Ein emotionaler Moment
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Ein emotionaler Moment

In der Betriebsnachfolge regiert nicht immer der Verstand - Viele Fallstricke

Der Europäische Hof in Heidelberg - ein schönes, geschichtsträchtiges Hotel. Nachfolge ungeklärt.

Wiesbaden. Für viele Hoteleigentümer ist wieder ein Jahr zu Ende gegangen, in dem kein Nachfolger gefunden wurde. Tausende von Betriebsübergaben stehen in der mittelständisch geprägten europäischen Hotellerie in den kommenden Jahren an. Wer keine geeigneten Nachfolger in der Familie hat, muss sich frühzeitig um eine andere Lösung bemühen. Aber auch Familienbetriebe mit Nachfolgern aus den eigenen Reihen stehen vor einer Vielzahl von Problemen. Eine Analyse der Möglichkeiten und Unsicherheiten.

"Die Betriebsübergabe ist ein Einmal-Ereignis, für das es keine Generalprobe gibt. Dieser Schritt sollte daher gut überlegt und bestens vorbereitet sein“, erklärt der Geschäftsführer der österreichischen ÖHV Touristik Service GmbH, Thomas Reisenzahn. In der Regel dauert der Prozess mehrere Jahre und betrifft alle Bereiche eines Unternehmens. Häufig versuchen mitteständische Unternehmer, ihre Nachfolge mit den Kindern allein zu regeln. Holen sie schliesslich doch noch einen Berater ins Haus, ist die Situation oft schon sehr zerrüttet.

Rational geht eine solche Übergabe selten vonstatten. Macht und Autorität sowie die unterschiedliche Auffassung über Kommunikation und Führungsstil spielen bei ihr eine ebenso zentrale Rolle wie das Loslassen. "Von ''Das ist mein Baby’ bis hin zu ''ich hab’s aufgebaut, ich kann’s auch zugrunde richten’ bekommen Berater die eigenartigsten Argumente von Seiten des Übergebers zu hören“, weiss Bernhard Baumgartner von www.familyfirm.at aus der Praxis. Er ist der Meinung, dass 50 Jahre das beste Alter sei, um eine Übergabe anzudenken.

Thomas Reisenzahn: Dafür gibt es keine Generalprobe.

Der emotionale Moment - schwer einzuschätzen

Nach der ausführlichen Planungsphase für die Übergabe tritt diese erst mit der "Loslass-Phase“ wirklich in Kraft. Was dabei an emotionalen Momenten auf Übernehmer und Übergeber zukommt, ist schwer einzuschätzen. Die Zusammenarbeit mit einem Psychologen bzw. Wirtschaftspsychologen kann daher durchaus sinnvoll sein.

Die schwierige Situation für Jung und Alt macht das schriftliche Dokumentieren aller Details für die Übergabe unabdingbar. Dabei spielt auch die Wahl der richtigen Betriebsform eine entscheidende Rolle. "Die wenigsten wissen, dass Übergeber auch nach der Übergabe noch für Verbindlichkeiten aus Verträgen haften, die sie noch selbst abgeschlossen haben und die innerhalb von fünf Jahren nach der Übergabe fällig werden,“ erklärte Markus Kroner, Kroner Rechtsanwälte GmbH, Ende September 2009 beim Zwei-Generationen-Seminar der Österreichischen Hotelier-Vereinigung. Übernehmer wiederum haften oft unwissentlich für Rechtsverhältnisse, die sie gar nicht übernommen haben.

Tipps und Unterstützung bei der Betriebsübergabe erhalten Österreichs Hoteliers sowohl von der ÖHV als auch vom österreichischen Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit. Das Ministerium hat eine 38 Seiten umfassende Broschüre zum Thema "Betriebsnachfolge im Tourismus“ aufgelegt, die regelmässig aktualisiert wird und neben Tipps für Übergeber und Übernehmer auch Beispiele für die Wertermittlung eines Betriebs enthält wie auch zahlreiche Checklisten.

Schwarzgeld ist keine Verhandlungsbasis

Für deutsche Unternehmer aus Hotellerie und Gastronomie hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband eine umfassende Broschüre mit Checklisten und detaillierten Praxisbeispielen herausgebracht. Sie nennt sich "Nexxt Generation“ und ist kostenfrei über den Dehoga Bundesverband zu beziehen.

Sylvia und Ernst-Friedrich von Kretschmann: Die Übergabe an einen Investor wäre problemlos möglich.

In "Nexxt Generation" werden u.a. die Betriebsübergaben der Hotel Rebstock Würzburg GmbH im Jahr 1994 an Sabine und Christoph Unkell oder die Übergabe des Favorite Parkhotels in Mainz an Anja und Christian Barth in 2004 beschrieben. Auch das Beispiel einer geglückten Suche nach einem eigenen Betrieb durch ein engagiertes Hotelierspaar fehlt nicht. Doris und Ulrich Lechner schildern, auf welche Überraschungen sie bei der Besichtigung von 35 zum Kauf angebotenen Betrieben stiessen. So versprach man ihnen etwa Zusatzeinnahmen durch Schwarzgeld oder flehte sie unter Tränen an, den Betrieb doch bitte zu übernehmen. Nach der betriebswirtschaftlichen Analyse von zehn Hotels entschieden sich die Lechners 2000 schliesslich für den Kauf des Waldhotels Grüner Baum in Oberkirch-Ödsbach.

Luxushotelier von Kretschmann: "…nur noch auf den Knopf drücken"

Deutsche Luxushotels, deren Immobilien sich heute noch in Hand der Eigentümer befinden, sind inzwischen rar. Einer dieser Hoteliers ist der 71jährige Ernst-Friedrich von Kretschmann vom Hotel Europäischer Hof in Heidelberg, Mitglied bei The Leading Small Hotels of the World. Etwas neidisch blickt er auf seine Kollegen aus der Ferienhotellerie wie die Fässlers vom Hotel Sonnenalp in Ofterschwang oder die Familien Finkbeiner von der Traube-Tonbach und Bareiss vom Bareiss in Baiersbronn, bei denen die Übergabe an den Nachwuchs gelungen ist. "Heute bereiten Eltern ihre Kinder am besten auf die Betriebsübernahme vor, indem sie sie nach dem Abitur eine Ausbildung in der Branche machen lassen und sie anschliessend auf eine der Hochschulen für Tourismus, eine Berufsakademie oder nach Cornell University schicken“, sagt er. "Wobei bei Cornell schon wieder die Gefahr besteht, dass der Nachwuchs eine internationale Karriere einschlägt und später am Gasthof des Vaters kein Interesse mehr hat."

Seinen eigenen Kindern ist von Kretschmann sehr liberal gegenüber getreten. Sie durften ihren Beruf frei wählen, studierten nach einer Banklehre beide BWL und arbeiten inzwischen erfolgreich als Investmentbanker und Beraterin. Ernst-Friedrich von Kretschmann, der diese Möglichkeit stets einkalkulierte, hat seinen Betrieb so aufgestellt, dass eine Übergabe an einen externen Betreiber und Investor problemlos möglich wäre.

Berater Stephan Gerhard: Die Übergabe enthält viele Fallstricke.

Nur permanente Anpassungen machen die Braut schön

Seinen Betrieb hat von Kretschmann schon 1983 juristisch gespalten und zwar in eine Betriebs-GmbH und eine Besitz-GmbH & Co. KG - "mit ständiger Anpassung der Verträge," betont der Hotelier. Unerlässlich waren und sind seiner Meinung auch ständige Investitionen in die Altsubstanz, in Angebotserweiterungen und durch Neubauten auch in den gewerblichen Vermietungsflächen wie auch in eine Tiefgarage. "Nur so hat man nach 45 Jahren die Möglichkeit, eine Management-Gesellschaft zu finden, wenn ein Nachfolger nicht zur Verfügung steht," sagt von Kretschmann. "Ich müsste nur noch auf den Knopf drücken", sagt von Kretschmann, "dann käme sicher ein Freier vorbei."

Weshalb er es noch nicht getan hat, erklärt von Kretschmann zum einen mit der derzeitigen Wirtschaftslage, die ihm vermutlich nicht den erhofften Preis brächte. Zum anderen hat er die Hoffnung noch nicht ganz begraben, dass seine Tochter, eines Tages der Beratung überdrüssig, ihr Wissen in der Praxis unter Beweis stellen möchte. Auf seine heute 13jährige Enkelin, die bei Besuchen begeistert im Frühstücksservice mitarbeitet, will er nicht mehr unbedingt warten. "Ich war 27, als ich das Hotel übernahm“, sagt er. "Ich werde sicher nicht hier weiter machen bis 85.“

"Leider kann man den optimalen Weg nicht erzwingen," fügt der erfahrene Hotelier hinzu, "verschiedene Zukunftsvarianten sind jedoch immer gegeben, soweit man sich familien-intern nicht überwirft." Kollegen rät er auch, an die "stillen Gesellschafter der gleichen Generation" zu denken, die auf eine Auszahlung drängen. Das könne zu einem "finanziellen, höchst unproduktiven Aderlass" führen und zu entsprechenden finanziellen Belastungen gegenüber der Hausbank.

Das Erbe ist geklärt: Hotel Hochschober in Kärnten.

Fallstricke: Verträge, Immobilienbewertung

Hat ein Unternehmer Interesse am Fortbestand seines Hotels, ob unter dem eigenen Nachwuchs oder einem fremden Betreiber, darf er bei der Übergabe nicht nur seinen persönlichen Vorteil vor Augen haben. Stephan A. Gerhard, Chef der Treugast-Gruppe aus München, macht in "Nexxt Generation“ auf die häufigsten Gefahren der Betriebsübergabe aufmerksam. "Das Grundproblem für den Nachfolger ist, dass Übergabe-Verträge meist durch Berater oder Juristen der Übergeber-Generation gemacht werden, nicht von denen der Übernehmer-Generation“, erklärt er. "Dadurch ist oftmals der Falsche beraten, nämlich der, der aufhört.“

Als wichtigste Fallstricke bei Betriebsübergaben nennt er das zu spät erfolgte Timing, die falsche Bewertung der Immobilie, die vergessene Kalkulation der künftig entfallenden, oft niedrig bezahlten Mitarbeiter aus der Familie und zu hohe Forderungen von Erbberechtigten. Seine Empfehlung: Beide Seiten sollten sich unabhängige neutrale Berater suchen. Für bestimmte Beratungsdienstleistungen erhalte der Übernehmer zudem Zuschüsse vom Bundeswirtschaftsministerium, vor allem für Existenzgründer.

Mit so ausführlichen Darlegungen wie die Kollegen aus Österreich und Deutschland kann der Schweizer Branchenverband hotelleriesuisse bisher nicht aufwarten. Als Anlaufstelle für Fragen zum Thema Nachfolgeregelung empfehlen die Schweizer auf Anfrage das Beratungsunternehmen imhotel aus Bern. / Susanne Stauss

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