Zuviel Testosteron in der Luft Karriere Frauen über Meetings Teamwork und Netzwerke Teil 3
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Zuviel Testosteron in der Luft

Karriere-Frauen über Meetings, Teamwork und Netzwerke (Teil 3)

Frau muss nicht Mann werden. Ihre Karriere entscheidet  sie selbst.Foto: fotogestoeber Fotolia

Augsburg. Frauen müssen auf ihrem Karriere-Weg nicht zu Männern mutieren, aber ein paar Eigenschaften dürfen sie schon übernehmen – oder zumindest durchschauen lernen. Meetings und Teamwork gleichen in Hotelgruppe zeitweise wohl eher einem Schachspiel zwischen den Geschlechtern, und Status-Symbole spielen durchaus noch eine Rolle. Heute, in diesem letzten Teil unserer dreiteiligen Serie, geht es deshalb um die Arbeit im Team, um das Thema Mobbing, um Netzwerke und abschliessend um junge Frauen. Doris Greif, Kristin Intress, Gabriele Maessen, Daniela Schade, Elke Schade, Susanne Weiss, Marion Schumacher und die HR-Beraterin Gisela Willmes melden sich noch einmal zu Wort.

"Wie spielt man das Spiel nun intelligent mit?" Daniela Schade, Senior VP Sales & Distribution Central Europe von Accor, hat sich das schon früh gefragt und ihr Rat nach fast zehn Jahren im Hotel-Konzern lautet: Frauen sollten auf die "politischen" Realitäten im Unternehmen achten – wo sind die Codes versteckt? Frauen müssen lernen, stärker mitzuspielen: "Viele arbeiten viel zu intensiv, sie sind nicht sichtbar. Aber frau muss sagen, was frau will. In komplexen Situationen flexibel bleiben!" Ihr nächster Tipp: Am eigenen Image und Netzwerk arbeiten, das eigene "territory of influence" abgrenzen.

In Team-Situationen, z.B. in Workshops, "fliegt oft das Testosteron nur so durch die Luft!" Daniela Schade lacht. Sie hat gelernt, Muskeln zu zeigen, wenn die Männer mal wieder den Dialog dominieren. Häufig schaut sie sich dieses männliche Kommunikationsgebaren einfach nur an, sammelt still Argumente und spricht dann am Schluss. "Dann kriege ich in der Regel meinen Punkt durch!", hat sie gelernt, "und ich verleugne mich auch als Frau nicht."

KARRIERE Daniela Schade: Steigenberger, Avis Autovermietung, Accor. Heute Senior Vice President Sales & Distribution, Revenue Management, Loyalty Central Europe.

Marion Schumacher hat festgestellt, dass es gut tut, hin und wieder einmal wie ein Mann aufzutreten. Was immer hilft: nicht zögerlich, sondern fest und klar zu sprechen. "Deshalb haben Männer es schon automatisch leichter," sagt sie - obwohl diese viele dadurch auch falsche Signale senden… Aber der Bluff sitzt, zumindest für den Moment.

Frauen brauchen keine Protz-Autos

Woher kommt das mangelnde Selbstbewusstsein von Frauen, die vor allem in Männer-dominierten Runden offenbar nicht immer zum Zuge kommen? "Ich war von Kindheit an mit weniger Selbstbewusstsein ausgestattet," spricht die heutige Beraterin Elke Schade einen Punkt an, den viele Frauen vermutlich teilen. Doch Auftreten und Argumentieren kann man lernen, so dass auch Elke Schade später knifflige Jobs übernahm, die selbst Insidern bis dahin nur Männern zugestanden hätten. Damit ist vor allem ihre letzte Position als Sprecherin der Geschäftsführung bei Dorint Hotels gemeint – in einer Phase, in der die angeschlagene Hotelgruppe durch heftige Wirtschaftswellen ging.

KARRIERE Marion Schumacher: Kempinski, IHG, Albeck & Zehden, Ritz-Carlton, Mövenpick, Six Payment Services. Heute Head of Marketing Communication Six Payment Services.

Die "angeborene" Bescheidenheit einer Frau aber bleibt wohl auch auf Karriere-Höhen bestehen: 1990 gestand Steigenberger Elke Schade als Geschäftsführerin der Steigenberger-Tochter SRS einen Dienstwagen zu. Es war ihr erster. Sie hatte sich einen Golf gewünscht, musste aber einen A6 fahren – "weil alle anderen auch auf diesem Level unterwegs sind".

Ähnliches erlebte sie bei ihren Büros: Männer bemessen ihre Bedeutung nach Quadratmetern, Anzahl von Fenstern oder Etagen-Höhe. Frauen interessiert das nicht. Elke Schade liess ihr Chef-Büro verkleinern und eine Wand einziehen, damit nebenan weitere Mitarbeiter arbeiten konnten. Die Welt ist aber noch trivialer: Das Meeting beginnt, alle Kollegen sitzen. Einer will Kaffee. "Die Frau, die in diesem Moment aufsteht, hat verloren," mahnt sie. Ihr Fazit: "Keine Hotelfachschule der Welt lehrt uns, selbstbewusst aufzutreten!"

Junge Frauen längst nicht so selbstbewusst

Kristin Intress, Geschäftsführerin von Worldhotels glaubt, dass die Frauen ihre Stärken nicht richtig ausspielen und die Unternehmen weibliche Stärken erst gar nicht einzusetzen wissen: "Ich glaube, dass Frauen besser zuhören und beobachten, was beim Problemlösen und in Verhandlungen viele breiter gefächerte Ansätze mit sich bringt," sagt sie. "Weibliche Führungskräfte sind – stärker als ihre männlichen Kollegen – so in der Lage, die verschiedenen Persönlichkeiten ihrer Mitarbeiter wirksam einzusetzen, was dem Team und dem Unternehmen zum Erfolg verhilft."

KARRIERE Elke Schade: Steigenberger, Mövenpick, Penta, Trust, SRS, Ringhotels, Neue Dorint. Heute selbständig mit Elke Schade Hotelberatung.    

Die heutige Vice President Europe für Jumeirah, Doris Greif, hatte, so sagt sie rückblickend, das Glück, in eine Hotelgruppe einzutreten, in der das ungeheure Expansionstempo keinerlei Raum bot, politische Lager zu bilden. Hinzu kam der Multikulti-Aspekt: Jumeirah bestand damals fast nur aus Expats. Bei Jumeirah sind heute über die Hälfte im Executive Management Frauen. Strukturierte, durchorganisierte Förderprogramme wie andere Hotelketten sie anbieten, gibt es bei Jumeirah bis heute nicht.

Was fast alle interviewten Karriere-Frauen feststellen: Frauen denken eher sach-orientiert, Männer status-orientiert. Frauen denken zuerst an das Projekt, die Abteilung, das Unternehmen und zuletzt an sich selbst – bei Männern ist es umgekehrt. Frauen denken langfristig, Männer kurzfristig. Eines aber erlebten mehrere Damen: Mitarbeiter reagieren, unabhängig vom Geschlecht, völlig verschnupft, wenn der Chef/die Chefin Team-Erfolge ausschliesslich dem eigenen Ego zuschreibt. Es klingt nach Polarisierung und altbekannten Vorurteilen. Doch diese Dinge sind auch 2015 noch trauriger Teil des Alltags.

Die Sexisten sterben nicht aus

Das Thema Männer und Mobbing ist erst recht alt, vorurteilsbelastet und subjektiv:
Trotzdem gibt es auch dieses noch. "Mein Vorstand pfiff mir im kurzen Rock nach… 'Kein Wunder, dass Sie bei Männern nicht ankommen..., war sein Macho-Kommentar dazu'," berichtet eine der Damen. Seitdem sind viele Jahre vergangen, aber die Szenen wiederholen sich auch noch im Jahr 2015. So berichtet diese Dame aktuell von einem ihr bestens vertrauten Unternehmen, in dem Mitarbeiterinnen sich beklagt haben, dass der Chef alle Damen in sexistischer Manier mustert. Und der gibt auch noch zu, dass er als Mitarbeiterinnen am liebsten Models in kurzen Hosen hätte…

KARRIERE Kristin Intress: Restaurant-Besitzern,Pharma-Industrie,CRS-Anbieter, Worldhotels. Heute CEO Worldhotels.

Solche Dinge ärgern Frauen einfach nur. Elke Schade als Beraterin und Coach für Hotel-Führungskräfte bringt es auf den nachvollziehbaren optischen Punkt: Karriere-Frauen wie Angela Merkel werden öffentlich für ihre Garderobe und ihr Make-up kritisiert, "Lästern inklusive". Bei den Männern schaut niemand hin, egal ob klein oder gross, hübsch oder hässlich, dick oder dünn. Das Aussehen darf also niemals ein Thema sein!

Netzwerke ein gutes Ventil

Netzwerke sind ein gutes Ventil, um sich mit Kollegen und Kolleginnen genau über diese Dinge des Alltags auszutauschen, über die "man sonst nie spricht." Daniela Schade empfindet Netzwerke deshalb als essentiell, weil sie einen tollen Einstieg in den Erfahrungsaustausch mit anderen Frauen bieten. Gegen eine Frauen-Quote ist sie grundsätzlich – "weil am Ende des Tages nur der eigene Wille zählt." Als politisches Instrument in der Gesellschaft kann sie die Frauen-Quote akzeptieren: Weil sie dem Staat hilft, den Frauen zu helfen, solange Männer das andere Geschlecht nicht freiwillig als gleichberechtigt anerkennen. Elke Schade argumentiert ähnlich: "Ich hasse die Frauen-Quote, aber nur so zwingen wir die Männer, etwas zu ändern."

"Geschlechtsspezifische Netzwerke zementieren doch nur, was wir alle eigentlich nicht wollen," hakt Susanne Weiss ein: "nämlich Trennung." Gabriele Maessen hält Netzwerke für eine unglaublich gute Komponente, wenn sie branchen-übergreifend angelegt sind und damit einem intensiven Erfahrungsaustausch dienen. Reine Frauen-Netzwerke würden die Frauen nicht fördern. Von den Männer-Netzwerken, deren primärer Zweck es sei, sich gegenseitig Geschäft zuzuschieben sind diese Runden trotzdem noch weit entfernt.

KARRIERE Doris Greif: Hilton, seit 1999 Jumeirah Hotels. Bis 2014 in den VAE tätig. Heute Vice President Europe Jumeirah Hotels. 

"Jedes Netzwerk auf Senior Management-Level hat Schlüssel-Charakter," meint Kristin Intress. Es sei wichtig, sich über Best Practices, Erfahrungen und Möglichkeiten auszutauschen – unabhängig vom Geschlecht. Frauen-Netzwerke hingegen sieht sie als äusserst förderlich für Nachwuchskräfte an – zumindest solange, wie es um das Hinarbeiten auf ein gemeinsames Ziel geht. Diese Harmonie aber sei vorbei, sobald sich Frauen auf die gleiche Position bewerben…

Doris Greif lehnt Frauen-Netzwerke ab. Ihr eigenes, agiles Auftreten hat trotzdem, auf subtile Weise, neue Netze ermöglicht. Weil sie als Frau eines der bedeutendsten Hotels in Abu Dhabi leitete, bedrängten plötzlich jüngere arabische Frauen ihre Männer, Väter und Brüder einzuwilligen, dass sie sich in der Hotel-Lobby mit ihren Freundinnen alleine zum High Tea treffen dürfe. Nach dem Motto: "Wenn eine Frau wie Doris Greif ein solches Hotel sicher leitet, sind auch wir sicher." Es funktionierte. Die verschleierten Damen-Grüppchen sind heute ein gewohnter Anblick in der weiträumigen Lobby.

Jüngere Frauen sollten analytischer vorgehen

Viele junge Frauen, die von der Uni ins Unternehmen vorrücken, machen auf den ersten Blick häufig einen extrem selbstbewussten Eindruck, unterstrichen durch ein stylisches Aussehen und Eloquenz.

KARRIERE Susanne Weiss: Dorint, Accor, Rezidor. Heute Geschäftsführender Vorstand Ringhotels.

Doch das ist häufig nur Fassade: "Dass 30jährige heute selbstbewusster sind, würde ich so nicht unterstreichen," schüttelt Daniela Schade von Accor den Kopf. Im Gegenteil: Man müsse bestimmte Typen von Frauen sogar noch länger begleiten, sie gezielt voranschieben. Macht eine Frau mit Freuden eine Präsentation? An dem Punkt überlegt sie bereits, ob sie es rhetorisch zu leisten vermag. Ein Mann kann es, logisch. Weil sein Ego ihm keinen Zweifel lässt.

Den noch jüngeren Frauen – Uni-Absolventinnen – sprach letzten Mai eine Personalberaterin in Lausanne kräftig Mut zu. Beim sogenannten "DARE"-Event der Hotelfachschule Lausanne, das Studenten mit Branchen-Leadern zusammenbringt, ermunterte Hanna Karolyi, Manager Marketing & Sales von der Personal-Agentur Page Personnel, den Nachwuchs, sich schon vor dem Einstieg ins Berufsleben mit der Kultur und den Karriere-Möglichkeiten seines Wunsch-Unternehmens vertraut zu machen. Auch riet sie, länger im Job zu bleiben, denn ein Wechsel könnte häufig langsam verlaufen…

Beruf und Privatleben nur schwer vereinbar

Doris Greif von Jumeirah hatte in ihrer Zeit im Jumeirah Emirates Towers Dubai bereits zehn Frauen in leitenden Funktionen unter sich, und aus ihrem arabischen Freundinnen-Kreis haben inzwischen etliche Frauen Karriere gemacht, auch im Ausland und selbst in Männer-dominierten Welten wie der Zentralbank von Abu Dhabi oder in den Botschaften. "In den letzten zehn Jahren hat sich in den Emiraten sehr viel zum Positiven verändert," lobt sie.

KARRIERE Gabriele Maessen: IHG, Ritz, Hilton, SRS, Arabella, ANA, Starwood, Leonardo, Wyndham, Azur Hotel Properties. Heute Regional Director Azur Hotel Properties Berlin. 

Immer mehr junge Frauen würden in den Familien inzwischen durchsetzen, z.B. nur ein Schnupper-Praktikum in einem Hotel zu machen und/oder später im Ausland zu studieren. In Dubai zumindest helfe auch die Emirates Academy, die weiblichen Nachwuchs-Kräfte für die kulturellen Unterschiede und ihre ganz persönlichen Karriere-Chancen zu sensibilisieren.

Eines aber möchte sie offen und ehrlich jeder Frau mit Karriere-Willen mit auf den Weg geben: "Beruf und Privatleben lassen sich in der Hotellerie nur schwer vereinbaren," resümiert Doris Greif. "Das muss man ehrlich kommunizieren."

Demgegenüber seien die Transfer-Chancen, die die Hotellerie biete und durch die man die Welt sehen kann, in der Branche halt einmalig, schwärmt die Kosmopolitin mit Münchner Wurzeln aus tiefster Überzeugung. Und die Welt über eine eigene Karriere kennenzulernen, bedeute ungleich mehr als einem Karriere-Mann "nur" als Ehefrau ins Ausland zu folgen. / Maria Pütz-Willems

 

AUSSERDEM: Im anhängenden PDF finden Sie über diesen Text hinaus die Meinungen und Erfahrungen von Frauen bei AccorHotels – eine PR-Initiative im Rahmen des unternehmenseigenen "WAAG"-Programms.


 

 

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