Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen

Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen

"Healthcare meets Tourism": Konzept entscheidet über Immobilientyp

München. Die Grenzen vom Hotel mit medizinischem Angebot über die Privatklinik mit Hotelstandards bis zur öffentlichen Klinik mit Hospitality Services fliessen. Je stärker man sich in den medizinischen Bereich hinein bewegt, umso teurer wird das Investment. Acht verschiedene Gesundheitstypen identifizierte Siemens Hospitality One in einer Studie, aus der sie während des Symposiums “Healthcare meets Tourism” in München vor zwei Wochen zitierte. Fallstudien zweier erfolgreicher Gesundheitshotels zeigten, wie man das Angebot in dieser jungen Nische zuspitzen muss. Investoren aber geben sich noch zurückhaltend: Der Markt ist noch nicht transparent genug - das Potential unterdessen riesig.

Die Hospitality-Division innerhalb des Siemens-Konzerns hat mit der Hotelfachschule Lausanne eine Studie initiiert, um selbst das Potential in diesem neu erwachenden Gesundheits(immobilien)markt abzuchecken. Danach kristallisieren sich, wie Andreas Osthushenrich, Vice President Operations Manager bei Siemens One Hospitality erläuterte, acht Immobilien- und Konzept-Typen heraus:

1. Hotels mit medizinischen Services

2. Medical Spas

3. Gesundheitsresorts und Hotels mit integrierten medizinischen Dienstleistungen und Einrichtungen

4. Privatkliniken mit Hotel-Standards

5. Patientenhotels

6. Privatkliniken ohne Notfall-Aufnahme

7. Privatkliniken mit Notfall-Aufnahme

8. Öffentliche Kliniken mit einigen Hospitality Services

“Mit den Typen 3 und 4 wechseln die Investoren die Seite,” so Osthushenrich, “dann wandern sie vom Hotel zur Gesundheitsbranche.” Ein Ländervergleich innerhalb der Studie hat gezeigt: Deutschland, Österreich und die Schweiz sind am stärksten präsent bei Medical Services.

Je stärker sich - von Typ 1 bis 8 - die Anforderungen durch das Konzept ändern, umso exakter muss die Immobilie von Anfang an geplant werden. “In puncto Energie können Investoren wie Betreiber beispielsweise gemeinsam sparen durch die ''gemeinsame'' Infrastruktur,” so Osthushenrich, “bei der IT aber sind die Vorgaben zur Datensicherheit in der Medizin weitaus höher als in einem Hotel.” Äusserst kostenintensiv wird es dann beim Thema Sicherheit, vor allem in Kliniken. “Wer in Gesundheitsimmobilien denkt, muss die Technikabläufe in einem Gebäude bis zum ''worst case'' vordenken - bis zu dem Punkt, ob die Immobilie später wieder rückgebaut werden kann.”

Der Gesundheitsgast bucht Medizin

Während die einen noch analysieren und kalkulieren, wächst auf der Nachfrage-Seite bereits der Druck. "Der Paradigmen-Wechsel im Health Care-Markt ist längst da," behaupten Matthias Buchholz, auf Gesundheit spezialisierter Berater bei Kohl & Partner, und Martin Schaffer, Geschäftsführer des Kohl & Partner-Büros in Wien. "Der Gast/Patient ist bereits König. Dieser Markt ist inzwischen ein Nachfrager-Markt." Die Treiber dieser Entwicklung sind bekannt: die demographische Entwicklung, das Gesundheitssystem wird zunehmend privatisiert, Sozialversicherungen erstatten weniger, die Gäste/Patienten entwickeln ein immer feineres Gefühl für medizinische Qualität und Preis, woraus sich ein intensiverer Gesundheits- und Medizintourismus entwickelt….

"Der Wellness-Gast bucht die Erholung, der Gesundheitsgast Medizin," so die beiden Berater. Für sie sind Patienten-/Klinikhotels die Übergangslösung im aktuellen Strukturwandel. Sie fangen Patienten in Genesung auf und verkürzen so Aufenthaltsdauer und -kosten im Krankenhaus. Schaffer und Buchholz aber warnen: "Patientenhotels zu entwickeln ist wesentlich komplexer als Hotels!" Allein die rechtliche Klassifizierung verändert schon die Anforderungen in Bauweise, Technik, Personal. "Das kann im Vergleich zu einem Hotel die Investitionskosten pro Zimmer verdoppeln," so Buchholz.

Die Zukunft: Ältere Gesundheitsgäste suchen mehr persönliche Betreuung und Unterhaltung.Foto: Regena

Ohne Hotel-Ambiente kein Erfolg

Erfolg hat, wer die Schnittstelle zwischen Krank und Gesund verschmelzen lässt: Patienten-/Klinikhotels müssen ein Ambiente wie im Hotel schaffen, ihre Berufsbilder in puncto Service und Präzision anpassen, sich gemeinsam vermarkten. "Solche Konzepte funktionieren nach unserer Erfahrung nur im einem 30- bis 50minütigen Radius um einen internationalen Flughafen," sagte Schaffer. Grund dafür ist die schnelle Reaktionszeit, die unter Umständen bei Operationen geboten ist.

Bei Pflegehotels hingegen reicht es aus, an Standorten mit grossem Einzugsgebiet und günstiger Verkehrsverbindung präsent zu sein. Dieses Konzept benötigt qualifiziertes Hotel- und Pflege-Fachpersonal, einen rund um die Uhr erreichbaren Arzt und ebenso das echte Hotel-Ambiente. Hier ist nicht nur die Zusammenarbeit mit dem Investor angesagt, sondern auch eine fruchtbringende Kooperation mit der Gemeinde: Pflegehotels benötigen zielgruppen-angepasste Freizeit-Angebote. Martin Schaffer fasste zusammen: "All diese Faktoren besagen aber nicht, dass es sich immer um 5 Sterne-Produkte handeln muss! Egal welches Segment man besetzt, das Produkt muss immer top sein!"

Im Symposium "Healthcare meets Tourism" stellten Teilnehmer die Frage, warum überhaupt neue Gesundheitsimmobilien gebaut werden müssten. Schliesslich gäbe es in Deutschland wie Österreich einen schwindelerregenden Überschuss an Krankenhäusern. Warum diese also nicht umnutzen? Das wird vermutlich nicht so schnell umzusetzen sein, da diese Denkweise ein Umdenken im Gesundheits- und Politik-System erfordert.

Fallstudien: Glasklare Profile und Themen-Pakete

Bis dahin haben die Pioniere der Gesundheitskonzepte und -immobilien gute Chancen, Geld zu verdienen. Zwei Fallbeispiele bestätigten dies: das Regena Gesundheitsresort in Bad Brückenau und das Hotel meersinn artepuri in Binz auf der Insel Rügen. Das Privathotel Regena ist seit 37 Jahren in dieses Segment hinein gewachsen. Heute bieten fünf Ärzte Angebote aus Schulmedizin und Naturheilkunde, die von zwei Zielgruppen genutzt werden: den 45jährigen, die sich mehrmals im Jahr 4,5 Tage zu Wellness und Prävention einbuchen, und den 65jährigen, die gezielt eine intensive persönliche Betreuung plus Entertainment suchen. Als Säule des Regena-Erfolgs sieht Direktor Joachim Hunger die glasklare Profilierung und den Verzicht auf "Nonsense Treatments".

Nach vier Jahren hat das meersinn artepuri in Binz auf Rügen seinen Break Even erreicht, berichtet Dr. med. Alex Witasek, der ärztliche Leiter im Hause, der - vom legendären Lanserhof in Österreich kommend - an der deutschen Ostsee seine eigene Variante von FX Mayr und Prävention gestalten wollte. Durchschnittlich 11 Tage bleibt der artepuri-Gast und investiert täglich 150 bis 200 Euro in Anwendungen. Er bucht immer "Themen-Pakete", keine Einzelleistungen. "Das funktioniert nicht," so Witasek.

Den richtigen Zeitpunkt nicht verpassen

Wer sich in das Thema Gesundheitsimmobilie hinein denkt, wird beim Konzept beginnen müssen. Denn Konzept und Zielgruppe entscheiden über Standort, Räumlichkeiten, Ausstattung und Personalkosten. Angesichts der sich erst aufbauenden Nachfrage im Markt bleibt momentan noch Zeit, sich intensiv mit dem Thema zu befassen. Es gilt, den richtigen Zeitpunkt abzupassen: Wer zu lange mit Investitionen wartet, könnte von der plötzlich stark einsetzenden Nachfrage überrollt werden und dann - im Zwang, noch von der Welle profitieren zu wollen - teure Fehler machen. So war es schon beim Thema Wellness.

Kohl & Partner, inhaltlicher Initiator dieses 1. Symposiums über Gesundheitsimmobilien in Deutschland, wird nach dem erfolgreichen Auftakt in München und vorher in Wien und Salzburg die Workshops in Österreich und Deutschland fortsetzen - mit neuen, erweiterten Akzenten. / Maria Pütz-Willems

 

9.7.2010 Sensibilisieren für einen neuen Markt - "Health Care meets Tourism" Workshop: Tourismus-/Kurorte sind ideal

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