Anhaltender Ost Wind Expo Real Talk über Chinas Handeln und Denken und viele Vorurteile
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Anhaltender Ost-Wind

Expo Real-Talk über Chinas Handeln und Denken – und viele Vorurteile

Moderator Prof. Dr. Wolfgang Arlt, selbst Sinologe, hörte den hochkarätigen China-Experten aufmerksam zu.Fotos: HI 

München. Mit einem eindringlichen Appell China "anders zu sehen", versuchten vier Top-China-Experten die Expo Real-Besucher davon zu überzeugen, dass die Strategie chinesischer Partner zwar schwierig zu durchschauen, aber nicht negativ zu werten ist. Auf dem Podium der Hotel-Konferenz "Hospitality Industry Dialogue" an der Expo Real sassen die Korriphäen von CBRE London, Deutsche Bank Wealth Management und von Kempinski Hotels, moderiert vom langjährigen China-Kenner Prof. Dr. Wolfgang Alt, Geschäftsführer des China Outbound Tourism Research Institute. Sie alle wissen: Die Investoren werden ihr Kapital weiter im Westen unterbringen – auch allen aktuellen Regierungs-Restriktionen zum Trotz. Das gilt auch für die Hotellerie.

Wie bereits mehrfach berichtet, kauften chinesische Unternehmen in den vergangenen Jahren im grossen Stil Trophy-Hotels in Europa und in den USA ein. Vor kurzem erliess die Pekinger Regierung Restriktionen, um den übermässigen Geldfluss ins Ausland zu stoppen. All das beeindruckte die hochkarätigen Panelisten nicht: "Wir müssen unsere Angst vor China entmystifizieren", forderte gleich zu Beginn der Diskussion Markus Müller, der globale Leiter Chief Investment Office Deutsche Bank Wealth Management; er ist selbst Sinologe.

Viele Menschen in Deutschland und Europa glaubten, Chinesen seien überall und würden alles kaufen. Allein die Grösse des Landes lasse sie erschaudern, dabei vergässen sie das Relativieren. Es gäbe schliesslich viel grössere Player am Investmentmarkt. Und so warnte Müller vor einer Nabelschau.

Natürlich sei Europa für Chinesen spannend, doch weitaus mehr interessierten sie sich derzeit für die Länder entlang der Seidenstrasse. Sie seien nicht nur geografisch näher, sondern stünden auch in puncto Investments im Fokus. Mit dem milliardenschweren Programm "One Belt, One Road" will China die legendäre Seidenstrasse wiederbeleben. Wohlstand, vor allem aber Macht, soll der neue Wirtschaftskorridor für das Land bringen. Dafür will Peking in den nächsten Jahren auch umgerechnet mehr als 100 Milliarden Euro in Strassen, Eisenbahnstrecken und Häfen investieren. Durch das Projekt sollen vor allem abgelegene, bitterarme Regionen in China Anschluss finden und ähnlich prosperieren wie die reichen Orte an der Ostküste.

Markus Müller, Deutsche Bank Wealth Management: Europa ist für die Chinesen nicht der wichtigste Markt.

Investitionen und Restriktionen staatlich verordnet

Chinesische Unternehmen sollen und wollen aber auch global expandieren. Diesem Wunsch liegt eine strategische Entscheidung der Staatsführung von 2001 zugrunde. Im 10. Fünfjahresplan der Volksrepublik China verankerten die Funktionäre den Grundsatz des "Going-Out", um Unternehmen zu Investitionen jenseits ihrer Grenzen zu ermutigen. Parallel dazu begann Peking – wenn auch für den Westen sehr langsam –, bürokratische Hürden für Auslandsinvestitionen stufenweise abzubauen.

Das zeigte sich schnell in den Zahlen. Während die Gesamtsumme der chinesischen Auslandsinvestitionen in den 90er Jahren jährlich stets unter einer Milliarde US-Dollar betrugen, stieg die Summe 2016 auf 200 Milliarden US-Dollar. 30 Milliarden US-Dollar flossen nach Europa. Besonders beliebt dabei waren auch Trophy Hotels. Genau das aber scheint Peking auf ihrem Weg zur führenden Industrie-Nation 4.0 zu irritieren, den sie mit dem Slogan "Made in China 2025" auch sprachlich zementierte.

Die Regulierung ausländischer Investitionen ist eine Reaktion auf diese Irritation. In diesen Dunstkreis fallen auch Immobilien, Hotellerie, Unterhaltung und Sport. Im ersten Halbjahr 2017 reduzierten sich die Investitionen in Europa um fünf Prozent auf 10,4 Milliarden Dollar. Diese Guidelines der Staatsregierung sahen alle Panel-Teilnehmer aber gelassen.

Müllers Erklärung: Die chinesische Regierung handle einfach strategischer und langfristiger als Europäer das gewohnt seien. Die Regierung sei aber auch bestrebt, diese Regulierung in einer vorsichtigen Art und Weise auszuführen. Sie wüssten genau, welche Risiken darin verborgen seien. Jileen Loo, Director International Capital Markets bei CBRE London, zog deshalb noch einmal den Fokus auf die Hotels und erläuterte, warum sie unter die Regulierungen gefallen sind.

Jileen Loo, CBRE London: Asiatische Investoren sind so unterschiedlich wie Asien selbst.

Viele der chinesischen Investoren, die in hochpreisige Hotel-Segmente ausserhalb Chinas investiert hätten, seien keine Hoteliers oder klassische Hotel-Investoren gewesen, sondern seien beispielsweise aus dem Versicherungs- oder Flugbereich gekommen. Dem wollte die Regierung einen Riegel vorschieben. Durch den fallenden Yen verliess auch viel privates Kapital das Land und wurde in Luxus-Immobilien investiert – auch das wollte man auf diese Weise einschränken.

Interesse an Grund und Boden

Die Investoren folgen den Touristen, sagt man in China. "Allein vergangenes Jahr reisten 147 Millionen Chinesen ins Ausland. Und auch in den anderen asiatischen Ländern stiegen die Zahlen an", führte Wolfgang Alt an. Sind die steigenden Tourismuszahlen daher das Hauptmotiv für die steigenden Hotel-Investments aus Asien?

"Aus rein wirtschaftlicher Sicht gibt es natürlich ein Bündel von Motiven für die Chinesen", sagte Müller. Aus seiner Sicht sei der Hauptgrund vor allem die Tatsache, dass sie dort Eigentümer des Grund und Bodens werden könnten. Das ist in China immer noch nicht der Fall. Andererseits käme viel ausländisches Investment auch von staatlichen Firmen. Bei ihnen würde als Grund der klare strategische Ansatz zur Diversifikation des Portfolios und der Währungen dominieren, so Müller weiter. Und natürlich würden reiche Chinesen auch die Chance sehen, die ihnen die zunehmende Zahl an chinesischen Auslandsreisenden böten. Er fügte lachend hinzu, dass chinesischen Reisenden das deutsche Frühstück nie schmecke. Was also liege näher, als chinesische Hotels für chinesische Reisende im Ausland zu bauen?

Asiaten nicht über einen Kamm scheren

Bernold Schröder, seit März 2017 Vorstandsmitglied und COO Europe bei Kempinski Hotels und davor CEO von Pan Pacific Hotels und Jin Jiang in China, wies darauf hin, dass Investorengruppe aus Asien sehr heterogen seien. Für chinesische Investoren, die einen staatlichen Hintergrund hätten, sei die Diversifikation vorrangig. Vermögende Privatleute dagegen brächten ihr Geld aus Sicherheitsgründen ins Ausland, weil sie Chinas Zukunft nicht als glänzend einstufen würden. Ganz anders Investoren aus Singapur. Sie würden ihre Investments lange Zeit halten und setzten auf einen langfristigen Cashflow für sich und ihre Familien. Sie bauen Portfolien für die nächste Generation auf.

Alle drei Panelisten wünschen sich ein China-freundlicheres Europa.

Man müsse also genau differenzieren, um welche Käufergruppe es sich handle, hob Schröder hervor – einfach mehr über den Tellerrand blicken. Man sei oft zu negativ gegenüber China. "In Deutschland sagen wir immer, der chinesische Staat mischt sich ein. Aber 50 Prozent des Bruttoinland-Produktes kommen aus Staatsfirmen, deshalb muss er sich einmischen. Wir nennen es daher in China nicht einmischen, sondern leiten", so der Asien-Kenner.

Man müsse sich immer vergegenwärtigen, dass es sich bei vielen Investoren um staatliche Investoren und damit um öffentliche Gelder handle. Es gelte also diese anderen Regeln des Spiels zu verstehen, unterstrich auch Müller.

Zudem seien Asien und selbst China allein kein homogenes Gebilde. Und ebenso unterschiedlich wie die Länder und Regionen seien auch die Investoren, unterstrich Loo. Käufer aus Hongkong und Singapur agieren ähnlich. Sie sind gerne Eigentümer, aber auch Hotel-Betreiber. Sie mögen Immobilien, die keinen Mietvertrag haben, sondern mit denen sie arbeiten können. Ganz anders dagegen Korea. Dort sind vor allem grosse Pensionsfonds Käufer, welche Sicherheit lieben – vergleichbar den langweiligen, aber sehr sicheren Pacht-Verträgen deutscher Hotels.

Blick hinter die Politik-Kulissen

Noch ist es ruhig in China, doch das könnte sich ändern, so die Experten. Mitte Oktober beginnt der 19. Parteitag der Kommunistischen Partei. Xi Jinping könnte weiter Staatspräsident und Generalsekretär der Kommunistischen Partei bleiben, heisst es in Politik-Kreisen. Als Präsident hat Xi offiziell nur zwei Amtszeiten. Als KP-Chef könnte er aber auch länger regieren – was zwar ein Bruch mit der Tradition wäre, wofür es aber schon Anzeichen gibt. Die Besetzung anderer Positionen ist dagegen noch relativ unklar, darunter die Position des Premier-Ministers und des Gouverneurs der People's Bank of China.

Xi Jinping gehe streng gegen Korruption vor, hob Müller hervor. Er wolle nicht, dass Partei-Mitglieder reich seien und Geld ins Ausland transferieren. Müller glaubt, dass das Land noch viele überraschen wird. Vor allem aber, dass es seinen eigenen Weg des Geschäftemachens weiterentwickeln werde. "China wird der wichtigste Technologie-Führer weltweit werden, das steht fest", zeigte er sich überzeugt.

Bernold Schroeder, Kempinski Hotels und ex-CEO asiatischer Hotelgruppen: Private Investoren suchen Sicherheit im Ausland.

Ähnlich sah und sieht es auch Schröder. China und Indien hätten bald rund drei Milliarden Menschen und man spreche noch nicht von Singapur, Malaysia, Vietnam und Thailand. Sein Appell: "Wir müssen endlich verstehen, die asiatischen Länder nicht als Bedrohung zu empfinden, sondern sie willkommen zu heissen, denn sie werden in zehn Jahren die Welt dominieren. Wir müssen lernen ihnen zu vertrauen. In Asien ist Vertrauen das Schlüsselwort".

Im Fokus: Data-Mining, Proptechs & Co-Working

Jileen Loo zog die Lupe dann wieder auf den Hotelsektor. Ihre Investoren würde verstärkt das Thema Co-Working und die Auswirkungen der veränderten Immobilien-Nutzung durch die Millennials interessieren. Wie könne man die Lobbys nutzerfreundlicher für die Gäste gestalten und gleichzeitig die operativen Kosten senken? PropTechs sei hierfür das Schlüsselwort. Viele Hotelmarken würden sich darüber bereits darüber Gedanken machen. Inzwischen drehe sich deshalb auch in der Hotellerie alles um Data-Mining, indem man Gästedaten sammelt und so Hoteltypen entwickelt, die den Ansprüchen der Gäste von morgen genügten.

Bei der Abschlussrunde überwog dann doch der Optimismus. Vieles werde bei den Investments künftig nicht nur direkt, sondern auch über Fonds laufen, so Loo. Sie erwartet auch, dass Co-Investments zunähmen. Auch Markus Müller stufte Asien als deutlich stabiler ein als beispielsweise Latein-Amerika, zudem würde der Wohlstand sehr rasch ansteigen. Das bedeute, private Investoren würden auch vermehrt reisen und ihre Kapitalanlage diversifizieren wollen. Peking, so seine Einschätzung, würde mit seinen Restriktionen nicht die Diversifizierungs-Strategie der Staatsunternehmen unterbinden, sondern nur umleiten.

Bernold Schröder appellierte zum Schluss an das Auditorium, endlich "China-bereit" zu sein. In Asien seien vor allem junge Leute heiss auf Erfolg. Sie sagen: "Ihr Guys in Europa fürchtet den Wandel, wir in Asien lieben ihn. Deshalb sind wir schneller und erfolgreicher". Es gibt also noch viel zu lernen – für beide Seiten! / Beatrix Boutonnet

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