Hotellerie nur durch die mobile Brille ITB Hospitality Day Talk zu Mobile Gäste Verhalten und Google Glass

Hotellerie nur durch die mobile Brille?

ITB Hospitality Day-Talk zu Mobile, Gäste-Verhalten und Google Glass

Es diskutierten: Carolin Brauer, Michael Hucho, Susanne Fittkau, Dr. Bernd Fauser und Andreas Erlemann.

Berlin. Die Smartphone-Welle ist nicht mehr aufzuhalten, aber sie hat noch nicht alle erfasst. Das Potential ist riesig, aber wie fit ist die Reisebranche für Mobile? Erkennt sie schon die Macht von Mobile und was ist machbar? Wo sind die Spezifika der Hotellerie? Diesen Fragen ging ein hochkarätiges Panel mit Vertretern aus der Internet-Datenforschung, aus der IT, der Hotellerie und von Google nach. Ein hochkonzentriertes Publikum lauschte bei dieser Talkrunde während des "ITB Hospitality Day", der Hotelkonferenz der weltgrössten Tourismusmesse im März, den interessanten und kritischen Einschätzungen der Teilnehmer.

Susanne Fittkau, Geschäftsführerin des Internet-Forschungsunternehmens Fittkau & Maaß Consulting aus Hamburg, lieferte eingangs die passenden Zahlen zum Mobile-Markt und beschrieb dann die grosse Kompetenz-Kluft im Umgang mit Mobile: Unternehmen wie die Lufthansa oder die Deutsche Bahn bilden die Speer-Spitze, kleinere Hotels stehen ganz hinten. Michael Hucho, Vice President Distribution Commercial bei Accor Deutschland, würde in der eigenen Branche aber differenzieren und in der Mobile-Beurteilung generell einen Unterschied zwischen Ketten- und Privat-Hotels machen; letztere beherrschen noch 70-80% des Marktes.

Susanne Fittkau erläutert Zahlenaus der Forschung.

In den Hotels betrachte man Mobile als Technik-Installation in der Immobilie, sagte Hucho weiter, was Dr. Bernd Fauser, Global Accounts Director Travel bei Google, zum Widerspruch herausforderte: "Mobile ist mehr Chance als Investment!" Für ihn ist Mobile der Motor für völlig neue Geschäftsmodelle und –strategien in den Unternehmen.

Damit kamen die Kunden- bzw. Gäste-Bedürfnisse und die limitierten Funktionen von Smartphones ins Spiel. Wie will er einchecken, welchen Funktionen machen Sinn?, fragte Hucho. Das Licht und die Zimmertemperatur vorab einzustellen, die Wellness-Massage mobil zu buchen? Das seien andere und vielfältigere Wünsche als nur einen Airline-Sitz zu buchen.

In der Tat, diese diversen Gäste-Wünsche gelte es herauszufinden, forderte Software-Entwickler Andreas Erlemann, Geschäftsführer von Zenith Hospitality Solutions, die Hoteliers auf. Das mache die Branche aber auch speziell und die Entscheidungen "tricky". Doch auch mit Blick auf die Mobilgeräte sagte er: "Vielfältige Geräte sind gefragt, zu jeder Tageszeit." Um die Mobile-Aktivitäten zu steigern, müssten verschiedene Geräte über eine Methodik ansprechbar sein, so der Software-Experte. Laut Google-Umfragen sitzen nämlich heute 80 Prozent der Tablett-User auf dem Sofa und bedienen mehrere Geräte gleichzeitig. Noch aber sei dies den Menschen gleichgültig, so Fauser.

Google-Vertreter Dr. Bernd Fauser.

In Sicht: die mobile Brille

Hotel-Experte Hucho kann heute jedenfalls noch nicht sagen, welcher Vertriebskanal der best funktionierende, welches mobile device das meist akzeptierte sei. Man müsse weiter eine Multi-Channel-Strategie fahren. Susanne Fittkau warf ein, dass die Direktbuchung heute sicherlich das Wichtigste sei; doch immer mehr Menschen würden auch danach fragen, vom gleichen Gerät aus Informationen zu sammeln oder damit auch Bezahlungen zu tätigen.

30 Prozent aller Suchanfragen zur Reise kommen heute über Mobil, warf Fauser ein; in Grossbritannien seien es sogar schon 50 Prozent. Und genau dieses Verhalten will der IT-Gigant noch beschleunigen – mit der neuen Brille "Google Glass", die noch dieses Jahr auf den Markt kommen soll. In der Brille ist ein Display integriert, das über "Augmented Reality" digitale Infos zum Umfeld des Reisenden liefern soll. Sie vereint zahlreiche Funktionen und Features auf kleinstem Raum: Neben Telefon und Kamera bietet sie Internet-Verbindung inklusive GPS. Bezogen auf die Hotellerie heisst: Auch der Concierge in New York kann Herrn Müller aus Deutschland beim Betretendes Hotels sofort identifizieren.

Susanne Fittkau warf ein: Bringt dies wirklich einen echten Mehrwert? Will der Reisende solch eine Brille oder sollte man ihn vorher nicht lieber einmal fragen? Für Accor zumindest wäre ein solche Brille eine Direktmarketing-Chance, so deren eCommerce-Spezialist. "Die Elektronik wächst uns an den Körper," fasste Michael Hucho schliesslich prägnant zusammen, konterte aber auch: "Auch nicht online zu sein, ist für Hotels wichtig." Er sieht für Hotelbetreiber nur eine Möglichkeit: Marktforschung zu betrieben und dann einfach zu experimentieren. "Machen die Hoteliers etwas falsch, wird der Gast einfach nicht wiederkommen."

Software-Spezialist Andreas Erlemann.

Kritisch betrachtete die ganze Runde die vielen Daten, die ein Hotel automatisch über den Gast sammelt, und war sich einig: Diese Daten sind nur etwas wert, wenn sie in Kundenprofile und anschliessend in Service-Angebote übersetzt werden.

Das Hotel, nur noch ein Online-Vertrieb?

Aufgrund der Diversität, die die Hotellerie als Branche darstellt und jede grosse Hotelkette auch schon mit ihren verschiedenen Marken verkörpert, rief Hucho nach weltweit gültigen technischen Standards. Welche Technik das Rennen um den Kunden aber gewinnen wird, sei derzeit nicht abzusehen.

Soviel Diskussion macht Google-Vertreter Fauser ungeduldig: "Ein Hotel ist ein Technologie-Unternehmen, das zufällig Zimmer verkauft," formulierte er provokant. Das IT-Budget werde das grösste werden. Carolin Brauer, selbst Chefin einer hotel-spezialisierten Beratungsgesellschaft für Online-Vertrieb, fand das gar nicht zum Lachen und Hucho intervenierte: "Wir reden immer noch über Hospitality, über Essen, Trinken und Schlafen!"

Hotelier Michael Hucho.

Der Hotel-Manager sagte abschliessend voraus: In fünf Jahren werden jede zweite Buchung online getätigt werden. Hotels würden aber nicht mehr über OTAs und andere Booking Engines laufen. Starke Marken würden hier Orientierung bieten. Software-Entwickler ermunterte die Hotellerie indirekt, sich nicht irritieren zu lassen: "Viele IT-Services werden billiger, Conversions zu mobilen Websites leichter werden. Kleinere Geräte, flexible Bildschirme, Gestensteuerung – alles ist da. Alles ist marktreif." Und damit ist der nächste Mobile-Schub nur noch eine Frage der Zeit. Google-Vertreter Fauser war sich sicher: In fünf Jahren werden alle "Brille" tragen. / map

Das YouTube-Video zu dieser Talkrunde des ITB Hospitality Day 2013 in voller Länge. Klicken Sie hier.

Beachten Sie auch den Artikel „Mobile wird Alltag“ in unserem hospitalityInside ITB SPECIAL 2013, in dem Andreas Erlemann von Zenith Hospitality Solutions und Caroline Brauer von Quality Reservations Zahlen, Daten und Einschätzungen zum Mobile Markt abgeben.


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