Der Mangel an Erlebnis ist schuld Expo Real Diskussion kritisierte Airbnb und Hotels scharf Teil 2
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Der Mangel an Erlebnis ist schuld

Expo Real-Diskussion kritisierte Airbnb und Hotels scharf (Teil 2)

Mit solchen Daten-Karten versucht InsideAirbnb Transparenz in die Strategie von Airbnb zu bringen, hier am Beispiel von Paris, dem grössten Markt des Unternehmens ausserhalb der USA.

München. Solange Städte ihren Wohnungsmarkt nicht genau kennen und damit Veränderungen durch Wohnungsvermittlungs-Plattformen wie Airbnb & Co. Registrieren, haben diese P2P-Anbieter leichtes Spiel. In München beispielsweise nutzen auch noch Medizin-Touristen Plattformen wie Airbnb. Die Städte kämpfen zudem noch mit ihren eigenen Bestimmungen: Deshalb spüren Projekt-Entwickler den Schatten von Airbnb & Co sogar schon in Genehmigungsverfahren von Hotels und Serviced Apartments. Und der Hotellerie, vor allem der Ketten-Hotellerie, zeigt das Phänomen, wie weit sich die Branche von ihrem Kern – der Gastfreundschaft – entfernt hat. Teil 2 unserer Zusammenfassung von der hochkarätig besetzten Diskussionsrunde an der Expo Real-Hotelkonferenz "Hospitality Industry Dialogue" vor zwei Wochen.

Jeroen A. Oskam sah die Plattformen kritisch. Mittels eines Delphi-Panels versuchte der niederländische Professor mehr Transparenz in den P2P-Dickicht zu bringen. Im Fokus: Amsterdam. Schnell mussten er und sein Team bei den Forschungen feststellen, dass es kaum Infos und Kenntnisse über das Thema gab. Die einzigen Zahlen, die vorlagen, waren die von Murray Cox von InsideAirbnb. Und man entdeckte auch den kommerziellen Aspekt von Airbnb. Dann schloss man sich mit dem Beratungsunternehmen Colliers International Real Estate zusammen und erstellte eine Studie über die Auswirkungen der Plattform für wichtige Städte.

"Angefangen haben wir mit Amsterdam, nun arbeiten wir an London, Berlin und Madrid", sagt Oskam. Seine Zahlen rüttelten auf. Für die mangelnde Transparenz von Airbnb hatte er drei Erklärungen: Zum einen wolle man so eine Regulierung diese Graumarktes natürlich verhindern, zum anderen gehe es ganz klar um Daten. Airbnb wolle mehr über die Reisenden wissen als die Hotels. Als dritten Punkt führte er das Marketing auf. Airbnb würden deshalb auch eigene Studien veröffentlichen, doch seien sie ohne wirklich konkrete Daten. Und auch mit einem recht vorhersehbarem Ergebnis: Airbnb sei positiv für die Städte.

Fünf von sechs Diskutanten: Reiner Nittka, Vorstand der GBI AG, Berlin; Murray Cox, Gründer der kritischen InsideAirbnb.com Plattform, New York; Jeroen A. Oskamp, Director Research Centre der HotelSchool The Hague; Dr. Stefan Brauckmann, Direktor des Moses Mendelsohn Institut, Hamburg; Christian Müller, Sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat der Stadt München. 

Genau dieses Argument habe man mit der Studie hinterfragt, so Oskam. "Wir stützen uns dazu auf zwei Datenpools. Der erste waren die Wohnungsangebote: 18.000 in Amsterdam und 91.000 Wohnungen in London, von denen 55.000 aktiv waren." Dazu kamen als zweiter Pool die täglichen Transaktionen. "Zuerst wollten wir den Marktanteil herausfinden," so Oskam weiter, dabei bleibe natürlich eine Grauzone, da man nicht wisse, wie viele Personen in einem Airbnb-Apartment wohnen würden. In Amsterdam lag der Marktanteil bei 10%. In London, Berlin und Madrid war er höher, da dort noch ein grosse Inlandsnachfrage hinzukam, die in den Niederlanden aufgrund der Landesgrösse wegfiel.

Interessant auch Oskams Ausführungen zum Airbnb-Umsatz: 110 Millionen USD allein in Amsterdam. Den durchschnittlichen Umsatz eines Airbnb-Gastgebers gab Oskam mit 6.500 USD an. Die Belegungsquoten seien natürlich niedriger als in den Hotels, weil man ja nicht immer alle Wohnungen auf den Markt geben könne und es Deckelungen gäbe, so Oskam.

Airbnb-Marketing durch Zahlen widerlegt

Der kommerzielle Aspekt deckt sich bei Oskam mit Cox' Erhebungen: 85% der vermieteten Objekte waren ganze Wohnungen. "Mehrfach-Vermietungen teilten wir in zwei Gruppen, diejenigen mit zwei Wohnungen, solche mit drei bis zehn Wohnungen und dann als dritte Kategorie, all jene mit mehr als zehn Wohnungen." In London und Amsterdam gab es Anbieter mit hunderten Wohnungen. "Das können dann auch Management-Gesellschaften sein", erklärte Oskam. Rund ein Drittel der Anbieter seien "Multi-Lister". Das Airbnb-Argument der Einzel-Vermietungen sei damit widerlegt. "Wir haben auch untersucht, wo die Vermietungen liegen, da Airbnb immer sagt, es wäre über die ganze Stadt verteilt." Aber das gaben die Zahlen nicht her. In allen Städten gab es eine massive Konzentration in den Stadtzentren und auch in nahegelegenen Wohngegenden.

Kommunen und Städte wehren sich zunehmend

Berlin gilt als Vorreiter im Widerstand. Mit dem gesetzlich verordneten Zweckentfremdungsverbot schob die Spreestadt dem Vermietungs-Wildwuchs einen Riegel vor. Das Gesetz verbietet die gewerbliche Vermietung von Berliner Wohnungen an Touristen, wenn diese nicht ausdrücklich genehmigt ist. Frankfurt zog nach und verschärfte die Bestimmungen. Baurechtlich genehmigter Wohnraum darf nicht mehr in Büroräume oder Ferienwohnungen umgewandelt werden. Damit nimmt die Stadt bundesweit eine Vorreiter-Position ein. Das Bauaufsichtsamt durchforstet systematisch die Mitwohnportale und versucht dauerhaft angebotenen Ferienquartieren auf die Schliche zu kommen. Ähnlich strikt sind auch New York und Barcelona.

Marktforscher Dr. Stefan Brauckmann für Deutschland und Dr. Jeroen Oskam für Europa.

München: David gegen Goliath

Christian Müller, Sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Stadtrat der Stadt München, machte in der Diskussionsrunde vor allem die Probleme aus Sicht der Kommunen deutlich. In München taucht zudem noch ein ganz spezielles Phänomen auf – der Medizin-Tourismus mit Wohnungs-Nachfragern vor allem aus dem Mittleren Osten. Das verschärfe den extrem angespannten Mietmarkt zusätzlich.

In Zahlen: 1.000 Wohnungen seien, so Müller, komplett zweckentfremdet. 300 kommen durch den Medizin-Tourismus noch dazu. Eine rechtliche Handhabe wie in Berlin und Hamburg fehle in München noch. Man müsse mit einem veralteten Gesetz leben. Inzwischen seien die Toleranz-Grenzen für viele Nachbarn solcher Wohnungen überschritten: steigende Abfälle, grosse Lautstärke und eine durch zunehmendes Misstrauen geprägte Mieterschaft lassen die Stadt aufhorchen. Anonyme Meldungen wie beim Berliner Modell habe man in München nicht. Doch das Wohnungsamt wird oft fündig.

Dennoch sei das Tun der Münchner Sonderermittlungsgruppe eher ein Kampf von David gegen Goliath. Er appellierte daher an die Länder, endlich diesbezüglich Gesetze zu erlassen; darauf würden viele Kommunen hoffen. "Es ist wichtig, dass reguliert wird", so sein eindringlicher Appell. Doch mit fünf bis sechs Jahren sei der Zeit-Horizont zu lange. Er hofft auf Urteile und die Öffentlichkeit. Wenn die erst einmal gefällt seien, hätten sie sicher eine abschreckende Wirkung.

Dem stimmte Reiner Nittka, Vorstand der GBI AG Berlin, zu. Eine Frist für die Meldung zur Vermietung müsse gesetzlich umgesetzt werden. Kritisch sehe er allerdings die anonyme Meldung. "Wirksam ist sie aber schon", fügte der Immobilien-Experte an. Airbnb habe in Berlin eine Aktion zur Adress-Bereinigung durchgeführt. Der Schluss liege nahe, dass dabei die Vermieter ohne Genehmigung herausfielen.

Nittka appellierte auch an die Hotelverbände, endlich mehr Druck zu machen, schliesslich umgeht P2P die hohen Auflagen, die das Hotelgewerbe z.B. beim Brandschutz zu erfüllen habe. Nittka befasst sich lange schon mit dem Thema. Seine Recherche-Abteilung fand heraus, dass letztes Jahr bundesweit 14,6 Millionen Übernachtungen in Privatunterkünften stattfanden, jeder elfte Städte-Reisende schläft inzwischen nicht mehr im Hotel, sondern im Privatquartier. Mehr als zehn Millionen sogenannter Graumarkt-Übernachtungen fanden allein in den vier Millionenstädten Berlin, München, Hamburg und Köln statt.

Projekt-Entwickler Reiner Nittka, GBI, hatte überraschende Diskussionen mit städtischen Behörden.

Longstay-Hotel oder
Airbnb-Unterkunft?

Die entgangenen Gewerbesteuern und das mangelnde Gemeinwesen monierte Müller besonders. Man arbeite bei der Bekämpfung illegaler Ferienwohnungen eng mit dem Hotel- und Gaststätten-Verband zusammen. In Berlin greife man schneller und härter durch, so Nittka. Alle Bezirksämter hätten Anweisung, genau zu prüfen, ob ein Hotel ein Hotel sei, oder ein Longstay mit Kitchenette, ob es einen ausreichenden Frühstücksbereich gäbe. Gebe es Zweifel, sei sofort ein Sachbearbeiter vor Ort. Hier schlage das Pendel in die andere Richtung aus. Als Projektentwickler-Sicht führe die stärkere Regulierung auch dazu, dass hinter jedem Baum ein Räuber gesehen werde. Es gebe inzwischen inoffizielle Anweisungen der Stadt an die Bezirksämter, bei denen die Bauanträge eingereicht werden, sehr genau zu prüfen, ob ein Hotel ein Hotel ist. Und das sei eigentlich ganz einfach. Man reiche einen Baunutzungsantrag für einen Beherbergungsbetrieb ein.

Doch es kann auch schnell problematisch werden: "Wenn Sie dann aber wie wir so genannte Serviced Apartments, also Longstay, haben und Zimmer mit Kochzeile, nur einen kleinen Frühstücksraum und keine Busvorfahrt wie ein Business-Hotel, dann haben Sie sofort den Sachbearbeiter auf der Matte", plaudert Nittka aus dem Nähkästchen. Und dieser halt ihm entgegen: Dieses Konzept sei verkapptes Wohnen.

In der Argumentation würden einfach bestimmte Aspekte herausgezogen, die man eigentlich einer Wohnnutzung zuschreibe. Und so schlage eine gute Intention sehr schnell in eine Mutmassung um, so Nittka weiter. Diese berühmten amtsinternen Anweisungen seien schwierig zu handhaben, da man keine Zugriffsmöglichkeiten darauf habe, man bekomme sie ja nur indirekt mit, so seine Kritik an der Politik. Die Folge: Die Projekt-Bewilligung sei dadurch zwar nicht direkt gescheitert, aber deutlich in die Länge gezogen worden.

Airbnb zuckt bei Veröffentlichungen

Grundsätzlich halte er das Berliner Vorgehen aber für richtig, so Nittka. Er habe am eigenen Leib gemerkt, wie nervös jemand werden kann, wenn regulatorische Massnahmen angesetzt werden. Die Untersuchungen der Moses Mendelsohn Stiftung seien ungefähr zeitgleich mit dem Gesetzgebungsverfahren in die Presse gekommen, kurz bevor die Meldefrist von Besitzern und Mietern der Wohnung abgelaufen ist.

Man glaube gar nicht, wie schnell man tatsächlich Kontakt zu der Pressestelle mit Airbnb bekommen könne, sagte er mit einem Augenzwinkern zu Murray Cox und Jeroen A. Oskam. Airbnb wollte in der heissen Phase des politischen Prozesses natürlich keine Meldungen, dass die Werte noch deutlich über jenen lagen, die die Verantwortlichen geschätzt hatten. Das zeige ganz klar, dass es einen Zusammenhang gebe zwischen öffentlicher Wahrnehmung und Gesetzgebungsverfahren. Eine gewisse politische und gesetzgeberische Aktivität führe, da ist sich Nittka sicher, in jedem Fall dazu, dass einige, die es einfach so gemacht hätten, weil es alle machen, wegfielen.

Doch auch die Gegenseite macht mobil. Die Airbnb-Vermieter laufen gegen die gesetzliche Regulierung Sturm. Gerichte sehen die Graumarkt-Vermietung offensichtlich aber auch skeptisch. Vier gewerbliche Anbieter scheiterten kürzlich mit den ersten Klagen gegen das umstrittene Zweckentfremdungsverbot. Den Diskussionen ist also kein Ende gesetzt.

Peter Norman von Hyatt Hotels fand kritische Worte für die eigene Branche, die ihre Authentizität verloren hat.

Hotellerie zu weit weg
von ihren Wuzeln

Jeroen Oskam wies noch einmal auf das extrem clevere Marketing von Airbnb hin: 40% der User gehe es um das authentische Erlebnis, der Mehrheit aber um niedrige Kosten und greifbare Assets… Das konnte P Peter Norman, Senior Vice President Acquisitions & Development bei Hyatt Hotels, nur unterstreichen: Airbnb ziele auf das lokale Erlebnis in hochpreisigen Erlebnis-Zonen, wo die Eintrittsbarriere selbst für Hotels hoch sei. Weil Airbnb aber genau dort preisgünstige Übernachtungen biete, würde sich auch dort die Suche nach dem Leben in der Nachbarschaft abspielen… "Darunter werden die Bed&Breakfasts, Ferienwohnungen und Serviced Apartments leiden," wies er explizit hin – so lange wie es keine Regulierungen gäbe. Der Wettbewerb zwischen der Hotellerie und den P2P-Plattformen werde sich mit der Zeit immer stärker von Low Budget auf Mid- und Upscale verlagern – "und für uns wird es noch interessanter zu sehen sein, wie sich die Situation zwischen Airbnb und den OTAs entwickelt," fügte Peter Norman hinzu.

Hyatt hatte 2014 zwölf Prozent an der P2P-Plattform Onefinestay erworben, sich über ein Jahr lang neugierig mit den Arbeitsmethoden und Erfahrungen dieses Airbnb-Luxus-Klons auseinandergesetzt. Danach verkauften die Shareholder die Plattform für 148 Millionen Euro an AccorHotels weiter – ein profitabler Zug, wie Norman schmunzelte. Was hat Hyatt von Onefinestay gelernt?

"Authentisches zu bieten, ist nicht Neues," erläuterte Peter Norman abschliessend, "aber wir sahen dieses unglaubliche Wachstum von Airbnb. Und das geht zurück auf die Digitalisierung und auf den leichten Zugang, den User zu diesen Unterkünften haben. "Wir sollten die Touristen bei uns ihre authentische Erfahrung machen lassen. Wir müssen wieder zu den Hospitality-Wurzeln zurückkehren und die Uniformität verlassen", so seine klare und selbstkritische Forderung an die eigene Branche. Das Phänomen Airbnb könnte sogar noch eine heilende Wirkung haben… Zu lange hätte man mit immer den gleichen Produkten an allen Standorten gearbeitet und alles uniformiert – was letztlich zu einem Mangel an Erlebnis geführt habe… / Beatrix Boutonnet

Das 80minütige Panel des "Hospitality Industry Dialogue", der Hotel-Konferenz der Expo Real 2016, können Sie sich in der Live-Aufzeichnung auf YouTube anschauen.

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München. Auf Plattformen wie Airbnb sollen eigentlich private Wohnungen zwischenvermietet werden. Die Auswertung des Mathematikers und Computer-Spezialisten Murray Cox in 50 Grossstädten weltweit legt anderes nahe. Leidtragende könnten durch die immer stärkere Gentrifizierung der Viertel bald nicht nur die normalen Mieter sein, sondern auch die Hotellerie, sobald die Boom-Zeiten vorbei sind. Kein Wunder also, dass an der Expo Real-Hotelkonferenz letzten Dienstag die Diskussionsrunde "Airbnb & Co.: Die Liebe der neuen P2P Plattformen zum Hospitality- und Wohnungsmarkt" auf extrem hohes Zuhörer-Interesse stiess. Viele Vertreter der Wohnungswirtschaft, der Stadtplanung und Hotellerie folgten den Ausführungen des hochrangig besetzten Panels sehr genau. Lediglich die, um die es eigentlich ging, glänzten durch Abwesenheit.

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