Blockchain der nächste Disruptor Experten erklären Hotelgruppen testen Ein komplexes Thema schneller als Mobile
HI+

Blockchain, der nächste Disruptor

Experten erklären, Hotelgruppen testen: Ein komplexes Thema, schneller als Mobile

Fluch oder Segen … wie wird Blockchain die Reise-Branche verändern?Foto: kugelwolf - stock.adobe.com

Amsterdam. In den letzten fünf Jahren wurden bereits eine Milliarde Dollar in Blockchain-Unternehmen investiert, trotzdem weiss ein Grossteil von uns nicht genau, was sich hinter dieser Technologie verbirgt und welche Auswirkungen sie auf Unternehmen hat. Die Technologie hinter den berühmten Bitcoin hat das Interesse vieler Menschen geweckt, darunter auch das der Experten aus der Reisebranche. Von Sabre bis Lufthansa, Air New Zealand, Nordic Choice Hotels, Amadeus, Booking.com, TUI und auch Kempinski und citizenM prüfen alle Reise-Unternehmen die Blockchain-Technologie, in der Hoffnung, Kosten zu senken, Transaktionen zu sichern, Zahlungen zu erleichtern, das Vertrauen in den Prozess zu stärken und Mittelsmänner loswerden zu können. Experten gehen davon aus, dass Blockchain die Branche aufwirbeln wird, nur diesmal werden die Hoteliers durch diese Disruption viel mehr profitieren als verlieren.

Blockchain verspricht, den modernen Handel zu modernisieren, hat aber noch nicht viele Beweise geliefert. Viele Branchen fange gerade erst an, sich damit auseinanderzusetzen. Von Finanzen bis Immobilien, Gesundheitswesen, Bildung und Reisen versuchen Finanz- und Digitalchefs in aller Welt zu verstehen, was Blockchain ist und ob sich mithilfe dieser Technologie Wachstums-Chancen für ihre Unternehmen bieten oder ob sie an Geschäften einbüssen. Für den Tourismus und noch spezieller für die Hotellerie ist Blockchain ein weiterer Disruptor, aber diesmal vielleicht zugunsten der Hoteliers.

Was ist Blockchain? Klären wir zunächst die Terminologie. Blockchain rührt von der Transaktion selbst her, die "Block" genannt wird. Dann gibt es eine "Chain", die jeden einzelnen Block miteinander zu einer Kette von Blöcken oder eben einer sogenannten "Blockchain" verbindet. Zweitens sagte Karim Lakhani, Professor an der Harvard Business School und Co-Autor des Artikels "The Truth About Blockchain": "Blockchain ist im Prinzip ein Buchführungssystem, das alle Transaktionen zwischen zwei Parteien festhält, die Protokolle aber jedem Interessierten zugänglich sind, der Zugriff auf diese Protokolle hat".

Das citizenM Tower of London Hotel. Die Kette ist noch nicht bereit, Bitcoin zu akzeptieren.

Zusammenfassend gesagt sind Blockchains dezentral geführte Datenbanken oder öffentliche Transaktions-Aufzeichnungen in chronologischer Reihenfolge. Es gibt keine zentrale Version dieser Informationen, die von einem Hacker manipuliert werden könnte. Sie wird von Millionen von Computern gleichzeitig gehostet, ist für jeden im Internet zugänglich und gilt aus diesem Grund als sicher, anonym, manipulationsgeschützt und unveränderbar, "eine geteilte einzige Quelle der Wahrheit", wie Daten-Wissenschaftler sie gerne bezeichnen.

Sobald aus technischer Sicht 51 Prozent der Computer im Netzwerk zustimmen, wurde ein "Konsens" erzielt und die Transaktion wird in einem digitalen Buchführungssystem, der sogenannten Blockchain, gespeichert. Jeder Computer enthält eine vollständige Kopie des gesamten Blockchain-Buchführungssystems und sollte ein Computer versuchen, eine ungültige Transaktion einzugeben, erzielen die Computer im Netzwerk keinen Konsens und die Transaktion wird der Blockchain nicht hinzugefügt", so Channel Manager Triptease in seinem Blog.

citizenM und Kempinski trauen Krypto-Währungen noch nicht

Wofür ist Blockchain gut? Vielen Experten zufolge eignet sich Blockchain für jede Branche, in der Informationen übertragen werden und die grob gesehen in folgende sechs Kategorien fallen: Währung, Bezahlung, digitale Assets, digitale Identität, verifizierbare Daten und Smart Contracts. Lenert De Jong, COO von citizenM, ist sich sicher: "Einiges davon wird für uns Hoteliers definitiv von Nutzen sein, da wir uns mit vier Arten von Problemen auseinandersetzen müssen: Erstens die Natur des Geschäfts an sich, das auf einem vergänglichen Produkt basiert, deshalb ist es wichtig, jede Reservierung zu sichern und dafür zu sorgen, dass wir dem Kunden vertrauen können, uns zu bezahlen. Zweitens die fragmentierte Technologie-Landschaft, die uns Monate der Integration und viel Geld kosten kann. Drittens die fragmentierte Angebots-Landschaft. Und viertens die fragmentierte Kunden-Landschaft. Vielleicht kann Blockchain bei all diesen Dingen helfen."

De Jong hofft, dass die Technologie die Kosten für die Kunden-Akquise und für die Bezahlung senken kann. "Es ist teuer, über eine Bezahl-Plattform bezahlt zu werden", sagte er in einem Webinar, das von Eye For Travel organisiert wurde, "aber mein CFO ist nicht bereit, Bitcoin als Bezahlung zu akzeptieren". Riko van Santen, Kempinskis VP Digital Strategy and Distribution, stimmte ihm voll und ganz zu: "Krypto-Währungen sind aktuell noch zu volatil und riskant. Man könnte morgens ein Zimmer für einen bestimmten Betrag buchen und bezahlen und am Abend könnte dieser Wert fallen… Es ist noch zu früh für uns, Token zu akzeptieren, aber wir folgen der Entwicklung eng, denn ist wichtig, dass wir unseren Kunden eine Reihe von Bezahl-Möglichkeiten bieten."

Zahlungsmittel wie Bitcoin könnten Hoteliers unabhängiger von Zwischenhändlern und deren Gebühren machen.Foto: weyo stock.adobe.com

Anders als Choice Nordic Hotels, die bereits Blockchain fürs Reisen über Windingtree testen, arbeitet Kempinski mit seinem Entwickler-Team noch daran, es ist "aber noch nicht marktreif". Van Santen sieht Möglichkeiten für die Nutzung von Blockchain in folgenden Bereichen: in der Vereinfachung finanzieller Transaktionen und Bezahlungen, im Management von Procurement und Supply Chain und natürlich die Distribution.

"Blockchain könnte im positiven Sinne disruptiv sein und uns erlauben, mehrere Komponenten zu kombinieren und vielleicht auch andere Komponenten anzuhängen, die von anderen Dienstleistern innerhalb der Branche stammen, die ebenfalls Blockchain nutzen. Blockchain könnte auch eine direktere Beziehung zwischen Hoteliers und Gästen fördern und die Abhängigkeit von bestimmten Zwischenhändlern, die teuer sein können, verringern", so Riko van Santen, der jedoch realistisch bleibt. "OTAs werden in naher Zukunft nicht verschwinden, aber wir Hoteliers könnten von faireren Bedingungen profitieren".

Öffentliche oder private Blockchain-Version

Was bewirkt Blockchain und wie wird sie verwendet? "Grundsätzlich fördert die Blockchain-Technologie den Übergang vom Internet der Informationen zum Internet der Werte. Dadurch werden unterschiedliche Aufgaben aktueller Organisationen überflüssig, da die erforderliche Kontrolle in der Datenbank/im Internet selbst vorhanden ist", so Jörg Esser, Berater bei Roland Berger.

Der Berater erklärt ausserdem, dass Blockchain-Nutzer zwischen einer öffentlichen oder privaten Version der Technologie entscheiden können. "Hoteliers könnten eine private Blockchain nutzen, um ihr Inventar über mehrere Verkaufsstellen/Regionen einfacher teilen, verwalten und gewinnbringend anbieten zu können. Sie könnten auch Abrechnung und Erfüllung vorantreiben. Bei der öffentlichen Anwendung ist noch nicht eindeutig, wie sich der Weg zum Kunden auszahlt". Dr. Andriew Lim, Professor für Technopreneurship und Innovation an der HotelSchool The Hague in den Niederlanden, bestätigt, dass es noch zu früh ist, um sagen zu können, welche Version für Hoteliers geeigneter ist. "Privat würde hinsichtlich der Kontrolle besser sein, während man mit der öffentlichen Version schneller Skaleneffekte erzielen könnte".

Riko van Santen, Kempinski Hotels: Blockchain könnte auf eine positive Art disruptiv sein.

Der Professor besteht ausserdem auf einen wichtigen Punkt. Aufgrund des dezentralen Charakters ist es nicht notwendig, dass eine Drittpartei die Transaktion unterstützt. "In Zukunft könnte Blockchain die Transaktionen zwischen den Hoteliers und ihren Kunden und Zulieferern unterstützen, inklusive des Kundendienstes, wodurch die Transaktions-Kosten gesenkt werden könnten. Wegen all dieser Gründe glaube ich, dass Blockchain eine Möglichkeit für Hotel-Unternehmen und eine Bedrohung für OTAs darstellt".

Mittelsmann fällt nicht
unbedingt weg

Sind OTAs und Airbnb gefährdet? Durch Wegfallen des Mittelsmanns aus der Geschäftstransaktion verbessert die Blockchain-Technologie den Wert der bestehenden Produkte, Dienstleistungen und Interaktionen und verhindert doppelte Ausgaben, woran Hoteliers sehr interessiert sind. Bedeutet dies, dass die Disruptoren von gestern die heutigen Leidtragenden sind? Viele würden das gerne glauben, aber es ist unwahrscheinlich, dass Giganten wie Booking.com oder Airbnb verschwinden oder ihre dominante Position einbüssen. "Das werden sie wahrscheinlich nicht, aber sie müssen sich anpassen, wie alle anderen auch", so Lenert De Jong, und fügte hinzu, "Booking.com hat 20 Jahre gebraucht, um da zu stehen, wo es heute ist".

Realistischerweise werden Hoteliers von Blockchains profitieren, OTAs aber auch, so Andriew Lim, "die vielleicht noch starker werden durch die Nutzung derselben Technologie". In ihrer Geschäftsbeziehung haben Hoteliers und OTAs denselben Kern-Wert, der Inventar/Inhalte für die Hoteliers bedeutet und Kunden-Zugang für die OTAs. Beides ist wichtig, um eine erfolgreiche Transaktion durchführen zu können, was Jörg Esser zu folgender Aussage verleitet: "Letztendlich muss die Frage geklärt werden, welche Schritte der Wert-Schöpfung dazwischen notwendig sind. Eine der klassischen Rollen von Reise-Anbietern und Reise-Büros, das Verfügen und Bereitstellen von Inventar, wird eindeutig herausgefordert. Deshalb bin ich der Meinung, dass alle Parteien eine Rolle bei der Blockchain-Technologie spielen werden".

In einem Artikel, der von Phocuswright.com veröffentlicht wurde, erklärt Analyst Douglas Quinby, warum OTAs an der neuen Technologie nicht zerbrechen werden. "Die verteilte, unveränderbare Blockchain-Datenbank soll Verkäufern und Käufern ermöglichen, Verträge abzuschliessen, ohne dass eine 'vertrauenswürdige' Drittpartei notwendig ist. Dementsprechend kann der Käufer über die Blockchain eine Bezahlung oder einen Vertrag ausführen, ohne einen vertrauenswürdigen Mittelsmann wie eine Bank, ein Kreditkaten-Unternehmen oder einen OTA zu benötigen, wodurch die für gewöhnlich erhobenen Gebühren dieser sogenannten Torwächter entfallen. Das einzige Problem hier ist, dass 'Vertrauen' nicht der Hauptgrund ist, warum Reisende über OTAs buchen. Sie tun dies aufgrund der Produktauswahl, der einfachen Handhabung, der Effizienz und des besten Preises".

Sieht in Blockchain einen Nutzen für Hoteliers und OTAs: Andriew Lim, Professor an der Hotelschool The Hague.

Dem Analysten nach geben OTAs und nicht Hoteliers Milliarden von Dollar für Werbung und Marketing aus, um Kunden für sich zu gewinnen. "Die Kosten für die Hotels sind hoch wie auch die Herausforderungen, Kunden direkt zu gewinnen, aber währen sie sich beschweren, lösen OTAs das Problem mit den Reisenden."

Windingtree mit Fokus auf Hotellerie

Wer nutzt Blockchain? So viel wir wissen, hat noch keine Hotel-Gruppe in Blockchain investiert, zumindest nicht offen, auch wenn sie das Thema prüfen. "Stattdessen verlassen sie sich vielleicht auf Unternehmen, die Blockchain speziell für Hotellerie-Unternehmen entwickelt haben, wie beispielsweise Lockchain, Abab, Trippki, Fujinto, Emphy und Pally", so Andriew Lim. Windingtree ist ebenfalls ein Start-up, das im Auge behalten werden sollte. Das Unternehmen mit Sitz in der Schweiz unterstützt gerade Nordic Choice Hotels und hat eine Anwendung für Hotels entwickelt, die ab Mitte 2018 zur Verfügung steht.

Der Roland-Berger-Berater Jörg Esser glaubt, dass neben diesen Newcomern private Blockchains Spannungen aus den Operations entfernen werden und auch als Erstanwendung gelten könnten. Das Unternehmen Cryptocribs hat eine Nachbildung von Airbnb geschaffen, mit dem Unterschied, dass alle Zahlungen in Kryprowährungen erfolgen, und dadurch beim führende Unternehmen der Sharing Economy bei den Unterkünften für Disruption gesorgt. "Für digitale Nomaden bieten wir eine Alternative zu Airbnb", so Erasmus Ebner, Mitbegründer des Unternehmens, das Bezahlungen in Bitcoin, Bitcoincash, Ethereum und Lightcoin akzeptiert.

Bei einem Webinar erklärte er: "Gäste bezahlen uns in 'Coins', wir verwalten den Betrag treuhänderisch und bezahlen die Gastgeber nach dem Check-in. Wir prüfen beide Seiten und anders als Airbnb, das einen Gastgeber für einen direkten Umgang mit einem Gast von der Plattform verbannen kann, können Gastgeber nach 10 Buchungen über Cryptocribs direkt buchen". Nach nur drei Monaten in Betrieb listet Cryptocribs bereits rund 1.500 Unterkünfte, was nichts ist im Vergleich zu den 1,2 Millionen Einheiten, die auf Airbnb aufgeführt sind. Trotzdem wächst das Start-up und erhält grossen Zuspruch unter halb-professionellen Gastgebern, die sich möglicherweise durch die Nutzung von Kryptowährungen unterhalb des Radars der Steuerbehörden bewegen wollen. Aber das ist eine andere Geschichte. Sich Hotels gegenüber zu öffnen ist aktuell keine Strategie, die Cryptocribs verfolgt, "da es zu viele alte Systeme gibt, die verlinkt werden müssten", wie Erasmus Ebner erklärt.

Wird der Líf-Token von Windingtree die Transaktionen in Reise-Unternehmen in Gang setzen?

Blockchain entwickelt sich schneller als Mobile

Die Grenzen von Blockchain? Professor Lim zufolge ist die Anzahl der Kryprowährungs-Transaktionen, die Blockchain pro Tag durchführen kann, extrem gering. "Blockchain mag in Zukunft ein grosses Potenzial haben, wird sich aber auch vielen Herausforderungen stellen müssen. Eine dieser Herausforderungen könnte der Skaleneffekt sein: Wie beim Telefon-Netzwerk und dem Internet, als beides noch in den Kinderschuhen steckte, sind die Transaktionskosten noch sehr hoch". "Das stimmt", sagte Pedro Anderson, COO von Windingtree, "aber Ethereum, arbeitet daran, das Problem zu lösen. Das Casper-Update wird riesig sein und mehr Transaktionen zu niedrigeren Kosten ermöglichen".

Ratschlag für Hoteliers? Werden Hoteliers auf den Blockchain-Zug aufspringen oder eine weitere Gelegenheit verpassen, Kontrolle über ihr Inventar und ihre Kunden zu behalten? Karim Lakhani von der Harvard Business School rät Folgendes: "Es haben sich mehrere Dinge verändert, was darauf hindeutet, dass die Akzeptanz von Blockchain schneller sein wird als die letzte World Wide Web-Revolution oder gar die Revolution der Mobil-Telefone. Es wird sowohl eine technische als auch eine organisatorische Belastung geben. Prozesse müssen geändert werden. Organisationen müssen dem angepasst werden, was die Technologie einem zu bieten hat.

Es gibt viele Sorgen und Ängste, was Blockchain anbelangt. Blockchain wird als unheimliche esotherische Technologie angesehen. Aber ich rate Ihnen, keine Angst zu haben, sondern diese Technologie anzunehmen und zu erlernen. Ermuntern Sie Ihre Mitarbeiter, sie zu entdecken und zu testen. Schaffen Sie Prototypen, die zu Ihrem Unternehmen passen. Die Zeit ist gekommen, um zu experimentieren." Danach wird keiner mehr sagen, "das wusste ich nicht". / Sarah Douag

 


 

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"Mozilla/5.0 AppleWebKit/537.36 (KHTML, like Gecko; compatible; ClaudeBot/1.0; +claudebot@anthropic.com)","accept":"*/*","x-forwarded-for":"13.58.82.79","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"13.58.82.79","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1