Brexit Trump und Greta gefährden Tourismus Zuwächse
HI+

Brexit, Trump und Greta gefährden Tourismus-Zuwächse

London. Über dem diesjährigen Londoner World Travel Market lagen viele Schatten: von der Brexit-Unsicherheit über die Thomas Cook-Pleite bis zu Greta und Trump. Kein Wunder, dass sich immer mehr Aussteller von der Messe verabschieden oder sich anders aufstellen.

Einzig Boris Johnson bleibt optimistisch, er erwartet durch den Brexit mehr Touristen im eigenen Land. Seine Landsleute dürften vor allem in Spanien und Irland fehlen. Grösste globale Zuwächse versprechen nach wie vor die Asiaten.

Für Optimismus am WTM fühlte sich der wahlkämpfende britische Regierungschef Boris Johnson zuständig. Seit er vor zehn Jahren erstmals den WTM eröffnet hat, habe sich London zur weltgrössten Tourismus-Destination entwickelt. Wenn sich die Wege zwischen UK und Europa getrennt haben werden, stünden auch dem britischen Tourismus insgesamt goldene Zeiten bevor. Zwar bezeichnete wenige Minuten später seine Tourismus-Staatsekretärin Nicky Morgan den Brexit als problematisch für die Industrie: "Wir verlassen zwar die EU, doch werden wir unsere Grenzen für EU-Bürger und Schweizer für einen visafreien Besuch weiterhin weit offen halten".

Im dritten Jahr der Brexit-Diskussion dominierte bei Touristikern aller Nationen und Positionen die Müdigkeit, "irgendeine" Entscheidung wird herbeigesehnt. Wenn sie, wie es aussieht, Ende Januar 2020 fällt, wird dies zur Halbzeit der Wintersaison sein. Doch nicht nur Martina Jamnig, die Leiterin der Österreich-Werbung in London, erwartet "business as usual".

EU-Staaten auf dem Rückzug

Beim Branchentreff in London dominieren die Commonwealth-Staaten wie Indien, Reisemächte wie USA und China, Afrika und Fernost die Hallen. Während Osteuropa versucht, mit grossen Ständen Aufmerksamkeit zu erwecken, scheinen sich die EU-Staaten schon ein wenig verabschiedet zu haben. In einer originellen Kombination, die nicht mehr viel Platz für eine Marken-Philosophie hat, teilen sich die Niederlande und die Schweiz einen Stand. So wie Deutschland im Vorjahr hat sich auch die ÖW von der Messe verabschiedet. Optisch hat Deutschland nach dem katastrophalen Erscheinungsbild des Vorjahres wieder ein ansprechendes Niveau erreicht. Auch Österreichs kleiner, von Ungarn in die zweite Reihe verdrängter Stand funktioniert. Für alle Genannten gilt jedoch, dass das touristische Produkt des Landes nicht mehr repräsentativ vertreten ist.

Mit der Mega-Pleite des Reiseveranstalters Thomas Cook gab es einen weiteren touristischen Schlag. Im Alpenraum wird sich das Ende des britischen Zweigs des Konzerns diesen Winter kaum auswirken. Gerade im Skigeschäft spielte der Veranstalter kaum eine Rolle, die Charter-Kapazitäten von Inghams nach Westösterreich wurden bereits von anderen übernommen. Und die Sommer-Buchungen werden erst nach dem Brexit einsetzen. Viel tiefer sitzt der Thomas-Cook-Schock am Mittelmeer, vor allem in Spanien. Denn dort wurden unmittelbar nach der Pleite bis zu 50% Rückgänge vom britischen Markt verzeichnet.

Ob Brexit oder Cook für das aktuell zurückhaltende Buchungsverhalten der Engländer verantwortlich ist, vermag niemand zu sagen. Jedenfalls schiebe rund ein Drittel der britischen Auslandsreisenden aufgrund der Brexit-Unsicherheit ihre Reisepläne auf, berichtete Natalie Weisz, Senior Manager Research and Analysis des Datenbank-Spezialisten STR.

Caroline Bremner: Man kann nicht sagen, ob der Rückgang an Auslandsreisen auf den Brexit zurückzuführen ist.Foto: Fred Fettner

Neue Brexit-Zahlen rütteln auf

Oxford Economics-Geschäftsführer David Goodger nannte konkrete Brexit-Zahlen: Der neue Johnson-Deal sei für die britische Wirtschaft schlechter als der von Theresa May. Statt um zwei, werde nun das Bruttonationalprodukt um 3,1% sinken. In unterschiedlichem Ausmass werde der Tourismus in die EU-Staaten um bis zu 8% zurückgehen. Die Auswirkungen auf Spanien und Irland würden am grössten sein. Allein Spanien würde 1,6 Millionen Besucher aus Grossbritannien verlieren. Allerdings geht Goodgers Berechnungen von einem No-Deal-Brexit aus.

Demgegenüber hat Caroline Bremner für das Analyse-Unternehmen Euromonitor International schon seit mehreren Jahren unterschiedliche Varianten berechnet: für den Fall eines anschliessenden Freihandelsabkommens etwas vorsichtiger. Es sei schwer zu sagen, wie viel vom aktuellen zweiprozentigen Rückgang an Auslandsreisen schon auf den noch nicht eingetroffenen Brexit zurückzuführen sei. Insgesamt 20 Faktoren fliessen in die Brexit-Prognosen ein, Währung und Rezession seien nur zwei davon.

Ob, wie die Brexiteers prophezeien, eine schwächere Währung automatisch zu einem Ansturm auf die britische Insel führen wird, wird von den Analysten stark bezweifelt. Der Stand von 2017 werde frühestens 2021 wieder erreicht werden und dann nur unter der Voraussetzung einer absoluten Barrierefreiheit bei der Einreise. Goodgers erwartet für 2020 noch deutliche Rückgänge, 2021 dann Stabilität.

Asiaten bleiben Wachstumsmotor

Sicherer kann sich Bremner in der von ihr am WTM präsentierten globalen Prognose sein. Denn die aktuellen Diskussionen würden "nur" Europa betreffen, der Wachstumsmotor Asien funktioniert weiter. Zumindest solange die chinesischen Fluglinien in den Aufbau von Linien nach Europa investieren. 3,3% pro Jahr werden die Reiseumsätze auch weiterhin steigen und 2024 weltweit drei Milliarden US-Dollar erreichen. Entscheidend dafür ist die Neugier der Menschen, 43% bevorzugen Erlebnisse gegenüber Dingen, gleich 78% geben Geld bevorzugt für Erfahrungen abseits der Virtualität aus, zeigte die global angelegte Umfrage.

Wobei Bremner als bremsenden Faktor speziell den "Greta-Effekt" sieht. Dieser habe in Skandinavien schon konkret zu Flugabsenz geführt, sei aber durchaus auch weltweit ein Thema. Die Angst vorm Klimawandel ist in Lateinamerika am grössten, dahinter folgen Europa, USA und Asien fast gleichauf. Die geringsten Sorgen machen sich die Menschen demnach in Nahost und Afrika.

Doch selbst Flugscham könnte das touristische Wachstum bestenfalls punktuell einbremsen. Ohnehin sahen wirtschaftsnahe Experten am WTM die Rückgänge bei den Flügen in Skandinavien eher in der eingeführten Flugsteuer begründet. Ebenso würde das reduzierte Wirtschaftswachstum in Mitteleuropa in stärkerem Masse bremsend wirken, als das schlechte Gewissen. Stark wirken politische Unruhen auf Tourismuszahlen, aber auch Handelskonflikte. Bremner erwartet, Trumps Handelskrieg könnte den US-Tourismus bis zu 10 Millionen Touristen kosten. Schon jetzt bleiben dort chinesische Gäste aus.

An der globalen Reiselust wird all das insgesamt aber wenig ändern. Denn sowohl in absoluten Zahlen, als auch beim Wachstum werde bis 2024 der innerstaatliche Reiseverkehr den grenzüberschreitenden übertreffen. 6,5 Milliarden internationalen, stünden dann 8,5 Milliarden Binnenreisen gegenüber. / Fred Fettner

{"host":"www.hospitalityinside.com","user-agent":"claudebot","accept":"*/*","x-forwarded-for":"54.144.81.21","x-forwarded-host":"www.hospitalityinside.com","x-forwarded-port":"443","x-forwarded-proto":"https","x-forwarded-server":"d9311dca5b36","x-real-ip":"54.144.81.21","accept-encoding":"gzip"}REACT_APP_OVERWRITE_FRONTEND_HOST:hospitalityinside.com &&& REACT_APP_GRAPHQL_ENDPOINT:http://app/api/v1