Seid einfach gastfreundlich Kanadischer Experte Frederic Dimanche ermuntert Hoteliers gegenüber Airbnb
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Seid einfach gastfreundlich!

Kanadischer Experte Frédéric Dimanche ermuntert Hoteliers gegenüber Airbnb

Das Internet, der Türöffner zur jungen Generation. Sie will Erlebnisse auf Reisen, sich mit anderen vernetzen.Foto: Rawpixel Fotolia

Toronto. "Hoteliers und Airbnb könnten sich zusammentun und ihren Kunden den Mehrwert bieten, den sie erwarten." Dr. Frédéric Dimanche, Direktor der School of Hospitality and Tourism Management an der Ryerson Universtity in Toronto, Kanada, ist ziemlich zuversichtlich, dass die beiden "streitenden Geschwister" zu guten Partnern werden können. Er ist ebenso überzeugt, dass es nicht fair ist, die beiden in puncto Wert, Geschäftsmodell und ganz sicher nicht im Bereich der Kostenstruktur miteinander zu vergleichen. Er rät den Hoteliers dazu, künftig Gastfreundschaft zu leben. "Es ist noch nicht zu spät, um aufzuholen", ermutigt er die Branche – und erklärt seine Sicht der Dinge im folgenden Interview.

 

Herr Dimanche, finden Sie es fair, Airbnb mit traditionellen Hotelketten zu vergleichen?

Frédéric Dimanche: Ja und nein. Ja, weil Airbnb und Hotel um dieselben Kunden buhlen: Touristen und auch Geschäftsreisende. Und nein, weil Airbnb kein Hotelier ist. Es ist eine Plattform, die Reisende online mit Leuten zusammenbringt, die darauf aus sind, Zimmer oder ganze Wohnungen für zusätzliches Geld zu vermieten. Das Geschäftsmodell hat nichts mit Hoteliers zu tun. Es ist sogar vollkommen anders.

Auf der einen Seite haben wir die Hotelgruppen mit zahlreichen, oftmals hunderten Immobilien und tausenden Mitarbeitern, die den jeweiligen Bestimmungen vor Ort folgen, Steuern zahlen usw., und auf der anderen Seite haben wir ein Online-Unternehmen, das hauptsächlich in Kommunikation investiert, um Gastgeber zu finden und dazu Gäste, die von den Gastgebern angebotene Immobilien nutzen möchten, und dabei von der rechtlichen Grauzone profitiert, um zu wachsen.

Airbnb könnte zwar mit Hotelgruppen verglichen werden, wenn es um die Anzahl der vermieteten Zimmer geht, aber selbst dann wäre das, als würde man Äpfel und Birnen vergleichen. Hotels besitzen Zimmer, haben langfristige Management- oder Pachtverträge, die es ihnen gestatten, das ganze Jahr über ein ständiges Portfolio anzubieten. Das alles ist bei Airbnb nicht der Fall. Ein auf dieser Plattform aufgeführtes Zimmer oder Apartment ist meistens nur ein paar Tage oder Wochen im Jahr verfügbar – in aller Regel nur dann, wenn der Gastgeber selbst im Urlaub weilt. In der übrigen Zeit stehen die betreffenden Immobilien nicht zur Verfügung, wodurch das Portfolio höchst unbeständig ist.

Aus all diesen Gründen ist es meines Erachtens nicht fair, diese beiden Welten in puncto Wert, Geschäftsmodell und schon gar nicht in puncto Kostenstruktur miteinander zu vergleichen.

Warum haben Hoteliers das Thema Sharing Economy verschlafen?

Dr. Frédéric Dimanche: Hoteliers sollten sich mit Airbnb-Gastgebern verbünden!

Dimanche: Sie haben das Thema verschlafen, weil sie nicht daran glauben wollten. Auf dieselbe Art und Weise verpassten viele von ihnen die Internet-Revolution – sie dachten, es wäre nur ein vorübergehender Trend. Viele französische Hoteliers, mit denen ich rede, sehen in Airbnb noch immer keine Gefahr. Sie glauben allen Ernstes, es wäre eine Website für Rucksack-Reisende oder Studenten mit kleinem Geldbeutel. Sie wissen nicht, dass Airbnb sich speziell um die Bedürfnisse von Familien bemüht, auf Besucher von Veranstaltungen und Versammlungen eingeht, und jetzt sogar Geschäftsreisende im Visier hat. Diese Hoteliers, insbesondere unabhängige, könnten hart von der Realität getroffen werden.

Ist es schon zu spät für sie oder können sie noch aufholen?

Dimanche: Es ist noch nicht zu spät. Ich bin überzeugt, dass in jeder Bedrohung auch eine neue Chance steckt. Soweit ich weiss, ist Airbnb beispielsweise nicht in der Lage, massgeschneiderte Dienstleistungen anzubieten, wohingegen Hoteliers dies können. Diese könnten möglicherweise mit Airbnb-Gastgebern in ihrem jeweiligen Umkreis verbunden werden, um Airbnb-Gästen spezielle Services wie Essen, Concierge, Stadtführungen, Spa-Behandlungen usw. anzubieten.

Meinen Sie nicht, dass Airbnb in naher Zukunft genau das selbst tun wird?

Dimanche: Ich glaube nicht, dass man diese Art von Services auf persönlicher Ebene zustande bringen wird. Airbnb ist in zu vielen Städten auf der ganzen Welt tätig, was es sehr schwer machen würde, so ein Angebot zu organisieren. Gastgeber können zwar Kabelfernsehen oder WLAN anbieten, aber das sind Services, die mit dem jeweiligen Zimmer verbunden sind – es sind Annehmlichkeiten und kein persönlicher Service.

Und da haben Hoteliers eine Chance?

Dimanche: Ganz genau. Seien wir doch ehrlich. Hoteliers, jedenfalls französische, sind nicht gerade für ihre Innovationskraft bekannt. Sie sind eher Mitläufer. Allerdings sollte es in ihrem Blut liegen, "gastfreundlich" zu sein. Zu viele von ihnen neigen dazu, zu vergessen, dass sie lieber aufwachen und das tun sollten, was sie am besten können: ihre Gäste mit einem Lächeln begrüssen, den bestmöglichen Service anbieten, und generell näher an ihren Gästen dran zu sein. Das kann noch immer den Unterschied ausmachen, denn da draussen wünschen sich nach wie vor viele Menschen persönlichen Service.

Hotelier zu sein, ist mehr, als nur "Hintern in Betten unterzubringen", wie man sagt. Es geht darum, seinen Gästen den bestmöglichen Aufenthalt zu bieten, ihre Wünsche zu erfüllen, noch ehe sie geäussert werden, und ihr Gästeerlebnis vor Ort einzigartig zu gestalten. Zu oft wird vergessen, dass Kunden eine Destination auswählen, bevor sie überhaupt über die Frage der Unterkunft nachdenken. Hier müssen Hoteliers ihr ganzes Fachwissen ausspielen.

Glauben Sie, dass Hoteliers und Airbnb in naher Zukunft zusammenarbeiten könnten?

Dimanche: Man wird immer wie "streitende Geschwister" sein, denn am Ende bietet man das Gleiche an: Übernachtungsmöglichkeiten. Allerdings kann ich mir schon vorstellen, dass man gemeinsam einen Mehrwert schaffen kann, den die Kunden immer erwarten. Hoteliers zum Beispiel sind Experten der Kunst, Menschen willkommen zu heissen. Sie kennen ihre Destination oft auch besser als jeder Einheimische. Airbnb könnte dieses Wissen nutzen, um seine Inhalte anzureichern und seinen Gastgebern und Gästen einen Mehrwert zu bieten. Darüber hinaus ist man in den Bereichen Kommunikation, Online-Marketing und Mundpropaganda äusserst versiert – zum Beispiel bei der Nutzung von Facebook.

Ich danke Ihnen für dieses Interview.

Das Gespräch führte Sarah Douag.

 

WER IST FRÉDÉRIC DIMANCE?

Frédéric Dimanche machte seinen Abschluss als Ph.D. an der University of Oregon. Vor seiner Anstellung bei Ryerson arbeitete Frédéric Dimanche als Professor und Direktor des Center for Tourism Management der SKEMA Business School an der französischen Riviera, Professor an der University of New Orleans und Forschungsleiter der The Olinger Group, eine Full Service-Marktforschungsfirma in New Orleans.
Dimanche veröffentlichte zahlreiche tourismusbezogene Artikel in wissenschaftlichen Publikationen und war als Co-Autor bei einem Buch über Hotelmanagement und einem weiteren über Tourismus in Russland. Er war Gastdozent und Berater an verschiedenen Universitäten, bei Unternehmen und nationalen sowie regionalen Tourismusorganisationen in Frankreich, den USA und anderen Ländern in Europa, Asien und Amerika. Darüber hinaus war er Präsident der Travel and Tourism Research Association Europe und Mitglieder der International Academy for the Study of Tourism.

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