Die Guerilla Wachstums Strategie Lobbyismus Wie Airbnb Gastgeber und Gäste zu Gewerkschaftlern und Protestlern macht
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Die "Guerilla-Wachstums-Strategie"

Lobbyismus: Wie Airbnb Gastgeber und Gäste zu Gewerkschaftlern und Protestlern macht

Demonstrieren gegen Airbnb: Nicht jede Stadtverwaltung bleibt der Plattform gegenüber kritisch.

Paris. Wer Airbnbs Geschäftsgebaren über einen längeren Zeitraum beobachtet, erkennt, dass die ultimative Waffe der P2P-Plattform Lobbyismus ist im Kampf gegen Gesetzgeber und Aufsichtsbehörden der Stadt und die Hotel-Gewerkschaften. Airbnb versucht, die Entscheidungsträger zu beeinflussen – indem das Unternehmen beispielsweise seine eigenen Studien bei der "United States Conference of Mayors" präsentiert. Ehemalige Verwaltungsbeamte der US-Regierung sind angeblich zu Airbnb dazu gestossen und versuchen, Gastgeber und Gäste zu Gewerkschaftlern und Protestlern zu machen. Auf Seite der Hotels hat CBRE Hotels US einen "Airbnb Competition Index" entwickelt und zeigt der Hotellerie dadurch ein genaueres Bild von Airbnbs Position auf.

Im Dezember äusserten sich die Vertreter von Airbnb negativ über die Lobby der französischen Hotel-Gewerkschaften, nachdem es dieser gelungen war, eine Partnerschaft zwischen der Vermietungs-Plattform und dem subventionierten französischen Bahnunternehmen voyages-sncf.com aufzulösen. Die Reaktion der P2P-Plattform klingt heuchlerisch, da sich Lobbyismus zu deren Lieblingsmittel im Kampf entwickelt hat.

Das Anheuern eines "Dream-Teams" an Lobbyisten – alles ehemalige Berater in Washington – ist kein Zufall. Offensichtlich bereitet sich Airbnb darauf vor, die Regeln zu beugen oder sie schlichtweg zu ignorieren und sogar lokale und zugleich globale Armeen an bereitstehenden Protestlern zu erschaffen. Die Ausgaben von Millionen US-Dollar für Lobby-Aktionen und negative Kampagnen gegen die Branche zahlen sich aus.

Die letzte Studie, die von CBRE Hotels über Airbnbs Einfluss auf traditionelle Hotels im US-Markt veröffentlicht wurde, lässt keinen Zweifel daran, dass die Plattform schnell und kräftig wächst... während Führende in der Hotellerie wie Kühe auf der Weide gemächlich einem vorbeifahrendem Hochgeschwindigkeitszug hinterher blicken.

Beeinflussung von Bürgermeistern

Letzten Monat wurde die "United States Conference of Mayors" von Airbnb gesponsort. Bei dieser Konferenz kommen lokale Politiker, die grossen Einfluss auf die Zukunft der sich schnell verändernden Hotellerie haben, zusammen. Lustigerweise zählte die American Hotels and Lodging Association ebenfalls zu den Sponsoren. Deren Präsidentin Katherine Lugar nahm die Gelegenheit wahr, den Bürgermeistern die Ergebnisse einer Studie mitzuteilen, die besagt, dass die Airbnb-Gastgeber rund 500 Millionen US-Dollar Umsatz gemacht haben. Sie beschrieb diese Gastgeber im Grunde genommen als professionelle Vermieter, die ihre Zimmer in Vollzeit vermieten und gegen zahlreiche Regelungen vor Ort verstossen.

Katherine Lugar, American Hotels Association: Möchten Sie Partner, die das Gesetz brechen?

"Unsere Daten zeigen ein erhebliches Wachstum bei den kommerziellen Betreibern, die Seite wie Airbnb ausnutzen, um Steuer-Zahlungen aufgrund von Flächennutzungs-Plänen und grundlegenden Gesetzen für Gesundheit und Sicherheit zu vermeiden", so Lugar. "Wollen Sie wirklich Partner haben, die die Gesetze brechen, weil sie ihnen schlichtweg nicht gefallen?"

"Ganz bestimmt nicht", sagten sich sicherlich die Stadtvertreter, aber das war, bevor Chris Lehane auf die Bühne trat und über das grosse Geschäft sprach! "Seid unsere Freunde und im Gegenzug nehmen wir Millionen US-Dollar an Steuern für Sie ein", so der neue Head of Global Strategy and Public Affairs bei Airbnb. Er präsentierte seine eigene Studie und forderte die Bürgermeister auf, sich mit Airbnb zusammenzutun. "Letztes Jahr haben wir 42 Millionen US-Dollar an Steuern in 16 Städten und Gerichtsbarkeiten eingenommen. Wenn sich die 50 grössten Städte Amerikas zusammen schliessen, würde sich die Summe auf 200 Millionen Dollar pro Jahr an Steuer-Einnahmen erhöhen. Das wären zwei Milliarden Dollar in den nächsten zehn Jahren. Ich kenne sonst kein Unternehmen, das darum bittet, besteuert zu werden!"

Das sind grosse Zahlen. Aber es sollte verdeutlicht werden, dass er nicht darum gebeten hat, Airbnbs heiligen Umsatz zu versteuern, sondern das der Gastgeber und Gäste unter dem Dach von Airbnb. Mit einer Studie war es jedenfalls nicht getan. Lehane, ein ehemaliger politischer Funktionär aus Washington, veröffentlichte eine zweite Studie zu New York City, das kein allzu grosser Fan der sogenannten "Sharing Economy"-Plattform ist.

Laut "New York Times" zeigt die Studie, dass die Einschränkung von Airbnb NYC 58 Millionen US-Dollar an Steuer-Einnahmen kosten würde. "Das ist lediglich ein Versuch seitens Airbnb, sein Image zu stärken, während es örtliche Gesetze ignoriert, die dem Unternehmen unpassend erscheinen. Das Zahlen von Hotel-Steuern birgt für die Gastgeber, die Airbnbs eigenen Angaben zufolge so wichtig sind, die Gefahr einer Zwangsräumung aufgrund der offensichtlichen Verletzung des Mietrechts. Ausserdem trägt es in keinerlei Weise dazu bei, der Knappheit an bezahlbarem Wohnraum entgegenzuwirken, sondern verstärkt dieses Problem nur durch seine illegalen Aktivität", so die New York State-Senatorin Liz Krueger in einer Stellungnahme im "Slate magazine".

Das Entstehen hunderter lokaler Airbnb-"Gewerkschaften"

Vertreter oder Städte öffentlich ins Visier zu nehmen, ist die neue Strategie von Unternehmen wie Airbnb oder Uber. Vor einigen Monaten bezeichnete Chris Lehane "Proposition F" in San Francisco als Angriff der Hotellerie auf die Mittel-Klasse. Als Warnung für die anderen Städte, die über neue Gesetze nachdenken, hielt Airbnb eine Pressekonferenz direkt nach dem Sieg über "Proposition F" ab, um alle wissen zu lassen, dass es jede einzelne Stadt bekämpfen wird. (Anm.d.Red.: "Proposition F" ist eine Massnahme, die die Gesetze hinsichtlich der Kurzzeit-Vermietung verschärfen sollte; ausserdem hätten Nachbarn und Vermieter die Möglichkeit gehabt, Unternehmen für Kurzzeit-Vermietung wie Airbnb zu verklagen / sh. Link.)

Chris Lehane, Airbnb: ein Stratege, der weiss, wie man Lobbyisten-Gruppen aufbaut.

Wie möchte Airbnb das erreichen? Indem es seine Nutzer in eine grosse politische Operation verwandelt, die bei jeglichen Anzeichen von Gefahr mobilisiert werden kann. Edward Walker, Professor für Soziologie an der UCLA, erklärte in der "New York Times": "Der Unterschied zwischen Airbnb und anderen Sharing Economy-Unternehmen ist, dass die Abgrenzung zwischen Markt-Strategie und Nichtmarkt-Strategie wie in der Politik vollständig verschwunden ist. Viele Aktionen finden auf lokaler Ebene statt, wo eine kommunale Strategie vorherrscht, die grosses lokales Wissen voraussetzt."

Nun, das ist kein Problem für Airbnb, das in den letzten Monaten ein halbes Dutzend ehemaliger Berater des Weissen Hauses eingestellt hat und diese in kleine Städte schickt, um Gastgeber und Gäste gegen Einschränkungen zu mobilisieren. Die "New York Times" formulierte deutlich: "Im Hauptquartier in San Francisco wird das Politik-Büro als 'Obama White House West' bezeichnet, wegen der vielen ehemaligen Verwaltungsbeamten, die jetzt für das Unternehmen arbeiten."

Airbnbs "Guerilla-Wachstums-Strategie", wie die Zeitung sie bezeichnet, besteht darin, Wählergruppen in den Städten zu organisieren, wo das Unternehmen tätig ist. Bis Ende 2016 hat sich Chris Lehane zum Ziel gesetzt, 100 "Clubs" ins Leben zu rufen, die aus Airbnb-Gastgebern bestehen, die wie örtliche Gewerkschaften organisiert sind und Druck auf die lokalen Behörden ausüben, damit die Dienstleistung bestand hat, unabhängig davon, ob sie gesetzlich erlaubt ist oder nicht.

"Morgen werden noch mehr Leute ihren Wohnraum teilen als heute und übermorgen sind es noch mehr, das Ganze hat sich bereits zu einer Bewegung entwickelt", predigt Lehane bei jeder Gelegenheit. Viele Bürgermeister waren davon jedoch nicht beeindruckt oder fühlten sich von seinen Aussagen eher bedroht. Während der Jahresversammlung berichteten mehrere Bürgermeister der "New York Times" von den Schwierigkeiten ihrer Städte, entsprechende Gesetze zu entwickeln, um die zunehmenden Probleme durch Unternehmen wie Airbnb oder Uber in den Griff zu bekommen und manche sagten, Airbnbs Angebot, Steuern zu erheben, sei immerhin ein erster Schritt.

Florenz partnert mit Airbnb - Reisende geben Mega-Summern aus

Viele wollen jedoch grössere Anstrengungen sehen, um sicherzustellen, dass die Gäste dasselbe Niveau an Sicherheits- und Gesundheits-Garantien wie Hotels erhalten. "Es gibt einen Grund, warum Hotels Marken sind, denen vertraut wird", so Marcia Leclerc, Bürgermeisterin von East Hartford, "da sie so viel mehr Vorschriften befolgen müssen, und wir erwarten dieselben Garantien von Airbnb".

Airbnb-Werbung in San Francisco - die öffentliche Meinung beeinflussend.

Viele Städte waren von dem Geld, das Airbnb in ihrem Namen einnehmen will, nicht beeindruckt. Die meisten sehen das "Sharing"-Unternehmen für ein Ärgernis, das die Anwohner aus dem örtlichen Wohnungsmarkt verdrängt. Andere, wie Santa Barbara, ziehen Lebensqualität dem Geld vor.

Da Lobby-Arbeit nun Teil von Airbnbs weltweiter Strategie ist, lässt das Modell der "örtlichen Gewerkschaften" sicherlich auch in Europa nicht mehr lange auf sich warten. In Florenz in Italien sind diese "protestierenden Schläfer-Zellen" nicht notwendig, da Airbnb vor kurzem eine Partnerschaft mit der Stadtverwaltung eingegangen ist, um Steuern einzunehmen und den nachhaltigen Tourismus zu fördern. Diese Vereinbarung ist die erste für Airbnb in Italien und könnte als Modell für andere Städte dienen.

Jedoch einfach nur Steuern einzunehmen, reicht Städten wie Paris, New York, Los Angeles, Barcelona oder Berlin, nur um einige zu nennen, nicht aus. Besonders wenn man bedenkt, dass Airbnb alleine entscheidet, wie viele Nullen auf der Rechnung stehen werden, die das Unternehmen an Steuer-Einnahmen an die Städte abführt. Aber was ist, wenn Airbnb mehr Geld einnimmt als es angibt und, was noch viel wichtiger ist, mit seinen Partnerstädten teilt?

CBRE Hotels erstellt "Airbnb Competition Index"

Einer neuen Studie von CBRE Hotels Americas Research zufolge gaben Reisende von Oktober 2014 bis September 2015 2,4 Milliarden US-Dollar für Airbnb-Unterkünfte aus. Während dies lediglich 1,7 Prozent der 141 Milliarden US-Dollar ausmacht, die von den Hotels erbracht werden, ist die Zahl dennoch beeindruckend und ein grosser Sprung gegenüber demselben Vorjahreszeitraum. Über 55 Prozent der erwirtschafteten 2,4 Milliarden US-Dollar stammen aus nur fünf Städten: New York, Los Angeles, San Francisco, Miami und Boston repräsentieren einen grossen Anteil bei den Umsätzen in der Beherbergungsbranche in den Märkten.

CBRE Hotels, ein Beratungs-Unternehmen, das die Hotellerie berät und erforscht, hat Daten von hunderten US-Märkten gesammelt und daraus einen "Airbnb Competition Index" erstellt. Das Tool vergleicht Airbnbs durchschnittlichen Zimmerpreis mit dem von traditionellen Hotels, den Umfang aktiver Airbnb-Unterkünfte mit dem Angebot traditioneller Märkte und das Gesamt-Wachstum an aktiven Airbnb-Angeboten im Markt.

Mark Woodwarth, CBRE: Airbnb wird die Preise drücken.

New York City ist unter den Städten im US-Markt durch das Wachstum von Airbnb am gefährdetsten mit einem Index von 81,1 von 100, gefolgt von San Francisco, Miami, Oakland und Oahu. Mark Woodworth, Senior Managing Director von CBRE Hotels, geht anhand der bestätigten Zahlen auf dem amerikanischen Markt und dem, was man über alle anderen Destinationen weiss, davon aus, dass Airbnb Hotels auf zweierlei Weise beeinträchtigen wird: "Bei bestehenden Hotels wird der durchschnittliche Zimmerpreis nicht weiter anteigen. Die ungewisse Anzahl an Airbnb-Angeboten lässt vermuten, dass die Aufpreise während Spitzenzeiten bei den traditionellen Hotels niedriger ausfallen werden. Zweitens könnte der Bau von neuen Hotels beeinflusst werden. Airbnb wirkt sich unter Umständen negativ auf den Bau traditioneller Hotels aus und wird in vielen Märkten das Wachstum von Hotels senken."

Airbnb nicht immer günstiger als Hotels

Die Studie zeigt ausserdem, dass Airbnb trotz der allgemein verbreiteten Meinung nicht immer die günstigste Option für Kunden ist, die eine Unterkunft auf Zeit suchen. Der durchschnittlich Preis für eine Airbnb-Einheit liegt bei 148,42 Dollar, was 25 Prozent höher ist als der durchschnittliche Hotelpreis von 119,11 Dollar, wie STR berichtete. Jamie Lane, Senior Economist bei CBRE Hotels: "Durch den Vergleich des Hotel-Umsatzes pro verfügbarem Zimmer mit der Anzahl an aktiven Airbnb-Einheiten an einem bestimmten Ort scheinen Gastgeber auf Marktanreize zu reagieren wie beispielsweise höhere Zimmerpreise und erhöhte Nachfrage. Diese Faktoren sorgen dafür, dass mehr Airbnb-Einheiten auf dem Markt erscheinen. Dies trifft auch im Kleinen zu, wo wir während grosser Ereignisse wie dem Super Bowl oder an Silvester eine Spitze bei der Anzahl an aktiven Airbnb-Einheiten feststellen.".

Airbnb ist definitiv eine Bedrohung für die Hotellerie. Diese letzte Studie bestätigt dies. Trotzdem fragt man sich, wie viele weitere Forschungsberichte noch veröffentlicht werden müssen, bevor die CEOs der Hotelketten beginnen, sich zu wehren statt mit Worten um sich zu werfen. Während Steve Joyce, CEO von Choice Hotels, "USA Today" gegenüber sagte, dass Airbnb "mit grosser Wahrscheinlichkeit nicht verschwindet, aber letztendlich dieselben Regeln befolgen wird wie wir, Steuern zahlt und sich an Sicherheits- und Flächennutzungs-Gesetze hält", ist Hiltons CEO Christopher Nassetta nach wie vor der Ansicht, dass es sich bei Airbnb um ein ganz anderes Geschäftsmodell handelt. "Wir alle bieten Gastlichkeit an. Wir bieten unseren Gästen einen gewissen Service. Airbnb geht es eher um die Unterbringung."

Unterbringung, Gastlichkeit... wen interessiert das noch? Die Bedrohung ist für die Hotels Wirklichkeit geworden. Airbnb übernimmt reale Marktanteile, verfügt über reale Gäste, die mit realem Geld zahlen. Geld, das in die Taschen der traditionellen Hoteliers geflossen wäre, wenn es Airbnb niemals gegeben hätte. Nachdem er seinen Bedenken Luft gemacht hatte, beendete Steve Joyce sein Interview mit einem Kampfeswillen, den sich weitere CEOs zueigen machen sollten: "Für die Marken-Unternehmen ist die Zeit gekommen, Führungsstärke zu beweisen und die Kontrolle über unseren Vertrieb und unser Schicksal wieder in die eigene Hand zu nehmen." / Sarah Douag

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