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Gespaltene Zungen

Frankreich, Italien, Schweden: Kartellbehörden werden Freund mit Booking.com

Paris/Rom. Ist das eine Neuauflage von David und Goliath? Sind europäische Hoteliers gegen Booking.com wirklich auf der Siegerstrasse? Nun ja, darüber lässt sich streiten. Zwar hören viele die neue Nachricht mit Genugtuung, doch Experten warnen weiterhin davor, dass Booking.com noch immer viel Macht über die Hoteliers hat. Viele lassen sich von der jüngsten Entscheidung nicht in die Irre führen. Sie sind sicher, dass Booking den Hotels garantiert einen Denkzettel verpassen wird, indem es anderen Online-Plattformen bessere Preise bietet, und am Ende sehen sich die Hoteliers gezwungen, wieder mit Booking zu kooperieren, um ihren RevPAR auf einem angemessenen Niveau zu halten. Die Kartellbehörden in Frankreich, Italien und Schweden haben mit ihrer Entscheidung, die vom Urteil der deutschen Wettbewerbshüter abweicht, den Ball nun wieder ins Rollen gebracht. Der Hintergrund und die Details zur Entscheidung rund um Booking.com.

Nach einer sechswöchigen Testphase stellten die Wettbewerbshüter in Frankreich, Italien und Schweden gemeinsam mit der Europäischen Kommission fest, dass sie umfangreiche Zugeständnisse durch Booking.com erreicht haben. Diese zielen darauf ab, den Wettbewerb zwischen den Online-Buchungsplattformen zu fördern, und den Hotels hinsichtlich ihrer Geschäfts- und Preispolitik mehr Freiheiten zu geben.

Lahmgelegt durch zahlreiche Rechtsverfahren in ganz Europa hatte Booking.com praktisch keine andere Möglichkeit, als einer Änderung der Preisparitätsklausel zuzustimmen und darüber hinaus in seinen Verträgen auf jegliche Klauseln zu verzichten, die eine Paritätsverpflichtung hinsichtlich Zimmer-Verfügbarkeit oder Geschäftsbedingungen enthalten. Betroffen waren hier nicht nur andere Online-Plattformen, sondern auch die direkten Offline-Vertriebskanäle der Hotels wie auch ein Teil ihrer Online-Kanäle.

Christian de Barrin, Hotrec:Eine Entscheidung gegen den Wettbewerb.

In einer gemeinsamen Erklärung verkündeten Bruno Lasserre, Giovanni Pitruzzella und Dan Sjoeblom, die Leiter der Kartellbehörden in Frankreich, Italien bzw. Schweden, diese Woche: "Wir haben uns dazu entschieden, die uns vom Marktführer, Booking.com, angebotenen Zugeständnisse zu akzeptieren. Nach einem Markttest wurden diese Zugeständnisse noch einmal nachhaltig erweitert."

Die 8 Zugeständnisse von Booking.com im Detail

Es sieht danach aus, als hätte man tatsächlich Zugeständnisse "akzeptiert", die von Booking.com "angeboten" wurden und nicht umgekehrt. Aber wenn nicht alles täuscht, dann ist es doch Booking.com gewesen, das in diversen Ländern in Bedrängnis geraten war. Warum sollten es die Kartellbehörden einem solchen Riesen erlauben, sich rauszupicken, auf welche Klauseln man verzichten kann und auf welche nicht, statt einfach zu bestimmen, dass in Zukunft nach faireren Regeln gespielt wird? Es versteht sich doch von selbst, dass Booking.com sich nicht ins eigene Bein schiessen würde, indem es seinem Geschäftsmodell durch das Akzeptieren eines wirklich fairen und offenen Marktes schädigt.

In diesem Sinne stimmte die in Europa führende Online-Buchungsplattform den folgenden 8 Zugeständnissen zu, die ab dem 1. Juli 2015 für einen Zeitraum von fünf Jahren in Kraft treten:

1. Hoteliers können jetzt niedrigere Preise als andere Online-Buchungsplattformen anbieten.
2. Hoteliers können Verbrauchern günstigere Preise über ihre Offline-Kanäle anbieten.
3. Hoteliers können Verbrauchern günstigere Preise anbieten, sofern diese Zimmerpreise nicht öffentlich im Internet verfügbar sind.
4. Hoteliers können günstigere Preise im Rahmen ihrer Treueprogramme anbieten.
5. Hoteliers können öffentlich kommunizieren, dass sie "attraktive Preise" direkt und über ihr Treueprogramm anbieten.
6. Hoteliers können anderen Online-Buchungsplattformen günstigere Konditionen anbieten.
7. Hoteliers können anderen Online-Buchungsplattformen eine höhere Anzahl von Zimmern anbieten und/oder Zimmer über ihre eigenen Kanäle für einen bestimmten Zeitraum reservieren.
8. Hoteliers können ehemalige Kunden des Hotels und der jeweiligen Kette oder Hotelzusammenschlusses kontaktieren.

Die Untersuchungen gegen Expedia dauern noch an.

Die französischen Wettbewerbshüter: "Diese neuen Zugeständnisse schränken die Anwendung der Preisparität durch Booking.com als Teil seines provisionsbasierten Geschäftsmodells ein und verschaffen den Hotels deutlich mehr Freiraum. Darüber hinaus ermöglichen sie eine gute Balance für die Verbraucher in Frankreich, Italien und Schweden, indem sie den Wettbewerb wiederherstellen und dabei die benutzerfreundlichen Such- und Vergleichsangebote erhalten – ein positives Signal für die aufkeimende digitale Wirtschaft."

HOTREC "enttäuscht"

Neben anderen kritischen Stimmen zeigt sich die europäische Hotelvereinigung HOTREC über die erzielte Einigung höchst enttäuscht. "Die Hotrec und ihre Mitglieder sind von der neuen Vereinbarung enttäuscht. Aus unserer Sicht haben die Wettbewerbsbehörden eine wettbewerbsfeindliche Entscheidung getroffen. Booking.com behält seine Paritätsklauseln im Umgang mit Hoteliers bei, was diesen den unternehmerischen Freiraum entzieht, über Preis und Konditionen mit dem Buchungsgiganten in Wettbewerb zu treten. Die Hotelbranche wird nun sehen müssen, welche Schritte unternommen werden können, um diese Freiheit zurückzugewinnen und den Verbrauchern zu ermöglichen, von einem echten Wettbewerb auf dem Hotel-Reservierungsmarkt zu profitieren", so Christian de Barrin, CEO der Vereinigung.

Accor scheint dagegen zufrieden zu sein, aber ... auf Nachfrage von hospitalityInside.com erklärte die französische Hotelgruppe, dass die Entscheidung der Kartellwächter ihre Erwartungen nur "teilweise" erfüllt. "Die Hotels werden ihren treuen Kunden bessere Konditionen anbieten und wieder selbst über ihre Preispolitik bestimmen können, so dass den Kunden "eine direkte Beziehung zum Hotelier" ermöglicht wird. Allerdings wies Accor auch darauf hin, dass dies nur der Beginn eines langen Prozesses sein könne, um eine tatsächliche Auswirkung auf den Wettbewerb und geringere Provisionen zu erreichen. Andere Online-Reservierungsplattformen müssen diesem Beispiel folgen.

Markus Luthe, Hotelverband Deutschland: Entsetzt.

Accors Kommentar

Die französischen Behörden bestätigten gegenüber hospitalityInside.com, dass "die Untersuchungen der beiden Plattformen Expedia und HRS fortgeführt werden, unter anderem aufgrund einer Beschwerde der Hotels sowie der Bitte um Stellungnahme durch den Wirtschaftsminister.

Accor, die erst kürzlich Fastbookings Toolbox zur Steigerung der Online-Verkäufe erwarb, freut sich darauf, "unabhängigen Hotels in diesem neuen Umfeld zu unterstützen". Noch vor dem Sommer wird Accor seinen Kunden eine neue Vergleichssoftware anbieten, mit der sie auf allen accorhotels.com-Webseiten nach Preis und Angebot suchen können. Die Hotels dürfen ihre Preise selbst festlegen. Auf diese Weise entsteht ein gewisser interner Wettbewerb, der auch dem Endkunden nützt.

Im vergangenen Februar erhob die Accor-Gruppe gegen Booking.com Klage wegen unfairen Wettbewerbs, womit man sich den Beschwerden der Vereinigung im Juli 2013 anschloss. Bedeutet die neue Vereinbarung jetzt, dass diese Klagen fallen gelassen werden? "Die Arbeit der Kartellbehörden ist unabhängig von gerichtlichen Verfahren. Daher gibt es keinen Grund, die Klage fallen zu lassen. Wir haben sie derzeit zurückgestellt, da die Autorité de la concurrence bis spätestens 1. Januar 2017 eine Einschätzung zur Effektivität der Zugeständnisse durchführen wird."

"Abwarten und Teetrinken" scheint hier die Devise. Aus dieser Sicht scheint Booking.com mit der Einigung zufrieden zu sein und hofft darauf, dass weitere Länder in Europa diese neuen Regeln übernehmen werden. In Grossbritannien griff die Competition and Markets Authority jetzt eine bereits begonnene Untersuchung aus dem letzten Jahr über angebliche Preisabsprachen zwischen Hotels und Online-Reservierungsplattformen und berichtete der Financial Times, "das Ergebnis der europäischen Untersuchung wird unsere Entscheidung mit beeinflussen."

Italien bezieht sich auf gegenteilige Kartell-Etscheidungen

Keine Parität mehr, aber für die Hotel-Webseiten gelten die Paritätsraten nach wie vor: Die italienische Kartellbehörde hat die Zugeständnisse der Priceline Group-Tochtergesellschaften Booking.com BV und Booking.com für rechtlich bindend erklärt und die am 7. Mai 2014 eingeleitete Untersuchung im Hinblick auf diese beiden Unternehmen damit abgeschlossen.

Die Verfahren wurden unter anderem auch gegen Expedia eröffnet, um möglichen Wettbewerbsverstössen durch Preisparitätsklauseln – sogenannte Meistbegünstigungsklauseln – in Verträgen zwischen den grossen Online-Reservierungsportalen und ihren Hotelpartnern auf den Grund zu gehen. Das Verfahren gegen Expedia wird fortgeführt. Die Untersuchung erfolgte in Zusammenarbeit mit den Kartellbehörden in Frankreich und Schweden sowie der Europäischen Kommission.

Alessandro Nucara, Federalberghi Italia: Den Kampf fortsetzen!

Entsprechend der Antikartell-Resolution der drei Länder gelten die Zugeständnisse in Italien ab dem 1. Juli 2015 für alle Reservierungen in Hotels auf der Halbinsel für die Dauer von 5 Jahren. Die Hotels haben dann die Freiheit, einige beliebige Anzahl von Zimmern zwischen allen Online-Rerservierungsplattformen und anderen Buchungskanälen aufzuteilen, ohne gezwungen zu sein, bestimmten Reservierungsportalen Sonderkonditionen einzuräumen.

Ungeachtet der endgültigen Bestimmungen wurde die Entscheidung der Kartellbehörde von der italienischen Hotelvereinigung Federalberghi mit Überraschung zur Kenntnis genommen, da die drei Wettbewerbsbehörden sich gegen das Urteil des deutschen Bundeskartellamts stellten. Bei seiner Untersuchung wies die deutsche Kartellbehörde ähnliche Kompromissvorschläge durch die beiden Online-Reservierungsplattformen HRS und Booking.com zurück, wodurch diese verpflichtet wurden, jegliche Meistbegünstigungsklauseln aus ihren Verträgen mit Hotels zu streichen.

Der Verbraucher ruft

"Wir sind unzufrieden mit einer Entscheidung zu Ungunsten der Interessen von Verbrauchern und mittleren Unternehmen und zu Gunsten grosser Online-Reservierungsplattformen", so Alessandro Nucara, Generaldirektor der Federalberghi. "Wir sind umso erstaunter, da die Resolution zu den Meistbegünstigungsklauseln gegen den Markt gerichtet ist. Sie bedeutet sinnlose Bürden und belohnt sogar die Nutzung veraltete Kanäle. Aus diesem Grund bekräftigen wir unsere Absicht, unseren Kampf für einen effizienteren Markt gemeinsam mit der Hotrec fortzusetzen. In der Zwischenzeit möchten wir alle Kunden dazu ermuntern, ihren Verstand zu nutzen und ihr Verhalten dem neuen Szenario anzupassen: Geben Sie sich mit den Preisen auf den Portalen nicht zufrieden, sondern überprüfen Sie die Hotel-Webseiten oder rufen Sie die Hotels direkt an, um sich über Sonderangebote und Pakete zu informieren."

Federalberghi weist zu guter Letzt darauf hin, dass die Resolution noch vor den jeweiligen nationalen Verwaltungsgerichten angefochten werden kann und dass das Thema ganz oben auf der Liste auf der aktuellen Hotrec-Konferenz in Luxemburg. / Sarah Douag, Massimiliano Sarti

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