Teebauern Dorf mit Facebook Anschluss Spotlight China Im Amanfayun wohnen nur die Reichen für eine Nacht
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Teebauern-Dorf mit Facebook-Anschluss

Spotlight China: Im Amanfayun wohnen nur die Reichen – für eine Nacht

Stil, Stille und Kultur im Amanfayun: Dieser Kontrast zieht viele lifestyle-fokussierte Chinesen an.

Huangzhou. In der Nähe der 8,7 Millionen-Stadt Huangzhou in China hat die Luxushotel-Gruppe Amanresorts ein altes Teedorf in ein stilvolles Resort umgewandelt. Doch während die Hotel-Kollektion auf die Erhaltung von Tradition und Kultur setzt, kommen die Chinesen vor allem, weil es schick ist, den Facebook-Freunden mitteilen zu können, dass man gerade im teuersten Hotel am Ort übernachtet. 90 Prozent der Amanfayun-Gäste sind Chinesen – alles reiche Bürger, die in das Edelresort am Rande der Stadt entfliehen, um dort ihren Lifestyle zu zelebrieren und um sich mit anderen zu mischen, die gerne auch mit Hotpants und silbernen Stilettos im Tempel auftauchen.

Die Fahrt vom Bahnhof durch Huangzhou vorbei am West Lake und an weitläufigen Grünanlagen und Tee-Plantagen dauert fast eine Stunde. Hier hat Amanresorts auf 14 Hektar Land ein altes traditionelles Teebauern-Dorf in ein Hotel mit 42 Zimmern und Suiten umgewandelt. Vom schlichten Empfangshaus geht man auf einem schmalen Weg über eine Brücke bis zum Fayun Pathway, einen öffentlichen Weg, der quer durch das Resort zum Lingyen Tempel führt, einem der wichtigsten buddhistischen Tempel Chinas. Links und rechts liegen teils versteckt im dichten Gebüsch und nur über verwinkelte und mit spitzen Steinen gepflasterte Wege erreichbar die in traditionellen Häusern untergebrachten Zimmer und Suiten. Vor allem morgens, wenn Nebel über dem Boden hängt und die Feuchtigkeit die moosbewachsenen Pfade in einen glitschigen Parcours verwandelt, fühlt man sich wie an einem verwunschenen Ort.

"Die Häuser sind oftmals über 100 Jahre alt", erzählt Vaipanya Kongkwanyuen, General Manager des Amanfayun. Etwa 90 Prozent der Strukturen seien noch original. Einst lebten hier Teebauern. Als der in der Umgebung wachsende Longijing-Tee Mitte der neunziger Jahre als edelster Grüntee Chinas berühmt und teuer wurde und den Bewohnern des Dorfes Reichtum bescherte, bauten sich viele woanders neue Häuser und das Dorf drohte zu verfallen.

"Die lokale Regierung wollte das Dorf erhalten und fragte Aman, ob man hier ein Hotel eröffnen will", erzählt Kongkwanyuen, der davor vier Jahre lang das 260 Jahre alte Aman Summer Palace in Peking geleitet hat, welches zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.

Luxus hinterm Lehmputz

Nachdem 900 Familien umgesiedelt waren, stellte die Regierung das Dorf 1998 unter Denkmalschutz. 2003 begannen die Restaurierungsarbeiten. 2008 übernahm Amanresorts die weitere Entwicklung und richtete in den Dorfhäusern Zimmer und Suiten, Restaurants und ein Spa ein. 2010 wurde das Resort eröffnet.

Dezent, reduziert, aber grosszügig: Schlafzimmer in einer Village Villa.

Während die 16 "Village Rooms" durchschnittlich 66 qm gross sind, haben die neun "Village Suiten" eine Grösse von 88 qm und neben dem Wohnraum ein separates Schlafzimmer. Die zwölf rund 135 qm grossen "Deluxe Village Suiten" erstrecken sich teils über zwei Stockwerke und haben ein eigenes Zimmer für Massage-Anwendungen. Auch die vier "Village Villen" verfügen über jeweils zwei Etagen. Noch mehr Platz bietet die Amanfayun Villa mit zwei Schlafzimmern, Wohn-/Essbereich und Massageraum.

Alle Häuser wurden nach überlieferten Vorlagen mit traditionellen Materialien restauriert. Reetgedeckte Mauern aus traditionellem Lehm- und Strohgemisch umschliessen kleine Innenhöfe. Die Dächer sind mit geschwungenen Ton-Ziegeln versehen, die Wände aus verputztem Backstein und an den dunklen Holzfassaden finden sich fein geschnitzten Fenster-Öffnungen. Jedes Zimmer ist anders. Innen dominiert Holz. Helle Holzmöbel bilden den Kontrast zu den fast schwarzen Fenstern, Türen und der Holzdecke sowie dem dunkelgrauen Stein-Fussboden. Alles ist in Braun- und Beigetönen gehalten. Kaligraphien schmücken die Wände. Moderne Annehmlichkeiten wie Klimaanlage, Internet-Anschluss und Soundsystem sind geschickt verborgen.

Düstere Zimmer und Badezuber

Die Zimmer-Einrichtung ist minimalistisch. Das offene Bad, das nur durch zwei Schränke vom Schlafbereich abgetrennt ist, ist auf alt getrimmt. Wasserhähne und Duschköpfe aus dunklem Metall sehen wie verrostet aus. Shampoo und Körperlotion müssen mit einem Holzlöffel aus dem Töpfchen geschöpft werden. Eine echte Herausforderung ist das Licht. Es dauert, bis man alle Schalter gefunden hat, doch es bleibt stets ziemlich düster. "Die Zimmer sind aus Holz", erklärt General Manager Kongkwanyuen. "Ihr Charme kommt nur bei einem schummrigen Licht richtig zur Geltung." Und ausserdem solle das Licht an alte Zeiten erinnern. Damals habe man ja auch nur Kerzen und Öllampen gehabt. Aber natürlich könne man dem Gast auf Wunsch auch weitere Lampen bereit stellen und zudem könne man den Lampenschirm abnehmen…

Direktor Vaipanya Kongkwanyuen: ein Resort mit besonderen Herausforderungen.Foto: Schwertfeger

Für das leibliche Wohl sorgen fünf Restaurants am Fayun Pathway. Nur zwei davon managt Amanresorts: Während "The Restaurant" auf ein modernes und offenes Ambiente setzt, erinnert das dunkle "Steam House" an eine rustikale Dorfkneipe.

Das Spa liegt oberhalb des Fayun Pathway und ist nicht so einfach zu finden. Über etliche Stufen erreicht man den Komplex aus fünf Häusern, inmitten von dichtem Gebüsch und Bambussträuchern. Bibliothek und Lounge erwarten den Gast, ebenso natürlich Behandlungsräume: drei für Paare und zwei für Einzel-Anwendungen. Das Bath House verfügt über drei Zimmer mit einem hölzernen Badezuber, einer Regendusche sowie einem Dampfraum mit Doppelduschen. Daneben liegt das Fitness Center mit Räumen für Tai Chi, Yoga und Meditation, mit Fitnessgeräten und einem Pilates Studio. Auf halbem Weg zwischen Fayun Pathway und Spa verbirgt sich der Pool, umgeben von hohen Bäumen, so dass stets Blätter im Wasser schwimmen.

Gäste trifft man nur in den Restaurants und im Fayun Place im Zentrum des Anwesens. In den zwei miteinander verbundenen Häusern aus dem 19. Jahrhundert gibt es eine Lounge, in der traditionelle Snacks und nachmittags Tee serviert werden, und im ersten Stock einen Cigar Room und Leseraum. Die Bibliothek mit Bildbänden, Literatur und DVD-Dokumentationen über die Geschichte und Kultur Chinas erstreckt sich über zwei Etagen. In den komplett aus dunklem Holz bestehenden Räumen gibt es täglich verschiedene kulturelle Angebote wie Musik-Vorführungen oder Kaligraphie-Klassen.

Magic Service unter Smog-Wolken

"Das teuerste ist der Unterhalt der alten Strukturen", erklärt Hoteldirektor Kongkwanyuen. Aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit müssten ständig die Klimaanlagen laufen, damit die Zimmer einigermassen trocken bleiben. Das koste zwar eine Menge Strom, sonst gingen aber viele Geräte kaputt. Vor allem im Sommer ist das Klima mit 40 Grad und extrem hoher Luftfeuchtigkeit unerträglich. Beim Erhalt der alten Gebäude bekommt das Amanfayun Unterstützung von der Regierung und der UNESCO, denn die Landschaft um den West Lake wurde 2011 zum Weltkulturerbe ernannt.

Das Teehaus, ein Ort für Zeremonien und Kommunikation.

Hangzhou gilt als die Wiege der chinesischen Zivilisation und gehört zu den sieben antiken Hauptstädten Chinas. Die Stadt wurde vor mehr als 2.200 Jahren in der Qin-Dynastie gegründet, avancierte im 12. Jahrhundert zum wichtigen Handelszentrum und wurde von Marco Polo als "die schönste und erhabenste Stadt der Welt" bezeichnet. Heute ist Hangzhou eine Mega-Millionen-Metropole, Standort vieler IT- und Software-Unternehmen und soll künftig zum Silicon Valley Chinas ausgebaut werden. Auch wenn über den vielen Parks mit ihren zahlreichen Pagoden und Tempeln heute dicke Smog-Wolken hängen, wird Hangzhou noch immer als eine der schönsten Städte Chinas bezeichnet.

Besonders stolz ist der Hoteldirektor auf den "Magic Service". Schliesslich kümmern sich 156 Mitarbeiter um das Wohl der Gäste. "Wir wissen genau, wann der Gast zum Frühstück geht und wir das Zimmer reinigen können", behauptet er. Auffallend war jedoch, dass überall Wachpersonal steht und genau registriert, wer wohin geht.

Die Mitarbeiter seien angewiesen, ihr Verhalten dem der Gäste geschickt anzupassen, erklärt der GM. Unterhielten sich Gäste etwa sehr laut, sprechen die Mitarbeiter leiser mit ihm. "Dann werden die Gäste auch automatisch leiser", weiss Kongkwanyuen. Wie in allen Amanresorts präge vor allem der General Manager den Charakter des Hauses. Er selbst beschreibt sich als sehr umgänglich und macht auch mal die Betten, wenn gerade Not am Mann ist. "Meine Aufgabe ist es, wie in einer Familie ein Vorbild zu sein", erklärt der Thailänder.

Ein Package gegen den Ultra-Kurztrip

Obwohl die Belegungsquote lediglich bei 40 bis 45 Prozent liegt, mache das Hotel Profit. Hochsaison sind April/Mai und August/September und Oktober. Im August ist es zwar unerträglich heiss und feucht, aber es sind Ferien. Dann seien schon mal 90 Prozent der Zimmer belegt. "Wir verbessern uns von Jahr zu Jahr", erklärt Direktor Kongkwanyuen. 2014 sei bisher das beste Jahr gewesen. Dabei lebt das Hotel fast ausschliesslich vom heimischen Markt: Rund 90 Prozent der Gäste sind Chinesen. Sie buchen meist über Internet-Plattformen wie Ctrip.

Entspannung im Badehaus des Spas.

Wenn die Gäste ankommen, setze man sich meist zusammen, gebe ihnen eine Orientierung und schlage ihnen einen Plan vor, erklärt Kongkwanyuen. Dazu gehört dann meist ein Besuch des Tempels, ein einstündiges Spa-Treatment und ein frühes Dinner. Je nach Bedarf wird den Gästen einer der acht persönlichen Butler zur Verfügung gestellt. Beim Package "Explore Hangzhou" mit mindestens zwei Übernachtungen gibt es neben einem Abendessen auch noch einen Ausflug nach Hangzhou und zum Longjing-Teedorf. Wer die Ausflüge separat bucht, zahlt pro Ausflug zwischen 150 und 220 Euro für zwei Personen.

Ein Foto für Facebook und Hotpants beim Morgengebet

Die Chinesen locken jedoch weniger die Kultur oder das Ambiente, sondern vor allem das Image und der hohe Preis. Die Zimmerpreise ab 800 Euro dürften die höchsten in Huangzhou sein, wo auch Hotelgruppen wie Four Seasons, Shangri-La und Banyan Tree vertreten sind. In China gilt es als schick und trendy, einmal im teuersten Hotel übernachtet zu haben. "Die kommen oftmals nur für eine Nacht, stellen ein paar Fotos auf Wechat – das chinesische Facebook – und reisen wieder ab", erzählt F&B-Manager Eduard Ruppel. Auch Chef-Butlerin Eileen erzählt, dass sie den chinesischen Gästen oft erst einmal erklären muss, was besonders an Amanresorts ist und dass es hier auch um den Erhalt und das Erleben von Kultur geht.

Ausländer oder Expats aus dem nur 200 km entfernten Shanghai verirren sich nur selten hierher. Dabei ist die Lage, umgeben von sieben Tempeln und mehr als tausend Jahre alten, in Felswände gemeisselten Buddhas einmalig. Während die meisten Tempel heute in erster Linie Touristen-Attraktionen sind, wird der Faxi Tempel vor allem von Einheimischen besucht. Beeindruckend ist der Besuch der Morgenandacht. Im Dunkeln geht es um vier Uhr morgens zu Fuss vom Hotel durch dichte Bambuswälder hinauf zum Tempel. Vorbei am überfüllten Parkplatz gelangt man in die grosse Halle, in der rund 70 Mönche in gelben Roben, teils mit Mikro und Kopfhörer ausgestattet und begleitet von Trommelschlägen und Zimbelklängen, heilige Texte rezitieren.

Der Andrang ist gross und man wundert sich, was die vielen Menschen in aller Früh hierher treibt - in einem Land, in dem der Turbo-Kapitalismus längst für viele zur Ersatzreligion geworden ist. Junge Frauen mit Hotpants und dem Smartphone um den Hals, andere mit glitzerndem Minikleid und silbernen Stilettos, die aussehen als kämen sie gerade aus dem Nachtclub, junge Männer in Jeans oder kurzen Hosen und Badeschlappen drehen ihre Runde um den Altar, verbeugen sich mehrmals vor den Götterfiguren – und draussen sind sie schon wieder… Morgenandacht auf Chinesisch. / Bärbel Schwertfeger

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