Alle im Finanzstress Grosse kleine Hoteliers versus Banken Hoffen auf die Spezialisten
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Grosse & kleine Hoteliers versus Banken – Hoffen auf die Spezialisten

Der Accor-Börsenkurs seit Juni 2020, wie er auf der Webseite des Unternehmens zu finden ist.

Amsterdam. Während die zweite Corona-Welle in ganz Europa zu stärkeren Einschränkungen bei Reisen und Kontakten geführt hat, wissen die Hoteliers nicht, ob sie bis zum Ende des Jahres durchhalten. Der Aktienwert der grössten Ketten schmilzt dahin, Riesen wie Accor und AccorInvest suchen nach Lösungen. Plötzlich wenden Banken und Investoren der Branche den Rücken zu. In ganz Europa gibt es erste Insolvenzen und es drohen Schliessungen von Hotels. Berater erkennen jedoch auch Unterstützung im Hintergrund.

"Der Hotel-Sektor befindet sich im freien Fall und es wird lange dauern, bis er sich wieder erholt hat. Manche werden es nicht schaffen." Dirk Bakker malt ein düsteres, jedoch präzises Bild der Hospitality-Branche unter Covid-19. Der Chief Executive Officer Netherlands & Head of Hotels EMEA bei Colliers International wies in einem Post auf LinkedIn hin, dass "Hoteliers vom Himmel in die Hölle gefallen sind", und das innerhalb von sechs Monaten. Gemeinsam mit seinem Kollegen Ben Thomason, Head of Debt Advisory bei Colliers, erklärte Bakker, warum Finanziers in diesen neuen und noch nie da gewesenen Zeiten extrem vorsichtig sind, bevor sie Hotels in Not helfen oder neue Hotel-Projekte unterstützen.

Banken stoppen Hotel-Finanzierungen

"Die Zeiten, in denen Banken den Hotel-Sektor als zunehmend attraktiv gesehen haben, sind vorbei. Finanziers, die sogar das Risiko-Profil für das Hotel-Geschäfts-Modell gesenkt haben, gibt es nicht mehr. Heute hat der Grossteil der Banken den Geld-Fluss in einen Sektor eingestellt, der nicht länger unantastbar ist", fasst Dirk Bakker zusammen.

Für den Experten steht ohne Zweifel fest, dass sich die Banken aktuell hauptsächlich auf Bestandskunden konzentrieren und neuen Unternehmen gegenüber sehr vorsichtig sind. "Banken sehen sich Geschäftsmodelle mit grösserer Vorsicht an und achten verstärkt auf Prognosen. Sie stellen mehr Fragen, um das Risiko besser einschätzen zu können, wie beispielsweise: Wie rentabel ist das Unternehmen? Sind Touristen oder Geschäfts-Reisende die Zielgruppe? Ist der Hauptteil der Gäste lokal oder international? Wie gross sind die saisonalen Schwankungen?", so der Colliers-CEO Netherlands zu seinen Beobachtungen.

CFO Jean-Jacques Morin. Meiden jetzt Investoren Accor-Aktien?Foto: Abaca Press

Accor verliert 80 Millionen Euro pro Monat

Das bedeutet aktuell, dass die Chancen für Hoteliers, finanzielle Unterstützung zu erhalten, wenn sie sie am dringendsten brauchen, gering sind. Und führend in Europa zu sein, scheint heutzutage auch keinen grossen Unterschied mehr zu machen. Laut Jean-Jacques Morin verliert Accor jeden Monat Millionen von Euro. Der Deputy CEO und CFO der Gruppe sagte dem Magazin "Challenge" gegenüber: "Aktuell sind 80% unserer Hotels offen mit einer Belegung von 30 bis 40%. Wir verfügen über die besten Hygiene-Massnahmen, um die Kunden davon zu überzeugen, dass unsere Hotels sehr sicher sind, doch während wir auf bessere Zeiten warten, kostet uns diese Krise 80 Millionen Euro im Monat."

Trotz eines Sparplans in Höhe von 200 Millionen Euro im Laufe von zwei Jahren, der im August von CEO Sébastien Bazin eingeführt wurde, sieht die Gruppe kein Licht am Ende des Tunnels, da neue Reise- und Kontakt-Beschränkungen in Frankreich und ganz Europa erlassen wurden.

Der Aktienmarkt hat schnell auf Umsatz-Einbussen und Unsicherheiten reagiert. Accor-Aktien haben seit Anfang des Jahres 40% ihres Werts verloren. S&P hat die Aktien sogar als "Junk" heruntergestuft. Letzten Monat hat Accor seinen Platz im "CAC 40"-Index an Alstom verloren. Ein Finanz-Analyst wird von "Challenge" folgendermassen zitiert: "Accors Ausschluss aus dem CAC 40 ist nicht nur symbolisch, sondern auch eine Herabstufung mit weitreichenden Folgen. Die Aktie wird automatisch von vielen und reichen internationalen Investoren gemieden, die den Index kaufen, ohne auf dessen Inhalt zu achten; das Volumen wird darunter leiden."

AccorInvest sucht Lösungen

Glücklicherweise hat die Asset Light-Verkaufsstrategie von Bazin Accor zu einem Cash-Polster von 4 Milliarden Euro verholfen, ein Rettungsanker in dieser Krise. Trotzdem ist AccorInvest nicht sicher. Accor besitzt nach wie vor 30% dieses Tochter-Unternehmens, das 900 Hotels in 30 Ländern besitzt. Aufgrund der laufenden Kosten und der fehlenden Miet-Einnahmen befindet sich AccorInvest in einer kritischen Situation.

Laut der französischen Finanz-Zeitung "Les Echos" haben die Manager des Unternehmens um die Ernennung von Rechtsvertretern gebeten, die es ihnen ermögliche sollen, wichtige Gespräche mit den Banken und Aktionären zu führen und nach Lösungen zu suchen. "Dieses Unternehmen hat noch keinen Bank-Vertrag für seine staatlich garantierten Kredite erhalten, aber wir sind hoffnungsvoll", erklärte Jean-Jacques Morin, der ebenfalls Director von AccorInvest ist. Mehrere Szenarien werden in Betracht gezogen, darunter auch eine Kapitalerhöhung, Verlängerungen von Bank-Laufzeiten und mehr.

Rückgang des Aktienwerts von Hotels und OTAs

Accor ist nicht die einzige grosse Hospitality-Gruppe, die unter Druck steht. In den USA hat die Bank of America die Aktien von Choice Hotels als "unterdurchschnittlich" abgewertet und die meisten Analysten warnen davor, dass die RevPAR-Trends in der Beherbergungs-Branche den nächsten Quartalen unter dem Niveau von vor Beginn der Corona-Krise bleiben werden. Auf MarketScreener.com zeigen Diagramme, das auch bei anderen grossen Hotelketten – ebenso wie bei Accor – die Aktienwerte wie Schnee in der Sonne dahingeschmolzen sind.

Der Aktienwert von Marriott International ist beispielsweise um 35,44% gefallen. Die Kette hat zudem 122 Häuser in den USA verloren, nachdem sie mit Zahlungen in Höhe von über 11 Millionen US-Dollar beim Service Properties Trust, der die Hotels besitzt, im Rückstand war. Dies erfolgt nach einem ähnlichen Zahlungsverzug der InterContinental Hotels Group, die in diesem August 103 Hotels an Service Properties Trust verloren hatte. Seit Beginn des Jahres ist der Aktienwert von IHG um 19,85% gesunken, bei Hilton waren es 19,30%, bei Hyatt 38,35%, bei Wyndham 36,89%, bei Meliá 61,65%, bei Choice Hotels International 13,20%, bei Shangri-La 25,43%, etc.

Und in der Welt der OTAs ist das Gras nicht grüner. Der Aktienwert der Booking Holding fiel im gleichen Zeitraum um 18,79%, Expedia hat 16,12% verloren, TripAdvisor 35,78% und Trip.com 10,82%.

Dirk Bakker: Nicht alle Geld-Quellen sind versiegt.Foto: Katja Mali

Schulden-Fonds und Versicherer springen ein

Den Wert von Hospitality-Marken in den roten Zahlen zu sehen, ist für Banken und Finanz-Analysten nicht gerade beruhigend. Ein optimistischer Dirk Bakker glaubt jedoch, dass die Situation nicht verzweifelt ist. Ihm zufolge sind nicht alle Geld-Quellen versiegt. Einige Banken bleiben aktiv und spezialisierte Schulden-Fonds und Versicherer sind bereit, einzuspringen.

"Diese Kreditgeber unterliegen in vielen Fällen weniger strengen Richtlinien als Banken und haben Teams im Haus, die in Risiko-Bewertungen von Hotels spezialisiert sind. Hotels bieten nach wie vor eine interessante Langzeit-Perspektive, da sie in der Regel für hohe Umsatz-Ströme sorgen. Man muss nur die Besonderheiten des Geschäfts kennen", so Bakker.

Hotels, die nicht investiert haben, verschwinden als Erstes

Schön und gut, aber sollte Hilfe kommen, ist früher besser als später, denn viele Hoteliers sind finanziell bereits am Ende. Viele werden nicht bis zum Jahresende durchhalten, da ihre Rücklagen aufgebraucht sind und die Unterstützungs-Massnahmen seitens der Regierung auslaufen. "Trotz der vielen guten Jahre sind die finanziellen Puffer mancher Hotels aktuell nicht gross genug. Die Folgen werden für die Risiko-Gruppen, wie beim Coronavirus selbst auch, am schlimmsten sein. Am härtesten trifft es Hotels, deren Puffer zu gering sind, deren Mieten zu hoch sind, die zu stark fremdfinanziert sind oder die zu wenige in Wartung, Daten und Marketing finanziert haben. Hotels, die Zeit, Geld und Energie in Technologie und Kunden-Bindung investiert haben, werden überleben", warnt Dirk Bakker.

Grosse Hotels schliessen in Amsterdam

In den Niederlanden wurden bereits einige Häuser aufgegeben, darunter auch das Holiday Inn in Amsterdam-Zuid, das sich in der Nähe des RAI-Kongress-Zentrums befindet, und das Crowne Plaza Schiphol in Hoofddorp, das hauptsächlich von Kunden aus Luftfahrt-Branche lebte, die jetzt jedoch fehlen. Tidal Operations, das zu Event Hotels gehört und die beiden grossen Häuser verwaltet hat, ist aufgrund der Corona-Krise insolvent gegangen. Bei Hotels wurden geschlossen und 94 Mitarbeiter sind arbeitslos.

Viele unabhängige Hoteliers und Hotel-Eigentümern in Amsterdam, Rotterdam, The Hague und in weiteren Städten haben sich entschieden, für immer zu schliessen. Andere, wie beispielsweise Postillion, versuchen durchzuhalten und den Schaden zu begrenzen, während sie auf bessere Zeiten hoffen. Seit dem teilweisen neuen Lockdown durch die Regierung in den Niederlanden, der seit letzter Woche gilt, hat die niederländische Gruppe alle sieben Häuser im Land geschlossen. General Manager Erik-Jan Ginjaar sagte, dass es anders nicht ginge. "Es ist für uns nicht profitabel, geöffnet zu bleiben, und wir können Gästen nicht den Service und die Gastfreundschaft bieten, die sie gewohnt sind. Aber wir werden um eine schnelle Wiedereröffnung kämpfen." Postillion, das stark von Geschäftsreisenden abhängt, musste 110 der insgesamt 350 Mitarbeiter entlassen, nachdem der Umsatz um 60% eingebrochen war.

Nur die Fittesten werden es schaffen

Mit der zweiten Welle der Corona-Fälle in ganz Europa wurden strenge Einschränkungen bei Reisen und Kontakten in Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Spanien und den Niederlanden verhängt, was für die Beherbergungs-Branche grosse Unsicherheit bedeutet. Erholung ist immer noch nicht in Sicht und der Pandemie werden definitive noch mehr Hoteliers zum Opfern fallen. "Aber das ist vielleicht gar nicht so schlecht", sagte Dirk Bakker. "Das könnte Raum für Veränderung schaffen oder den Start für neue Hotel-Konzepte bieten, die die Qualität des Hotelmarkts insgesamt verbessern."

Dirk Bakker ist jedenfalls der Ansicht, dass es in einer so innovativen und widerstandsfähigen Branche viele leistungsfähige Akteure gibt, die um Positionen an der Spitze wetteifern werden. "Finanziers haben einen unvergleichlichen Blick auf die Stärken und Schwächen und können dabei helfen. Wie die Sherpas im Himalaja, die Dich bis zum Gipfel begleiten oder im Basis-Lager zurücklassen", so Bakker abschliessend. / Sarah Douag

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