Die letzte Kuh zum Melken WLAN gratis Wie die Ketten dagegen kämpfen Marriott in USA verurteilt
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Die letzte Kuh zum Melken

WLAN gratis? Wie die Ketten dagegen kämpfen - Marriott in USA verurteilt

Surfen, skypen, kommunizieren: Auf Geschäfts- und Privatreisen eine Selbstverständlichkeit.Foto: Amba

München. Einchecken, Koffer abstellen, sich kurz frisch machen und dann ins Internet – so sieht die Routine bei vielen Geschäftsreisenden aus. Und spätestens dann beginnt auch oft der Ärger. Denn der Zugang zum Netz kostet oft noch extra. Umsonst surfen kann man – wenn überhaupt – in der Regel nur in der Lobby und das nur mit einer geringen Bandbreite. Wer High Speed braucht, muss fast immer zahlen.

Wie massiv sich vor allem die grossen Hotelketten gegen den kostenlosen Netz-Zugang wehren, zeigt der bislang einmalige Fall von Marriott in den USA. Das Gericht bestrafte Marriotts Vorgehen mit 600.000 Dollar. Viele Ketten geben sich bei diesem Thema kleinlaut, scheuen Transparenz in der direkten Auskunft und/oder auf den Webseiten.

Aus Gast-Sicht ist die Situation längst absurd. Während der kostenfreie Zugang zum Netz in vielen Budget-Hotels oder Privathotels längst ein Standard ist, kassieren globale Hotelketten immer noch immer kräftig ab – je teurer das Hotel, desto eher und desto mehr. Dabei ist der kostenlose Internet-Zugang längst auch entscheidendes Kriterium bei der Auswahl eines Hotels.

"Das WLAN ist durchgängig eines der Schlüsselkriterien für die Wahl des Hotels", behauptet Mike DeNoma, CEO von glh, dem Mutterkonzern von Amba Hotels. Es gäbe sogar Gäste, für die eine gute Internet-Verbindung wichtiger sei als ein guter Schlaf. Daher sei es unentschuldbar, weiterhin an Wuchergebühren für WLAN-Verbindungen mit fragwürdiger Qualität festzuhalten. Bei den Amba Hotels gebe es daher keine Einschränkungen und kein Limit bei den Upload- oder Download-Mengen. Der Hieb auf die Kollegen sitzt.

Die 4 Sterne-Amba Hotels gehören GLH Hotels Management, dem neuen Namen der Guoman Hotel Management Limited, einem Tochter-Unternehmen unter dem Dach der GuocoLeisureGroup in Singapur. GLH führt in London über 4.000 Hotelzimmer, in Grossbritannien 8.279 Zimmer in 36 Hotels.

Europäer zahlen deutlich mehr

Über 3,6 Milliarden Euro geben deutsche Firmen jährlich für den Internet-Zugang aus, so das Ergebnis einer aktuellen Studie der Amba Hotels. Dafür wurden im Januar dieses Jahres je 750 Geschäftsreisende in Deutschland, Grossbritannien, Frankreich und in den USA befragt. Danach sehen die WLAN-Gesamtkosten für Unternehmen weltweit und in den wichtigsten Reisemärkten so aus:

• Deutschland – 3,6 Milliarden Euro jährlich
• Frankreich – 232 Millionen Euro jährlich(durchschnittlich 22,10 Euro pro Reise)
• Grossbritannien – 491 Millionen Euro jährlich
• USA – 6,4 Milliarden Euro jährlich

Michael Toedt: Teures Internet ist nicht gerechtfertigt.

Hotels sind dabei laut Studie überall auf der Welt die teuersten Orte für einen Internet-Zugang. Am billigsten sind Coffee-Shops. Woran liegt das?

"Dafür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund", antwortet Michael Toedt, Geschäftsführer des eCommerce-Spezialisten Toedt, Dr. Selk & Coll aus München. "Es geht den Ketten ausschliesslich um ihre Umsätze. Ihre Deckungsbeiträge werden immer geringer."

In der Tat: Die Gäste erwarten heute immer mehr Services gratis. Das haben die Hotels sich aber teilweise wieder selbst zu verdanken: Sie locken mit vielem - mit einem kostenlosen Welcome-Drink, einer 15 Minuten-Nackenmassage, einer Gratis-Weinprobe, kostenlosen Telefonaten in der Stadt oder dank Voice over IP auch schon weltweit. Die Umsatz-Quellen versickern – und jetzt sollen sie auch noch das Internet herschenken? Die Abwehr-Haltung ist aus Hotel-Sicht verständlich, aus Gast-Sicht ein unzeitgemässer Affront.

Manche Hoteliers verweisen gerne noch auf ihre Alt-Verträge mit den Telekommunikations-Gesellschaften, doch das weist Michael Toedt als unglaubwürdig zurück: "Solche Verträge laufen häufig maximal zehn Jahre. Und wer 2005 noch annahm, die Internet-Nachfrage würde nicht zunehmen, war wohl ziemlich naiv." Mit der steigenden Nachfrage fielen zudem die Kosten: "Speichermedien sind günstiger geworden und das bei steigender Geschwindigkeit des Internets," relativiert er. "Und selbst jeder einzelne Router in jedem Zimmer eines noch so verwinkelten Hotels ist heute absolut bezahlbar."

600.000 Dollar Strafe für Marriott

So schnell aber geben die Global Player nicht auf. Zumindest ein Hotel der Mega-Kette Marriott in den USA wagte den Frontal-Angriff auf seine Gäste – und fiel auf, weil ein User klagte. Das Gaylord Opryland Resort and Convention Center in Nashville, Tennessee, blockierte die persönlichen WLAN-Hotspots seiner Gäste, um diese zur Nutzung des kostenpflichtigen Marriott-Netzwerks zu zwingen. Dabei verlangte das Hotel in seinem Konferenzbereich 250 bis 1.000 US-Dollar pro Gerät.

Gaylord Opryland Resort in Nashville, Tennessee: Schön und ganz schön dreist.

Nach der Anzeige des Gastes im März 2013 leitete die US-Fernmeldebehörde Federal Communications Commission ein Ermittlungsverfahren ein, das Anfang Oktober 2014 zu einem Vergleich führte. Ein teurer Vergleich: Marriott International, Inc. und deren Tochtergesellschaft Marriott Hotel Services, Inc. mussten 600.000 US-Dollar Strafe zahlen und sich verpflichten, es in ihren US-Hotels zu unterlassen, WLAN-Hotspots der Gäste zu stören. Zudem muss die Kette drei Jahre lang der FCC Bericht erstatten – was einer Art Compliance-Disziplinar-Massnahme entspricht. Die Entscheidung betrifft übrigens alle Marriott-Marken.

Doch Marriott zeigt keine Reue, wie der Online-Dienst Heise am 4. Oktober 2014 berichtete: Die Kette stellte die Störfeuer als Schutzmassnahme für die Gäste dar. "Wir glauben, dass die Massnahmen des Gaylord Opryland rechtmässig waren. Wir werden die FCC dazu ermutigen, Regeln zu erlassen, um die Verwirrung zu beseitigen und seine zugrunde liegenden Richtlinien zu überprüfen", heisst es in einer Presseerklärung. Marriott reichte daher eine Petition bei der FCC ein - und fiel damit auf die Nase.

Am 27. Januar 2015 verkündete die FCC eine neue Verordnung, die es Hotels grundsätzlich verbietet, den Betrieb privater WLAN-Netze technisch zu unterbinden. Wer es dennoch tut, macht sich strafbar und muss mit erheblichen Geldstrafen rechnen. Man habe den "beunruhigenden Trend" beobachtet, dass Hotelbetreiber die Nutzer privater Hotspots behindern würden. Daher wolle die Behörde nun im Sinne des Verbraucherschutzes vehement gegen solche Störversuche vorgehen. Marriotts Behauptung, damit nur Sicherheitsprobleme zu beheben, wies die FCC zurück.

Am 30.Januar 2015 folgte ein Statement von Marriotts Global Chief Information Officer Bruce Hoffmeister: Man akzeptiere die Entscheidung. "Wir tun alles, um die Verbindungen unserer Kunden per Handy und anderen mobilen Geräten zu fördern und man arbeitet an Sicherheitslösungen, die ohne Blockade mit WLAN-Geräten funktionieren."

Marriott jetzt flexibler und günstiger

Immerhin hat der beispiellose Vorgang etwas genützt: Seit 15. Januar 2015 können wenigstens die Mitglieder des Kundenbindungs-Programms Marriott Rewards in mehr als 3.800 Hotels das WLAN kostenlos nutzen. Voraussetzung dafür ist, dass die Buchung direkt über Marriott erfolgt. Alle anderen müssen weiter zahlen. Die Gebühren variierten von Hotel zu Hotel und von Marke zu Marke und beginnen bei 10 Euro pro Tag, heisst es. In einigen Courtyard by Marriott Hotels sei das WLAN in den öffentlichen Bereichen auch kostenfrei.

Eine Nachfrage im Marriott München ergab, dass man dort Anfang Februar die Preise gesenkt hat. Nun kostet WLAN auf dem Zimmer pro Tag nur noch 14,50 statt 19,95 Euro, eine Stunde 6,50 statt 6,95 Euro. In der Lobby ist WLAN frei.

Die US-Behörde meldet auf ihrer Website die Strafe für Marriott.

Auch in Marriotts Luxusmarke Ritz-Carlton muss weiter zahlen, wer auf dem Zimmer arbeiten will. Ausnahme: Mitglieder der Ritz-Carlton Rewards und Kunden, die direkt im Hotel oder über die Hotelwebsite gebucht haben.

Doch Marriott ist keine Ausnahme. Auch andere Gruppen halten an den WLAN-Gebühren fest. Bei der InterContinental Hotels Gruppe heisst es dazu: "Internet ist in allen Hotels der IHG verfügbar, wobei die Preise zwischen den Hotels variieren können." Eine perfekte Auskunft… Four Seasons versandet in der firmeneigenen "Vanilla language" – einer höflichen, absolut nichtssagenden Sprache, die auf den Kern der Journalisten-Frage nicht eingeht. Stattdessen hat man das Gefühl, dass die Antwortgeber sich selbst nicht mit den Fachbegriffen auskennen: Das Bonmot im O-Ton: "High quality, high speed, free basic internet service is offered at more than 90 percent of our hotels and resorts. For guests who require additional bandwidth additional options are also available for a fee."

Andere Ketten – darunter Accor und Starwood Hotels – reagieren erst gar nicht auf die Anfrage von hospitalityInside.com. Das alles illustriert den wunden Punkt. Vielleicht haben die übrigen Ketten ja darauf gehofft, dass Marriott mit seiner WLAN-Blockade durchkommt.

Internet-Front bricht nur langsam zusammen

Langsam aber bricht die globale Internet-Front zusammen. So gibt es bei Hyatt seit diesem Februar angeblich freies WLAN in den Zimmern in allen 573 Hotels weltweit. "Die Internet-Verbindung ist keine Annehmlichkeit mehr, sondern ein integraler Teil des Alltags von Reisenden", erklärte Kristine Rose, Vice President Brands, Hyatt. "Reisenden sollten nicht immer erst überlegen müssen, welche Marken oder Orte es kostenlos anbieten oder welche Bedingungen daran gebunden sind.” Das gilt allerdings nur für Standard-Verbindungen.

Wer ein schnelleres WLAN oder LAN haben will, muss weiter zahlen, es sei denn er ist Mitglied im Loyality-Programm "Hyatt Gold Passport" und hat dort bereits den "Diamond" oder "Platinum"-Status erreicht. Doch auch für diese Kunden hält Hyatt noch Einschränkungen im Kleingedruckten parat, wie die vielen Fussnoten auf der Website zeigen. Von einer einheitlichen und einfachen Regelung ist Hyatt noch weit entfernt.

Jeder hat ein Recht auf einen persönlichen Online-Zugang seiner Wahl, zumindest in den USA.Foto: swissimage ch, Andy Mettler

Beispiele aus Deutschland: Bei Maritim Hotels kann man inzwischen überall im Zimmer umsonst surfen. Im Ausland sei es von Haus zu Haus verschieden, erklärt PR-Direktorin Harriet Eversmeyer. In vielen Häusern sei es kostenfrei, zumindest in der Lobby. Wer mehr Bandbreite will, muss für das Premium Package in allen deutschen Häusern 4,95 Euro für 24 Stunden zahlen. Bei etlichen Gruppen ist alles vom einzelnen Haus abhängig.

Im Hyatt Köln beispielsweise kostet das schnellere Internet 10 Euro pro Tag, im Hyatt Regency in Düsseldorf sind die ersten 30 Minuten frei, weitere Preiseangaben fehlen. Im InterConti Berlin zahlt man sogar 20 Euro. Bei Steigenberger Hotels hingegen eine einheitliche Regelung: Dort ist der Zugang zum Standard-Internet frei, das High Speed-Internet kostet 8 Euro pro Tag. Der Preis ist für alle Hotels gleich.

Die Perversion dieser ganzen Regelungen und ihrer Ausnahmen veranschaulichen die beiden Hilton-Marken am Frankfurter Flughafen. Nur 20 Meter trennen die Lobbys der beiden, im hochwertigeren Hilton zahlt der Gast für eine Stunde 6 Euro, für 24 Stunden 19 Euro. Im direkt benachbarten Hilton Garden Inn dagegen ist es gratis. Der Grund? Beide Marken folgen ihren Standards! Das ist dem Gast überhaupt nicht mehr zu vermitteln.

Geschäftsreisende: geschröpft und behindert

Für den Gast bleibt es einfach nur ärgerlich. Bevor er ein Hotel bucht, muss er sich schlau machen. Doch das ist oft nicht einfach. Denn auf den Hotel-Webseiten sind die Regelungen oft gut versteckt oder fehlen ganz. Preise oder Preisstufen werden meist nicht genannt.

Geschäftsreisende leiden aber nicht nur unter den Kosten, sondern vor allem unter den schlechten Verbindungen. Laut Studie der Amba Hotels konnten 76,3 Prozent der deutschen Geschäftsreisenden aufgrund langsamer oder unzuverlässiger WLAN-Verbindungen wiederholt nicht arbeiten. Bei 25,1 Prozent ist das sogar regelmässig der Fall. Damit liegt Deutschland gegenüber Frankreich, Grossbritannien und den USA an der Spitze.

Dabei konnten in Deutschland 48 Prozent nicht an einer Telefon- oder Video-Konferenz teilnehmen, 25,9 Prozent haben deshalb einen Abgabetermin versäumt, 18,9 Prozent haben deshalb sogar einen Kunden verloren. Am grössten sind die Auswirkungen auf das Privatleben. 53,3 Prozent konnten Freunde und Familie nicht per Skype, eMail oder Video-Call kontaktieren.

Dass es auch anders geht, zeigen schon lange die Peninsula Hotels. Dort haben alle Gäste kostenlosen Zugang zum High Speed-Internet im Zimmer. Doch nicht nur das: Sie können auch kostenlose Voice over IP-Ferngespräche in alle Welt führen. Dafür hat man einfach einige Accounts bei Skype gekauft. / Bärbel Schwertfeger

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