Der Standard von der Stange ist tabu Wie Einkaufsgesellschaften Trends erleben Junge Hoteliers rechnen anders
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Der Standard von der Stange ist tabu

Wie Einkaufsgesellschaften Trends erleben - Junge Hoteliers rechnen anders

Kreativ und farbig: Kamin-Ecke im Adina Berlin Checkpoint Charly.

Wiesbaden. Die neue Hoteliers-Generation ist nicht nur Gastgeber, sondern auch Kaufmann. Stärker als ihre Eltern rechnet sie bei ihren Interieur-Einkäufen fürs Hotels kräftig mit – und unterscheidet kaufmännisch-getrieben nach den Regeln einer kurz- oder langlebigen Investition. Da ringt der langlebige Teppich mit dem Zehn Euro-Stuhl. Nachhaltigkeit ist inzwischen ebenfalls ein unleugbares Einkaufskriterium geworden. Und Individualität. Selbst Hoteliers, die zentral einkaufen, lassen Möbel teilweise exklusiv fertigen. Doch jeder Trend hat auch wieder seinen Gegentrend. Susanne Stauss hat genau hingehört, was ihr die Profis von den grossen Einkaufsgesellschaften Progros, Atlas und Hogast über das Ausgabe- und Trend-Verhalten von Hoteliers erzählt haben.

Wenn Hoteliers über Investitionen in ihre Häuser nachdenken, dann sollte ihnen eines klar sein: "Grundsätzlich fordert der Gast auf allen Ebenen Qualität ein. Gut laufende Häuser können diesem Qualitätsanspruch mit laufenden Re-Investitionen gerecht werden. Wenn ein Haus einmal ein paar Jahre nicht mehr investiert hat, sieht der Gast das sofort und bewertet das Urlaubsangebot entsprechend negativ auf Bewertungsplattformen", sagt Dietmar Winkler, Bereichsleiter Marketing, Kommunikation und Personaldienstleistungen bei der Hogast Einkaufsgenossenschaft aus Anif in Österreich. Letzteres ist vor allem den Jungen bewusst.

"Die nachfolgende Generation der Hotelbetreiber sind nicht nur Gastgeber, sondern auch Kaufleute", weiss Wolfgang Hertrich, Geschäftsführer vom Atlas Zentraleinkauf aus Bad Kissingen. Sein Unternehmen hat sich seit 1978 auf den Einkauf von Investitions- und Gebrauchsgütern für Hotels spezialisiert und zählt rund 520 Privathotels zu seinen Kunden. "Diese Generation wählt heute beispielsweise bei den Bodenbelägen die teureren, strapazierfähigeren Materialien, weil diese nicht so schnell ersetzt werden müssen und sich die Investition somit rechnet", sagt er. Anders sehe es beim Kleininventar wie Lampen oder Sessel aus. Hier fielen eher Entscheidungen zu günstigen modischen Gegenständen, die dann ggf. kurzfristig wieder ersetzt würden.

Das Progros-Team bei der Bemusterung.

Ähnliches hat auch Tommi Huuhtanen, Einkaufsleiter der 1986 gegründeten Einkaufsgesellschaft Progros aus Eschborn mit 664 Hotelkunden in Deutschland, Österreich, der Slowakei und Spanien, festgestellt. "Die Kunden denken mehr über Nachhaltigkeit nach", sagt er. Ökologische und soziale Aspekte spielten bei der Produkt-Auswahl eine grosse Rolle. "Ein Stuhl, der für zehn Euro hergestellt wird und eine nur kurze Lebensdauer hat, belastet die Umwelt bei der Produktion genauso wie ein teurerer, qualitativ hochwertiger, der aber länger hält", so Huuhtanen. Dies habe die Branche inzwischen begriffen.

Begehrt als Bodenbeläge seien zurzeit moderne Hartböden, die er aber nur bedingt empfehlen könne. "Auch wenn der Designboden-Hersteller lieber 10.000 als 5.000 qm liefert, raten wir unseren Kunden davon manchmal ab und schlagen für bestimmte Bereich Geräusch dämpfendere Materialien vor", sagt er. Ein absolutes "No-Go" sei auch der vielfach gewünschte Parkettboden am Buffet.

Exklusiv statt Pappmaché

Jeder Trend hat einen Gegentrend: Nicht alle Hoteliers, so Progros-Geschäftsführer Jochen Oehler, setzten im Bereich Einrichtung auf höchste Qualität. "Die Zimmer sollen stylisch, modern und funktional sein. Manche fahren aber die Strategie, lieber alle fünf bis sechs Jahre komplett zu renovieren und daher nicht auf höchste Beständigkeit zu achten," sagt er und denkt dabei vermutlich vor allem an Budget-Häuser.

Diese andere Seite der Medaille hat auch Hertrich kennengelernt: "Wir sind Hauspartner von 25hours Hotels, die denken völlig anders. Da werden Dinge, die sich nicht bewähren, eben nach drei Monaten ausgetauscht." Allerdings könne diese Gruppe sich dank ihrer grossen Beliebtheit und gut gefüllter Bücher solche Experimente auch leisten.

Wolfgang Hertrich, Atlas Zentraleinkauf: Die jungen Hoteliers sind auch Kaufmann.

Ausgefallene Design-Elemente von 25hours wie etwa die individuell entworfenen Badezimmer-Hocker im Hotel Hamburg Hafen City lässt Atlas bei Handwerksbetrieben exklusiv anfertigen. "Dies zeigt einen weiteren wichtigen Trend auf", sagt er, "den der Individualität." Bei der Einrichtung von Hotels werde es immer wichtiger, einen Bezug zum Ort, zum Betreiber und möglichst auch noch zur Zielgruppe herzustellen. Hertrich ist überzeugt: "Standard-Zimmer-Einrichtungen, wie sie viele Anbietern von der Stange liefern, funktionieren nicht mehr."

Bei vielen seiner Kunden hat sich ein individuelles Corporate Design durchgesetzt, das sich z.B. an einem regionalen Thema orientiert. "Ich denke da an die Motive Hirsch, Wald oder Jagd bei Landhotels", sagt er. "Dieser rote Faden muss sich authentisch, behutsam und modern umgesetzt durch das Haus ziehen, ohne dass es zum Micky Mouse-Hotel wird." Tradition Light sieht dann so aus: Das Hirschgeweih etwa könnte etwas Farbe bekommen und vor einem entsprechenden Hintergrund zum modernen Hingucker werden, ohne dass man die Historie des Hauses verleugne. "Es macht einen riesigen Spass, Hotels gemeinsam mit dem Eigentümer individuell auszustatten und weg zu kommen vom Zimmer für 1.998 Euro und Pappmaché-Möbeln."

LED, Flatscreens und Tablets contra edle Accessoires

Anders als noch vor einigen Jahren investieren die Atlas-Kunden zurzeit intensiv in die Neugestaltung ihrer Bäder. "Die Privathotellerie hat diesen Bereich lange schleifen lassen, weil er sehr teuer ist", sagt Hertrich. "Da wurden lieber neue Teppichböden verlegt oder Vorhänge bestellt. Aber kein Gast lässt sich heute mehr kleine Bäder mit beigen Fliesen bieten." Gefragt seien grosse Ablageflächen und Spiegel, möglichst auch Tageslicht. "Wir arbeiten inzwischen auf diesem Gebiet mit Bauunternehmen zusammen, denn oft müssen Wände beseitigt oder Fenster eingebaut werden."

Einen weiteren grossen Trend machen Atlas und progros unisono aus: "Die Branche hat das Licht entdeckt", sagt Oehler. Zum einen liessen sich Räume mit Licht wunderbar gestalten, zum anderen erreiche man mit neuen Lampen hohe Energie-Einsparungen.

Das Scandic Hamburg, chic und nachhaltig gebaut zugleich. Der Umwelt-Aspekt wird beim Einkauf immer wichtiger.

"Mit LED-Beleuchtung hatten wir in jüngerer Zeit sehr gute Erfolge", so Hertrich. "Gleiches gilt für Flachbild-Fernseher. Ich predige den Hoteliers immer: Du kannst 10.000 Euro in ein Zimmer investieren, wenn Du aber den alten Röhrenfernseher drin stehen lässt, dann wird in den Bewertungsportalen zu lesen sein, dass das Haus nicht auf dem neusten Stand ist. Wenn du stattdessen einen neuen Fernseher aufstellst und das Zimmer etwas aufhübschst, erhältst du sofort bessere Bewertungen."

Mit innovativen Technologien inklusive Flatscreens befasst sich auch Progros intensiv. "Der neueste Renner sind die sogenannten Suite Pads - Tablet PCs, die auf den Zimmern ausliegen, die den Gast begrüssen und mit denen er dann beispielsweise den Room Service bestellen kann", sagt Oehler.

Als Gegenbewegung dazu hat sein Einkäufer Huuhtanen edle Accessoires mit toller Haptik ausgemacht. "Wir verzeichnen z.B. gerade eine Zunahme an Bestellungen hochwertiger Speisekarten", sagt er und schätzt, dass bei den wohlhabenden Gästen über 50 auch in Zukunft die Haptik entscheidender sei als die Technologie.

Tagung und Restaurant sekundär

Zurückhaltung attestiert Hertrich derzeit Investitionen im Tagungsbereich. "Tische und Stühle, die für diese Bereiche vor einigen Jahren angeschafft wurden, halten viel aus. Und von Investitionen in die Tagungs-Technologie nehmen Hoteliers Abstand, weil diese sich zu schnell überholt. Hier geht der Trend eindeutig zum Leasen."

Im Restaurant-Bereich hat sich laut Oehler eindeutig die Offenheit durchgesetzt. Rezeption, Lounge, Bar, Restaurant und Küche gehen fliessend und barrierefrei ineinander über. "Gefragt sind hier vor allem Küchen-Konzepte, die Wärme zurückgewinnen und diese Energie nutzen können."

Tommi Huuhtanen, Progros: Nur sinnvoll einkaufen!

Alle Einkaufsgesellschaften verstehen sich auch zunehmend als Berater für ihre Kunden. "Wir wollen für unsere Kunden künftig noch pro-aktiver auf dem Markt unterwegs sein als bisher und Dinge für sie entdecken, die sie so nicht kannten", erklärt Oehler. Dazu besucht sein Team internationale Messen sowie Fachmessen für Lieferanten. "Für weniger als zehn Prozent unserer Lieferanten ist die Hotellerie das grösste Kunden-Segment. Hier bietet sich für uns ein wertvoller Blick über den Tellerrand."

Skurrile Investoren

Im Bereich Projekt-Management, eine der vier Säulen des Progros-Angebots, balanciert das Team zwischen den Wünschen von Investor und Betreiber. "Wir sind dabei weder für den einen noch den anderen unterwegs, sondern wollen das beschaffen, was für das Haus Sinn macht", sagt Huuhtanen und kann dabei auch nette Anekdoten von unsinnigen Investoren-Wünschen erzählen.

So habe ein Investor auf Konferenzstühle in hellem Nappaleder bestanden, woraufhin die Gäste später angewiesen werden mussten, darauf nicht in Jeans Platz zu nehmen. Ein anderes Haus musste man davon abbringen, massenhaft Rohrreinigungsspulen und 500 Lötkolben zu bestellen. Der Haustechniker hatte - auf Wunsch des Investors – im Keller eine richtige Werkstatt eingerichtet. Und welch ein Pech war jenem Kunden beschert, der seine Wäsche nicht über die Einkaufsgesellschaft bestellen wollte, sondern selbst direkt in Asien orderte: "Als sie kurz vor der Eröffnung ankam, waren die Bezüge zu kurz und die asiatischen Näher mussten zum Nachbessern eingeflogen werden. Gleichzeitig war das Haus dazu verdonnert, zwei bis drei Wochen mit Mietwäsche zu überbrücken", so Huuhtanen. Billig ist eben nicht immer auch günstig. / Susanne Stauss

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