Kleines Erdbeben Franken Aufwertung trifft die Spekulanten und teilweise die Fonds
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Kleines Erdbeben

Franken-Aufwertung trifft die Spekulanten und teilweise die Fonds

Wer jetzt noch Kredite in Schweizer Franken hat, darf rechnen.Foto: Kurhan, Fotolia

Bern. Die Entkoppelung des Franken an den Euro am 15. Januar 2015 machte die ohnehin schon teure Schweiz über Nacht nochmals um 20 Prozent teurer. Diese Massnahme wirbelte nicht nur die Aktien- und Immobilien-Märkte gehörig durcheinander, sondern zieht auch noch Folge-Problematiken mit sich. Die grösste Problematik durch die Entkopplung drückt sich in der Verteuerung der Schweizer Produkte aus, im Rückgang der Touristen und vor allem durch die Währungsspekulation mit dem Franken bei den Fonds. Letzteres hat es in sich - besonders für die geschlossenen Fonds. Aber: Es gibt immer zwei Seiten der Medaille. Beatrix Boutonnet stellt die Auswirkungen auf die Finanz-Branche in den Zusammenhang.

Die Euro-Entkoppelung des Frankens trifft vor allem Hotellerie und Tourismus empfindlich. Und das zu einem äusserst ungünstigen Zeitpunkt, da auch wegen der geopolitischen Risiken nicht nur Russen spärlicher kommen, sondern vor allem auch Japaner ihrem Lieblingsland den Rücken kehren. Von Januar bis Oktober 2014 stiegen 10,7 Prozent weniger Japaner in Schweizer Hotels ab als im Jahr davor, so das Bundesamt für Statistik. Sie leiden bereits seit längerem unter dem ungünstigen Devisenkurs. Der japanische Yen hat in den letzten zwei Jahren rund einen Viertel des Werts eingebüsst und den Russen bereitet neben den Unruhen ebenfalls die Rubel-Abwertung Sorge.

Die Entscheidung der Schweizer Nationalbank trifft aber auch alle, die vom bisherigen interessanten Franken-Kurs profitieren wollten und ihre Kredite daher ganz oder teilweise über die Fremdwährung gehebelt haben: geschlossene Fonds, österreichische Häusle-Bauer, Hotel- und Gewerbeimmobilien-Investoren. Zwar haben Verbraucherschützer vor Fremdwährungs-Darlehen immer schon wegen des hohen Risikos gewarnt, doch das wurde angesichts der verlockenden Renditen gerne übersehen.

Fabian Hellbusch, Union Investment:  Zurückhaltung zahlt sich aus.

Während sich die Aktien- und Immobilien-Märkte schnell wieder vom Schreck erholt haben, dürfte das Nachbeben für alle, die auf Währungsspekulationen setzten, unangenehmer werden. Der Grund: Sie müssen jetzt deutlich mehr zurückzahlen. Darlehen in Fremdwährungen haben einen Vorteil: Wertet der Euro gegenüber der Fremdwährung auf, sinkt auch die effektiv in Euro zu tilgende Schuldsumme. Das gilt aber auch umgekehrt, dann wird es – wie jetzt beim Franken der Fall – für die Kreditnehmer deutlich teurer.

Man hielt die Franken-Kredite in den Jahren 2002 bis 2007 für das Ei des Kolumbus: hebeln durch Fremdwährungen. Besonders Yen und Franken lockten. Während sich der Yen schon früher ungünstig für die Kreditnehmer entwickelte, blieb der Franken relativ stabil. Die SNB hielt den Mindestkurs von 1,20 Franken pro Euro lange aufrecht, stützte bei Problemen massiv, um Währungseinbussen bei Schweizer Unternehmen beim Export in die Euro-Zone gering zu halten. Das Ergebnis: Der Franken war bereits seit längerem massiv überbewertet.

Offene Fonds: Kaum Schweizer Immobilien

Bei den offenen Fonds gab man sich seit jeher in Bezug auf die Schweiz zurückhaltend. Man setzte nicht auf Währungsspekulationen, um die Rendite zu pushen - anders als bei den geschlossenen Fonds. Auch Schweizer Assets befinden sich aufgrund der teuren Kaufpreise und der komplexen steuerlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen nicht in den Portefeuilles der Fondsanbieter und so müssen diese sich auch nicht mit dem Thema Franken-Entkoppelung bei der Bewertung von Immobilien auseinandersetzen.

"Der unerwartete Schritt der Schweizerischen Nationalbank hat aufgrund der umfassenden Absicherung der Währungskurs-Risiken in den Immobilien-Sondervermögen für unsere Offenen Fonds keine nennenswerten Auswirkungen", heisst es von der Union Investment. Fabian Hellbusch, Leiter Immobilien Marketing Kommunikation, bricht es noch weiter auf Fondsebene herunter: "Per 28.1.2015 sind im UniImmo Europa und im UniImmo Global, die jeweils ein Objekt in der Schweiz halten, faktisch keine CHF-Positionen offen. Die Union Investment Real Estate AG hält im UniInstitutional European Real Estate ein Objekt im Schweizer Oftringen." Die offene CHF-Position betrage aber gerade einmal 0,07 Prozent des Fondsvermögens, so der Sprecher.

Genf, ein Wirtschaftszentrum in der Schweiz: Die Entscheidung der Schweizer Nationalbank Mitte Januar berührt viele Unternehmen, vor allem in den Euro-Nachbarländern.Foto: Genève Tourisme

Bei der Commerzbank und der Deutsche Bank AG-Tochter Deutsche Asset & Wealth Management gibt es in den offenen Fonds weder Franken-Finanzierungen noch Assets bei den Eidgenossen. Der hausInvest Fonds sei daher von der Franken-Thematik nicht betroffen, so Pressesprecher Markus Esser. Und bei der Deutschen Asset & Wealth Management setze man zur Zeit ebenfalls weder in den Publikumsfonds noch in den Spezialfonds Kredite auf Schweizer Franken-Basis ein, heisst es aus dem Unternehmen. In den Immobilien-Portfolien der Fonds befänden sich keine Schweizer Immobilien.

Auch bei der Deka Immobilien war man vorsichtig: "Unsere Offenen Immobilienfonds für Privatanleger nehmen ihr Fremdkapital nur in der jeweiligen Landeswährung bzw. in der Währung des wirtschaftlichen Betriebes der Immobilie auf. Unsere Fonds besitzen keine Objekte in der Schweiz, von daher spielt es keine Rolle. Darüber hinaus sind ausländische Währungspositionen in unseren drei Retail-Fonds generell, nahezu vollständig abgesichert."

Geschlossene Fonds: Problemwelle befürchtet

Anders sieht es bei den geschlossenen Fonds aus. Nach Einschätzung des Berliner Analysehauses Scope Ratings könnte es zu massiveren Problemen kommen und viele Fonds, die über Franken gehebelt haben, zu Sanierungsfällen werden lassen. Der Grund: Trotz einer durchschnittlichen jährlichen Tilgung in Höhe von etwa einem Prozent hat sich die reale Kreditlast der betroffenen Fonds in Euro durch die Aufwertung des Schweizer Franken zum Teil deutlich erhöht. Sie müssen also nicht nur in Euro mehr zurückzahlen, sondern es stehen auch noch Anschluss-Finanzierungen und Mietvertrags-Verlängerungen unter diesen denkbar ungünstigen Voraussetzungen an.

Rund 60 geschlossene Immobilien-Fonds aus Deutschland haben zumindest teilweise über Franken-Darlehen finanziert, sagt Scope-Sprecher André Fischer. Die Lust auf Franken-Darlehen änderte sich erst mit der Finanzkrise 2007, als alle Welt aus Dollar, Euro und Pfund floh und in Franken anlegte. Von 2007 bis zum Sommer 2011 wertete die eidgenössische Währung gegenüber dem Euro um 63,3 Prozent auf. Schweizer Konzerne bekamen das bereits damals massiv zu spüren. Die Nationalbank intervenierte und legte den Mindestkurs von 1,20 Franken fest.

Steigenberger Alpenhotel and Spa Gstaad: Der Pacht-Vertrag hält Anleger bei Laune.

Da viele in den Jahren zwischen 2003 und 2007 diesen Vorteil nutzten, geht es auch um gewaltige Summen: Das CHF-Kreditvolumen allein der in den Jahren 2004 bis 2006 emittierten Fonds beziffert Scope auf 1,3 Milliarden Schweizer Franken. Nach Abzug der seither geleisteten Tilgungen gehen die Berliner von einem verbliebenen Kreditvolumen von mehr als einer Milliarde Schweizer Franken aus.

Anschluss-Finanzierungen neu verhandeln

Erschwerend kommt hinzu: Viele Fonds brauchen nun eine Anschluss-Finanzierung, da die meist zehnjährige Darlehenslaufzeit ausläuft. Sie müssen nun mit den Banken verhandeln. Das ist unter diesen Prämissen alles andere als günstig, laufen doch vielfach auch die Mietverträge aus. Diese aber sind ein wichtiger Sicherheitsaspekt für die Kreditvergabe. Die Analysten rechnen daher mit zunehmenden Zwangsverkäufen von Fonds-Objekten – und in jedem Fall mit einer deutlichen Reduktion der prognostizierten Rendite.

Und auch der Loan-To-Value kommt wieder einmal ins Spiel - die berühmt-berüchtigte Beleihungsgrenze bei Krediten. Da der starke Kurs des Franken bei einigen Fonds zur Überschreitung der im Kreditvertrag verankerten Beleihungsgrenzen führen könne, kann die Bank von ihrem Recht Gebrauch machen und eine höhere Sicherheit verlangen. Das bedeutet: Der Fonds muss Liquidität abschmelzen, im schlimmsten Fall müssen Anleger frisches Kapital nachschiessen und bereits erhaltene Ausschüttungen zurückgeben.

Die andere Seite: Gute Ausschüttungen

Peer Bender, Geschäftsführer der Acron GmbH, hat viel mit der Schweiz zu tun, ist doch der Hauptsitz des Unternehmens in Zürich. Sie realisieren seit 30 Jahren Fonds für Privatanleger und institutionelle Investoren. U.a. finanzierten sie das Steigenberger Alpenhotel and Spa in Gstaad. Der Pacht-Vertrag läuft bis 2030 und ist indexiert. Darüber ist Bender nicht unglücklich. "Über einen Management-Vertrag wäre die momentane Entwicklung für die Anleger deutlich unangenehmer. So aber erhalten sie eine fixe Pacht, haben zudem eine Patronatserklärung der Frankfurter Hotel-Mutter und sind daher von der Franken-Problematik nicht tangiert", sagt Bender.

Peer Bender, Acron:  Ausschüttungen für Investoren steigen.

Bender jedoch gibt sich optimistisch, dass die Schweizer nicht tatenlos bleiben. Inzwischen gäbe es schon erste Signale, die Wogen wieder zu glätten. Die Währungshüter wollen, so glaubt er, eine noch stärkere Aufwertung des Franken verhindern, welche Schweizer Güter im Ausland verteuert und der Industrie und dem Tourismus-Gewerbe das Leben schwermacht. Nicht vergessen werden dürfe aber auch, so Bender weiter, dass seine bestehenden Investoren sich nun auch über 20 Prozent höhere Ausschüttungen freuen können. Es gäbe also immer zwei Seiten der Medaille.

Touristen wenden sich ab, Investoren bleiben treu

Schweizer Hoteliers versuchen inzwischen erst einmal Schadensbegrenzung zu betreiben. Sie wollen ihre Abläufe verbessern und als Gegenpart zur Verteuerung noch besseren Service und Top-Qualität liefern. Hinter vorgehaltener Hand aber wird durchaus befürchtet, dass bei einem Wechselkurs von 1:1 die Luft dabei sehr dünn sein wird, da die Schweiz ohnehin für ihre hohe Qualität und ihren guten Service bekannt ist. Wo also in einen ohnehin schon auf hohe Effizienz ausgelegten Betrieb noch Steigerungen einbauen? Das ist derzeit die grosse Frage.

Einen kleinen Spielraum könnte sich beispielsweise noch bei den Personalkosten ergeben, doch hier schiebt der Mindestlohn einen Riegel vor. Kommt es zu keiner Gegenmassnahme, wird wohl nicht nur in der Hotellerie, sondern auch in der Industrie Personal entlassen werden, um Kosten zu sparen. Ob das sich mit dem Qualitätsanspruch vereinbaren lässt, ist mehr als fraglich.

Anders als die Touristen bleiben Investoren den Eidgenossen aber treu. Trotz des deutlich ungünstigeren Wechselkurses legen internationale Anleger auch nach der Entkoppelung weiterhin viel Geld in der Schweiz an. Die Guthaben stiegen nach der Entkoppelung sprunghaft um 26 Milliarden auf 365 Milliarden Franken, wie die Schweizerische Nationalbank mitteilte.

Das bedeutet: Trotz des kürzlichen Franken-Bebens bleibt die Schweiz in der Welt der grossen geopolitischen Erdbeben wohl doch ein sicherer Hafen - wenn auch ein teurer. / Beatrix Boutonnet

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