Spielball der Währung Franken Euro Entkoppelung ein Genickschlag für die Schweizer Hotellerie
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Spielball der Währung

Franken-Euro-Entkoppelung ein Genickschlag für die Schweizer Hotellerie

Der Euro und der Schweizer Franken müssen einen neuen Wechselkurs miteinander finden.Foto: map 

Bern. Nach der Entkoppelung des Euro vom Schweizer Franken ist die Schweizer Hotellerie im Mark getroffen. Das Finanz-Beben vom 15. Januar 2015 hat zwar die ganze Wirtschaft erfasst, wirbelt jetzt aber vor allem jene Branchen durcheinander, die nicht ins Ausland flüchten können. Gestern kostete ein Franke etwa genausoviel wie ein Euro; vor acht Tagen lag der Kurs – staatlich verordnet – noch sicher bei 1,20 CHF. Für ein Schnitzel zahlt man 30 Euro, für ein Bier 6,30 Euro…. "Das Tourismusland Schweiz ist bis zu 20% teurer geworden," sagt Christoph Juen, CEO der hotellerieSuisse, resigniert. Die Folgen sind schon da: Im Land hat bereits ein Preis-Dumping eingesetzt, die Kurzfrist-Buchungen stehen still, zudem gibt es Stornierungen. Und der Schweizer flüchtet als erstes über die Grenzen in die günstigeren Euro-Nachbarländer: zum Einkaufen, zum Urlaub buchen und Ferien machen.

Die Marktwirtschaft reagierte schnell: Die Basler Verkehrsbetriebe verdoppelten schon am Samstag nach der Währungsbeben ihre Fahrten über die Grenze nach Deutschland: Fortan spuckten die Strassenbahnen Schweizer Kunden im 3- statt im 7 Minuten-Takt aus. Deutsche Einkaufshäuser und Supermärkte konnten den Ansturm shopping-lustiger Eidgenossen kaum bremsen: Lebensmittel, Schuhe, Reisen… Die Konsumenten nutzten die Gunst der Stunde. Der Run auf den Euro setzte schon am Freitag ein, am Samstag gab es an Schweizer Geldautomaten schon keine Euro-Noten mehr und selbst den Währungsstuben in Weil am Rhein ging das Bar-Geld aus…

Die Nationalbank der Schweiz hat vor acht Tagen eine folgenreicheWährungsentscheidung getroffen.

Der spontane Kaufrausch der Schweizer deutet an, was viele fürchten: Pendelt sich der Wechselkurs nicht bald wieder auf ein vernünftiges Mass für den Franken ein, könnte ein Ausverkauf der Schweizer Kaufkraft einsetzen.
Schweizer Hotellerie und Tourismus werden gerade doppelt bestraft: Für EU-Bürger sind Ferien in der Schweiz jetzt zu teuer, und für die Schweizer werden Ferien in Deutschland, Österreich und Italien billiger.

Die Buchungsplattform hotel.de hat ausgerechnet: Die Zimmerpreise in der Schweiz stiegen in den vergangenen zehn Jahren nur um moderate 7 Prozent. Pendelt sich der neue Wechselkurs auf dem aktuellen Niveau ein, müssten Eurogäste im Vergleich zu 2005 ganze 65% mehr auf den Tresen legen.

Allein im Vergleich zum Vorjahr würde die Preis-Steigerung aufgrund der Wechselkurs-Schwankung dann immerhin 20-25% betragen. Verlockend klingen da die Angebote aus den Nachbar-Staaten: "Das Preisniveau bei Hotelzimmern in Österreich ist mit rund 87 Euro im Jahresdurchschnitt deutlich niedriger als in der Schweiz," so hotel.de.

Dieses Mal kann es auch gesunde Betriebe treffen

Die Massnahme der Schweizer Nationalbank kam völlig überraschendend; sie informierte in diesem Fall entgegen dem üblichen Muster noch nicht einmal die Schweizer Regierung vorab, heisst es. Schweiz Tourismus sprach sofort von einem "schwarzen Tag für den Schweizer Tourismus". Zu Recht. Viele sind momentan zwar bemüht, nicht in Panik zu verfallen. Aber ratlos sind alle.

Rolf Brönnimann: Die Preise dem Euroraum anpassen!

Die letzten Jahre waren ohnehin schon kein Zuckerschlecken mehr gewesen: Der Druck auf die Hotels wurde immer höher. Zu den extrem hohen Fixkosten der Betriebe kam der drastische Rückgang deutscher Urlauber im Land dazu, gefolgt von den ausbleibenden Russen und noch nicht herein-strömenden Asiaten. Das hat viele Hotels bereits genötigt, ihre Kosten weiter runterzuschrauben und Investitionen zurück zu stellen.

Dieser Negativ-Trend könnte jetzt durch die zu erwartenden sinkenden Belegungen noch weiter beschleunigt werden: "Dieses Mal kann es sehr gut auch gesunde Betriebe treffen," warnt Rolf Brönnimann, Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Swiss Hospitality Group in Stans. Er verlangt, "dass auch die Rohprodukte aus dem Euro-Raum preislich so schnell angepasst werden, dass ein Teil dieser Kosten an die Gäste zurück gegeben werden können". Brönnimann fordert weitere: "Der Verband HotellerieSuisse muss gegenüber der Politik Druck aufbauen und zusammen mit der Politik an konstruktiven Lösungen arbeiten, die es der Branche ermöglichen, im hart umkämpften Markt innerhalb der Euro-Zone zu bestehen!"

Die Crème der internationalen Politik sitzt diese Woche passenderweise beim World Economic Forum in Davos zusammen. Ob sie sich vor Augen hält, dass die 40 Millionen CHF Umsatz, die das WEF dem kleinen Ski-Ort jährlich bringt, seit letzter Woche nur noch 40 Millionen Euro wert sind?

Preis-Schock in Euro

Aufgrund des starken Franken bzw. schwachen Euro müssen Urlauber aus dem Euroraum heute knapp 65% mehr zahlen als noch vor 10 Jahren.Quelle: hotel.de

Die Massnahmen der HotellerieSuisse

Christoph Juen, CEO der HotellerieSuisse, klingt beim Telefonat am Mittwoch sehr ernst, besorgt, selbst ein wenig fragend-ratlos. Es sind zu viele Fragen noch offen. Ein Gespräch jagt das nächste seit letzter Woche, die nächsten Roundtables mit Wirtschaft und Politik sind fixiert. "Die Branche ist im Kern getroffen." Den Branchenverband treibt ein Alptraum: "Das Bedrohungspotential ist, abstrakt gesehen, da: Über die nächsten zehn Jahre könnte ein Viertel oder gar ein Drittel der Betriebe in ihrer Existenz bedroht sein," sagt Juen. Er hofft, dass es nur ein Viertel werden wird… Betroffen sind momentan vor allem die Ferienhotels. Und es sieht ganz danach aus, als ob sich das schleichende Hotelsterben in den Schweizer Bergen nun beschleunigen wird.

Was wird der Hotelverband tun? "Wir müssen den Kosten-Sockel schliessen, vor allem in den Grenzregionen," sagt er als erstes. Zweitens: "Die Schweizerische Gesellschaft für Hotelkredit wird ab 1. April erste Massnahmen in Angriff nehmen," kündigt er an und hofft auf grosszügige zinslose Darlehen für die Hoteliers.

Bis dahin stehen aber auch noch viele Gespräche mit Banken an: Momentan sei völlig unsicher, wie diese die weitere Kreditvergabe für die Branche handhaben werden. Angesichts des aktuell tiefen Zins-Niveaus werden diese wohl die Risiko-Prämien verteuern – oder gar keine Kredite geben.

Die Hotel-Lobbyisten müssen reagieren: Christoph Juen,HotellerieSuisse.

"Subventionen werden wir nicht verlangen," sagt Juen. Kurzfristige Konjunktur-Programme bringen seiner Meinung nach nichts, weil die Lücke zwischen Wechselkurs und Kaufkraft noch nie so gross war wie jetzt. Auch die steuerlichen Belastungen für die Hotellerie werde man diskutieren. Am schnellsten könnte, so Juen, Schweiz Tourismus reagieren, wenn man die nationale Vermarktungsorganisation mit mehr Geldmitteln stärken würde, um vor allem in Nicht-Euro-Ländern noch stärker Gäste zu akquirieren.

Wie es konkret weiter geht, hängt einzig vom Wechselkurs ab. "Bleibt der Wechselkurs so niedrig wie im Moment," entwickelt Juen das Bedrohungsszenario weiter, "dann ist nicht mehr primär die Ferienhotellerie betroffen, sondern auch das Segment der Geschäftsreisen." Das wäre dann der finale Genick-Schlag für die Branche.

Verträge in CHF werden neu erhandelt

Ein Blick auf das Portal Trivago gestern zeigte, dass viele Schweizer Stadthotels – von Basel über Zürich bis Luzern – dort mit 20, 30 oder 50% Rabatt zu haben sind. Gehen die Business-Hotels jetzt schon in die Knie?

Ersten Reaktionen aus der Branche zufolge ist dem noch nicht so. hospitalityInside fragte Swissôtel, das Grand Resort Bad Ragaz und das Baur au Lac Zürich nach ihrer ersten Einschätzung. Alle sagen, Panik herrsche nicht – jeder warte ab.

Peter Tschirky: Investitionen überdenken!

Christiane Anstoetz, Regional Director Sales & Marketing und u.a. für die vier Schweizer Swissôtel-Betriebe in Genf, Zürich und Basel zuständig, ist aber gewappnet: "Zur Zeit gibt es noch keinen Buchungsrückgang, aber wir gehen davon aus, dass Key Accounts zeitnah an die Tür klopfen werden." Einige Kunden, die Verträge in CHF abschlossen, diese aber in anderen Währungen weiterverkauft haben, seien auf die Hotels zugekommen. "Hier finden wir eine gemeinschaftliche Lösung," ist sich Anstoetz sicher. Die grösste Herausforderung bestehe im Meeting-Bereich, wo häufig im Wettbewerb mit einer anderen, europäischen Destination stehe. "Hier zählen dann eine starke Kundenbindung und eine kreative Angebotserstellung", sagt die Sales-Expertin nüchtern.

Wie sieht das innovations- und investitionsfreudige Grand Resort Bad Ragaz die aktuelle Situation? Peter P. Tschirky, der Vorsitzende der Geschäftsleitung: "Wir haben einzelne Absagen erhalten, aber die meisten fragen, ob man den Währungsverlust nicht kompensieren möchte. Wir versuchen, jedes Mal punktuell eine Antwort zu finden. Nichtsdestotrotz: Die Reservierungen stehen im Moment fast still."

An seiner Strategie will das Resort nichts ändern; schliesslich hat es auch erst letzten August ein neues Gesundheitskonzept vorgestellt. "Wir werden vermehrt noch auf Gesundheit setzen, da Gesundheit nicht so stark von Währungen abhängt." Ändern aber wird Tschirky seine Investitionsstrategie: Das Geld fliesst künftig nicht mehr in Gebäude-Anstriche oder neue Möbel, sondern stärker in zukunftsträchtige Geschäftsfelder.

Die Differenzierung kommunizieren

"Fragen nach Discounts werden hochkommen," da ist sich auch Wilhelm Luxem, Geschäftsführer des Nobelhotels Baur au Lac in Zürich, sicher. "Aber da sollte man konsequent bleiben," rät er seinen Kollegen. "Wir dürfen nicht über Preisnachlässe nachdenken, sondern müssen unsere Leistung noch stärker kommunizieren." Beim Anspruch seines Hauses kann er keine Mitarbeiter entlassen – die Personalkosten von über 50% bleiben damit fix.

Wilhelm Luxem: Die Differenzierung betonen!

Er vertraut zudem auf die Internationalität des Schweizer Marktes, da der Währungsverfall momentan überwiegend die Euro-Zone betrifft. Das Baur au Lac befindet sich in der glücklichen Lage, bei seinen Gästen über einen ausgewogenen Nationalitäten-Mix zu verfügen. "Wir erwarten deshalb nur punktuelle Auswirkungen," sagt Luxem.

Mit Blick auf den Verband und die gesamte Branche sagt er: "HotellerieSuisse muss die Differenzierung der Schweizer Hotellerie kommunizieren, nichts anderes!"

Auch Nicolas Mayer, Partner bei PricewaterhouseCoopers in Zürich, sieht die Hotelbranche in höchster Alarm-Bereitschaft. Ob Bestandsbetriebe überleben werden, sei – Stand heute, angesichts der 15prozentigen Verteuerung – ein Rechenexempel. Die GOP-Marge von Ferienhotels liege auch nur bei dünnen 20 Prozent. Wenn der Gewinn zu schmelzen beginnt, kann das Ende schnell nahen…

Ein Problem haben seiner Einschätzung nach vor allem 4 Sterne-Häuser, die ihr Produkt 3 Sterne-Gästen geöffnet haben. Diese Gäste essen jetzt teurer und/oder werden sich bei Zusatz-Ausgaben zurückhalten. Und 2016 unter Umständen erst gar nicht mehr kommen. Oder eben – wie oben beschrieben – gleich Urlaub im günstigeren Ausland machen.

Nicolas Mayer: Der GOP kann rasch schmelzen.Fotos: Unternehmen, privat

Die Personalkosten steigen nicht, so Mayer, "man hat nur weniger Geld, um sie zu bezahlen." Das könnte für etliche zum echten Problem werden, "denn nach den Kostensparübungen der Branche in den letzten fünf Jahren sind alle Standard-Massnahmen quantitativ und qualitativ ausgeschöpft," so der Berater. "Hotels haben nur eine Chance, wenn sie ihr Segment genau identifiziert und ihre Services darauf maximal angepasst haben! Da gibt es noch viel Potential", ermuntert er die Hoteliers. Denn innovativ zu sein, bedeutet auch, einfach kreativ zu sein.

Der Winter 2015 wird in der Schweiz hart werden. Wie der Sommer wird, ist heute pure Spekulation. Die bisherigen Statistiken sind über Nacht keine verlässlichen Anhaltspunkte mehr, und selbst das Revidieren des Forecasts macht momentan keinen Sinn.

Der Schweizer Tourismus und die Schweizer Hotellerie sind am 15. Januar 2015 zum Spielball derPolitik geworden. / Maria Pütz-Willems

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