Immer um den Kunden herum Wie drei schweizerisch italienische Hoteliers den Schweizer Franken meistern
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Immer um den Kunden herum

Wie drei schweizerisch-italienische Hoteliers den Schweizer Franken meistern

Die Krise zwang ein etabliertes Hotel zu modernen Mitteln: Jetzt sichert Dynamic Pricing den Umsatz.

Locarno/St. Moritz/Mailand. In der Schweiz hat sich die Lösung von der Euro-Bindung anscheinend metabolisiert. Zumindest im Hotelbereich. Jedoch nicht ohne einen hohen Preis zu zahlen, während sich Schweizer Hoteliers weiter Sorgen machen um steigende Personalkosten und den fehlenden frühen Schneefall in den Berg-Regionen. Die Entscheidung seitens der Schweizer Nationalbank, die Euro-Bindung fallen zu lassen, war definitiv disruptiv. Auf der anderen Seite der Alpen, hinter der italienischen Grenze, ist der Kontext ein anderer: keine Probleme mit der Währung hier, dennoch ähnliche Bedenken. Massimiliano Sarti traf sich mit drei italienisch-schweizerischen Hoteliers – vom Schweizer Belvedere Hotel Locarno, dem internationalen Betreiber Kempinski im Grand Hotel des Bains St. Moritz und dem italienischen TH Resort Schloss in Pontresina. Die General Manager sprechen über ihre Business-Herausforderungen im Alltag – vom Dynamic Pricing und RevPar-Verlusten bis hin zu Personalkosten und dem Schneemangel. TH Resorts haben ihr Hotel in der Schweiz inzwischen geschlossen.

Das Schweizer Szenario ist allgemein bekannt: Aufgrund des untragbaren finanziellen und inländischen politischen Drucks hat die SNB im Januar 2015 entschieden, den Schweizer Franken nicht mehr im festen Wechselkurs zum Euro zu halten. Als unmittelbare Folge stieg die inländische Währung um ca. 30 Prozent zum Euro. Und obwohl der Franke um sechs Prozent im Verhältnis zu seinem Hoch im letzten Jahr verloren hat, ist die Schweizer Währung weiterhin überbewertet, mit einer Valuta, die sich weiterhin knapp 20 Prozent über dem Niveau von 1999 bewegt.

Gregor Becks neue Preispolitik schockte die Gäste des Belvedere zuerst. Dann erklärte er es.

Die inländische Hotelindustrie hat deshalb aufgrund des relativen Anstiegs der Zimmerpreise einen unvermeidbaren Wettbewerbs-Verlust erlitten. Als Ergebnis sank die Anzahl an Übernachtungen in der Schweiz im letzten Jahr im Vergleich zu 2014 um 0,8 Prozent. Jedoch kämpften die Berghotels deutlich mehr als die städtischen Hotels, da die traditionellen Urlaubsregionen vermehrt von den preis-sensibleren europäischen Gästen als vom stabileren Geschäftstourismus leben.

Am Ende des Tages fiel die Gesamt-Performance nicht allzu schlecht aus. Dennoch wurde der Widerstand des Systems hauptsächlich durch eine weit gestreute Niedrigpreis-Politik aufrechterhalten, begleitet von einem sensiblen Wandel bei den Nachfrage-Quellen. Gemäss Statistischem Bundesamt der Schweiz sank die Anzahl der Übernachtungen von europäischen Gästen in Schweizer Hotels um 8 Prozent von Januar bis Juni 2015.

Desweiteren ergab eine Mitglieder-Umfrage der hotelleriesuisse, dass 42 Prozent der Schweizer Hotels ihre Zimmerpreise aufgrund der gesunkenen Gäste-Zahlen reduzierten, während mehr als die Hälfte ihr Personal in der Wintersaison abbauen mussten. Gleichzeitig jedoch boomte der inländische Tourismus 2015 und erreichte eine Rekordzahl von 16,1 Millionen Übernachtungen insgesamt. Zugleich hat sich China zum viertwichtigsten Markt für die Schweiz gemausert, während die gesamten registrierten Übernachtungszahlen von asiatischen Touristen um 16,1 Prozent in den ersten sechs Monaten von 2015 anstiegen.

Hotel Belvedere: Dynamic Pricing-Schock

In einem solch komplizierten Szenario ringt jedes Schweizer Haus um einen Weg aus dem Strudel. Aber auf Regen folgt Sonnenschein: Zum Beispiel hat letztes Jahr in Locarno das 89 Zimmer grosse 4 Sterne-Hotel Belvedere es geschafft, seine Übernachtungen um 6,5 Prozent im Vergleich zu 2014 zu steigern. Es hat ebenfalls seinen Gesamtumsatz um rund drei Prozent steigern können, während der eigene lokale Marktanteil um rund sieben Prozent stieg. Wenig überraschend, dass solch positive Ergebnisse nur durch leichte Verschiebungen hin zum inländischen Markt möglich waren, begleitet von einer aggressiveren Preispolitik.

Kempinski Grand Hotel des Bains St. Moritz: Nicht mehr jeder Quell-Markt nimmt hier Platz.

Laut Hotel-Manager Gregor Beck trugen 2015 Schweizer Hotelgäste zu 66% bei den gesamten Übernachtungen bei - gegenüber 63% im vergangenen Jahr. Hingegen sind die Übernachtungen der deutschen Kunden von 15% in 2014 auf 12% in 2015 gesunken. Eher relevanter für das Hotel-Geschäft ist, dass Beck eine Revenue Management-Strategie im Januar 2015 erstmalig in der Geschichte des Belvedere eingeführt hat.

Locarno ist eigentlich ein klassisches Reiseziel: ein Städtchen mit 15.000 Einwohnern an der Nordseite des Lago Maggiore, wo eher die älteren Gäste immer noch nicht mit Dynamic Pricing vertraut sind. Dennoch war dieser Schritt wichtig für den Geschäftserhalt, da der Anstieg der gesamten Übernachtungen durch eine leichte Senkung der durchschnittlichen Raten bedient werden konnte: "Dies ist ein sehr typisches Ergebnis im ersten Jahr einer neu eingeführten Umsatz-Management-Strategie", so Beck. "In den ersten beiden Monaten des Jahres 2016 verzeichneten wir dennoch einen signifikanten Anstieg der durchschnittlichen Tagesrate, die um 20 Prozent stieg im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2015. Als wir im letzten Jahr begannen, die Preise rauf und runter zu fahren, waren viele Verträge gerade erst unterzeichnet. Dementsprechend konnten wir die Peak-Tage nicht so nutzen wie wir es in diesem Jahr konnten".

Es scheint, dass auch die regulären Gäste den "dynamischen Pricing-Schock" zumindest aufgenommen haben. Und ungeachtet der Tatsache, dass die traditionelle Weihnachtskarte dieses Mal keine Raten enthielt: "Ich erklärte einfach, dass unser neuer Preis-Ansatz sich nicht von Fluggesellschaften unterscheide, welche das bereits seit Jahren so betreiben. Fast jeder hat dies eigentlich auch sofort verstanden", verrät Beck. Die neue Preispolitik wurde durch eine massive Werbekampagne begleitet, die hauptsächlich auf Online-Kanäle ausgerichtet war, während die eher klassischen Pauschalangebote, wie die, die auf die EXPO Mailand zugeschnitten wurden, nicht die erhofften Ergebnisse brachten. "Das ist aber normal. Pauschalangebote sind selten eine Goldmine", gibt Beck zu.

Kempinski-GM Reto Stoeckenius setzt mehr auf das Produkt als auf Pricing.

Nicht zu unterschätzen für den Erfolg eines Hotels ist die Bedeutung loyaler Mitarbeiter: Insgesamt arbeiten 63 Angestellte für das Hotel, davon können 90 Prozent auf einen unbefristeten ganzjährigen Vertrag vertrauen: "Davon arbeiten ungefähr 25% seit mehr als sieben Jahren für unser Haus", betont der General Manager. Für die nahe Zukunft setzt das Hotel nun auf das neu renovierte Restaurant: einer Design-Fläche mit einer Show-Küche die darauf abzielt die Hotelgäste zum Mittag- und Abendessen zu bleiben sowie neue einheimische Gäste anzuziehen. "Ich würde es wagen zu sagen, dass wir uns mit dem derzeitigen Währungsniveau arrangiert haben. Das wahre Thema hier in Schweiz sind die Löhne, die weiterhin 50% der gesamten Kosten ausmachen," folgert Beck.

Kempinski St. Moritz: Grosse Events der Schlüssel

Die Situation ist vom Kanton Tessin bis nach Graubünden die Gleiche. Reto Stoeckenius, General Manager des 5 Sterne-Kempinski Grand Hotel des Bains in St. Moritz teilt die Ansichten Becks bezüglich der Gehälter: "Die Personalkosten sind hier zu hoch. Zumindest bedeutet dies jedoch, dass unsere Hotels mehr Talente anziehen müssen. Auch wenn die jüngeren Leute oftmals urbane Destinationen den Berg-Resorts vorziehen".

Das Kempinski im Engadin hat anscheinend noch nicht so sehr unter dem Währungs-Übergang leiden müssen: Der GOP des Hauses stieg im Dezember letzten Jahres um 20 Prozent im Vergleich zum Dezember 2014. Das Hotel hatte in der Tat im Januar ein bisschen zu kämpfen, als der RevPar um 15% gesunken war, jedoch ist diese negative Entwicklung eher auf die Krise im russischen Markt zurück zu führen als auf die Überbewertung des Schweizer Franken im Januar. Bessere Ergebnisse lieferte das Hotel des Bains im Februar und März.

Jedoch ist seit der Lösung von der Euro-Bindung nichts mehr wie vorher: "Briten, Skandinavier, Süd- und Nordamerikaner sind wieder da, aber wir müssen noch die Italiener und die Deutschen allesamt zurück gewinnen," merkt Stoeckenius an. Und weiter: Auch wenn die Wintersaison sich als ziemlich positiv heraus stellte, "wir litten ein wenig in der Sommersaison, in der unsere klassische Nachfrage eher preis-sensibler ist".

Das Schloss rechnete sich nicht mehr, TH Resorts musste den Standort und die Schweiz aufgeben.

Wie sehen die kommenden Pläne aus? "Kein aggressives Pricing, aber ein Produkt, das auf Qualität und Mehrwert setzt," versichert der GM, darauf bedacht, die eigene Marktposition nicht zu unterwandern. Dies sollte zumindest für die Hoch-Zeiten gelten, da Stoeckenius gleichzeitig zugibt, sich auf ein Fundament von Geschäftsreisen, Incentive-Reisen und Skigruppen für die weniger frequentierten Wochen zu verlassen.

Allgemein gesprochen scheint der Schlüssel zu einem Urlaubsziel wie St. Moritz grosse Events zu sein: "Zum Beispiel haben wir im März, kurz vor Ostern, das Finale des 2016 Ski World Cup ausgerichtet und unser Hotel war für zwei Wochen einfach komplett ausgebucht". In Zeiten von Erlebnis-Tourismus ist Luxus nicht unbedingt ein relevanter Faktor, auch für diejenigen Skifahrer, die am meisten ausgeben. "Um moderne Gäste anzulocken, braucht es schöne, schneebedeckte Pisten vereint mit einer Auswahl an tollen Events", hebt Stoeckenius hervor. Und im Sommer? "Da bieten wir ein vollkommen anderes Produkt an, das mehr auf die aktiven Urlauber zugeschnitten ist. Gerade in diesem Jahr wollen wir uns auf den Markt im Nahen Osten konzentrieren", so der GM, der offenbar auf weniger preis-sensible Gäste hofft.

TH Resorts verlassen die Schweiz

TH Resorts ist eine italienische Hotelgruppe mit derzeit elf Küsten- und Berg-Resorts. Das Portfolio beinhaltete sogar bis vor kurzem ein Schweizer Hotel: Hotel Schloss in Pontresina, einer kleinen Stadt im Engadin, nicht weit von St. Moritz entfernt, wo das Unternehmen noch vor einem Jahr das Reine Victoria unterhielt. "Wir bedauern sehr, dass wir das hier aufgeben, da wir sehr von dieser Destination angetan sind, jedoch sind wir dazu gezwungen, unsere letzte Adresse in der Schweiz aufzugeben", verrät Giorgio Palmucci, CEO der TH Resorts.

Giorgio Palmucci, TH Resorts: Die Gesamtkosten waren zu hoch.

Die Begründung ist simpel: "Vor fünf Jahren lag der Wechselkurs bei ungefähr 1,45 Franken für jeden Euro. Nun tauscht man einen Franken für unter 1,10 Euro. TH Resorts hatte für die Anlage in der Schweiz Mietverträge und Arbeitsverträge in Franken festgeschrieben, während die meisten Gäste aus den Euro-Ländern, nämlich hauptsächlich aus Italien und Deutschland kamen. Dadurch sind die Gesamtkosten um 30 bis 40% in die Höhe geschnellt. Und wir konnten es uns einfach nicht leisten, unsere Raten um einen gleichwertigen Prozentsatz anzuheben".

Sogar in den italienischen Alpen, wo TH Resorts derzeit drei weitere Berg-Resorts unterhält, ist der Himmel nicht nur blau. Jedoch herrscht dort ein ganz anderes Szenario: Dort ist das grosse Thema der Schneemangel in der frühen Saison, gerade in den Weihnachtsferien, sprich der Winter-Hochsaison. "Vielmehr waren die ersten Monate in 2016 wesentlich besser, insbesondere die Osterwoche. Es ist jedoch sehr schwer, wieder gut zu machen, was wir im Dezember verloren haben”, wiederholt Palmucci.

Trotz der grossartigen Arbeit, die durch die Pistendienste mit künstlichem Schnee im letzten Monat 2015 geleistet wurde, sank die Gesamtzahl an Übernachtungen in den italienischen TH Hotels tatsächlich um ca. 10% im Vergleich zum Dezember 2014.

Mehr noch: In solch klimatischen Bedingungen stieg der Anteil der sogenannten "SLONS". "Jedoch ist dieses Marktsegment nicht willens, diese hohen Raten der Hochsaison zu bezahlen, was Ski-Liebhaber in der Regel tun", merkt Palmucci an. Für TH Resorts ist es ein vernünftiges Ziel, nun die Wintersaison mit ähnlichen Zahlen wie die des Vorjahres abzuschliessen.

Abgesehen von den weitverbreiteten Ängsten vieler Berg-Destinationen über den weltweit sinkenden Anteil von Ski-Liebhabern war eine Besorgnis besonders deutlich im nahen Österreich zu spüren, zeigt sich Palmucci stattdessen zuversichtlich im Hinblick auf den allgemeinen Zustand der Alpin-Resorts: "Auch wenn die Anzahl der Skifahrer nicht so gut ist wie in der Vergangenheit, sind es doch andere Schnee-Aktivitäten, die derzeit durch die Decke knallen. Denken Sie nur an Snowboarden und Free Riding. Wir dürfen nicht ausser Acht lassen, dass neue Märkte wie z.B. mehr und mehr türkische, brasilianische und israelische momentan Richtung Europa ziehen, angelockt durch unsere Top-Skipisten".

Tatsächlich sind die internationalen Gäste sehr wichtig für die italienischen Berg-Resorts des TH-Portfolios, da sie der Gruppe eine beständige Belegungsrate bescheren, die die inländische Nachfrage allgemein nicht in der Lage ist zu leisten: "Alpine Standorte sind zu abhängig von lokalen Kunden und sind deshalb unter der Woche leer", folgert Palmucci. Um Reisende aus solch unterschiedlichen Märkten begrüssen zu können, kann man sich dennoch nicht nur auf den Schnee verlassen: "Ein schöner Wellness-Bereich und gutes F&B ist einfach ein Muss für jedes Resort, das im jetzigen Markt-Umfeld wettbewerbsfähig bleiben möchte". / Massimiliano Sarti

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