Auf der Sonnenseite Die ÖHV Tagung 2020 zeigte die Früchte professionellen Lobbyismus
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Auf der Sonnenseite

Die ÖHV-Tagung 2020 zeigte die Früchte professionellen Lobbyismus

Landwirtschaft, Tourismus und Digitalisierung lassen sich vereinen: Die ÖHV drängt vor allem für ihre Täler auf die Vernetzung.Foto: Alpbachtal Tourismus Sedlak Matthias

Bregenz. Es war wahrscheinlich eine der "politischsten" Jahrestagungen der Österreichischen Hoteliervereinigung überhaupt in Bregenz diese Woche. Sie demonstrierte, welch eine gross(artig)e Lobbyisten-Vereinigung der Branchenverband geworden ist. Ohne Scheu demonstrierte die neue alte Tourismusministerin Elisabeth Köstinger den Schulterschluss mit der Branche. Sie lobte öffentlich die gemeinsame, zielführende Arbeit für die entsprechenden Punkte im jetzt gültigen Regierungsprogramm.

Am ÖHV-Jahreskongress in Bregenz, der von Sonntag bis Dienstag im Festspielhaus von Bregenz unter dem passenden Motto "Die Kunst der Inszenierungen" stattfand, wurde wenig beklagt, sondern optimistisch in die Zukunft geblickt. Dafür war gewiss nicht der abschliessende Vortrag von Glücksforscher Manfred Rauchensteiner verantwortlich, sondern die Politik. Zum zweiten Mal nach exakt einem Jahr, nach der jüngsten Regierungsbildung, stand die österreichische Tourismusministerin Elisabeth Köstinger auf der Bühne. Sie hoffe, ihr Dasein als Ministerin werde diesmal länger anhalten, merkte sie mit Blick auf die bewegte Vergangenheit an.

Bekanntlich hatte die österreichische Bundesregierung 2019 nach dem "Ibiza Gate" genannten Skandal-Video zurücktreten müssen. Mit dem neuen Jahr 2020 wählte das Land neu und heraus kam die erste schwarz-grüne Regierung unter der alten und neuen Führung von Bundeskanzler Sebastian Kurz. Damit bekennt sich jetzt nicht nur die ÖVP zum Thema Tourismus, sondern das tun auch die Grünen.

Der Auftritt von "Eli" Köstinger, die sich mit allen ÖHV'lern und anderen Tourismusgrössen öffentlich duzt, generierte auch Freude, weil u.a. die neue Koalitionsvereinbarung sieben Seiten mit Tourismus-Wünschen enthält. Das hob die Stimmung. "Realistischere Abschreibungszeiten, vereinfachte Betriebsübergabe, Registrierungspflicht für Airbnb-Vermieter, praxisnahe Arbeitsmarktlösungen, Senkung der Lohn-Nebenkosten: Das alles gibt uns wertvolle Perspektiven, aber die Regierung wird daran gemessen werden, was sie umsetzt", schränkte ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer ein.

Zwei Power-Frauen im Gespräch: Tourismusministerin Elisabeth Köstinger und Michaela Reitterer.Foto: ÖHV Florian Lechner

Die neue Regierung jedenfalls festigt die Rolle des Tourismus im Land. Zum einen hat Österreich ihre Tourismusministerin wieder. In Wien sollte der Tourismus jetzt wieder ins Wirtschaftsressort zurückkehren, das man 2017 endlich verlassen durfte – doch die Lobbying-Maschine von ÖHV & Freunden wehrte sich heftig. Das neue, aktuelle Ministerium heisst nun statt "BM für Nachhaltigkeit und Tourismus" nun "BM für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus". Zusätzlich wurde die Zuständigkeit von Telekom und Post nun vom "grünen" Infrastruktur-Ministerium zu Köstinger transferiert. Das macht auch für Tourismus und Hotellerie Sinn, denn der dringend notwendige Breitband-Ausbau muss bis in die Täler durchdringen.

Eli Köstinger, eine Kärntner Bauerntochter mit aktiver Wirtshaus-Erfahrung, versteht ihr Resort als "Diener des ländlichen Raums". Ob der alpine Ferientourismus perspektivisch auf das Level der Stadthotels gehoben wird, wird die Zukunft weisen. Köstinger betonte in Bregenz, ihren Fokus auf den raschen Breitband-Ausbau legen zu wollen – die "Güterwege des 21. Jahrhunderts". Ein rascher 5G-Ausbau solle die Zwei-Klassen-Gesellschaft zwischen Stadt und Land beseitigen. Die Steigerung der Lebensqualität in den Regionen würde nicht nur Jobs in Ferienhotels attraktiver machen, sondern auch die Vermarktung von Hotels erleichtern.

Die Forderungen der Verbände

Die ÖHV hebt in der Bewertung des Regierungsprogramms einige Punkte hervor, die die Branche stark betreffen: Als längst überfällig sieht Reitterer die angepeilte Reparatur der Abschreibungsdauer: "So geben wir den Betrieben wieder mehr Freiheit für Investitionen." Nicht minder wichtig seien die angekündigten Erleichterungen bei den Betriebsübergaben.

Grosse Hoffnung setzt man auch in die angekündigte Lohnnebenkosten-Senkung. Vielleicht der wichtigste Punkt für Reitterer ist die vorgesehene Registrierungspflicht für alle Hosts der Sharing Economy: "Damit gibt es keine Grauzonen mehr, sondern gleiche Voraussetzungen für alle".

Obfrau Petra Nocker-Schwarzenbacher von der Wirtschaftskammer Tourismus setzte ihren Fokus u.a. auf die angepeilte Steuerreform für die Unternehmer wie auch auf die geplante Entlastung bei der Einkommenssteuer und den Lohnnebenkosten auf Seiten der Mitarbeiter.

Die Herausforderungen für den Tourismus im Alpenraum ähneln sich stark. Die Präsidenten der nationalen und regionalen Hotelverbände aus der Schweiz, Bayern, Österreich und Südtirolmöchten enger zusammenrücken.Foto: ÖHV Florian Lechner

Thomas Reisenzahn, Geschäftsführer der Prodinger Group, führte in seiner Analyse einen anderen positiven Punkt an: Wachstum sei nicht mehr ausschliesslich an Übernachtungszuwächsen zu messen. "Endlich wird die Messung für jedes Bundesland zur Pflicht – und das nach den Standards des Wirtschaftsforschungs-Instituts und von Statistik Austria", begrüsste Reisenzahn diesen Schritt.
Nocker-Schwarzenbacher und Reitterer erhoffen sich auch die Umsetzung von einigen, nicht explizit im Regierungsprogramm enthaltenen Massnahmen, darunter eine Bagatell-Grenze für die Erteilungspflicht der Registrierkassen-Belege oder die Rückführung des Mehrwertsteuersatzes für sonstige touristische Leistungen auf 10 Prozent. Neben dem auch international prägenden Thema Mitarbeiter-Mangel sind weiterhin optimierte Regularien für die Online-Buchungsportale Baustellen.

Tourismusfreundliche grüne Abgeordnete

Manch touristische Themen finden sich in anderen Kapiteln wieder. Wird "der Erhalt einer kleinteiligen und häufig familiengeführten Tourismusbranche" definiert, so können sich die meisten Grünen damit identifizieren. Um so mehr, als bei vielen steuerlichen Förderungen ökologische Kriterien eingezogen werden. Die Nähe der österreichischen Grünen zur Tourismuswirtschaft ist dabei grösser als man annehmen würde. So sitzt ja nicht nur Köchin Sarah Wiener für die Grünen im EU-Parlament, mit dem am ÖHV-Kongress anwesenden Peter Buocz haben die Grünen einen aktiven Hoteldirektor der privaten Wiener Schick Hotels als Tourismussprecher im Nationalrat.

Doch manch kontroversere Punkte finden sich im Kapitel "Klima-faire Zukunft in Luftfahrt, Schifffahrt, Seilbahnwesen". Die Frage der umstrittenen dritten Landebahn für den Flughafen Wien ist nicht thematisiert. Die Regierung will sich nur um eine bessere öffentliche Anbindung des Flughafens kümmern. Erhöht wird die Flugticket-Abgabe: Das Ergebnis ist eine einheitliche Regelung von 12 Euro pro Flugticket. Der Lenkungseffekt bleibt damit minimal. Die Kerosinsteuer solle auf europäischer Ebene kommen, steht als Wunsch im Programm.

Angesichts der steten Konflikte um Berg-Erschliessungen ist die Seilbahnwirtschaft im Koalitionsabkommen sehr glimpflich davongekommen. "Die österreichische Seilbahnwirtschaft leistet sowohl einen massgeblichen Beitrag zu Wertschöpfungs-Möglichkeiten im ländlichen Raum als auch in der österreichischen Export-Wirtschaft. Technische Innovationen, insbesondere betreffend Öko-Effizienz-Steigerung und Nutzung von Seilbahnen als Verkehrsmittel werden begrüsst." Man peilt sogar neue Seilbahnen im urbanen Raum an. Erfreut wurden daraufhin bereits in Oberösterreichs Hauptstadt Linz entsprechende Pläne aus der Schublade geholt. / Fred Fettner

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Wien. Das rasche Ende der Wiener Mitte-Rechts-Regierung von Sebastian Kurz lässt Österreichs Tourismusbetriebe ratlos zurück: Vieles, was als Erfolg für die Branche gefeiert wurde, ist noch gar nicht beschlossen, darunter Steuer-Entlastungen für Mitarbeiter und Betriebe sowie die Regierungspflicht für Airbnb-Gastgeber. Bis jetzt hat nur der Ibiza-Skandal das rasche Ende der Koalition touristisch weitergebracht. Österreichs Hotellerie-Vertreter sortieren inzwischen die Scherben.

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