutschland bei 55", so Arlt. Das bedeutet: Auch junge Reisende verfügen häufig schon über sehr viel Geld. Der typische chinesische Tourist aber existiert nicht mehr. Wolfgang Arlt entlockte seinen Gesprächspartnern auf der Bühne der Hotelkonferenz viele Details über den aktuellen Wandel im Verhalten chinesischer Reisender.

Arlt hat aktuell vier Typen reisender Chinesen identifiziert: den preisbewussten Pauschalreisenden, den Individual-Reisenden, konsum-orientierte Geschäftsleute und reise-erfahrene chinesische Expats gemeinsam mit reiselustigen Studenten. "Geben Sie diesen Chinesen Qualität aus ihrer Sicht!" forderte er die Hotellerie auf. Angetrieben von den in Kürze erwarteten Visa-Erleichterungen werden "sich die Regeln in diesem Spiel erneut ändern," so Arlt.

Für die fünf Prozent der oberen Gesellschaft seien Reisen keine Ferien, sondern – neben Geschäftsreisen – eine Investition in das eigene Prestige und in die Bildung. Etwa 50 Millionen erfahrene Chinesen planten Wiederholungsreisen, 100 Millionen aus Zweit- und Dritt-Städten Chinas warten unterdessen noch auf ihre Erstreise in die Ferne. Die Erstreisenden setzen noch die Akzente bei Shopping und Sehenswürdigkeiten, die Wiederholer präferieren bereits Lifestyle und Erlebnis. In China selbst hätten sich die Luxuseinkäufe im Jahr 2013 bereits halbiert - dies sei ein Indiz dafür, dass diese Einkäufe zunehmend im Ausland getätigt würden.

Yufei Gu, Caissa: Junge Chinesen wollen keine Instant-Nudelsuppe.

Fehlende Zeit durch mehr Service zu Extra-Umsatz machen

"Die chinesischen Gäste erwarten einen Return on Investment bei ihren Reisen", so Arlt weiter. Dies gelte sowohl für die erwarteten Leistungen als auch für die investierte Zeit. Qualität nehme aus chinesischer Sicht einen sehr hohen Stellenwert ein. "Die von den Hotelketten Hilton, Marriott oder IHG eingeführten Programme für chinesische Gäste sind veraltet", sagte der Experte. "Nicht alle Chinesen fürchten die Zahl 4 oder mögen Instantnudeln in den zimmern. Sie wollen auch nicht alle Mai Jong spielen oder Schatten boxen, und sie trinken durchaus auch Alkohol." Hotels, die chinesische Fernsehprogramme anbieten wollten, sollten auch wirklich chinesische nehmen und nicht englischsprachige China-Sender.

Grundsätzlich empfiehlt Arlt der Hotellerie, sich auch beim China-Incoming mehr auf direkte Buchungswege zu konzentrieren und den Gästen dabei möglichst viele Zusatzangebote zu machen. "Chinesen haben Geld, aber keine Zeit. Lassen Sie sich nicht warten!" Gefragt sind Angebote von F&B-Arrangements, die Vermittlung von Shoppingtouren, Unterhaltungsprogramme, ein Concierge-Service… Honeymooners, die besonders gerne nach Europa kämen, würden sich über einen organsierten chinesisch sprechenden Fotografen ebenso freuen wie Eltern, die Universitäten für ihre Sprösslinge aussuchten, über einen Kontakt zu den Hochschulen vor Ort. Mit solchen Extra-Services kann ein Hotel auch Extra-Geld verdienen.

Die neuen chinesischen Individualgäste reisen zudem häufig im Familien- oder Freundeskreis, weshalb flexible Zimmer-Arrangements für kleine Gruppen zur Verfügung stehen sollten. Dabei seien die öffentlichen Bereiche und Lounges wichtiger als die Zimmer selbst. Überall sollten Informationen allerdings auch in chinesischer Sprache ausliegen. "Das Hotel sollte durch sein Angebot selbst zur Destination werden", so Arlt.

Eishotel statt Wasserkocher

Mit Yufei Gu, Manager Hotel Procurement bei der Caissa Touristic AG in Hamburg, kam die Vertreterin eines chinesischen Reiseveranstalters zu Wort, der im vergangenen Jahr bereits seine 20. Geburtstag feierte. Yufei Gu bestätigte, dass die Zahl der chinesischen Individualreisenden zwischen 25 und 40 Jahren sprunghaft ansteige. Sie hätten im Ausland studiert, Europa und die USA seien keine fremden Länder mehr, zudem sei ihnen vieles aus dem Internet bekannt. Was sie an ihren Reisezielen wirklich erwarteten, seien vertiefende Informationen aus der Region und viel Lokales rund um den Standort.

Darren Gearing, Shangri-La: Die Gäste am Airport persönlich begrüssen!

"Die neuen Gäste haben ein wirklich grosses Interesse an Tiefe. Die Tour durch acht Länder an zehn Tagen mit einem kurzen Fotostopp ist auf dem Rückzug", so Gu. "Die Auswahl unserer Hotels erfolgt nach Preis und Lage, hinzu kommen die besonderen Angebote des Hotels. Wo wir früher nach dem Wasserkocher und chinesischem Essen gefragt haben, interessieren uns heute besondere Erlebnisse wie sie Design Hotels bieten oder das Eishotel in Schweden. Ein Hotel kann auch eine Destination sein und eine Geschichte erzählen."

Das Internet dient als Quelle der Vorbereitung, deshalb werden die Zeitpläne der erfahrenen und individuellen Reisenden immer exakter; Hotels abseits der Routen werden nicht mehr gebucht, stattdessen orientieren sich selbst reiche junge Chinesen nach der genannten Entfernung zum City Center oder zur nächsten Metro-Station. Für sie zählt das Erlebnis Metro, obwohl sie sich ein Taxi leisten können.

In den Hotel-Lobbys sieht man junge Chinesen mit ihren Smartphones sitzen: Alle lieben Social Media, laden permanent Fotos hoch, twittern und teilen ihre Reise-Erlebnisse mit ihren Freunden zuhause. So beschreibt Yufei Gu den neuen Reisefokus. Die Konsequenz daraus für den Hotelier lautet: Sein Hotel, seine Marke, seine Kette muss ebenfalls in Social Media auffindbar sein!

Punkten mit Pferderennen in England und Fussball in Spanien

Bestens informiert über die Reisegewohnheiten der besonders anspruchsvollen Chinesen zeigte sich Darren Gearing, Regional Vice President Europe der Shangri-La Hotels & Resorts und gleichzeitig General Manager im Shangri-La London at the Shard. "Wir stehen erst am Anfang eines Trends," schätzt er: In China gibt es allein 35 neue Flughäfen derzeit, die internationalen Flugverbindungen nehmen konstant zu, Privatjets boomen. Immer mehr Leute verdienen Geld und reisen. An chinesischen Feiertagen setzen sich Millionen in Bewegung…

"Ihre Buchungswege verändern sich jeden Monat", sagte Gearing. "Mal buchen diese Gäste direkt, ein anderes Mal über OTAs wie booking.com. Sie reisen mal mit Freunden, mal mit den Kindern."

Als Minimum-Standard für ein Chinesen-freundliches Hotel bezeichnete er Mandarin sprechende Mitarbeiter, ein chinesisches Frühstück und chinesische Speisekarten. Die Hauptzielgruppe aus China in seinem Hotel in London seien kleinere Gruppen und Paare. "In Grossbritannien sehen sie sich am liebsten Pferderennen an", so Gearing. In Frankreich könnte man vermutlich mit dem Besuch einer Champagner-Kellerei punkten. Schliesslich gebe es in China inzwischen zahlreiche Weinkellereien.

"Wenn chinesische HNWIs bei uns buchen, schicken wir einen eigenen Mitarbeiter zum Flughafen, um sie abzuholen. Ein fremder Chauffeur, der ein Namensschild in die Luft hält, genügt nicht." Die Ansprüche an die Hotel-Standards seien hoch, geprägt von den vielen hübschen, nagelneuen Hotels mit 45 qm grossen Zimmern in China. Man erwartet sechs TV-Kanäle und bis zu zwölf Sorten Tee, natürlich serviert im original chinesischen Stil.

Und auch der Shangri-La Manager rät den Hotelgruppen, den Vertrieb in China nicht zu vergessen. Gearing wiederholt Yufei Gus Bemerkung: Social Media sind wichtig, und die Chinesen lieben auch Blogger, von denen einzelne bis zu 25 Millionen Followers haben.

Luis del Olmo, Meliá Hotels: Es geht nur um Kultur und Sprache.

Chinesen sind progressiver und Vorbild für Europäer

Was es bedeutet, den Mega-Markt China zu unterschätzen, beschrieb Luis del Olmo, Executive Vice President Asia Pacific der spanischen Meliá Hotels. Lange Jahre führte man nur ein Hotel in Bali, vor vier Jahren wagte man dann durch Joint Ventures mit nationalen Partnern die gezielte Expansion. "Unsere Lernkurve war hoch," gab der spanische Manager unumwunden zu. Heute hat Meliá 14 Hotels in Betrieb und eine Pipeline für rund 30 Destinationen in China, unter denen Sekundärstädte grösser sind als Barcelona.

Del Olmo überwacht in Asien-Pazifik aber nicht nur die Expansion, sondern trainiert auch Mitarbeiter. "Zwischen dem Spanier in China und dem Chinesen in Spanien gibt es keine Unterschiede," stellte er fest. Alles dreht sich immer nur um Kultur und Sprache. "Egal, wohin man in China kommt, man findet überall englische Beschilderungen und Informationen sowie hilfsbereite Menschen, die Englisch sprechen", beschreibt del Olmo die Chinesen, die er für wesentlich progressiver einschätzt als die Europäer. Westliche Länder sollten sich deshalb bemühen, den Chinesen ihre eigene Kultur auf ähnliche Art zu erschliessen. In Barcelona beispielsweise hätten chinesische Gäste sehr grosses Interesse am Besuch von Fussball-Turnieren.

Zwischen den Aussagen der Caissa-Vertreterin und der etablierten Hotelmanager war nur ein Unterschied festzustellen: Die Hotelgruppen halten oft noch an "alten" Standards fest, von denen die jüngeren Reisenden nichts mehr wissen wollen.

Das Potential im Umgang mit chinesischen Reisenden aber ist für alle riesig, wie im abschliessenden Frage-Antwort-Spiel mit dem ITB-Publikum ersichtlich wurde: Noch, so alle Experten, seien Gäste aus China am häufigsten in 4 Sterne Hotels oder in Luxushäusern anzutreffen. Mit der wachsenden Reise-Intensität erfahrener junger Chinesen aber dürften künftig durchaus auch Budget-Hotels und Bed & Breakfast-Konzepte in Frage kommen. Vor allem letztere verkörpern Lokal-Kultur und Authentizität. / Susanne Stauss

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