Es wird ungemütlich für Booking com Accor zieht gegen OTA vor Gericht Pishing Attacke und Vorwurf Gästeklau
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Es wird ungemütlich für Booking.com

Accor zieht gegen OTA vor Gericht, Pishing-Attacke und Vorwurf "Gästeklau"

Die Dynamik der IT-Entwicklung überrollt die Hotellerie. Die OTAs haben sich bereits grosse Marktanteile gesichert.Foto: Fotolia

Paris/Bremen. Von aussen betrachtet sieht es danach aus, als hätte Frankreich ein Problem mit dem Reservierungsriesen Booking.com. Nachdem erst die Hotelier-Vereinigungen im Juli 2013 gemeinsam Beschwerde gegen Booking eingelegt hatten und der französische Wirtschaftsminister davon sprach, dass die Verträge zwischen der Reservierungsplattform und den Hotels gegen das Wettbewerbsrecht verstiessen, leitet nun Accor rechtliche Schritte gegen seinen derzeitigen "Partner" ein und bezichtigt ihn des unlauteren Wettbewerbs. Peter Verhoeven ist erst vor einem dreiviertel Jahr von Accor zu Booking gewechselt. Die Stimmung im Markt dreht sich gegen Booking.com.

Das deutsche Online-Vermittlungsportal HRS aus Köln will die jüngste Gerichtsentscheidung zur Einhaltung der Ratenparität nicht mehr juristisch angreifen. Damit hätte auch das deutsche Kartellamt jetzt endlich genügend Freiraum, den HRS-Konkurrenten Booking.com ebenso zu massregeln wie die Behörde es mit HRS getan hat. Ausserdem hat letzte Woche der deutsche Hotelier Marco Nussbaum, CEO und Gründer der Budget-Design-Gruppe prizeotel, in einem Offenen Brief dem Booking-EMEA-Chef Peter Verhoeven "Gästeklau" vorgeworfen.

Ausgerechnet am Abend der ersten Pressekonferenz von Booking.com in Frankreich tätigte Accor einen Schachzug, der nicht nur den Start von Bookings neuer App in den Schatten stellte. Noch weitaus wichtiger: Er verschafft Accor vollständigen Zugriff auf die aktuellen Ermittlungsakten sowie die Teilnahme an allen Gesprächen der französischen Wettbewerbshüter, die im Auftrag der Europäischen Kommission in der Sache ermitteln.

Booking.com sieht sich derzeit in sieben Ländern eingehenden Untersuchungen ausgesetzt. Im vergangenen Dezember gab die Europäische Kommission den Beginn von Markt-Untersuchungen im Bereich der Online-Hotelreservierungen durch die französischen, schwedischen und italienischen Kartellbehörden bekannt. Die Wettbewerbshüter sollen bis Ende März zu einem Ergebnis kommen.

Durch seinen Einstieg in das Spiel nur einen Monat vor dem Ende will Accor offensichtlich an wichtigen Entscheidungen der Kommission teilhaben. Trotz Booking.coms unerwartetem Zugeständnis einer Lockerung seiner "Bestpreis-Klausel" im Dezember, in deren Rahmen es Hoteliers im System nicht erlaubt war, ihre Zimmer über andere Vertriebskanäle – online wie offline – zu einem günstigeren Preis anzubieten.

Die Plattform scheint jedoch kaum einen Experten überzeugt zu haben. Frankreichs Hotelier-Vereinigungen waren es dagegen noch nie: Sie bezeichneten Bookings Ankündigung als einen "Medienbluff, der die EU-Untersuchungen beenden sollte". Die Präsidenten der UMIH und der GNC fordern "die Einführung eines neuen Vertrags, der eine Zusammenarbeit auf der Grundlage von Vertrauen und Fairness zwischen Hoteliers und Reservierungsportalen im Interesse des Verbrauchers ermöglicht."

Weckruf für Hoteliers

Auch die HOTREC gibt sich skeptisch und hofft drauf, dass die europäischen Wettbewerbsbehörden "alle Arten von Paritätsklauseln aus Hotel-Vertriebsverträgen verbannen wird", damit die Hoteliers und nicht die Händler entscheiden, wie und zu welchem Preis ihre Zimmer auf den unterschiedlichen Vertriebskanälen angeboten werden.

In Sébastien Bazins Top-Management sass vor einem Jahr noch Peter Verhoeven. Ein pikantes Detail am Rande. Jetzt klagt Accor gegenBooking.com.

Es ist kein Geheimnis, dass der Online-Hotelvertrieb nach nur 13 Jahren nahezu vollständig in der Hand der Online-Reservierungsplattformen ist. Hinzu kommt eine interessante Konzentration durch mehrere Zusammenschlüsse von Markt-Teilnehmern. Heute wird der Markt unter drei grossen Plattformen aufgeteilt: Booking.com in Europa, Expedia in Nordamerika und Agoda in Asien. Auf dieses Trio, das im Laufe der Jahre zahlreiche kleinere Wettbewerber geschluckt hat, entfallen heute beinahe 90 Prozent der weltweiten Hotel-Buchungen. In Frankreich nimmt Booking.com mit einem Anteil von 70 Prozent an den Online-Reservierungen eine marktbeherrschende Stellung ein.

Wie die meisten Hoteliers auf der Welt hat auch Accor diese Entwicklung nicht vorausgesehen. Ähnlich ignorant verhalten sich viele Hoteliers auch nach wie vor gegenüber Airbnb, das langsam aber sicher immer mehr Marktanteile im Hotelsektor gewinnt. Laut der französischen Finanzzeitung "Les Echos" entfallen 80 Prozent von Accors Online-Buchungen in Frankreich auf Online-Buchungsplattformen – hauptsächlich auf Booking.com und Expedia.

Möglicherweise war das ein Weckruf für Accor-CEO Sébastien Bazin. Ein Weckruf, der ihn und sein Team dazu veranlasst hat, stärker und intensiver in die digitale Welt zu investieren. Zwar war Bazin sich der grossen Hoteliers durchaus bewusst – insbesondere der unabhängigen –, die sich jedes Jahr steigenden Provisionen gegenübersahen, doch er hat die Online-Buchungsplattformen immer mit Samthandschuhen angefasst und stets ihre Effizienz und Vorzüge hervorgehoben.

HRS AKZEPTIERT URTEIL

HRS wird keine weiteren rechtlichen Schritte gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf einleiten. Am 9. Januar 2015 hatte das Gericht die Beschwerde von HRS gegen den Beschluss des Bundeskartellamts in Bezug auf die sogenannte "Bestpreis-Klausel" zurückgewiesen, jedoch den Weg einer Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Zwar hält HRS den Beschluss in zentralen Punkten für falsch, so heisst es in der Pressemitteilung des Unternehmens. "HRS hat jedoch kein Interesse an einem jahrelangen Rechtstreit, der sich unweigerlich ergäbe, wenn der Bundesgerichtshof die Sache an das Oberlandesgericht zurückverweist." Demnach wird HRS die im Dezember 2013 durch das Bundeskartellamt ausgesprochene Verfügung weiterhin beachten.

Der Verzicht auf weitere Rechtsmittel ändert nichts an der Tatsache, dass sich HRS durch das einseitige Vorgehen des Bundeskartellamtes massiv im Wettbewerb beeinträchtigt sieht. Die vom Bundeskartellamt bereits 2013 eingeleiteten Verfahren gegen Booking und Expedia sind bis heute ohne Ergebnis. / kn

"Ich sehe die Online-Buchungsplattformen als Partner und nicht als Konkurrenten. Sie haben uns neue Kunden verschafft und dafür sollten wir ihnen dankbar sein", so Bazin in der französischen Fernsehsendung "Good Morning Business" vor wenigen Monaten.

Bazin denkt an Erwerb digitaler Services

Das war jedoch, bevor der CEO eine Seite wählte ... nämlich seine. Im vergangenen Oktober stellte Bazin in London seine neue digitale Strategie vor, die in den kommenden vier Jahren Investitionen in Höhe von 225 Millionen Euro vorsieht. Laut Bazin "wird sie die Gruppe ermöglichen, ihren Buchungsanteil zurückzugewinnen." Und weiter: "In unserer Branche gewinnt derjenige, der den digitalen Markt beherrscht." Das mag so sein, aber kommt diese Erkenntnis nicht ein wenig zu spät? Wie die Experten bereits richtig bemerkten, sind 225 Millionen Euro zwar eine Menge Geld, aber Online-Buchungsplattformen wie Booking.com investieren Jahr für Jahr noch viel mehr.

"Accor wächst und ist in einer Position, den Wert, den wir erzeugen, gegen den der Buchungsplattformen zu kalkulieren. Loyalität ist ein grosser Teil davon", so Bazin, der das Verhältnis von direkten zu indirekten Buchungen von aktuell 60 zu 40 zugunsten der Online-Plattformen am liebsten umkehren würde. Denn sollte Booking einem direkten Konflikt aus dem Weg gehen wollen, indem man nicht mit der Presse redet, dann bereitet sich das Unternehmen garantiert darauf vor, so weiter machen zu können wie bisher.

Schwere Zeiten für Booking.com und EMEA-Chef Peter Verhoeven.

In einem Interview mit "Hotels Magazine" im Februar sagt Sébastien Bazin: "Accor wird höchstwahrscheinlich bald digitale Services anbieten, die wir heute noch nicht haben – durch Akquisitionen, Partnerschaften, Allianzen oder eigene Innovationen." Aus der Sicht des Hotelbetreibers eine völlig neue Perspektive.

Als Tochter-Unternehmen des amerikanischen Reiseriesen Priceline hat sich Booking.com seit 2005 zu einem wahren "Technologie-Monster" entwickelt. Sie haben eine Webseite in 42 Sprachen, 12 Kundendienste die rund um die Uhr Fragen in allen Sprachen beantworten und 8.300 Mitarbeiter in 150 Niederlassungen weltweit, die 2014 insgesamt 300 Millionen Übernachtungen generiert haben. Das sind 800.000 Übernachtungen pro Tag. Keine der bestehenden Hotelgruppen kann da mithalten.

Zwar hält sich das in den Niederlanden ansässige Unternehmen bedeckt, was Unternehmenszahlen und Geschäftsstrategie angeht, aber es wird mit Sicherheit nicht die Waffen strecken, wenn jemand auf eine Konfrontation aus ist.

Peter Verhoeven, Managing Director von Booking.com EMEA und ehemaliger Accor-Manager, will Accors rechtliche Schritte nicht kommentieren und sagt stattdessen: "Ein jeder versucht, seine Interessen zu verteidigen." / Sarah Douag

ZUM OFFENEN BRIEF VON PRIZEOTEL-CEO MARCO NUSSBAUM
AN PETER VERHOEVEN VON BOOKING.COM. KLICKEN SIE BITTE HIER
.
 



 

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