Mühsames Europa
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Mühsames Europa

Wie das US-Portal TripAdvisor HolidayCheck überholen will

Hamburg. Er ist ganz der smarte amerikanische Business Man: Stephen Kaufer, Gründer von TripAdvisor. Seine Story gleicht die vom Garagen-Unternehmer zum Millionär: Es begann 2002 mit drei Partnern in einem Apartment über einer Pizzeria. Zwei Jahre nach Firmengründung war TripAdvisor bereits so attraktiv, dass die Interactive Corporation dem Computer-Wissenschaftler das Unternehmen für 200 Millionen Dollar abkaufte und später zu Expedia auslagerte. Pro Monat zählt TripAdvisor heute über 40 Millionen "unique users" weltweit, sagt Stephen Kaufer und vergleicht: Das sei mehr Traffic als die fünf grössten Airlines der Welt auf ihrer Homepage generieren. Der Gründer ist immer noch CEO des Unternehmens, und er bestimmt die globale Strategie mit. Inzwischen hat er sich die Eroberung Europas vorgenommen - HolidayCheck will er das Feld nicht überlassen. Er hat konkrete Pläne, doch der Einstieg in Europa ist etwas mühsamer als erwartet.

2009 machte das Social Network 353 Millionen US-Dollar Umsatz, der Gewinn vor Steuern lag bei 196 Millionen. 2010 waren es 485 Millionen Dollar Umsatz und 260 Millionen Gewinn. Das europäische Portal HolidayCheck, das 2003 startete, hält sich mit der Veröffentlichung von Umsatz- und Gewinn-Zahlen zurück.

TripAdvisor finanziert sich nur über Werbung, nicht über Buchungen, betont Stephen Kaufer im Gespräch mit Journalisten. "Wir wollen unabhängig bleiben," sagt er. Die Werbe-Links generieren zwei Drittel des Umsatzes. Und zwei Drittel des Traffic kommen von ausserhalb der USA.

Stephen Kaufer,TripAdvisor-Gründerund CEO.

Drei Bezahlsysteme gibt es dabei: Zum einen zahlen die Kunden pro Click. Zu diesen Kunden gehören Hotelketten, Online-Reisemittler und Hotelbuchungsportale, daruntere bekannte Namen wie InterContinental Hotels, Accor, NH, Starwood, hotels.com. Last Minute, booking.com, Expedia und Orbiz. Zum anderen kann man Standard-Werbebanner schalten, sogar zielgruppengerecht selektiert.

Business Listings: reduzierte Preise

Und zum dritten hat TripAdvisor im Januar 2010 die "Business Listings" eingeführt. Hotels können sich dabei über Einträge mit ihrer Telefonnummer, ihrer URL und ihrem eMail-Kontakt aufnehmen lassen. Im August 2010 habe man weltweit über 15.000 Listings aller Kategorien und Hotelgrössen registriert, seither habe es "ein erhebliches Wachstum" gegeben, heisst es. Die Entwicklung entspreche den TripAdvisor-Erwartungen, sagt Christine Burger, Sprecherin für TripAdvisor Deutschland.

Die Preise für Business Listings richten sich nach der Zimmeranzahl und dem Standort eines Hotels, wobei die Preise entsprechend zur Anzahl der Page Views steigen. Als Richtwerte nennt TripAdvisor heute folgende Preise:

Die kleinsten Hotels mit weniger als 5 Zimmern zahlen 265 bis 295 Euro pro Jahr, Hotels zwischen 6 und 10 Zimmern zahlen 350-400 Euro, für 11-25 Zimmer sind es 605-715 Euro, für 26-50 Zimmer 825-1.000 Euro, für 51-100 Zimmer 1.550-1.950 Euro, für 101-250 Zimmer 3.000-3.775 Euro, für 251-500 Zimmer 4.595-5.750 Euro und ab 500 Zimmer 6.395-7.925 Euro. Gestartet war TripAdvisor mit weitaus höheren Preisen für seine Business Listings: Diese lagen anfangs, je nach Hotelgrösse, zwischen 400 und 10.000 Euro pro Jahr.

Ferienwohnungen noch nicht für deutschsprachiges Europa

Die Business Listings sind Teil von "TripAdvisor for Business“, einer relativ neuen TripAdvisor-Division, deren Präsidentin mit Sitz in London Christine Petersen ist. Diesen Mittwoch wurde zudem bekannt, dass es eine neue globale Marketingchefin gibt: Barbara Messing. Sie kommt von Hotwire, einer anderen Unternehmenstochter von Expedia.

Anders als der englische Begriff hierzulande vermuten lässt, spricht "TripAdvisor for Business“ keine Geschäftsreisenden an, sondern dient dazu, viele weitere Unternehmen anzusprechen. Der erste Schritt dazu war die Einbeziehung von Ferienwohnungen oder "second homes" in den USA. Allein aus dem "Vacation Rental“-Segment verzeichnete TripAdvisor letzten Herbst über 100.000 Listings und "mehrere hunderttausend Bewertungen," so Kaufer. Im Juni 2010 hat TripAdvisor holidaylettings.co.uk, die grösste unabhängige Webseite für Ferienwohnungen und -häuser in Grossbritannien, übernommen. In diesen Wochen wird Vacation Rental in Spanien eingeführt. Wann es in Deutschland bzw. dem deutschsprachigen Markt geschieht, ist momentan noch offen.

Das klingt, als könnte TripAdvisor unendlich wachsen und in alle touristische Segmente hinein stossen. "Nein, wir bleiben auf Hotels fokussiert, der Rest ist Cross-Selling," stellt Kaufer klar. Dieser Aussage widerspricht die eigene Website, auf der Pauschalreise- und Flugangebote gleichberechtigt neben der Kernfunktion des Portals stehen. Sprecherin Christine Burger präzisiert: Nur für die USA und Grossbritannien gibt es derzeit Flugangebote auf der Seite. Bei den Pauschalreise-Angeboten arbeite man mit TravelTainment zusammen; für den europäischen Markt soll diese Seite neu gestaltet werden.

Facebook-Freunde sollen Bewertungen treiben

Auf Hotel-Seite lassen sich schliesslich noch genügend mächtige Verbündete finden, z.B. Facebook. Mit "tripFriends" hat man hier die Schnittstelle zwischen Hotelbewertungs-Plattform und Social Media-Netzwerk geschaffen: User mit Facebook-Account, die bei TripAdvisor nach einem Reiseziel oder einem Hotel suchen, können diese auf einer interaktiven Weltkarte markieren. TripAdvisor zeigt dann automatisch eine Liste aller Freunde an, die bereits in diesem Ziel oder Hotel waren. Möglich macht das die Facebook-Applikation ‚Cities I’ve visited’ von TripAdvisor. Seit ihrem Launch im Juni 2007 hat dieses Reise-App mehr als zehn Millionen User angelockt, sagt Christine Burger. Abgesehen von den persönlichen Kommentaren, die die Freunde evtl. in einer Extra-Box hinterlassen, kann TripAdvisor hier die Bewertungen einzelner Hotels in der jeweiligen Destination aufzeigen. Der Gedanke dahinter ist natürlich, noch mehr TripAdvisor-Besucher zu Hotelbewertungen zu motivieren.

Christine Petersen, President TripAdvisor for Business.

Und das ist nötig: "99% der Besucher schreiben keine Bewertung,“ gesteht Kaufer überraschend. Anders formuliert: Von derzeit 40 Millionen unique users schreiben nur ein Prozent - also 400.000 - eine Hotelbewertung. "Ähnlich sieht es auch bei uns aus", sagt Axel Jockwer, Marketingleiter bei HolidayCheck.

Kein Wunder, dass man Wege sucht, um die Zahlen der Bewertungen zu steigern. Deshalb verbündete sich TripAdvisor mit Facebook: "Es könnten mehr werden, wenn Freunde Empfehlungen aussprechen.“ Das gemeinsame Tool "TripFriends" zeige deutlich die Schwerpunkt-Verlagerung in den sozialen Netzwerken - den Schwenk vom "wisdom of crowds to the wisdom of friends". Und das, so Kaufer, "ist auch die Antwort auf die Suchmaschinen."

Von Suchmaschinen wie TrustYou fühle er sich noch nicht bedroht, Trivago spiele nicht im TripAdvisor-Revier. Semantic und Kayak hingegen seien Wettbewerber. Dafür entwickelt sich ein Streit mit Google: TripAdvisor will Google verbieten, seine Seiten auszulesen…(sh. dazu auch Artikel "Fight der Giganten"/Link).

Partnerschaften mit Multiplikatoren weiter geplant

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Eroberung Europas ist die auf zwei Jahre angelegte Partnerschaft mit Miles & More. M&M-Kunden, die drei Bewertungen schreiben, wurden anfangs mit 500 Punkten belohnt, seit 1. Februar erhalten sie nur noch 300 Meilen dafür. "Diese Partnerschaft hat unsere Erwartungen weit übertroffen," sagt Christine Burger, "weil sie geholfen hat, die Anzahl der deutschen Bewertungen nach oben zu treiben."

Partnerschaften mit namhaften Multiplikatoren im Markt sind fester Bestandteil der Strategie, in Europa Fuss zu fassen. Der letzte grosse Deal war die Kooperation mit Accor Hotels. Ansonsten kooperiert TripAdvisor u.a. mit der Deutschen Zentrale für Tourismus, mit Reiseveranstaltern wie Jahn Reisen oder Maritim Hotels.

Französische Hotelier-Vereinigung verklagt TripAdvisor

Paris. In Frankreich wird sich TripAdvisor vor dem Handelsgericht in Paris verantworten müssen. Geklagt hat die französische Hotel-Vereinigung Synhorcat. Sie entschloss sich im April 2010 zu diesem Schritt, nachdem sich Gespräche über zwei Jahre hinzogen und zu keiner Klärung führten. Synhorcats Vorwurf: TripAdvisor ist keine Hotelbewertungsplattform, sondern lenkt diskret zur Buchungsplattform von Expedia, der Muttergesellschaft, um.

Christophe Paluel-Marmont, Präsident von der Hotel-Vereinigung, moniert beispielsweise die Auswahl der Vertriebspartner, wenn der User Verfügbarkeiten und Preise checken will. "Die meisten der Vertriebspartner gehören zur Expedia Group," so sein Vorwurf. Umso mehr ärgert es ihn, dass die Website des Hotels in diesem Fenster nicht genannt wird. "Ein unfairer Wettbewerb," schimpft die Synhorcat. Ein Stein des Anstosses ist für die französische Hotelvereinigung auch eine Bemerkung auf der TripAdvisor-Website gewesen, nach der das ausgewählte Hotel telefonisch nicht buchbar sei.

Christoph Paluel-Marmont fasst zusammen: Das alles sei Irreführung, da der User auf eine Buchungsseite geleitet werde, obwohl er glaube, dass er sich auf einer Hotelseite mit Meinungen/Bewertungen befinde. Die Synhorcat erwartet für das Frühjahr 2011 eine erste Anhörung vor Gericht. / map

Seit 2007 ist TripAdvisor dabei, das Europa-Geschäft aufzubauen. Vier Jahre später sieht Stephen Kaufer immer noch "viel Raum für HolidayCheck und uns". Das deutsch-schweizerische Hotelbewertungs-Portal bezeichnet er als einen "guten Wettbewerber". In puncto Bekanntheitsgrad ist HolidayCheck dem amerikanischen Portal im europäischen Markt allerdings um Längen voraus - obwohl holidayCheck momentan "nur" rund 1,8 Millionen Hotelbewertungen zählt.

Zahlen aus unterschiedlichen Quellen

Axel Jockwer kann nur ungläubig den Kopf schütteln, wenn Stephen Kaufer behauptet, TripAdvisor habe HolidayCheck beim Traffic überholt. Kaufer bezieht seine Zahlen aus comScore, einem internationalen Monitoring-System aus den USA. Wie anfangs erwähnt, registriert TripAdvisor angeblich über 40 Millionen unique users pro Monat.

Laut Aussagen von Axel Jockwer zählt comScore im Januar für Holidaycheck.de 2,7 Millionen unique user, aber nur 1,9 Millionen für Tripadvisor.de. "In Deutschland hat uns Tripadvisor mit Sicherheit nicht überholt", sagt Jockwer und stellt auch klar: "comScore ist für uns ''nicht der wichtigste Monitoring-Dienst''. Wir vertrauen hier auf Mess-Institute wie die IVW und AGOF". Laut AGOF, der Arbeitsgemeinschaft für Online-Forschung, die in der Online-Branche allgemein anerkannt ist und auch IVW-Zahlen mit einbezieht, zählte HolidayCheck in den ersten drei Quartalen des letzten Jahres stets deutlich mehr unique users als TripAdvisor. Im dritten Quartal 2010 registrierte TripAdvisor 3,15 Millionen, HolidayCheck 4,44 Millionen.

"Zudem geht es hier nicht nur um nackte Zahlen. Als Marke konnte TripAdvisor keine Wahrnehmung in Deutschland erzielen", ergänzt Jockwer und verweist auf die deutlich unterschiedlichen Such-Anfragen bei Google über die Marken-Schlüsselwörter.

Keine Angst vor neuer Konkurrenz

Dass unter den Hotelbewertungs-Portalen neue Konkurrenz hochkommt, glaubt Stephen Kaufer übrigens nicht: "Jede neue Site wäre eine leere Site," sagt er selbstbewusst, "wir würden ''Snippets'' aus unserem Content einfach lizenzieren." User, die beispielsweise fünf Bewertungen eines Hotels in Hamburg aufrufen würden, bekämen dann immer nur den ersten Satz zu lesen und würden sofort zu TripAdvisor weitergeleitet werden – wofür diejenige Site dann wiederum zahlen müsste.

Die Weiterentwicklung der Strategie und die Bewältigung der bisherigen Bewertungsfluten bereiten dem TripAdvisor-Team vorerst noch genug Denksport. In Frankreich haben sich die Amerikaner ausserdem den Unwillen der französischen Hotel-Vereinigung zugezogen: Diese vermutet eine Bevorzugung von Expedia und will diese gerichtlich klären.

Für Expedia ist TripAdvisor eine Cash-Cow. Die Hotelbewertungsplattform steigerte ihren Gewinn im Vergleich 2009/2010 von 196 auf 260 Millionen Dollar. Expedia selbst machte 2010 einen Umsatz von 3,3 Milliarden Dollar und weist einen Betriebsgewinn von 731,9 Millionen Dollar aus. / Maria Pütz-Willems

 

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