Kein Freispruch 1 Klasse Jüngste OLG Begründung im Fall Jagdfeld lässt Sachverhalte offen
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Kein Freispruch 1. Klasse

Jüngste OLG-Begründung im Fall Jagdfeld lässt Sachverhalte offen

Das Adlon Berlin: Als Immobilie kommt das Hotel nicht aus den Schlagzeilen.

Berlin. Ein genauerer Blick in die Akten zeigt es nun: Der kürzliche Sieg des Immobilienfonds-Initiators Anno August Jagdfeld vor Gericht ist kein "Freispruch 1. Klasse", wie es die Jagdfeld-Gruppe Anfang Juli selbst freudig vermeldete. Wie berichtet, lehnte das Oberlandesgericht Köln - wie zuvor auch das Landgericht Aachen - die Eröffnung der Hauptverhandlung wegen des Vorwurfs der Untreue ab. Es ging dabei um Garantien, Mietverzichte zugunsten der Adlon Holding und angeblich zu Unrecht gezahlte Umsatz-Ausfälle durch Bauarbeiten. Beatrix Boutonnet kniete sich nun tief in die ihr vorliegende Beschlussbegründung hinein. Ein Ende der Rechtsstreitigkeiten rund um die Fundus Gruppe ist nicht in Sicht, auch wenn Jagdfeld nun in diesem Fall einen Sieg errungen hat und dieser Sachverhalt für ihn nun vom Tisch ist.

Die ursprünglichen Pläne waren edel und gut gewesen – die Story im schnellen Rückblick: Das Adlon am Brandenburger Tor war seit jeher als eine der besten Hoteladressen der Welt geplant gewesen, schon von seinem Erbauer Lorenz Adlon. Das Adlon der "Neuzeit" baute die Fundus-Gruppe in den neunziger Jahren mit ursprünglich rund 225 Millionen Euro von 4.400 Anlegern.

Die wirtschaftliche Entwicklung des 1994 aufgelegten Fundus-Fonds Nr. 31 aber ist alles andere als berauschend. Anfangs schwächelten die Belegungszahlen sehr. Dann sorgte besonders der Anbau im hinteren Teil des Luxushotels mit Gastronomie, Clubs und Spa, der nachträglich von den Fondseignern beschlossen und umgebaut wurde, wegen der noch schwächeren Zahlen für Probleme. Dabei sollten durch ihn zusätzliche Einnahmen fließen.

Das ehemalige Fundus-Spa im Adlon, einst in Eigenregie betrieben, wird jetzt vom Hotel-Betreiber Kempisnki mitgeführt.

Dank des Jagdfeld'schen Treuhand-Modells konnte dieser sicher sein, dass auf Gesellschafter-Versammlungen dank der Stimmen von nicht anwesenden Anlegern bei Beschlüssen immer auf der sicheren Seite war. Die Konsequenz bekamen die Anleger schnell zu spüren: Die Pacht wurde gestundet, sie mussten 2009 bis 2011 auf die versprochenen Ausschüttungen verzichten. Wegen Baulärm, Verzögerungen und Wirtschaftskrise hätten die Pächter die Miete nicht erbringen können. Jedoch: Pächter und Baugesellschaft waren Jagdfeld-Gesellschaften.

Schlappe für die Staatsanwaltschaft

Das wollten nicht alle Anleger hinnehmen. Unter dem inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt Fritsch von der Berliner Kanzlei Probandt & Partner probten sie einen Aufstand. 220 Privat-Investoren, darunter auch einige finanzielle Schwergewichte, die mit sechsstelligen Summen im Fundus-Fonds investiert sind, hatten sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Sie erstritten vor dem Bundesgerichtshof ein Urteil, das Jagdfeld verpflichtete, die Namen und Anschriften von Fonds-Anlegern herauszugeben, wenn Fonds-Mitgesellschafter dies verlangen.

Das machte Jagdfeld erstmals nervös. Er startete eine PR-Offensive - mit Erfolg. Seine Redegewandtheit brachte die Wende. Er blieb Geschäftsführer. Doch die nächste juristische Herausforderung kam schnell. Am 17.8.2012 erhob die Staatsanwaltschaft Köln gegen fünf Beschuldigte im Zeitraum zwischen Mai 2006 und 30.3.2009 an der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Aachen Anklage wegen des Vorwurfs der Untreue bzw. wegen Beihilfe zur Untreue.

Die Staatsanwaltschaft warf Jagdfeld vor, bei einer Kapitalerhöhung für den Fundus-Fonds des Adlon Garantien nicht in Anspruch genommen sowie auf Pacht-Zahlungen verzichtet zu haben. Zwischen 2009 und 2011 sollen dem Fonds so Mieteinnahmen in Höhe von 7,7 Millionen Euro entgangen sein. Zudem monierte die Staatsanwaltschaft, dass Jagdfeld der Holding zu Unrecht Schadensersatz in Millionenhöhe gezahlt habe. Schließlich sei den Anlegern durch ein nachteiliges Zinsgeschäft ein Schaden von 14 Millionen Euro entstanden.

Das Gericht war nicht überzeugt von der Schuld. Ein abschlägiger Beschluss erging am 17.12.2013. Das Landgericht Aachen teilte darin mit, dass teils aus rechtlichen, teils aus tatsächlichen Gründen die Eröffnung er Hauptverhandlung abgelehnt werde. Das Verhalten des Unternehmers und der anderen Angeschuldigten sei von der unternehmerischen Freiheit erfasst.

Die jüngste Gerichtsentscheidung lässt viele Fragen offen.Foto: Fineas Fotolia

Das missfiel der Staatsanwaltschaft Köln. Sie legte daraufhin beim Landgericht Aachen drei Tage später eine Beschwerde ein. Drei Monate später trat auch die Generalstaatsanwaltschaft Köln der Beschwerde bei. Erneute Prüfungen erfolgten. Doch nun hat das Oberlandesgericht Köln mit Datum vom 26.6.2014 im 2. Strafsenat den Beschluss erlassen und die Klage in letzter Instanz zurückgewiesen. Sie bestätigten damit den Beschluss des Landgerichts Aachen. In dem 20seitigen Beschluss stand zu lesen: "Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Angeschuldigten trägt, verworfen."

Geht man in die Tiefen des Beschlusses, so ist juristisch alles wasserfest mit einer Vielzahl von Paragraphen und Verweisen auf das Bundesverfassungsgericht begründet. Das Fazit ist eindeutig: Der Senat gelange, so der Beschluss, auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu keinem anderen Ergebnis als das Landgericht.

Einzelne Sachverhalte lässt selbst das Gericht unbeantwortet

In der Begründung gibt es durchaus Sätze, die Nichtjuristen erstaunen. So steht beispielsweise beim Thema Platzierungsverpflichtung: "Der Senat, der sich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Eigennützigkeit des Handels von Entscheidungsträgern bewusst ist, kann jedoch offenlassen, ob diese Aufgabe tatsächlich pflichtwidrig war."

Es könne darüber hinaus offen bleiben, ob insoweit das Einverständnis der Gesellschafter die Annahme der Untreue ausschliesst, weil die Gesellschafter-Versammlung 2006 den geplanten Änderungen des Gesellschaftsvertrages vorab ihre Zustimmung erteilt hat, oder ob dieses Einverständnis aufgrund von Willensmängeln derjenigen Gesellschafter, die ihre Zustimmung erteilt haben, unwirksam war. Die sperrigen Sätze im Juristen-Deutsch bedeuten, dass dies nicht vom OLG geprüft wurde.

Denn, so die Erklärung des Gerichts, entscheidend sei hier vielmehr, dass ein konkreter Vermögensschaden im Sinne des Paragraphen 266 StGB nicht feststellbar sei. Untreue aber liegt nach Paragraph 266 StGB laut Gesetzgeber immer dann vor, wenn jemand die durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem Nachteil zufügt, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat,. Das konnte das OLG Jagdfeld und den anderen Beschuldigten nicht nachweisen.

Das Gericht muss, so der Beschluss in Bezug auf das Bundesverfassungsgericht weiter, auch einen Nachteil neben dem Tatbestand der Pflichtverletzung nachweisen. Sie hätten diesen von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern müssen und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsbegründungen darlegen müssen. Auch auslegungsbedürftige, sogenannte normative Tatbestände können eine Rolle spielen. So kann, laut Bundesverfassungsgericht, die Verwendung des anvertrauten Vermögens zu verbotenen Zwecken nicht per se als nachteilsbegründend angesehen werden. Das Gericht muss prüfen, ob das verbotene Geschäft – wirtschaftlich betrachtet nachteilhaft war.

Immer umstritten: Anno August Jagdfeld.

Der Schaden muss nachgewiesen sein

Zum Zeitpunkt der Selbsteintritts-Verpflichtung aber, so das Gericht, ist dem Kläger kein unmittelbarer Vermögensschaden entstanden. Eigentlich sollte Fundus die bis 31.12.2005 fehlenden Gelder der Kapitalerhöhung selbst übernehmen. Diese Vereinbarung sei aber bis zum 31.12.2010 prolongiert worden. Eine schriftliche Vereinbarung darüber befindet sich aber nicht bei den Akten. Ein sogenannter Gefährdungsschaden aber sieht das Gericht darin nicht. Anhand des Einwerbungsverlaufs des Kapitals sei zwar erkennbar, dass nach grossen Anfangserfolgen die Kapitaleinwerbung ständig zurückgegangen ist und auf dem Niveau des Jahres 2006, wo nur noch knapp eine Million Euro eingesammelt werden konnte, die Lücke bis zum Deckelungsbetrag von 82 Millionen Euro nicht hätte geschlossen werden können.

Es ist aber nicht auszuschliessen, so das Gericht weiter, dass etwa bei verändertem Bedingungen wieder grössere Kapitalanwerbe-Erfolge hätten erzielt werden können. Wie hoch diese ausgefallen wären, ist nach Ansicht des Senats nicht mit ausreichender Gewissheit prognostizierbar.

Bezüglich des Pacht-Verzichts führt auch das OLG ebenfalls die Gesellschafter-Beschlüsse ins Feld. Das Treuhand-Modell wurde nicht untersucht: "…nicht erkennbar und im Rahmen des Ermittlungsverfahrens näher untersucht worden ist, ob die Zustimmung der Gesellschafter erschlichen war oder sonst auf Willensmängeln beruhte", so der Beschluss. "Abweichend von der Staatsanwaltschaft sei nicht ersichtlich, dass das Abstimmungsergebnis kausal auf einem pflichtwidrigen Verhalten der Angeschuldigten beruht."

Punktsieg, aber kein klarer Sieg in der Sache

Jagdfeld hat in diesem Fall juristisch gepunktet. Er hatte wie immer sehr gute Anwälte. Wie so oft sah er sich auch hier von Anfang an zu Unrecht an den juristischen Pranger gestellt. "Die Richter haben damit einer beispiellosen Schmähkampagne nach fast vier Jahren ein Ende gesetzt", sagte er und wertete die Entscheidung als einen "Freispruch 1. Klasse". Das trifft die Sachlage juristisch nicht korrekt, auch wenn die Folge daraus die gleiche ist.

Der Hintergrund: Einen Freispruch gibt es nur nach einem Urteil, das setzt eine Hauptverhandlung voraus. Bei einem Beschluss kommt es aber gar nicht zu einer Verhandlung, sondern es wird im Vorfeld, im sogenannten Zwischenverfahren, die Wahrscheinlichkeit aufgrund der Aktenlage geprüft. Es ist also eine Wahrscheinlichkeitsprognose, bei der es einen Beurteilungsspielraum gibt.

Das OLG war der Meinung, ein Vermögensnachteil wird in einer Hauptverhandlung nicht mit einer zur Verurteilung ausreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen sein und lehnte daher die Eröffnung des Hauptverfahrens ab. Eine Beweisaufnahme nach den strengen Vorgaben der Strafprozess-Ordnung hat dabei nicht stattgefunden. Die Staatsanwaltschaft hatte bei der Wahrscheinlichkeitsprognose eine andere Meinung, so sagt Staatsanwalt Dr. Daniel Vollmert von der Staatsanwaltschaft Köln.

Im Adlon selbst verläuft vieles wieder in ruhigeren Gewässern. Die Anschluss-Finanzierung des Kredits ist in trockenen Tüchern, auch wenn über die Konditionen nichts nach aussen drang. Seitdem das ZDF die Geschichte der Berliner Luxusherberge verfilmt hat, brummt auch das Hotel. Das freut Betreiber Kempinski, die inzwischen auch den Wellnessbereich von Fundus im Hause unter ihre Fittiche nahmen. Mit den juristischen Auseinandersetzungen und mit dem Streit der Anleger gegenüber Fundus haben sie nichts zu tun. Sie betreiben "nur" das Hotel in dem Stil, wie es sich Lorenz Adlon erträumt hat. / Beatrix Boutonnet

 

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