Wien. Für Österreichs Tourismus ist seit dem 20. September 2016 eine neutrale Crowdfunding-Plattform freigeschaltet: www.we4tourism.at. Notwendig sind alternative Finanzierungsformen, seit sich Basel III für Österreichs Hotellerie aufgrund ihrer Eigenkapital-Schwäche als Hürde für notwendige Investitionen aufbaut. Möglich wird die neue Form der Finanzierung durch das im September 2015 in Kraft getretene Alternativ-Finanzierungsgesetz. Einige Vorreiter haben sich schon vor und gleich nach der neuen Gesetzeslage um Crowdfunding für touristische Projekte bemüht. Dabei agiert nicht jeder so abgesichert und erfolgreich wie Harry’s Home mit Hotels in München, Graz, Linz, Dornbirn und ab 2018 in Zürich.
Mit dem AltFG wurde eine möglichst unbürokratische Beteiligung mit Kleinbeträgen an innovativen Projekten in gesetzliche Grundlagen gegossen. Denn bis dahin machte die so genannte "Prospektpflicht" derartige private Beteiligungen fast unmöglich, zumindest aber unwirtschaftlich. Als Eckdaten des Gesetzes, in dem als Begriff Crowdfunding durch "Crowdinvesting" ersetzt wird – wohl, weil es sich auch um Beteiligungen in bestehende Projekte handeln kann – sind mehrere Punkte kumulativ zu beachten, wovon für Crowdfunding folgende Punkte zutreffen:
• Der Emittent ist ein mittleres oder kleineres Unternehmen.
• Es gibt keinen unbedingten Rückzahlungsanspruch.
• Es gibt keine Nachschuss-Verpflichtung.
• Der Gesamt-Gegenwert der öffentlich angebotenen alternativen Finanzinstrumente erreicht oder übersteigt nicht 1,5 Millionen Euro.
• Emittenten, die Kapitalsuchenden, müssen ein einfach auszufüllendes Informationsblatt anhand der Alternativfinanzierungs-Informationsverordnung erstellen.
• Die Informationspflicht muss von einem Rechtsanwalt, Notar, Wirtschaftstreuhänder oder Vermögensberater kontrolliert werden. Diese dürfen jedoch keinen Interessenskonflikten unterliegen.
• Die Information muss an die Crowdinvesting-Plattform geleitet und jährlich aktualisiert werden.
• Für die Zeichner gelten folgende Limits: maximal 5.000 Euro pro Jahr, bzw. das Doppelte des durchschnittlichen Monatseinkommens. Professionelle Investoren dürfen maximal zehn Prozent ihres gesamten Finanzanlage-Vermögens für Crowdfunding verwenden.
Für die Crowdfunding-Plattformen gibt es zahlreiche Vorschriften, vom Gewerberecht bis zum Konsumenten-Schutz. So ist für jedes Mitglied der Crowd ein jeweils zweiwöchiges Rücktrittsrecht im Gesetz vorgesehen.
Das Geld liegt bereit –
ÖHT redet mit
Crowdfunding verzeichnete 2015 weltweit ein Volumen von 15 Milliarden US-Dollar und verdoppelt sich nach wie vor jährlich. In Österreich meldete die Wirtschaftskammer 8,1 Millionen Euro, wobei durch das neue Gesetz mittelfristig ein Crowdfunding-Volumen von 320 Millionen Euro pro Jahr erwartet wird. Für das erste Halbjahr 2016 lag der Wert noch bei eher bescheidenen 13,5 Millionen Euro. Dabei zeigt eine Studie des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft in Wien deutlich: Crowdfunding ist nicht Crowdfunding. Das Spektrum reicht von Beiträgen mit Spenden-Charakter über meist soziale Einrichtungen, die Naturalien wie etwa Eintrittskarten als Gegenleistungen bieten, bis hin zur Finanzierung von Unternehmen mit Gewinn-Erwartungen. Der Tourismus ist bemüht, zum letztgenannten Bereich zu zählen.
"Mit der neuen Plattform wollen wir Investitionen erleichtern und kreativen Tourismus-Ideen noch stärker zum Durchbruch verhelfen ", sagte der österreichische Wirtschafts- und Tourismusminister Reinhold Mitterlehner anlässlich des Starts der Initiative. Wie neutral die Plattform ist, bleibt umstritten, denn der technologische Träger Conda ist eines von nur vier vertretenen Crowdfunding-Portalen auf www.we4tourism.at.
Für den Tourismus ist aber die Österreichische Tourismusbank als strategischer Partner wichtiger. Als Bank darf sie selbst nicht im Crowdfunding aktiv sein, aber sie entscheidet, welche touristischen Projekte über die neue Plattform laufen. Da alle staatlich geförderten Kredite über die ÖHT abgewickelt werden, verfügt die Bank über bestes touristisches Knowhow.
Die alternative Finanzierung über die Masse soll gleichzeitig das Eigenkapital stärken und Klein-Investoren die Chance auf überdurchschnittliche Zinsen verschaffen. Der Geschäftsführer ÖHT, Wolfgang Kleemann, sieht darin eine Initialzündung, um die darbende Bank-Finanzierung für Tourismus-Investitionen besser in Schwung zu bringen. "Crowdfunding kann es nicht allein schaffen, aber innovative Ideen durch Eigenmittel den Weg zu anderen Krediten und Förderungen ebnen."
In jedem Fall werde die Finanzierung über die Crowd den Zugang zu anderen Krediten vereinfachen, verweist Kleemann etwa auf Jungunternehmer-Kredite mit extrem hohen Förderungen, die jedoch 25 Prozent Eigenkapital zur Bedingung haben. Kleemann rechnet, dass bis zu zehn Prozent des jeweiligen Investitionsvolumens von Klein-Investoren beigetragen werden könnte. International spricht man dabei von "Family, Friends & Fans". Laut Conda setze sich auch bei den bestehenden Projekten die Investorenschicht zu je etwa einem Drittel aus diesen Gruppen zusammen.
Prominenz hilft bei der Crowd, nicht bei Banken
Der Tourismus gilt als hervorragend geeignet für diese Finanzierungsform, denn die emotionale Verbindung zum Produkt ist gegeben. Besonders wird das bei einem Projekt klar, das vor dem Abschluss mit der neuen, von der ÖHT begleiteten Dachplattform steht: Adeo Alpin ist die Hotelgesellschaft der Ex-Skistars Hermann Maier und Rainer Schönfelder mit bisher zwei Hotels in St. Johann in Tirol und Zederhaus, die überwiegend über Rewe/DER-Touristik vermarktet werden. Mit Hilfe von Crowdfunding soll nun ein dritter Adeo Alpin-Neubau finanziert werden, der die Linie "Alpinen Urlaub leistbar machen" fortführt.
"Ich habe die Kredit-Finanzierung, ehrlich gesagt, unterschätzt: den riesengrossen Bürokratie-Haufen, der nicht einmal ansatzweise zu erfüllen ist," macht Schönfelder aus seinem Herzen keine Mördergrube. Der bekannte Name habe im Umgang mit den Gemeinden, Behörden und Nachbarn geholfen, nicht aber bei den Banken. Dabei ist Partner Hermann Maier ein höchst aktiver Werbeträger der Raiffeisenbank. Erst durch Crowdfunding sieht Schönfelder den Prominenten-Status als Wettbewerbsvorteil wieder gegeben.
Auch die Spartenobfrau Tourismus in der Wirtschaftskammer, Petra Nocker-Schwarzenbacher, bestätigt den dramatischen Wandel in der Banken-Finanzierung. Habe sie 1999 ein Grossinvestment in ihr Hotel, den Brückenwirt in St. Johann im Pongau, dem Direktor der Hausbank noch auf einem DIN A4-Zettel schmackhaft machen können, müsse sie sich heute als etablierte Unternehmerin mit Risiko-Managern und Basel III-tauglichen Papierbergen auseinandersetzen.
Kleemann sieht die alternative Finanzierung aber keineswegs als Ersatz für Kredit-Finanzierungen. Das zeigt auch die Dimension. Die ÖHT erwartet, im ersten Jahr rund sechs Millionen Euro über diese Finanzierungsform zu bewegen, mit 20prozentiger Steigerung pro Jahr. "Ich sehe bei zehn Millionen Euro im Jahr die Obergrenze," relativiert Kleemann. Angesichts von jährlichen Investitionen bis zu einer Milliarde Euro in Österreichs Tourismus, von denen knapp die Hälfte über die Förderungsbank ÖHT läuft, bleiben die Erwartungen überschaubar.
Emotionale Bindung als Antrieb
Es war schon in der 148 Steiten starken Studie für das Ministerium zu lesen: Tourismus sei besonders für Crowdfunding geeignet, da der Endkunde das Produkt kennt und diesem oft emotional verbunden ist. Wer sich an einem Hotel finanziell beteiligt, wird dort auch bevorzugt übernachten. Dieser Effekt kann gerade im Gastgewerbe durch ein Bonussystem unterstützt werden. "Wir haben z.B. im Mühlviertler Schwarzbergerhof fünf Prozent Verzinsung. Wer Gutscheine statt Cash nimmt, erzielt sieben Prozent," illustriert der Geschäftsführer des Crowdfunding-Portals 1000x1000.at – und Studienmitautor – Reinhard Willfort das Prinzip anhand eines konkreten Beispiels.
Gerade Nähe, ob regional oder emotional, sei der entscheidende Erfolgsfaktor für diese Finanzierungsform. In den Biobauernhof Schwarzbergerhof in Schönau/Mühlkreis mit Direktverkauf und Zimmern haben 96 Personen insgesamt 240.000 Euro investiert. "Der Natural-Zins bringt noch mehr Kundennähe, steuerlich jedoch keine Vorteile," unterstreicht Willfort, über dessen Plattform u.a. auch das Almresort Nassfeld und die Schneeerlebniswelt Wien Geld von Klein-Investoren sammelten. Letztere darf nach jetzigem Stand der Dinge als Beispiel für einen Komplettverlust für die Anleger gelten.
Ob Kleemann oder Willfort, allseits wird betont, dass weder Zinsen noch Kapitalerhalt garantiert sind. Sondern es sind in der Regel nachrangige Darlehen, schlicht Risiko-Kapital. Die ursprüngliche Idee, mit Fördermitteln der Tourismusbank ÖHT eine zumindest teilweise Kapital-Garantie für die Klein-Investoren zu schaffen, wurde nicht umgesetzt. Willfort findet das auch gut: "Das ist kein Ersatz fürs Sparbuch, sondern Risiko-Kapital. Das muss man den Menschen schon klar machen." Diese seien nicht Konsumenten, sondern Investoren.
Doch auch beim Eingrenzen der Risiken für die Anleger sieht Willfort die Hotellerie in einer starken Position. In der Regel handelt es sich um etablierte Betriebe mit Immobilien im Hintergrund. Zusätzlich seien die Crowdfunding-Plattformen nicht nur Investitionsdrehscheiben, sondern auch eine Schiene zur Qualitätsprüfung. Durch die ÖHT steige die Sicherheit zusätzlich. "Ich bin dabei ein Verfechter, dass man für Crowdfunding jeweils einen eigenen Rechtsträger baut, um klare Verhältnisse zu haben. Das Geld darf nicht dazu dienen, Dellen auszubügeln," weiss Willfort. Allen Beteiligten ist klar, dass mehrere Total-Ausfälle die alternative Finanzierungvariante rasch wieder in der Versenkung verschwinden lassen würde. / Fred Fettner