Eine Idee die nutzt und schadet ITB Hospitality Day Privatzimmer Vermittler und Hotels argumentierten

Eine Idee, die nutzt und schadet

ITB Hospitality Day: Privatzimmer-Vermittler und Hotels argumentierten

P2P-Anbieter sind neue Konkurrenten für Hoteliers. Die Parteien legten beim ITB Hospitality Day ihre Standpunkte dar. Eine Einigung gab es nicht.Fotos: ostwestfoto

Berlin. Das Wachstum der sogenannten "Peer-to-Peer" Online-Plattformen erfolgte in unglaublicher Rasanz. Vor drei Jahren von Lifestyle-Magazinen noch als lässiges Couch-Surfing gehypt, wächst sich die private Unterbringung auf Reisen dank Portalen wie Airbnb, Wimdu oder 9flats besonders in Grossstädten zum Mega-Millionen-Geschäft aus. Und das auf Kosten der Hotellerie unter ungleichen Voraussetzungen, klagten die Diskutanten internationaler Hotelverbände bei einer Diskussion am "Hospitality Day" der ITB. Demgegenüber waren die P2P-Unternehmer davon überzeugt, dem Tourismus zusätzliche Gästeschichten zu erschliessen. Für unterschiedliche Nuancen innerhalb dieser beiden Pole war auf dem Podium wenig Platz.

Die Hotelseite repräsentierten Thomas Allemann, Mitglied der Geschäftsleitung im schweizerischen Hotelverband hotelleriesuisse, und Ramón Estalella Halffter, Generalsekretär der Spanischen Vereinigung der Hotels und touristischen Beherbergungsbetriebe. Die Vermittler von Privatquartieren und Wohnungen wurden durch Christopher Oster, Co-Gründer von Wimdu, Roman Bach, Geschäftsführer von 9flats und Arnaud Bertrand, CEO von HouseTrip, vertreten.

In der Schweiz gebe es alljährlich 35 Millionen Übernachtungen, die Hälfte davon entfiel etwa auf Ferienwohnungen. Die Statistik über die Ferienwohnungen aber wurde vor fünf Jahren abgeschafft, sagte Allemann. "Wir konnten bisher gut mit privaten Anbietern von Ferienwohnungen leben. Das Angebot ist in den Regionen gut ins Marketing integriert, die Anbieter leisten auch die entsprechenden Marketing-Gebühren und Steuern". Sein Einwand: "Jetzt kommt das in die Städte. Das wird zwar reguliert, aber nicht kontrolliert."

Schnelle Erfolge in der Masse und hohe Umsätze

In Zürich bewegen sich gemäss Allemann bereits 1,5 Prozent der Übernachtungen im P2P-Segment. Vor allem Airbnb greife den Markt an und offeriere derzeit über 400 Apartments in Zürich. "Solche Angebote werden jede Kategorie treffen," prophezeit Allemann. Sein spanischer Kollege Ramón Halffter bestätigte, dass nicht die Privatvermieter das Phänomen seien, sondern die Plattformen. "Sie begannen mit kostenlosem Tausch, jetzt gibt es Gebühren, Provisionen, Umsätze. Das ist einfach ein grosses Geschäft geworden". 9flats brüstete sich am Anfang der Diskussion damit, drei Jahre nach Gründung des Unternehmens mehr Betten als Hilton anzubieten und schon profitabel zu sein.

Im Dialog mit dem Publikum: die beiden Hotelier Ramón Estalella Halffter aus Spanien, Thomas Allemann aus der Schweiz und ganz links Christopher Oster von Wimdu.

In der Angabe konkreter Umsatz-Zahlen üben sich die Anbieter in Zurückhaltung. Auf Airbnb wurden bereits mehr als zehn Millionen Übernachtungen gebucht, obwohl es sich im Kern als soziales Netzwerk und somit Element der ShareEconomy versteht. HouseTrip verweist auf 235.274 Angebote in weltweit 350 Destinationen, die Investitionssumme des Portals lag zuletzt bei 2,4 Millionen Pfund Sterling.

Offen benannten die Diskussionsteilnehmer ihre Provisionssätze. Wimdu und HouseTrip sprachen von generell 15 Prozent Kommission, bei 9flats reiche der Provisionssatz je nach Qualität und Buchungsgrösse von 6 bis 15 Prozent.

Familien mit Kindern als neu forcierte Zielgruppe

Die Betreiber der Portale sehen sich nicht als Hotel-Konkurrenz. "Wir bringen auch Familien in die Städte. Und unsere anderen Kunden sind junge Menschen, die tiefer in die Urbanität eindringen wollen", sagt Oster. Die privaten Unterkünfte seien wesentlich breiter über die Stadt verteilt als das Hotelangebot, das sich in der Regel auf das Zentrum konzentriert. Vor allem aber verwies der Wimdu-Vertreter auf eine eigene Umfrage. Dabei gaben 40 Prozent an, sie wären ohne das Wimdu-Angebot nicht in die jeweilige Destination gefahren. Allemann von der hotelleriesuisse schien auf diese Zahl nur gewartet zu haben. "Das heisst, 60 Prozent wären Hotel-Kunden gewesen!"

Oster hängte an: "Die Umsätze, die wir bringen, fliessen direkt in lokale Shops und Restaurants, nicht nur in die Stadtzentren. So stärken wir die lokalen Infrastrukturen". Auch 9flats ist überzeugt, die Portale würden die gesamte touristische Wertschöpfung einer Destination steigern: "Es gibt Studien für Märkte, die zeigen: Wer weniger für die Unterkunft ausgibt, hat mehr Budget für andere Aktivitäten vor Ort," so Bach. Auch er hob als neue Städtetouristen Eltern mit kleinen Kindern hervor, verwies aber drauf, dass die Portale unterschiedlichstes Klientel erreichen. Selbst im Luxus-Segment gebe es Platz.

Arnaud Bertrand zeigte für einen solchen Luxus-Anbieter, nämlich das von ihm mitgegründete Unternehmen HouseTrip, drei Trends auf: Die Leute wollen günstig, authentisch und frei wohnen. HouseTrip bietet zu 94 Prozent Apartments an, in Paris liege bei der Plattform der Durchschnittspreis einer Zwei-Zimmer-Wohnung bei 120 Euro pro Tag. Bertrand führte sich selbst als Musterbeispiel eines HouseTrip-Gastes an. "Ich lebe auch hier in einer Privatwohnung, kann im Schlafanzug frühstücken. Alle unsere User wollen auch bei Reisen sie selbst bleiben." Bei sechs von zehn HouseTrip-Buchungen seien Kinder mit dabei.

Alle Hotel-Kategorien werden leiden

Halffter versuchte, das Problem für spanische Kern-Destinationen zu beschreiben. So verzeichnete Madrid bei Hotel-Übernachtungen ein Minus von 15 Prozent, obwohl die Airlines gleichzeitig Gäste-Zuwächse meldeten. In den Städten wie Madrid und Barcelona, vor allem aber auch auf den kanarischen Inseln habe das P-2-P-Modell in der Hotellerie zu einem Minus von 1,5 Prozent bei den Übernachtungen geführt, bei gleichzeitig sinkenden Durchschnittspreisen und parallel steigendem Angebot in der privaten Beherbergung von 600 Prozent!

Moderator Macy Marvel, Roman Bach von 9flats und Arnaud Bertrandvon Housetrip.

Halffter kritisierte heftig, dass die P-2-P-Anbieter den Umsatz dem Land entziehen würden, während der Umsatz von spanischen Apartment-Besitzern im Land bleibe.

"Spanische Hoteliers wissen, dass sie den Trend nicht umkehren können," weiss Halffter, aber er verlangt: "Es soll eine Gleichbehandlung erfolgen. Mit 200.000 Betroffenen ist es das grösste Feld für Schwarzarbeit, deshalb muss die Regulierung nicht nur die Anbieter, sondern auch die Plattformen erfassen".

Ein weiteres Argument der Hoteliers, das vor allem die Städte zum Handeln gegen diverse Spielarten privater Unterkünfte animieren soll, ist der akute Wohnungsmangel in vielen Städten. Sie glauben, dass z.B. das Gesamtangebot aller P2P-Plattformen in Berlin diese Negativ-Entwicklung unterstützt. Dagegen verwahrten sich alle P2P-Vertreter, warfen der Politik Versagen vor und den Hoteliers, dass diese ihr Yield-Management nicht beherrschen.

Moral contra Umsätze

Arnaud Bertrand von Housetrip führte zum Wohle der P2P weiter das Wesen der ShareEconomy an: Man kaufe etwas für einen Primär-Nutzen, dem ein Zweit- und Dritt-Nutzen hinzugefügt werde. Wobei sich in der Diskussion die Frage eröffnete: Wieviele der Gastgeber haben einen kommerziellen Hintergrund und wie viele legen ihren Angeboten eher das Prinzip des Teilens, sozialer Kontaktnahme und gegenseitiger Nutzenstiftung zugrunde?
Oster nannte für Wimdu 70 Prozent Primär- und Sekundär-Residenzen, nur hinter dem Rest stünden professionelle Gastgeber. "Beide Gruppen sind uns wichtig". Bach sprach davon, dass 80 Prozent der 9flats-Umsätze mit professionellen Eigentümern gemacht würden, während sich Bertrand keine konkrete Zahl entlocken liess. Oft würden Wohnungsverwaltungsgesellschaften im Namen der Eigentümer agieren. Wobei die P2P-Anbieter betonten, dass für alle, die kommerziell agieren, auch die entsprechenden steuerlichen Bestimmungen für Unternehmer gelten. Mit einem Hotelbetrieb sei der Bereich der Kurzzeit-Vermietung nicht zu vergleichen. Bach wählte den Vergleich mit eBay: "Wenn ich davon lebe, dann zahle ich als Gewerbetreibender. Wenn ich ab und zu was anbiete, ist es ein Hobby".

Besteuerung und Verantwortung der P2P bleiben fraglich

Die Schlussphase der Diskussion am "ITB Hospitality Day" bestimmte die Frage nach der Gleichstellung von Hotels und Privatanbietern in gesetzlichen Belangen. In vielen Städten und Regionen gelang es der Hotellerie bereits, die P2P-Anbieter einzubremsen. Etwa, indem Mietern in der Schweiz verboten ist, ihre Wohnung temporär weiterzuvermieten. Oder in San Francisco, wo Wohnungsmieten unter 30 Tagen nicht erlaubt sind.

Halffter brachte einige Punkte der unterschiedlichen Behandlung ein: Auf den Hoteliers lasten Umweltschutz-Bestimmungen, Arbeitsrecht, städtische Tourismus-Abgaben, Verbraucherschutz, diverse Steuern... "Es gibt aber z.B. auch die Interessen der Wohnungsnachbarn. Wir wollen jedenfalls auf Augenhöhe agieren können". Er forderte, dass die Hotellerie generell weniger reguliert werden sollte, weil die professionellen Gastgeber unter der Flut der Vorschriften zusammenbrechen.

Wenn überhaupt ein Konsens zwischen beiden Seiten zu spüren war, dann der, dass auf Seiten der P2P-Plattformen niemand prinzipiell gegen eine Besteuerung ist, dass man aber ein temporär vermietetes Studenten-Apartment nicht mit einem professionellen Apartment-Vermarkter oder gar einem Hotel mit 60 Zimmern gleichstellen könnte.

Roman Bach von 9flats führte an: "Wir informieren unsere Partner durchaus, dass sie lokale Gesetze befolgen müssen. Darüber hinaus sammeln wir schrittweise die Steuernummern ein, damit es auf Perspektive keine Probleme mit den Finanzbehörden gibt". Offenbar sehen sich die P2P-Aufsteiger trotz grossem Selbstbewusstsein also zunehmend in der Defensive.

Um ihre Interessen zu wahren, haben sich einige Plattformen vor kurzem zum "Short Term Rentel Advocacy Center" zusammengeschlossen. Gerade in Berlin kochte der Disput um die privaten Zimmeranbieter besonders hoch, das neue Gesetz werde die Möglichkeiten dafür stark einschränken. "Hier hat niemand den Dialog gesucht, die Akteure wurden nicht einbezogen", beklagte Oster von Wimdu.

In der Diskussion mit dem Publikum erhielt auch die Vermieterseite ein Gesicht. Claudia Dünckmann gründete im Juni 2013 einen Verein, der in Berlin die Interessen der Anbieter vertritt. Sie repräsentiert 47 Eigentümer mit 550 Apartments. "Das sind verantwortungsvolle Betriebe, Profis mit einem Kodex und Qualitätsstandards. Alle zahlen Steuern und die City Tax für die Gäste", sagt Dünckmann und bedauert, sich als Verein zu spät etabliert zu haben. Nun werde das Gesetz in zwei Jahren die negativen Auswirkungen zeigen. Bei ihrer Klientel aber ist von einer Ökonomie des Teilens keine Rede, es seien Investoren, die in den urbanen Ferienwohnungen eine Geschäftsidee sahen: "Viele haben sich vor diesem Hintergrund verschuldet und sind in ihren Existenzen bedroht", sagt Dünckmann zum Status Quo.

P2P in den aktuellen Schlagzeilen

Wie am Dienstag dieser Woche bekannt wurde, will Airbnb – der Marktführer unter den P2P-Anbietern – künftig auch Hotel-Dienstleistungen anbieten. Dem Online-Magazin "fastcompany.com" zufolge soll der Host bald auch Dienstleistungen wie Reinigung, Flughafentransport und andere Services einführen. Airbnb aber bremste diese Information auf Nachfrage von hospitalityInside.com ab und sagte: Es gäbe derzeit keinerlei Neuigkeiten dazu.

Gestern berichteten US-Medien, dass sich Airbnb in fortgeschrittenen Gespräche befinde, um Kapital in Höhe von über 10 Milliarden US-Dollar zu akquirieren. Diese Information soll von Personen stammen, die mit dem Vorgang vertraut sind. Das Private Equity-Unternehmen TPG soll hier federführend sein. Dann würde Airbnb einen höheren Wert besitzen als die Hotelbetreiber, mit denen man konkurriert. Wyndham Worldwide Corporation hat einen Marktwert von 9,4 Milliarden USD, die Hyatt Hotels Corporation von 8,4 Milliarden USD.  

Das deutsche Magazin "Focus" berichtete diese Woche eine andere Story: Danach hat der Mieter eines Airbnb-Apartments in New York dieses für eine Swinger-Party benutzt. Die Polizei löste diese auf, der Wohnungsbesitzer sammelte danach seine Möbel auf der Strasse ein. Auf Tumblr sprach der Mieter von über 87.000 Euro Schaden – dabei hatte Airbnb den Kunden als "geprüftes" Mitglied akzeptiert. / Fred Fettner

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