Nur die Ungewissheit ist gewiss Hoteliers suchen Lösungen im Energie Drama aber die Szenarien spitzen sich zu
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Nur die Ungewissheit ist gewiss

Hoteliers suchen Lösungen im Energie-Drama, aber die Szenarien spitzen sich zu

Quo vadis? Die massiv steigenden Energiekosten stellen bereits einige Betriebskonzepte in Frage.Foto: adobe stock ronstik

Augsburg. Zimmerraten-Aufschläge sind jetzt ein Muss, finden alle. Manche überlegen auch Zimmer-Kaltpreis-Szenarien oder setzen bereits auf neue Einkaufsgruppen. Und jeder fordert nach der Covid-Misere die Politik nun erst recht zum Handeln auf. UBM Development, Romantik Hotels, B&B Hotels, Seetel Hotels, Smartments Business und Privathotels berichten und kritisieren.

Der Wiener Investor und Eigentümer UBM Development, selbst europaweit aktiv, freut sich wenig über die aktuelle Entwicklung, hatte sie aber auch in Teilen vorausgesehen. "Für 2022 hatten wir die Gas-Preise glücklicherweise schon 2021 fixiert, wobei die letzten Jahres-Tranchen gegen Jahresende schon gestiegen waren", sagt COO Martina Maly-Gärtner. "Für die Preis-Verhandlungen 2023 haben wir jetzt auf Länderebene noch grössere Einkaufsgruppen gebildet, um mit mehr Fachkompetenz Energie-Kontingente zum richtigen Zeitpunkt, ggf. auch auf Etappen, einkaufen zu können. Hier ist jetzt ein fundiertes Knowhow erforderlich, das weit über das eines Hotel Engineers oder Controllers hinausgeht."

Dazu kommen zwingend notwendige Zimmerpreis-Aufschläge, mit denen die UBM die Profitabilität halten will. Nach der Corona-Krise sei dies in Märkten, bei denen es teilweise noch an der notwendigen Auslastung fehle, zwar nicht einfach, seufzt Maly-Gärtner, aber es führt kein Weg daran vorbei.

Grundsätzlich werde UBM noch in diesem Jahr in allen Hotels die Installation eines Energie-Management-Systems abgeschlossen haben. Damit kann das Unternehmen den Energieverbrauch in allen Hotelbereichen laufend kontrollieren und besser steuern. Bislang lief hier noch vieles manuell und muss künftig digitalisiert werden, damit sich die technischen Anlagen mehr auf das Verbrauchsverhalten umstellen. "Smart Buildings mit einem hohen Grad an KI werden die Zukunft sein, um das Energie-Management in Immobilien besser in den Griff zu bekommen", so Maly-Gärtner.

Smart Buildings: KI soll helfen den Energieverbrauch laufend zu kontrollieren und besser zu steuern.  Foto: adobe stock Montri

Auch erneuerbare Energien werden bereits in der Projekt-Entwicklung und bei Bestandshäusern zum Muss. Hierzu gebe es bereits Fördermittel, die mit Blick auf die CO2-Ziele gewiss noch erhöht werden müssten. "Derzeit gibt es allerdings, speziell in Polen, fast keine Möglichkeit, Strom aus erneuerbaren Energien extern zu beziehen", so die Expertin – und erläutert unten die Energie-Situation in Polen wie auch Österreich.

Kleine Aktionen und grosse Pläne

Bei Smartments Business hofft Geschäftsführer Burak Ünver auf einen glimpflichen Ausgang, vor allem als Eigenmarke der GBI AG: "Wir sehen uns als Serviced Apartment-Anbieter per se als ein weniger Energie-verbrauchendes Produkt als klassische Hotels. Wir reinigen in der Regel nur einmal in der Woche, haben keine F&B-Outlets etc. Aber unsere Küchen in den Apartments brauchen natürlich auch Energie." Grosses Pech im Moment sei, dass die Verträge mit den Energie-Anbietern Ende des Jahres auslaufen und die Hoffnung ist gross, weil die GBI die Lieferkonditionen für rund 30 Häuser gleichzeitig verhandelt, hier verträgliche Konditionen vereinbaren zu können.

Zugleich ist Smartments Business gerade dabei, als wohl erste Serviced Apartment-Kette in Deutschland bis Ende des Jahres komplett mit dem Nachhaltigkeitssiegel "Biosphere Responsible Tourism" zertifiziert zu werden. "Damit verbunden testen wir gerade, wie weit wir z.B. bei Perlatoren gehen können und sparen schon jetzt 3 bis 4 Liter Wasser pro Minute, ohne dass man sich beim Duschkomfort einschränken muss", sagt Markus Leu, Director of Operations. Zudem arbeitet Smartments Business an einem neuen, erweiterten Raumbuch, das bei den Neuentwicklungen frühzeitig die Einrichtung jedes Apartments genau vorgibt. Das ermöglicht, Nachhaltigkeitsstandards effektiver und wirtschaftlicher umzusetzen.

Ärmel hoch und anpacken statt Ängste wühlen lassen, dachte sich das Hearts Hotel aus Braunlage im Harz. Als Energie-Grossverbraucher entwickelte es eine besondere Aktion: Bis Ende August wird die Abendküche komplett nach draussen verlegt – auf eine spezielle Feuerstelle mit Buchenholz. "Wir mussten irgendwie auf die aktuelle Situation der explodierenden Preise reagieren", erklären die Hotelbetreiber Meik Lindberg und Ralph Hesse. "Lediglich der Smoker verbraucht noch minimal Strom – so können all unsere Speisen mit einem geringen Energiewert zubereitet werden."

Die Outdoor Kitchen aber löst das Problem noch lange nicht. "Eine Umlage des Energie-Verbrauchs auf die Gäste ist ein viel diskutiertes Thema innerhalb des Teams: Duschen nur noch bis 22 Uhr oder maximale Zimmer-Temperaturen von 20 Grad? Noch kurioser ist die Idee, die Zimmer zum Kaltpreis zu vermarkten und dann tagesaktuell einen Verbraucherzugschlag zu veranschlagen. Hesse ist kritisch: "Wir wissen nicht, wie es weitergeht. Fakt ist: Wenn die Energiepreise weiter so rapide steigen, ist der wirtschaftliche Betrieb im Winter nicht darstellbar."

Wenn gasabhängige Wäschereien nicht mehr liefern können, sind auch die Fernwärme-Häuser wie von B&B betroffen.Foto: B&B Hotels 

Lockdown über Wäschereien

Was für das Einzelhotel schon schwer darstellbar ist, wird für internationale Kooperationen zum diffusen Gesamtbild über die Energie-Zwänge. Die knapp 200 Romantik Hotels & Restaurants verteilen sich auf neun Länder Europas; viele von ihnen verfügen über grosszügige öffentliche Räume, Restaurants und Wellnessbereiche. "Es sind alles Einzel-Lösungen, abhängig von den bestehenden Energie-Konstellationen", sagt Romantik-Vorstand Thomas Edelkamp. "Aber alle denken intensiv nach, was man kurz- oder langfristig tun kann". Der Schock sitzt jedenfalls auch in der Privathotellerie tief. "Und wir alle fragen uns, was nach der Gas-Krise kommt", führt Edelkamp die Gedankenspiele weiter und fragt sich, wann – angesichts von derzeit 8,6% Inflation in Deutschland – die Währungskrise kommt, einhergehend mit den Zinssteigerungen, die den Euro ebenso in Gefahr bringen…

Es gibt aber noch ganz andere, weitaus "banalere" Gründe für mögliche Hotel-Schliessungen: der Ausfall gasabhängiger Hotel-Wäschereien. Die Budget-Kette B&B Hotels wäre laut Max Luscher, CEO Zentral- und Nord-Europa, davon natürlich auch betroffen – wie alle, die jeden Morgen neue Bettwäsche aufziehen müssen. Jetzt aber noch Industrie-Waschmaschinen zu kaufen, sei de facto gar nicht mehr möglich. Zudem gäbe es in den sehr knapp kalkulierten Budgethotel-Flächen gar keinen Platz mehr für solche Geräte. Mit anderen Worten: Budgethotels sind tot-optimiert. B&B ist nicht die einzige Marke in diesem Segment, die Lager-/Nutzflächen nicht mehr mitgeplant haben.

Vom Gas abhängig sei in Deutschland kein B&B-Hotel, erläutert Luscher weiter. Alle Häuser arbeiten mit Klimasplit-Geräten, die kühlen und wärmen. "Bei einem Gasausfall würden unsere Gäste gegebenenfalls morgens kalt duschen müssen, weil wir an die Fernwärme angeschlossen sind. Ein warmes Zimmer aber hätten sie schon." Allerdings sei auch klar, so der kühl kalkulierende Hotel-Manger, dass sich in einer solchen Notlage irgendwann auch einmal der willigste Unternehmer fragt: Rechnet sich das Ganze überhaupt noch?

Und er bleibt, allen Unkenrufen zum Trotz, trotzdem noch optimistisch: "Langfristig könnte alles ein Segen für die Branche sein, weil wir endlich höhere Preise durchsetzen könnten."

ZAHLENCHECK ENERGIE

Seit Jahren sind notwendige Energiespar-Massnahmen bekannt und werden in zahlreichen Programmen fixiert. Aktuell erfolgt die Nettowärme-Bereitstellung nach Energieträgern in Wärmenetzen aber immer noch zu 47% aus Erdgas. Erneuerbare Energien stellen nur 17,6%, Steinkohle 13,5%, Abfall 8,6%, Abwärme 6,3% und Braunkohle 5,6% Hotels emittieren in Deutschland rund 5 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr..

Quelle: Destatis 2020 / Engie Germany, Matthias Sommer

"Hotels sind nicht für Schliessungen konzipiert"

Vor so viel Optimismus hat der liebe Gott leider noch die Politik gesetzt. In der Corona-Pandemie hat sie die Gastgewerbe-Branche stranguliert, hat Hotel-Schliessungen verfügt, unzuverlässig Staatshilfen ausgezahlt und ungerecht Staatshilfen verteilt. hospitalityInside hat über alles vielfach und intensiv berichtet.

Jetzt aber läuft das Krisen-Füllhorn für diese Branche definitiv über. Das bringt sogar Klein-Unternehmer wie Peter Häfner, Eigentümer des 3 Sterne-Superior-Hotels Trapp in Rüdesheim am Rhein dazu, einen offenen Brief an Bundeskanzler Olaf Scholz zu schicken. In diesem "Hilferuf eines Hoteliers" unterbreitet er drei zentrale Vorschläge, die zumindest mittel- und langfristig helfen könnten: Zum einen soll die Privatisierung und Liberalisierung der Energie-Unternehmen rückabgewickelt werden. "Diese Unternehmen müssen wieder in staatliche Hand. Nur so kann der Staat schnell und unkompliziert reagieren", sagt er. Zweitens müsse der private Handel von Energie verboten werden und drittens auf kommunaler Ebene Informationen über Aktivitäten zur Bewältigung der Energiekrise geliefert werden.

Rolf Seelige-Steinhoffs Kritik an der Regierung ist, dass sie im Falle von Gasausfällen oder gar Schliessungen die Immobilien- und Finanzierungsfolgen für Hotels nicht einzuschätzen weiss. Sind Seetel Hotels gezwungen, auch nur 25% ihres Gasverbrauches zu reduzieren, ist das Geschäftsmodell komplett vom Ergebnis her in Frage gestellt, berichtet er.

Da 90% der Seetel Hotels auf der komplett gasabhängigen Insel Usedom stehen, wäre bei Gasausfall, aber auch schon bei einer Gas-Reduzierung keine Grundversorgung und keine Grundwärme mehr in den Leisure-Hotels möglich. Seelige-Steinhoff hat in seinem Rechenmodell schon fast 40% der Zimmerkapazitäten herausgenommen – und warnt vor der Ketten-Reaktion: Bei eingeschränktem Angebot können die Preise nicht mehr erzielt werden, die Auslastung sinkt und die Wirtschaftlichkeit bricht zusammen.

Welche Chancen bleiben? 90% der Seetel Hotels stehen auf der komplett gasabhängigen Insel Usedom.Foto: Seetelhotels

"Dann wäre es vordergründig konsequent, die Häuser erst dann wieder hochzufahren werden, wenn der Winter vorbei ist. In diese Richtung scheinen auch die ersten Gedankenspiele im Wirtschaftsministerium zu gehen," führt er diese Woche in einem Blog des Hotelverbands Deutschland aus.

"Hotels sind aber nicht mehr für Schliessungen konzipiert", sagt er. "Alle sind auf Ganzjahre-Betrieb ausgerichtet". Zudem sorgt die "moderne" Bauweise dafür, dass ausgerechnet die Energie-Versorgung das grösste Desaster ist. Entstanden ältere Hotels noch klassisch mit Mauerwerk und Kalkputz-Fassen – durch die die Gebäude "atmen" konnten, sorgen jetzt Trockenbau und schwefelhaltiger Gipsputz dafür, dass bei monatelangen Niedrig-Temperaturen Schwarz-Schimmel einzieht. Der Schaden wäre massiv, würde sofort in Millionenhöhe schiessen.

Der Hotelier und Unternehmer fürchtet im Ernstfall jahrelange juristische Auseinandersetzungen über Schadensersatz mit der Bundesregierung, sollten Schadensregulierungen angeboten werden.

Und sollte es tatsächlich wieder zu Schliessungen kommen, wären auch die letzten Mitarbeiter weg. Deshalb verlangt er von der Politik: Der Staat muss dann 100% des Kurzarbeitergelds für die Mitarbeiter zahlen und nicht mehr nur 60-67%! Für das Gas-Desaster sei der Unternehmer genauso wenig verantwortlich wie für die Pandemie.

An das worst case-Szenario möchte Seelige-Steinhoff gar nicht denken: "Wenn gar kein Gas mehr fliesst und die Hotels auf Null gestellt sind, übersteht das kein Mittelständler mehr!"

Wer also entscheidet am Ende nach welchen Kriterien darüber, welche Unternehmen am Markt verbleiben dürfen, wessen Beschäftigte zu entlassen sind und wessen Existenzen zerstört werden? fragt er auch laut im IHA-Blog. "Eine pauschale Gas-Triage nach Branchen ist keine Lösung!" / map, sst, syk

 

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