Aparte Nachhaltigkeitsinitiativen Longstay bietet viel Potential Es kommt Bewegung in Immobilie und Konzept
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Aparte Nachhaltigkeitsinitiativen?

Longstay bietet viel Potential: Es kommt Bewegung in Immobilie und Konzept

Seit letztem Sommer verbannen Living Hotels verpackte Lebensmittel - eine von vielen neuen Massnahmen.Foto: Living Hotels

München. Serviced Apartments sind flexibler, individueller und näher dran am Gast als klassische Hotels. Aber sind sie auch nachhaltiger? Davon sind die Entwickler und Betreiber von Longstay-Angeboten überzeugt. Die meisten arbeiten noch an den durchschlagenden Strategien und wünschen sich mehr Engagement und Zusammenarbeit von Seiten der Investoren. Aktuelle Entwicklungen könnten nun frischen Wind in die Sache bringen…

Ob preisgekrönte Wohnkonzepte, Auslastungszahlen jenseits der 80% oder neuerliches Zielgruppen-Wachstum – mit ihren flexibleren Service-, HR- und Wirtschaftskonzepten bieten Serviced Apartments attraktive Antworten auf die Wohn- und Arbeitsbedürfnisse der Gegenwart. Und sie gehören in Folge zu den grossen, neuen Lieblingen der Investoren. Allein bis Ende nächsten Jahres soll das Segment noch einmal um 60 % wachsen und bereits 2026 die 100.000-Einheiten-Marke knacken, prognostiziert Anett Gregorius, Gründerin und Inhaberin von Apartmentservice. Es entstehen neue Mindset-Marken, neue Co-Living- und Co-Working-Konzepte. Und Nachhaltigkeitsstrategien?

Konzeptionell bedingt dürften vor allem Serviced Apartment-Häuser weniger Ressourcen benötigen, da sie geringere Service-Angebote in den Apartments bieten und häufig auf Wellness-, Tagungs- und umfangreiche F&B-Konzepte verzichten. So findet beispielsweise bei länger bleibenden Gästen in der Regel nur einmal wöchentlich eine Reinigung samt Wäschewechsel statt. Hinzu kommt die zentrale Lage vieler Objekte in unmittelbarer Nähe zum Öffentlichen Personennahverkehr.

Viele Betreiber sind darüber hinaus bereits mit ambitionierten Einzel-Massnahmen aktiv, ohne dass es valide Zahlen im Vergleich zu Shortstay-Aufenthalten in Hotels gibt. Beispiel Vision Apartments: Die schweizerische Marke, auch in Berlin, München und Wien präsent, setzt auf Recycling-Projekte und einen geringeren Chemikalien-Verbrauch beim Waschen. "Jede Immobilie entspricht allen Schweizer Nachhaltigkeitsstandards. Von der Lüftungsanlage bis zur Beleuchtung ist alles auf eine effiziente Energie-Nutzung ausgelegt", heisst es. iLive will künftig in seiner Serviced Apartment-Schiene verstärkt auf eigens entwickelte Areal-Apps setzen, mit denen sich u.a. der Energie- und Wasserbrauch für Bewohner wie Betreiber transparent darstellen lässt.

Stay Kooook: Marken, die wachsen, brauchen Zertifizierungen.Foto: SV Group

Living Hotels haben im letzten Sommer alle 16 Häuser nach dem Green Globe Siegel zertifiziert, so dass überall heute nur noch Öko-Strom bezogen wird. Einwegbecher, Plastik-Strohhalme, verpackte Lebensmittel sowie Produkte aus Palmöl sind aus den Häusern verbannt. Bei Adagio trennt man den Abfall in den Serviced Apartments und auf jeder Etage, bietet regionale und bio-zertifizierte Frühstücksprodukte an und nimmt an Accors Programm "Planet 21" teil. "Unsere Aparthotels bieten zudem in der Regel keine oder nur sehr wenige Pkw-Stellflächen an. Unsere Mitarbeiter und unsere Website weisen Gäste auf die Vorteile von öffentlichen Verkehrsmitteln, Leihrädern oder Carsharing-Diensten hin", erklärt Anja Müller, Vice COO Europe and Partners Aparthotels Adagio.

Investor-Nutzer-Dilemma

Auch die SV Group ist vom Potenzial im Extendend Stay- und Longstay-Bereich überzeugt. Im Zuge einer im Jahr 2012 in Auftrag gegebenen Analyse des unternehmensweiten CO2-Fussabdrucks setzt der Schweizer Projektentwickler und Betreiber bei seinen Häusern der Marriott-Marke Residence Inn u.a. auf nachhaltige F&B-Konzepte in Form eines CO2-armen Warenkorbs und eines klimafreundlichen Essens. Dafür wurde die gesamte Wertschöpfungskette überarbeitet und eine Zusammenarbeit mit dem WWF Schweiz und dem Schweizer Tierschutz gestartet.

Bei der im zweiten Quartal 2020 in Bern startenden Eigenmarke Stay Kooook will man "erste Schritte in Richtung Klimaneutralität gehen", so Kornell Otto, Project Management Director der SV Group, aber das genaue Konzept stehe bisher noch nicht. Grundsätzlich liegt für ihn das grösste Nachhaltigkeitspotenzial in der Immobilie selbst: "Hier macht es gerade für wachsende Marken Sinn, sich im Development-Prozess besonders für Zertifizierungen wie Minergie in der Schweiz oder international für LEED zu interessieren." Auch Matthias Niemeyer, Head of Development Europe bei Adina Apartment Hotels, sieht das so: "Nachhaltigkeit fängt beim Bauen an, und hier wird noch viel zu wenig auf Nachhaltigkeit geachtet."

Helmut Dörfer erkennt ein "Investor-/Nutzer-Dilemma": Für den Partner in der Dörfer Grohnmeier Architekten Partnerschaft mbB aus Darmstadt liegt ein wesentlicher Grund für die bisher mangelnde Berücksichtigung von Nachhaltigkeit in der Planung und Realisierung von Temporären Wohnprojekten hierin: "Im Moment gibt die Gesetzesgrundlage noch keine strengeren Richtlinien vor. So wird bei der Planung von neuen Serviced Apartment-Projekten regelmässig nur der energetische Mindeststandard realisiert", erklärt er. "Das Dilemma besteht darin, dass höhere Investitionen in einen besseren Energiestandard oder ressourcen-sparende Technologien keinen Niederschlag in den Pachtpreisen finden." Es bestehe also kein Anreiz für die "Ersteller". Und die Betreiber würden mit fertigen Endprodukten konfrontiert, ohne Einfluss nehmen zu können – "obwohl ein erhebliches Einsparpotential besteht", und nachträgliche Umsetzungen meist zu aufwändig wären.

Bernd Mensing: Langzeit-Gäste stellen den Mitarbeitern intensive Fragen.Foto: Bierwirth & Kluth

Ganz vorne anfangen

Der Fisch stinkt also wieder mal vom Kopf. Da unterscheidet sich das Serviced Apartment-Segment nicht von anderen Immobilien-Typen. Ob Investor, Entwickler, Pächter oder Betreiber – jeder konzentriert sich auf sich. Was übergeben wird, liegt nicht in gemeinsamer Verantwortung. Dabei müssten gerade die Investoren in einen nachhaltigen Bau und Betrieb investieren wollen, sonst erzielten spätere Massnahmen nicht den erwünschten Erfolg – so auch der Betreiber-Tenor beim Klima-Panel auf der Fachtagung So!Apart im November 2019.

Aber bei allen eingefahrenen Strukturen, es kommt Bewegung hinein. Die schwedische Catella Gruppe, ein internationaler Spezialist für Immobilien-Investments, Fund Management und Banking, hat z.B. im letzten Jahr für alle Fonds-Vehikel eine Nachhaltigkeits-Policy ausgearbeitet. Diese sieht vor, dass nur noch in Assets investiert wird, die die neue Richtlinie erfüllen.

Dazu gehören grob 20 Prüfkriterien, die sich an einem Label für ESG orientieren. Im Bereich der Akquisition zählen vor allem die lückenlose Einbindung aller Stakeholder in die Nachhaltigkeitsziele ab der Akquisition, die Beschreibung und Bewertung der Liegenschaft hinsichtlich der Anpassungsfähigkeit an die Folgen des Klimawandels sowie die überschlägige Ermittlung der jährlichen Endenergie und der CO2-Emissionen des Standorts. Bei Bestandsimmobilien gehört u.a. die Einbindung externer Partner in die Bewirtschaftung dazu, die Etablierung eines Mess-Systems, die Optimierung aller Verbrauchskennzahlen sowie Mietverträge mit Green-Lease-Klausel.

"Alle Standorte/Assets werden mit ihren Daten in eine Datenbank eingegeben und dadurch gelabelt. In unserem Falle wird dieses das niederländische Label GRESB sein, als globaler Benchmark für Investments in Immobilien und Infrastruktur", erklärt Tobias Klein, Senior Technical Manager European Residential bei der Catella Residential Investment Management GmbH und spricht schon jetzt von einem grossen Umdenken in den Mitarbeiterköpfen und einer veränderten täglichen Arbeit.

Der Reisende will mehr als der Investor

Die Reisenden selbst sind da vielerorts längst weiter und fordernder. Denn der Extended Stay- und Longstay-Gast verhält sich tatsächlich bewusster gegenüber der Immobilie und den Ressourcen. Er "identifiziert sich damit", wie Matthias Niemeyer es beschreibt – erst recht in aufgewühlten Greta-Zeiten wie diesen. Bernd Mensing, Area & Pre-Opening-Manager beim Franchisenehmer Bierwirth & Kluth aus Wiesbaden, hat die Erfahrung gemacht, dass Serviced Apartment-Gäste die Mitarbeiter viel intensiver über die hauseigenen, nachhaltigen Massnahmen befragen als in den Hotels.

Adina Aparthotels: Nachhaltigkeit fängt beim Bauen an.Foto: Adina

"In unserer Gästeresidenz PelikanViertel in Hannover z.B. geht es um die Regionalität unserer Lieferanten, das Bio-Frühstück oder um unsere Smartfood-Aktion, bei welcher die Reste aus den Apartment-Kühlschränken einer Obdachlosen-Organisation zur Verfügung gestellt werden." Dabei hätten die Franchisepartner auch oftmals eigene Nachhaltigkeitsprogramme, die gemeinsam verfolgt werden. Grundsätzlich glaubt Bernd Mensing, dass "es wahrscheinlich kleinere Ketten und Marken, unabhängig des Business-Modells, immer einfacher hätten, zügig Nachhaltigkeitsthemen umzusetzen".

Living Hotels sehen in diesem Sinne auch den Mitarbeiter in einer Schlüsselposition. "Die Herausforderung eines wirklich greifenden Nachhaltigkeitskonzepts liegt darin, die Massnahmen nicht einfach von Zentralseite vorzugeben, sondern die Mitarbeiter aktiv zu beteiligen", so COO Lorenz ter Veen mit Blick auf die neu kreierten "Living Moments": Angeregt von Mitarbeitern reichen die individuellen Massnahmen von protokollierten Fahrgemeinschaften bis hin zu organisierten Garbage-Good-bye-City-Touren für Mitarbeiter, Gäste und Lokals.

Zeit für den grossen Wurf?

Nachhaltigkeit auf Augenhöhe mit Rendite-Kriterien – was bisher als Wunschdenken galt, könnte die Wirtschaftswelt bald ernster meinen als bisher geglaubt. Blackrock-Chef Larry Fink hat vor kurzem in seinem jährlichen Brief an die weltweit wichtigsten Konzernchefs ein verstärktes ökologisches Bewusstsein gefordert und harte Reaktionen angekündigt, sollten die Unternehmen hier nicht mit Rahmenwerken etc. handeln. So will Blackrock jenen "Unternehmen die Unterstützung entziehen, die Umweltrisiken und Klimarisiken langfristig nicht ausreichend in ihrer Unternehmensstrategie berücksichtigen", äusserte sich Dirk Schmitz, Vorstandsvorsitzender Blackrock Deutschland, Österreich und Osteuropa, gegenüber dem deutschen Fernsehsender ZDF.

Auch beim aktuellen World Economic Forum in Davos haben Klimathemen mit Rednern wie Greta Thunberg noch nie so sehr die Agenda des Weltwirtschaftsforums bestimmt wie 2020. Sollten solche Entwicklungen die Serviced Apartment-Welt dazu animieren, konkretere, umfassendere Strategien umzusetzen anstatt über die allseits beliebte Kostenfrage zu debattieren, könnte sie eine Vorreiterrolle in der Branche übernehmen. Das Potential dazu hätten sie… / Sylvie Konzack

 

WAS IST GREEN LEASE?

Green Lease ist ein auf Nachhaltigkeit ausgerichteter Mietvertrag, bei dem der Mieter zu einer möglichst nachhaltigen Nutzung und der Vermieter zu einer möglichst nachhaltigen Bewirtschaftung der Immobilie veranlasst werden sollen. Zwei grobe Kategorien gibt es aktuell: Die erste betrifft Regelungen, die an die Substanz und Ausstattung des Objekts anknüpfen. Die zweite umfasst solche, die die nachhaltige, ressourcen-schonende und ökologische Nutzung und Bewirtschaftung der Immobilie forcieren.

Weil jede Vermietungssituation sehr individuell ist, ist ein universeller Green Lease, der für jeden Mieter und jedes Objekt geeignet ist, aktuell und künftig kaum vorstellbar. Experten-Gruppen haben allerdings bereits Regelungsempfehlungen für den Markt entwickelt, die sowohl Vermietern als auch Mietern einen Katalog im jeweiligen Einzelfall anwendbarer "grüner" Mietvertragsklauseln an die Hand geben sollen.

Ausführliche Informationen zum Thema Green Lease stellt die ZIA, der Zentrale Immobilienausschuss und Sprachrohr der deutschen Immobilien-Wirtschaft, auf seiner Webseite zur Verfügung. / syk

 

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