Erfolgreiche Ignoranten Selbst erfahrene Wellness Hoteliers machen immer noch viele Fehler
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Erfolgreiche Ignoranten

Selbst erfahrene Wellness-Hoteliers machen immer noch viele Fehler

Yoga in den Bergen, in Traunstein vom Gmundnerberg: Der perfekt Einstieg in einen Wellnesstag.Foto: Tourismusverband Traunsee

Innsbruck. Studien belegen den weiterhin wachsenden Wellnessmarkt. Trotzdem können Hoteliers mit ihren Spa-Investitionen immer noch leicht baden gehen. "Markt-Dynamik kostet heute schnell richtig Geld," analysierte Dagmar Rizzato, Geschäftsführerin der gleichnamigen Spa Consulting in Tettnang, vor wenigen Wochen vor dem "Wellness Cluster" Tirol, das die Branchen-Insider regelmässig zusammenruft. Die Beraterin konfrontierte diese mit einer langen Liste kleiner und grosser Fehler, die selbst erfahrene Wellness-Hoteliers, Architekten und Designer nach Jahren immer noch machen. Ergebnisse von Gäste-Umfragen werden häufig ebenso erfolgreich ignoriert. Entsprechend abschreckend wirken auch erste Zukunftsszenarien auf die Hoteliers.

Die Ausgangssituation für das Nischen-Segment der Wellness-Hotels ist momentan sehr positiv. Dagmar Rizzato, in Österreich u.a. für die Kooperation der Best Wellness Hotels aktiv, nannte Zahlen: So verzeichneten in dieser Marketing-Vereinigung 56 Prozent der Betriebe 2014 Umsatz-Zuwächse. 89 Prozent der Gäste verzichten kein Jahr auf deklarierte Wellnesstage, jeder zweite Gast nimmt sogar mehrmals jährlich Spa-Auszeiten im Hotel. Manche Zahlen erstaunten, denn es handelt sich bei diesen 22 Hotels der 4- und 5 Sterne-Kategorie keineswegs immer um reine Wellness- oder Gesundheitshotels. Überwiegend sind Best Wellness Hotels Austria in alpinen Tourismus-Regionen zu finden und offerieren ganzjährig ein breites Angebot.

81 Prozent dieser Häuser investierten 2014 abermals ins Spa. Die langjährige, positive Entwicklung führt aber dazu, dass nicht allein die deklarierten Spezialisten ihr Angebot ausbauen – und dabei gravierende Fehler machen. Rizzato beklagt dabei: "Es ist erstaunlich zu sehen, welche Fehler selbst nach vielen Jahren Erfahrung noch begangen werden. Innenarchitekten und Designer denken in der Neuplanung nicht zu Ende." Zur Schadensbegrenzung kommen dann Berater oft nachträglich zum Einsatz. "Die grossen Erfolgsfaktoren sind oft kleine Details," sagt Dagmar Rizzato.

Dagmar Rizzato: Details machen den Erfolg.

Umgekehrt formuliert: Unachtsamkeiten garantieren den Misserfolg. Ein Klassiker auf diesem Gebiet: die Gestaltung von Beschriftungen im Wellness-Bereich. Designer toben sich da gerne aus: Dabei müssen die Schriften für Brillenträger klar und gross sein. "Das Motto 'Form follows Function' sollte wörtlich genommen werden," beschwört Rizzato die Profis.

Mindestens so gravierend: Hardware-Fehler. Im Saunen-Bereich bestimmen häufig noch enge Durchgänge die Raum-Aufteilung, und die Haken für die Bademäntel befinden sich so weit weg von den Duschen, so dass die nackten Gäste vielen Blicken ausgeliefert sind. Solche Fehler sind oft schon mit dem Bau programmiert. Oder: Behandlungsräume werden oft zu grosszügig angelegt, so dass Mitarbeiter zu ihren Werkzeugen wandern müssen. Top-Hotels, die nicht mit fünf bis sieben Handtüchern pro Gast kalkulieren, seien allerdings auch falsch beraten. Ihr bitteres Fazit: "Mängel in der Logistik und auch in der Hygiene hinter den Kulissen sind als Dauersünde aktueller denn je."

All diese kleinen Dinge würden das Wohlbefinden des Gastes beeinträchtigen. Dabei stehen Wohlfühl-Elemente an der Spitze des Urlaubswunsches. Die Gründe für einen deklarierten Wellnessurlaub sind laut Studien von beauty24 und den Wellness-Hotels & Resorts in erster Linie nicht etwa Gesundheit oder Beauty, sondern es sind "Eine Auszeit nehmen" und "Sich etwas Besonderes gönnen" sowie "Zeit mit dem Partner verbringen".

Hoteliers aber scheinen ein Talent darin zu haben, solche Ergebnisse zu ignorieren. So wünscht sich in der Gäste-Befragung immerhin ein Viertel "Digital Detox" in seinem Wellnesshotel, doch nur 8% bieten das auch an. Hier schlagen auch persönliche Vorbehalte der Hotelführung durch.

Persönliche Beratung treibt Umsätze

Die Beraterin warnt auch vor zu viel Technik in der Gäste-Information. Schon das Lesen der immer umfangreicheren Spa-Menüs sei vielen Gästen zu anstrengend. "Sie wollen eine persönliche, mündliche Beratung – oder neue, übersichtliche Lösungen wie die Sensorik-Bar des For Friends Hotels". Dass Rizzato als Beispiel just das Haus nannte, das am gleichen Tag Insolvenz anmeldete, zeigt auch: Kreativität garantiert noch nicht den wirtschaftlichen Erfolg.

Wer nicht berät, verkauft nur Massagen.

Mit persönlicher Beratung und intensivem Einsatz von Customer Relationship Management-Systemen gelinge es etwa den Best Wellness Hotels Austria, den Anteil alternativer Massagen deutlich zu erhöhen. Denn ohne Beratung würden ausschliesslich Ganz- und Teilkörper-Massagen geordert. Als hilfreich für die bessere Auslastung der Behandlungsräume haben sich jüngst einfache Kompetenz-Flyer statt aufwändiger Spa-Menüs erwiesen. "Cross- und Upselling sollte für alle ein Thema sein", empfahl Dagmar Rizzato nicht nur den Tiroler Hoteliers und Touristikern, die an der Veranstaltung in der Innsbrucker Villa Blanka teilnahmen. Die Kunst bestehe darin zu erreichen, dass körperliche Mängel, die eine Trainerin bei einem Gast während des Morgen-Yoga feststellt, dem Masseur am Nachmittag eine zusätzliche Behandlungsstunde bescheren sollten. "Bis zu 40 Prozent zusätzliche Umsätze sind so möglich", sagt die Expertin. Artet das Bemühen nicht in Hard Selling aus, wächst parallel die Gäste-Zufriedenheit.

Im Spa-Alltag hapert es aber häufig immer wieder an viel einfacheren Dingen – z.B. in der internen Organisation und in der Kommunikation. So seien die Zeitpläne oft zu voll. Die alte Faustregel, am Freitag müsse noch ein Fünftel aller Kapazitäten frei sein, sollte weiterhin berücksichtigt werden. Doch auch neue Trends sollten an der Hotellerie nicht vorbei gehen. "In Sachen Schlaf-Qualität hat das in Österreich schon sehr gut funktioniert: Kissen-Menüs, wie sie hier schon fast Standard sind, sind international selten". Gleichzeitig verwundert Rizzato aber, dass die Investitionen in den Schlaf-Komfort kaum kommuniziert würden.

Noch unentdeckt: Mentale Wellness und Self-Tracking

Zu wenig geben die Hotels in ihren Programmen auch noch der Kombination von Essen und Bewegung Raum. Als ein internationales Beispiel für eine ganz einfache Form mentaler Wellness benannte sie das "Heul-Dich-aus-Zimmer" eines Tokioer Hotels. Damit berührt Rizzato ein Feld, das Wellnesshotels fast noch gar nicht angehen. Das lässt sich bereits an einer frühen Stufe ablesen: So werden Personal Coaches in Hotels höchst selten gebucht, weil sich einkommensstarke Gäste ihre Programme schon in ihren Sportclubs von ihren Trainern erstellen lassen.

Was macht mein Puls? Jogger mit seiner Smartwatch.Foto: Maridav Fotolia

Mit dem Trend-Thema der "Selbstvermessung" setzte sich an dem Informationstag des "Wellness Clusters" Tom Ulmer, Dozent für Wirtschaftsinformatik an der Fachhochschule St. Gallen, Schweiz, auseinander. Er zeigte die schon bestehenden technischen Möglichkeiten der privaten Körper-Analyse auf. In seiner Vision des "Wellnesshotels 2020" stellt er sich z.B. beim täglichen Aufsteh-Ritual eine Sonnenaufgangs-Simulation - zu einer fix programmierten Uhrzeit und ergänzt von einer Stimme, welche Informationen wie "Sie haben heute unruhig geschlafen. Ihr Vitalquotient liegt bei 73 Prozent" mitteilt. Ein Horrorszenario für viele Anwesende!

Ulmer setzte sich auch mit den Stolperfallen auseinander, die heute schon eingesetzte oder künftige "Self-Tracking-Geräte" wie die "Apple Watch" oder andere Wearables bieten. Am Anfang führt die Selbstanalyse zunächst zu einer höheren Bewegungsbereitschaft. Werden aber keine Steigerungen mehr erzielt, geht das Interesse rasch verloren. "Man hört auf, wenn man keine Relevanz mehr erkennt", bestätigte Ulmer.

Gefährlicher für die Gesundheit sei der Trend, nicht seinen eigenen Lifestyle zu verändern, sondern die Parameter der Messgeräte zu optimieren. Denn viele der Geräte arbeiten mit Belohnungssystemen, die dazu verleiten, seinen Aufwand zu minimieren. Als gefährlich erweist sich auch blindes Technik-Vertrauen. Die Aussage "Sie haben schlecht geschlafen" kann das subjektive Befinden negativ beeinflussen. Sind Wettbewerbs-Effekte in den Tracking-Programmen integriert, können sich vor allem Männer und Jugendliche dafür begeistern.

Insgesamt gesehen tut sich hier in Zukunft ein breites Feld für neue Beratungstätigkeiten durch entsprechend qualifizierte Hotel-Mitarbeiter auf. "Gerade die Nachbetreuung bietet ein riesiges Potenzial für die Kundenbindung", sieht Ulmer eine Chance. Er gestand aber auch ein, dass sich über die Hälfte der Menschen bei Umfragen gegen jede Form solcher Selbstmessungen aussprechen. Diese Skepsis haben auch schon Datenforschungs-Unternehmen erfasst. / Fred Fettner

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