Der Return ist ein anderer Eine Eigenmarke kostet enorm viel Weshalb machen Hoteliers es trotzdem
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Der Return ist ein anderer

Eine Eigenmarke kostet enorm viel: Weshalb machen Hoteliers es trotzdem?

Rilano Hotels: Die eigene Marke war der richtige Weg!

Wiesbaden. Die Marken-Flut ebbt einfach nicht ab. Ketten stampfen im Jahrestakt neue aus dem Boden, doch auch Reiseveranstalter ziehen in jüngster Zeit stark nach. Und: Die Zahl der jungen, innovativeren Privat-Hoteliers, die eine eigene Marke kreieren, wächst auch. Sie wollen sich schlicht vom Mainstream abheben – um Marke und Konzept im Glücksfall vielleicht später gut verkaufen zu können, so wie es in diesem Jahr prizeotel und 25hours gezeigt haben. Um so weit zu kommen, bedarf es jeder Menge Herzblut, unendlich viel Engagement und viel Geld. Lohnt sich der Aufbau einer eigenen Eigenmarke wirklich? Weshalb klammern Hoteliers an ihrer Marke? Susanne Stauss fragte Ruby und Rilano Hotels, Vienna House, die gerade im Aufbau befindlichen Gambino Hotels und die junge deutsche Resort-Marke Arborea – deutsche und österreichische Unternehmen. Deutsche sind bekannt fürs Klammern.

Er setzt hundertprozentig auf Eigenmarke: Michael Struck, Gründer und CEO der Ruby Hotels & Resorts mit Sitz in München. Jahrelang hat er im stillen Kämmerlein am "Lean Luxury"-Konzept gefeilt, bevor es an die Öffentlichkeit ging. Erfahrung mit Lifestyle- und Design-Marke hatte er bei Arabella(Starwood), Kameha Grand und Dormero gesammelt. Das half beim Konzipieren von Ruby: einem schicken Zimmer-Produkt, das nur wenig Raum benötigt und dessen modulares Design auf jeden Grundriss eingehen kann; zusätzlich hilft reduzierter Service weiter Kosten einsparen….

Trotzdem dachte Struck durchaus über den Anschluss an eine Soft Brand nach. "Ich habe Gespräche mit MGallery und Autograph geführt, kam aber sehr schnell zu dem Schluss, dass unser Konzept eine eigene Marke benötigt, um seine Einzigartigkeit nach aussen zu kommunizieren", sagt er. "Die Soft Brands, so soft sie auch sind, haben doch alle standardisierte Anforderungen. Wir bieten unserer Zielgruppe über unsere Marke aber eine echte Identifikationsmöglichkeit. Wir bieten auch Leistungen, die über funktionelle Ansprüche hinausgehen. Wir schaffen mit Ruby einen emotionalen Mehrwert", so der CEO.

Deshalb ist die Ruby-Markenwelt bunt und individuell: vom Verhalten der Mitarbeiter über Musik, Düfte oder die Pflegeprodukte auf den Zimmern. Auch nach dem Verlassen des Hauses bleibe der Gast Teil der Ruby-Community. "Wir betreiben dafür auch einen grossen Social Media-Aufwand", sagt Struck. Mit dieser Vorgehensweise habe man sehr schnell eine gute Auslastung und sehr gute Raten erzielt. "Wir haben eine sehr hohe Empfehlungsrate, die Leute haben unseren Mehrwert verstanden", freut er sich. Eine Empfehlung habe beispielsweise geheissen: "Es sollte mehr Ruby geben".

Struck macht keinen Hehl daraus, dass eine Eigenmarke und deren erfolgreiche Selbstvermarktung Geld kosten. "Das ist nicht billiger als der Anschluss an ein System, aber der Return ist höher und nachhaltiger", argumentiert er. Im Fall Ruby fliesse viel Geld in den eigenen Blog, in Rubys Radio-Station, in Social Media-Kanäle und die strikte Umsetzung des Konzepts. "Wir investieren sehr viel in unsere Hotels und dass sie das verkörpern, wofür wir stehen."

Ruby Hotels: die eigene Story schreiben! Zum Beispiel mit Design und Musik.

Kosten sind nicht das Haupt-Argument

Als grossen Vorteil empfinde er, dass seine Marke ihm gehöre und er somit auch stets selbst entscheiden könne, was er tue. In Zahlen ausgedrückt kann sich der Erfolg der Marke Ruby sehen lassen. "Unser RevPAR in Wien hat sich im 4 Sterne-Bereich etabliert, in der Ruby Sophie (Red: dem ersten Haus der Gruppe) haben wir eine Wiederholungsrate bei den Gästen von 33 Prozent", freut sich Struck über die Resonanz. Die Direktbuchungsrate liege bei 55 Prozent. "Das ist ein Teil unserer Philosophie, wir machen alle Gäste, die im Haus sind, über verschiedene Kanäle auf die Direktbuchungen aufmerksam." Stolz ist Struck auch auf die Resonanz auf den Ruby-Newsletter, der eine Öffnungsrate von rund 56% nachweise – im Schnitt würden Newsletter nur zu 5% geöffnet.

Als Pluspunkt der Soft Brands nennt Struck deren Reichweite im Vertrieb, vor allem beim Firmenkunden-Geschäft. B2B-Kunden zu erreichen, sei für eine junge Marke schwierig; diese Firmen würden einen Vertrag mit einem grossen Player vorziehen. "Ich wusste aber von Anfang an, was die Soft Brand kostet und konnte alle Kosten gegenüberstellen. Letztendlich wollte ich mich aber einfach nicht einer fremden Marke ausliefern."

Die – auch beim Marriott-Starwood-Deal stets ins Spiel gebrachte – Macht und Bedeutung der Loyalty Programme hält Struck für eher übertrieben. "Da muss man schon genau hinsehen, wer tatsächlich ein Hotel wegen des Loyalty Programms bucht und wie viele solcher Karten ein Kunde in der Tasche hat." Nichtsdestotrotz werde auch Ruby ein Member-Programm einführen.

Dass Ruby mit seiner Eigenmarke den richtigen Weg eingeschlagen hat, unterstreicht die zügige Expansion. Zweieinhalb Jahre nach der Eröffnung des ersten Hotels sind zehn Hotels in den deutschsprachigen Ländern eröffnet oder in trockenen Tüchern, weitere Projekte, auch aus dem deutschsprachigen Raum hinaus, stehen ins Haus. Und dabei hat die junge Gruppe bereits namhafte institutionelle Anleger mit im Boot.

Eigenmarke erlaubt andere Strategie

Rupert Simoner, Vienna House: Eine starke Marke stärkt alles.

Vor elf Monaten krempelte Rupert Simoner Vienna International um: Als erstes ersetzte er den farblosen Marken-Namen durch das lifestyligere "Vienna House". Fesch klingt's, obwohl sich nur eines von zwei Wörtern verändert hat. Der CEO erklärt: "Zum einen kann ich mit einer Marke eigene Kern-Werte definieren. Zum anderen kann ich das Unternehmen aus Investitionsgesichtspunkten durch den Bereich Research & Development weiterentwickeln. Das heisst, wir arbeiten an neuen Services, die den Marken-Aufbau beeinflussen und auf das abzielen, was den Wert einer Marke für unsere Kunden bestimmt. Dies wird uns in 2017 und 2018 stark vorantreiben."

Man habe sich im Unternehmen sehr intensiv damit beschäftigt, wer man sein wolle und den Wettbewerb unter die Lupe genommen. Anschliessend wurden Abläufe und Prozesse konsequent aus Gast-Sicht bewertet und neu aufgesetzt. "Es geht uns um das echte, aber auch innovative Gastgebertum, das Herz der Hotellerie, und nicht um den unglaublichen 'fancy lifestyle', der eigentlich schon überholt ist, wenn das Haus eröffnet", so Simoner. Schlussendlich sei eine starke Marke ein Garant für die richtigen Partner, für wirtschaftliches Wachstum durch bessere Raten und höhere Auslastung.

Eine eigene, starke Marke mache eine Gruppe zudem für Mitarbeiter interessant. Vienna House wollte ein anderes "Employer Branding" definieren. Jeder Eckpunkt – sei es vom ersten Eindruck bis hin zur Einstellung, während der Arbeit, innerhalb von Weiterentwicklungs- und Förderungsmöglichkeiten und mehr – ist heute entsprechend des Kernwerts neu aufgesetzt. "Das kann ich innerhalb einer grossen Ketten-Architektur nicht umsetzen", meint Simoner. In den Positionierungsprozess von Vienna House flossen zirka 2,5 Millionen Euro, die jährlichen Investitionen in diesem Bereich liegen bei etwa drei bis vier Prozent des Umsatzes.

"Unsere – noch – kleine Grösse ermöglicht es uns, wesentlich flexibler und vor allem schneller Trends zu setzen und Veränderungen durchzuführen. Ich möchte keinen schweren Tanker lenken, sondern ein modernes Segelboot, das sich den Veränderungen umgehend anpasst", so Simoner.

Die Stärkung der Eigenmarke schliesst bei Vienna House aber auch nicht aus, wenn man bei einzelnen Betrieben eine starke, internationale Marke nutzt. Was wenige wissen: "Wir leiten ein Haus in Minsk unter einem Marriott-Franchise. Weitere Betriebe über den Franchiseweg können wir uns durchaus vorstellen. Dies ist eine rein betriebswirtschafte Entscheidung – und hat nichts mit der Marke Vienna House zu tun, die immer den eigenen Kern-Werten folgt", zieht Simoner die Trennlinie.

"Die grossen Marken glauben ja selbst nicht mehr an sich"

München ist – neben Ruby – auch die Keimzelle der beiden Hotelmarken Rilano und Gambino Hotels. Als der frühere ArabellaStarwood-Manager Holger Behrens 2009 über die Gründung einer Hotelgruppe nachdachte, rieten ihm viele von einer eigenen Marke ab. 2011 ging Rilano Hotels & Resorts mit grossem Idealismus, langjähriger Erfahrung, Gespür für Trends und einer ungebrochenen Leidenschaft für Hotels an den Start. "Heute bin ich jeden Tag mehr davon überzeugt, dass der Schritt zur Eigenmarke richtig war", sagt Behrens. "Die grossen Marken glauben ja selbst nicht mehr an sich, sonst würden sie nicht ständig weitere Marken entwickeln oder kaufen."

Holger Behrens, Rilano: Der Anschluss an eine Marke rechnet sich nicht.

Behrens kennt die Vorteile eines Marken-Anschlusses: "Dadurch werden in der Regel fünf bis zehn Prozent der Belegung und eine um zehn Prozent höhere Rate generiert", sagt er. Die Zielgruppe der Marken-Bucher sei als finanzkräftig bekannt. "Aber die Kosten für einen Anschluss heben die Vorteile wieder auf."

Rilano vermarktet sich über Firmenkunden-Verträge, OTAs und die eigene Webseite. Hinzu kommt der Anschluss an die Kooperation Worldhotels. "Auch hier muss man immer hinterher sein, damit man vom Geschäft etwas abbekommt", erklärt der CEO. "Das ist wie bei den Küken im Vogelnest, wer am lautesten schreit, bekommt den Wurm." Den Anschluss an Worldhotels hinterfrage er regelmässig. "Als kleine Gruppe war es aber genau die richtige Entscheidung", sagt er. Habe man als Marke irgendwann eine kritische Grösse erreicht, sei auch ein Austritt möglich.

Derzeit versammeln sich unter der Marke Rilano sechs Hotels, drei davon in München und je eines in Hamburg, Kleve und Wolfenbüttel sowie mit dem Lenbach Palais ein Gastronomie-Betrieb in München. "Im nächsten Jahr wird aber einiges dazu kommen", kündigt der Manager an.

Jedes Hotel bringt mehr Marken-Kraft

Und wieder wagt in diesen Monaten ein kleines Familien-Unternehmen den Sprung in den grossen Hotel-Markt: Die seit einigen Jahren erfolgreich tätige Gambino Consulting aus München mausert sich inzwischen im Stillen zum Hotel-Betreiber. Dazu hat man vor kurzem die Eigenmarke Gambino Hotels gegründet. Gambino stehe für einen super Schlaf und ein geniales WLan-System. Jedes Haus sehe anders aus und trage zusätzlich zum Markennamen Gambino seinen eigenen Namen, wie z.B. die beiden in München geplanten Häuser Gambino Hotel Cincinnati oder Gambino Hotel Piazza Maria.

"Die Gambinos haben sich als einzige mit einem Produkt etabliert, das sich ausschliesslich auf den Schlaf konzentriert. Wir bieten keine anderen Service-Leistungen an", erläutert Geschäftsführerin Sabrina Gambino-Kreindl. "Wir haben als Logo eine Bildmarke entwickelt, die die Unterschriften von meinem Bruder Alessandro und mir trägt. Zunächst werden wir dazu noch den Zusatz Gambino Hotels verwenden, später soll die Bildmarke alleine für unsere Marke stehen."

Für die Entwicklung der Marke wurde kein Sonder-Budget aufgestellt. "Die Steigerung unseres Bekanntheitsgrades basiert auf unserer Expansion", erläutert Gambino-Kreindl nüchtern. Man setze dabei auf gängige digitale Tools ebenso wie auf Mund-zu-Mund Propaganda. Es werde keine Druckerzeugnisse wie Flyer, keine Anzeigen- oder TV-Werbung geben. "Die Marken-Entwicklung selbst hat wenig Geld gekostet. Wir haben natürlich eine eigene Website, unser Marketing findet am Point of Sales statt."

Das neue Logo einer neuen Hotelgruppe - bald live zu sehen.

Allerdings gebe man Geld für PR aus. Diese sei auch relevant, um potenzielle Mitarbeiter sowie Entwickler auf sich aufmerksam zu machen. An die Loyalty-Programme der Marken glaubt auch Sabrina Gambino-Kreindl nicht mehr: "Sie treten mehr und mehr vor dem selbstbestimmten Gast zurück", sagt sie. Deshalb hat das kleine, aber rührige Familien-Unternehmen überhaupt keine Angst davor, den Wettbewerb mit den grossen Marken aufzunehmen – erst recht nicht in der Heimatstadt München, wo man das Geschäft seit Jahren kennt.

Resort-Marke mit ehrgeizigen Zielen

Mit dem Arborea Marina Neustadt in Holstein, Deutschland, und dem Arborea Montafon Resort in St. Gallenkirch in Österreich geht die Marke Arborea im kommenden Jahr an den operativen Start. Die Marke steht für das Erlebnis in der Natur. "Wir haben uns bewusst für eine eigenständige Marke entschieden, mit der wir innerhalb von zehn Jahren auf 20 Hotels wachsen wollen. Wir wollen eine Gruppe werden", unterstreicht Geschäftsführer Johann Kerkhofs das Ziel.

Die Marke vertrete ein multiplizierbares Produkt für Lagen im Gebirge oder am Meer mit den USPs Mitmachküche, Sportgeräte-Werkstatt und Amphitheater. Jedes Haus identifiziere sich dabei auch mit dem entsprechenden Standort. Für die Bekanntheitssteigerung der Marke setzt Arborea derzeit auf digitale Medien sowie auf PR. Für beide Bereiche wurden Agenturen beauftragt und entsprechende Budgets eingeplant.

Gleiches gilt fürs Marketing. "Unser Marketing-Budget wird erstmals angefasst, wenn wir mit dem Haus in Neustadt an den Start gehen", so Kerkhofs. "An der Marke und ihrem Logo haben wir lange gearbeitet." Ein Anschluss an eine in der Ferienhotellerie präsente Marke wie beispielsweise Best Westen sei nie in Erwägung gezogen worden. "Ein Loyalty Programm entwickeln wir vielleicht selbst irgendwann einmal", so der Manager.

Das Resort-Segment ist sicherlich das in Zentral-Europa, in dem selbst junge oder kleine nationale Betreiber eine grosse Chance haben, die Ketten-Marken zu überflügeln oder erst gar nicht hoch kommen zu lassen. Die engagierten Privat-Hoteliers, die dahinter stehen, kalkulieren und agieren heute wie eine Kette, unterliegen aber längst noch nicht den Zwängen von Ketten(standards). Und sie kennen die Mikromärkte und die Mentalität ihrer Gäste. Das macht kleine Marken stark. / Susanne Stauss

 

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Augsburg. Einen solchen Vorgang hat es in der Hotellerie noch nie gegeben: Eine standardisierte globale Kette übernimmt eine Gruppe flippiger Kreativer, die sich bisher in absolut keine Schublade pressen liess und das auch künftig nicht erlauben wird. Wie passen AccorHotels und 25hours nur zusammen? Die Spekulationen darüber blühen, Maria Pütz-Willems hat zwei der drei Gesellschafter einfach gefragt: Christoph Hoffmann und Prof. Stephan Gerhard. Sie erzählen, wie es zu dem Deal kam und was genau geregelt ist. Ein Kernsatz aus diesem lockeren, langen Interview deutet es schon an: "AccorHotels hat doch propagiert, zum Lifestyle-Konzern zu werden. Um ihren Lifestyle hinzukriegen, werden sie uns pampern. Wir sind ja schon ein Lifestyle-Konzern."

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