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Retos Übersetzer

NEWCOMER: Markus Semer, 32, Kempinski-Vorstand

Genf. Jung, dynamisch, erfolgreich - dieses flotte Klischee drängt sich unweigerlich auf angesichts des wehenden Jackets an dem 1,94 Meter schlanken Mann, der sich auf den Cafétisch in der Lobby des Kempinski Hotel Vier Jahreszeiten München zu bewegt: Markus Semer ist da. Oder besser: Er ist präsent, sichtbar, spürbar. In der aufpolierten Lobby des Grand Hotels macht er klar, was Kempinski künftig gar nicht mehr sein will: langsam und verstaubt. Am 1. Mai 2008, im Alter von 31 Jahren, avancierte er zum Senior Vice President Corporate Affairs & Strategic Planning im Vorstand der Kempinski Hotels & Resorts. Vorstandschef Reto Wittwer wird dieses Jahr 60 werden, und Semer könnte sein Sohn sein. Die unaus-gesprochene Frage hinter dieser Feststellung lässt Markus Semer unwillig die Augen rollen, aber er antwortet smart: "Sehen Sie es doch so: Da sitzen zwei Generationen an einem Tisch!" Ein Newcomer plaudert, über sich und die Branche, über Kempinski und Strategie.

Der Aufhänger mit dem Alter nervt ihn. Dabei hatte Markus Semer die Wahrheit schon in der Pressemitteilung sanft zurecht gerückt: Als diese im Mai versandt wurde, war er noch 31, im Text waren aber 32 Jahre angegeben. Er findet, das Alter allein ist kein Grund, über Menschen zu reden oder zu schreiben. Aber die Lust darauf, mit Menschen arbeiten zu wollen, sei erwähnenswert. Dabei hätten die ersten Menschen, die er in der Hotelwelt traf, ihm beinahe die Lust an der Branche genommen. Doch zurück in die elterliche Baumarkt-Kette Hellweg in Dortmund wollte Markus Semer nicht. Der sensible Doppel-Krebs spürte genau, wo er hingehört.

Er lacht, als er von der trinkgeldlosen Zeit im Dorint Würzburg erzählt, seinem ersten Hoteljob während des BWL-Studiums. 7,50 Euro pro Stunde verdiente er beim Herrichten des Büffetts für die Bustouristen - und keinen Cent mehr, weil die Gruppengäste geizten. Vor dem Examen schaffte er es dann über Zufallsbeziehungen, einen Job im berühmten Adlon Kempinski in Berlin zu ergattern.

Dort traf er nicht mehr auf geizige Bustouristen, aber auf einen ungnädigen Vorgesetzten, der ihn nicht zwei Wochen, sondern zwei Monate lang jeden Morgen das Frühstücksbüffett aufbauen liess. Und er, der damals gerne länger schlief, musste sein Trinkgeld in Taxigeld ummünzen, um jeden Morgen rechtzeitig zum Dienst zu erscheinen…

In diesen Zeiten sah der blutjunge Semer viele graue Hotel-Eminenzen an sich vorbeiziehen. Und er dachte nicht nur einmal: So möchte er nicht werden. Und so legte er sich seinen eigenen Hotelkarriere-Plan zurecht: Nach der Uni machte er seinen MBA an der Ecole Hotelière de Lausanne und wollte dann General Manager werden. Doch das Urteil seines Lieblingsprofessors und Mentors damals, Professor Michael Olsen, lautete im Fazit: "Sie verschwenden Ihre Zeit! Sie sind kein operativ veranlagter Mensch!"

"Kempinski und die einzelnen Hotels können ohne mich leben..."

Der analytisch veranlagte Student analysierte sich selbst, nahm seinen ganzen Mut zusammen und sprach den damaligen Kempinski-Vice President Human Resources Daniel Frey nach einem Vortrag an. Das war 2002, und Kempinski befand sich in der Phase, in der ein Vertrag nach dem anderen unterschrieben wurde. Das Headquarter in Genf brauchte Hilfe, und Semer war da.

Aus dem 17köpfigen Team vor sechs Jahren, das fröhlich über die Flecken im Büroteppich hinweg sah und nur die Kempinski-Vision sah, so Semer, sind heute mehrere Abteilungen mit 40 Mitarbeitern geworden. Mittendrin ein neugieriger, dürstender Markus Semer, der heute legitimiert tun darf, was er als Neuling im Hintergrund von Anfang an machte: querdenken! "Ich bin das Back Office heute, der Macher, ich habe Support-Funktion," sagt er über seine aktuelle Rolle. Das klingt abgehoben, ist es aber nicht. Der junge Mann kennt seine Grenzen: "Kempinski und die einzelnen Hotels können ohne mich leben, ohne ihre General Manager aber nicht." Mittlerweile nehmen die Direktoren den Lausanne-Absolventen ohne Hotelausbildung wohl etwas ernster, "aber für viele GM bleibe ich wohl ein Fremdkörper," relativiert er selbstkritisch.

Als strukturiert denkender Mensch mit BWL-Kenntnissen jedenfalls verstand Semer wohl schneller als andere, wie CEO Reto Wittwer aus dem 5 Sterne-Bauchladen eine homogene Luxushotelgruppe machen möchte. "Ich habe mich als Brücke zwischen Reto Wittwer und den Mitarbeitern gesehen und seine Vision übersetzt," so Semer über Semer. Jahrelang arbeitete er Wittwer Power Point-Präsentationen und Infos zu, er scheute weder Mühen noch Zeit. Kempinski-Kollegen bezeichnen ihn als "workaholic". Er selbst würde seine Arbeit der letzten Jahre als die eines Vorstandsassistenten beschreiben. "Und wenn Kempinski eine grössere Firma wäre, wäre ich mit 32 vielleicht auch noch nicht Vorstand geworden, sondern Vorstandsassistent geblieben," schätzt er die Situation selbst ein.

Reto Wittwer sei eine Art Coach für ihn, ein Mentor, aber einer, der ihn ins kalte Wasser geworfen habe. "Meine job description habe ich selbst geschrieben," sagt Markus Semer. Er muss schliesslich seinen Platz auch neben Duncan O`Rourke finden, der erst am 1. Juni 2008 offiziell Michel Novatin als COO bei Kempinski abgelöst hat, ebenso wie neben Finanzvorstand Simon Coombs, der seit März 2006 für Kempinski tätig ist.

Die Kempinksi-Vision im Kopf

"Ich habe die Kempinski-Vision im Kopf," sagt der junge Strategievorstand, der sich genau ansieht, was die Abteilungen machen. "Ich mische mich deshalb permanent in die Dinge ein." So stoppt er eben auch mal den Umbau der Website, weil er weiss, dass derzeit das Kempinski-Markenbild überarbeitet wird. "Nein, nett bin ich nicht, eher unbequem."

Grand Hotel aus der Kempinski-Kollektion:Das Vier Jahreszeiten München feiert exakt heute mit einer grossen Gala seinen 150. Geburtstag.

Das hat offenbar auch Daniela-Christin Wichelhausen, Vice President Marketing, zu spüren bekommen. Seit 18 Jahren ist sie für Kempinski tätig, seit wenigen Wochen befindet sie sich jetzt überraschend in einem sechsmonatigen Sabbatical, wie Markus Semer bestätigt. Die misstrauische Frage, was Semer unter "Sabbatical" verstehe, kontert dieser mit ernstem Blick, zieht einen Block aus der Aktentasche und beginnt drei immer grösser werdende Säulen aufzumalen: Sie stehen für die Kempinski-Phasen "grow", "qualify" und "balance". Jetzt ist Semer ganz Konzernplaner und erklärt`s mit einfachen Worten: Bis 2002 etwa sei das Kempinski-Wachstum einzig zweckbestimmt gewesen. Da habe man jeden möglichen Managementvertrag mitnehmen müssen, ansonsten wäre Kempinski pleite gewesen. Seit 2006 verdiene die Hotelgesellschaft erstmals Geld.

Reto Wittwers Ziel, das Portfolio zahlenmässig bei 110 Häusern zu begrenzen und dafür aber nur sogenannte "Trophy-Hotels" in der Gruppe zu halten, sei man ein Stück näher gekommen. 2007 haben zehn Hotels Kempinski verlassen, in diesem Jahr werden es acht sein. Semer ganz zielbewusst: "Wir wissen, was ein ideales Kempinski Hotel ist. Bisher konnten wir es uns nur nicht leisten." 50 Neueröffnungen stehen bis 2011 an, und diese Neuen sollen erstmals jene homogene Luxushotel-Riege bilden, die widerspiegelt, was Kempinski unter Luxus versteht.

Auf dem Weg zum Delikatessenladen

Das muss jetzt nur noch das komplette Team verstehen und mittragen. Wer diesen Qualifizierungsprozess und die künftige Balance nicht sehe, könne auch nicht länger Teil des Teams sein, gibt Semer zu verstehen. Deswegen wird er künftig alles messen: sowohl die Leistungen der Mitarbeiter wie auch deren Zufriedenheit und natürlich die Zufriedenheit der Gäste/Kunden. Semer entwickelt derzeit entsprechende Tools. Gleichzeitig wird die Marke und der Markenauftritt hinterfragt. Und dabei geht es um mehr als nur um ein "Rebranding", eher um die Suche nach einem einheitlichen operativen Konzept für die Gruppe. "Kempinski hat die interne Kultur bisher mit Marke verwechselt," urteilt der 32jährige scharf. "Aber wir sind auf einem guten Weg vom Gemischtwarenladen zum Delikatessenladen," baut er ein Bild auf.

Klare Worte, flotte Formulierungen und einprägsame Bilder sind offenbar eine Stärke von Markus Semer. Die Ernennung zum Vorstand hat ihn nun in ein neues Rampenlicht gesetzt. Ab jetzt muss er zeigen und nachweisen, wie er Bilder in Strategien umsetzt. Aber da sieht er sich am perfekten Platz: "Mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Kempinski Hotels Reto Wittwers Vision sicher erreichen." / Maria Pütz-Willems

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