Mal ganz ungezwungen Italien Planetaria Hotels setzen auf Assets Dezentralisierung und Netzwerke
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Mal ganz ungezwungen

Italien: Planetaria Hotels setzen auf Assets, Dezentralisierung und Netzwerke

Seit zwei Jahren gehört das Hotel Ville sull'Arno in Florenz zur individuellen Planetaria-Gruppe.

Mailand. Beinahe zufällig erblickten die Planetaria Hotels in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre das Licht der Welt, und das italienische Unternehmen wählte einen speziellen Weg in seiner Geschäftsentwicklung. Die Hotel-Kollektion spiegelt die Idee massgeschneiderter Hospitality wider, die jedem Haus seinen unverwechselbaren Charakter zu verleiht – im Herzen der schönsten italienischen Kunst-Städte oder an zauberhaften Standorten ausserhalb der Stadt. Die Mehrzahl der 4- oder 5 Sterne-Hotels ist in wichtigen historischen, umsichtig restaurierten Gebäuden untergebracht. Die Strategie der Gruppe besteht darin, alle Immobilien zu besitzen, aber die Operations zu dezentralisieren und "Planet Friends" zu gründen – ein informelles Netzwerk mit anderen Hotels.

Die Gruppe befindet sich im alleinigen Besitz der Familie Vedani. Die Mailänder Dynastie machte während des vergangenen Jahrhunderts ihr Vermögen mit Aluminium-Legierungen und ist noch heute Inhaber und Betreiber von Intals und Somet: zweier Mailänder Gesellschaften, die in mehr als 50 Ländern der Welt im Geschäft sind.

Ihren Anfang nahmen Planetaria Hotels, als sich Sofia Gioia Vedani, gegenwärtig CEO der Hospitality-Gruppe, dazu entschloss, eine Mailänder Immobilie aus dem Familienbesitz in ein Aparthotel umzuwandeln. Es war die Geburtsstunde der Residenza delle Città, der bald eine zweite Immobilie folgte: das Enterprise Hotel. Es ist in einem Gebäude untergebracht, das zuvor die Druckerei von La Settimana Enigmistica beherbergte, einem wöchentlich erscheinenden Rätsel-Magazin.

Mit anderen Worten: Planetaria Hotels ist die klassische Frucht des sogenannten italienischen Familien-Kapitalismus, basierend auf kleinen oder mittleren Firmen, häufig ohne grossen Leverage, doch mit einer langfristigen geschäftlichen Vision. Gleichzeitig ist das Mailänder Unternehmen auch typisches Beispiel einer italienischen Hospitality-Gruppe, deren Köpfe ganz unterschiedlichen Wirtschaftsfeldern entstammen – ein Trend, der der nationalen Tourismus-Branche geschadet und gleichzeitig zu innovativen Ideen und frischem Kapital geführt hat.

2004 stiess Damiano De Crescenzo zu Planetaria Hotels, ein international erfahrener Manager, der schon für Kempinski, InterContinental, Jolly Hotels, Radisson SAS und Marriott gearbeitet hatte. Zunächst war er im Enterprise Hotel am Steuer, doch schon bald wurde er Generaldirektor der Gruppe.

Heute hat sich Planetaria in der italienischen Hospitality-Landschaft fest etabliert. Gemessen an italienischen Massstäben handelt es sich um eine Unternehmensgruppe mittlerer Grösse, die derzeit neun 4- und 5 Sterne-Hotels in verschiedenen italienischen Städten besitzt und betreibt. Das Geschäftsmodell basiert konsequent auf der Akquise jeder Immobilie. Derzeit deutet nichts darauf hin, dass das Management diese Strategie ändern möchte, indem es sich beispielsweise auf Leasing- oder Management-Verträge verlegt.

Generaldirektor Damiano De Crescenzo:  Ein ketten-erfahrener Manager auf Privathotel-Wegen.

Mit Damiano De Crescenzo sprach Massimiliano Sarti, italienischer Korrespondent von hospitalityInside.com, über die selbst gewählte, wiewohl problematische Wachstumsstrategie des Unternehmens.

Warum haben Sie sich für dieses Geschäftsmodell entschieden?

Das war ein langjähriger Prozess. Wir begannen mit einfachen Überlegungen, die wir schrittweise weiterentwickelten. Vor allem waren wir uns gleich darüber im Klaren, dass wir nicht einfach dem Vorbild grosser internationaler Ketten folgen konnten. In dem Fall wären wir immer nur als die Nummer zwei wahrgenommen worden: diejenigen, die imitieren, aber keine Vorteile aus einer Unternehmensorganisation ziehen können wie es grosse Namen aus der Hospitality-Szene tun.

Haben Sie sich von nationalen Vorbildern inspirieren lassen?

In Italien ist der Massstab für alle Hospitality-Gruppen im Bereich Geschäftsreisen immer Jolly Hotels gewesen. (Anm. d. Red.: Das Unternehmen mit fast 60 Hotels im Portfolio ist 2007 von NH Hotels erworben worden.) Das Unternehmen ist um eine starke Geschäftsleitung gruppiert, von deren zahlreichen Abteilungen aus das Vorgehen in vielen Geschäftsfeldern zentral gelenkt wird, vom Verkauf über Einkauf und Marketing bis zur Finanzanalyse. Dieses System lässt den einzelnen Häusern sicher nicht viel Handlungsspielraum, sorgt aber für ein hohes Mass an Effizienz und eine relativ hohe Konsistenz im Servicebereich, besonders dann, wenn alles perfekt funktioniert – wie ein Schweizer Uhrwerk.

Warum haben Sie sich dann entschlossen, von diesem Modell abzuweichen?

Weil wir nicht die Letzten in einer langen Reihe von Nachahmern sein wollten. Darüber hinaus hätten wir uns der Gefahr einer übermässigen Bürokratisierung unser Abläufe ausgesetzt, auch wollten wir nicht den individuellen Charakter unserer Häuser aufs Spiel setzen. Ganz im Gegenteil sollte das Unternehmen die Einzigartigkeit jedes unserer Hotels unterstreichen. Was wir wollten, war ein Koordinationskörper mit sehr flachen Strukturen. Unserem Headquarter unterliegt bis zu einem gewissen Grad die Kontrolle, aber ihre Tätigkeit ist vorwiegend administrativer Natur. Gerade dieses Fehlen eines starren Systems erlaubt es uns, schnell auf die Bedürfnisse unserer Kunden einzugehen.

Und warum haben Sie sich dann dazu entschlossen, eines Ihrer Hotels an Best Western anzugliedern? Das wirkt ein wenig inkonsequent ...

Diese Entscheidung hatte mit dem besonderen Standort des Hotels zu tun. Das Best Western Villa Appiani befindet sich in Trezzo sull'Adda, einer Ortschaft mit knapp über 10.000 Einwohnern, etwa 30 Kilometer von Mailand entfernt. Für eine Destination, die auf Geschäftsreisende abzielt, benötigten wir den Schub einer bekannten Marke mit einem soliden Bonus-Programm wie eben Best Western.

Wie stellen Sie die notwendigen Economies of Scale und die reibungslose Durchführung gemeinsamer Initiativen sicher?

Die Villa Appiani bei Mailand agiert als einziges unter der Flagge einer internationalen Gruppe.

Für diesen Zweck arbeiten wir in speziellen Gruppen, den "Planet Actions". Gemäss unserer schlanken Organisation haben wir uns dazu entschlossen, die Anzahl klassischer Meetings am runden Tisch zu reduzieren und sie durch mehrere kleine Gruppen zu ersetzen. Jede kümmert sich um einen spezifischen Aspekt unserer Aktivitäten, angeleitet von dem am besten qualifizierten Mitarbeiter unseres Stabs.

Wir haben also von unseren General Managers angeleitete "Planet Actions", die den Bereichen Verkauf, Einkauf, Training und Wellness gewidmet sind. Gleichzeitig arbeiten wir aber auch in Gruppen, die sich um eher technische Belange kümmern, also Themen wie Revenue und Reputation Management, Housekeeping, Nachhaltigkeit, Special Projects, Qualitätsprogramme und eMail-Marketing. Hier stammen die Supervisoren häufig nicht aus der Führungsebene, sondern sind mit den spezifischen Fähigkeiten ausgestattet, die für das jeweilige Thema relevant sind.

Wann und wo treffen sich die Team-Mitglieder?

Wir nutzen intensiv die digitalen Kanäle wie WhatsApp und Skype. Die meisten Meetings laufen ziemlich ungezwungen ab. Genau während eines solchen zwanglosen Treffens kamen wir auch auf eine unserer originären Ideen: das Projekt "Planet Friends".

Was verbirgt sich hinter Planet Friends?

Das war meine Idee. Inspiriert wurde ich dabei von den Karten, auf die Sie häufig in den offiziellen Magazinen der Airlines stossen. Sie zeigen gewöhnlich ein grosses Netzwerk von Linien in verschiedenen Farben, das den Eindruck erweckt, dass man jeden Winkel der Welt erreichen kann. Die meisten der Routen werden jedoch nicht von der jeweiligen Airline bedient, sondern in Kooperation mit anderen Fluggesellschaften. Also sagte ich mir: Warum sollte ich nicht Nutzen aus meinen zahlreichen freundschaftlichen Kontakten während meiner Karriere ziehen, um ein informelles Netzwerk freundschaftlich verbundener Hotels zu kreieren?

Wie genau funktioniert das?

Das ganze Projekt ruht auf zwei Säulen: Zum einen muss ein freundschaftliches Verhältnis zu jedem der am Projekt beteiligten Manager bestehen. Zweitens sollten die teilnehmenden Häuser selbstverständlich nicht in Konkurrenz zu uns stehen. Und tatsächlich befinden sich alle unsere "Freunde" in Destinationen, in denen wir nicht vertreten sind.

Die neue Lobby des Planetaria Hotel Enterprise in Mailand.

Warum diese starke Betonung der freundschaftlichen Beziehungen?

Weil dies ein Gefühl der Nähe im Business erlaubt. Auch gestattet uns eine solche Intimität, eine gewissermassen hybride Organisation aufzubauen, beruhend auf Gentlemen Agreements ohne offizielle schriftliche Vereinbarungen. Anders gesagt: Wenn jemand sich morgen entscheidet, sein Hotel aus dem Netzwerk herauszuziehen, darf er "Planet Friends" auf der Stelle und ohne jede Strafe verlassen. So etwas kann aus vielerlei Gründen vorkommen. Vielleicht wird das Hotel einem Rebranding unterzogen oder der General Manager wird an einen anderen Standort versetzt. Vielleicht will man aber auch an einem bestimmten Punkt einfach nicht mehr bei uns bleiben. Die Organisation unseres Netzwerkes hat etwas Fliessendes und beruht auf zwanglosen Zusammenkünften: Jeder leistet seinen Beitrag entsprechend seiner persönlichen Vorlieben.

Sind Sie tatsächlich dazu in der Lage, konkrete Initiativen mit einer derart zwanglosen Organisation durchzuführen?

Ganz entschieden! Einer der ersten Schritte, die ich unserem Netzwerk vorgeschlagen habe, war beispielsweise die Umsetzung einer geografischen Online-Karte, auf der alle Partnerhotels verzeichnet sind. Wie bei den Airline-Karten, von denen ich angeregt wurde, ist jedes Hotel farblich rot oder blau kodiert, je nachdem, ob es zur Planetaria-Gruppe gehört oder ein Planet Friend ist. Im Moment diskutieren wir über den besten Weg, Benefits für unsere loyalsten Gäste auszudehnen, ebenso wie die Möglichkeit, als geschlossene Gruppe an Events und Messen teilzunehmen. Wie auch immer, in Zukunft könnten wir auch Synergien beim Marketing und im operativen Bereich finden.

Haben Sie dem Projekt Planet Friends in irgendeiner Form Grenzen gesetzt?

Nein, aber wir bleiben realistisch. Derzeit ziehen wir die Idee eines gemeinsamen Loyalty-Programms noch nicht einmal in Betracht. Aber man soll nie nie sagen. Vielleicht gelingt es uns ja irgendwann einmal, ein massgeschneidertes Programm für unser zwangloses Netzwerk zu entwickeln.

Zurück zu den Basics: Können Sie bitte den Gast von Planetaria charakterisieren?

Unsere Kunden kommen derzeit aus verschiedenen Bereichen: etwa 30 bis 35 Prozent Leisure-Reisende und etwa 65 bis 70 Prozent Firmen- und Geschäftsreisende. Unser Ziel ist es, diese Aufteilung beizubehalten und uns derzeit nicht allein auf den Goldesel zu fokussieren. Wir wollten uns noch nie auf eine einzige Einnahmequelle beschränken, sei es ein Land oder ein bestimmtes Markt-Segment.

Das Planetaria Hotel Savoia in Genua: 5 Sterne mit Charme.

In den vergangenen Jahren haben wir jeden Makro-Trend miterlebt und registriert: den Anstieg und relativen Rückgang der japanischen und russischen Touristen, den wachsenden brasilianischen Markt und derzeit die fulminante Nachfrage aus Indien und China. Ausserdem hatten wir immer einen ordentlichen Anteil an italienischen Gästen, auch wenn ihre Zahl in jüngster Zeit leicht zurückgegangen ist. Trotzdem geht es hier nicht nur um Markt-Differenzierung: ein multikulturelles Umfeld wirkt sich vorteilhaft auf das Gesamtbild unserer Hotels aus. Restaurants und Bars werden häufig an der Qualität des Services gemessen. Ich bin absolut überzeugt davon, dass dieses Element für uns Hoteliers von elementarer Bedeutung ist.

Wie ist Ihre durchschnittliche Mitarbeiter-Ratio pro Zimmer?

Er variiert von 0,5 bis 0,7 Mitarbeiter pro Zimmer.

Wie sieht Ihre gruppenweite Performance aus?

Unsere Gruppe hat vier Hotels in Mailand selbst und eines in der unmittelbaren Umgebung der lombardischen Hauptstadt. Selbst wenn wir auf Business as usual gesetzt hätten, ohne auf den EXPO-Effekt zu bauen, muss man zweifellos sagen, dass 2015 ein ausserordentliches Jahr war. Unsere Profitabilität hat sich um mehr als 35 Prozent gesteigert. In einem normalen Jahr wie 2014 haben wir einen Gesamtumsatz von ca. 32 Millionen Euro erwirtschaftet mit einem RevPar zwischen 80 und 100 Euro sowie einer durchschnittlichen Belegungsrate von rund 80 Prozent. Und ja, diese Zahlen erwarten wir auch für das laufende Jahr.

Welche sind Ihre nächsten Entwicklungen?

Während der vergangenen vier Jahre haben wir zwei neue Hotels erworben und eröffnet: 2012 das Château Monfort in Mailand und 2014 das Ville sull’Arno in Florenz. Wir sind also bestrebt, unser bestehendes Portfolio zu konsolidieren. Gleichwohl sind wir immer bereit, neue Entwicklungsmöglichkeiten auszuloten, wenn sie sich uns bieten. Gerade haben wir mit der Renovierung der Residenza delle Città begonnen und wir realisieren ein Programm über 2,5 Millionen Euro, bei dem es um die Renovierung von Konferenz- und öffentlichen Räumen geht, ebenso um einige Zimmer im Enterprise. Bei Letzterem ist es uns gelungen, eine Idee umzusetzen, über die ich schon lange nachgedacht hatte: das Ersetzen der klassischen Rezeption durch einen kleinen Welcome-Tisch, zugleich die Umwandlung des Checkin-Bereichs in einen grosszügigen offenen Raum, dominiert von einer üppigen Bibliothek.

Wie haben Ihre Stammgäste auf die Neuerung reagiert?

Wenn wir mal von der anfänglichen Überraschung absehen, war das Feedback definitiv positiv. Eigentlich erwarten unsere treuesten Gäste von uns, dass wir sie überraschen. Unsere schlanke Organisation ermöglicht uns nicht nur ein hohes Mass an Flexibilität, sondern auch die Chance, neue Ideen sehr viel schneller zu umzusetzen.

Herr De Crescenzo, wir danken Ihnen für dieses Gespräch!

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