Corona Schweiz Kurz vor dem Kollaps
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Corona & Schweiz: Kurz vor dem Kollaps?

Zürich. Die Covid-19-Pandemie bringt viele Schweizer Beherbergungsbetriebe in existenzielle Nöte. Gemäss einer aktuellen Umfrage der Fachhochschule Westschweiz HES-SO Valais-Wallis steht die Branche kurz vor dem Kollaps.

Das Jahr 2020 fing für die Schweizer Hotels gut an: Mit auf 3,016 Millionen Übernachtungen im Januar konnten die Beherbergungsbetriebe das zweitbeste Ergebnis seit knapp drei Jahrzehnten vermelden. Doch der Aufwärtstrend der seit Jahren durch mehrere Faktoren belasteten Branche – Fachkräftemangel, Währungssituation und die hohen Kosten in der "Hochpreisinsel Schweiz" – wurde durch die Ausbreitung des Corona-Virus jäh ausgebremst. Anders als das Gros der Einzelhandelsbetriebe sind die Hotels von dem vom Bundesrat im März beschlossenen Shutdown nicht betroffen, aber mit massiven Umsatz- und Buchungsrückgängen konfrontiert.

Wie eine Umfrage des Branchenverbands Hotelleriesuisse ergab, rechnen die Schweizer Hotelbetreiber für März und April 2020 mit einem Umsatz-Rückgang von durchschnittlich 45%. Hinzu komme, wie 91% der Befragten angeben, ein signifikanter Rückgang bei den Neubuchungen. Die Hälfte der Befragten rechnet bis Ende April mit Liquiditätsengpässen.

2 Milliarden Minus in 3 Monaten

Tina Seiler, PwC: Alternative Nutzungen sind in der Stadthotellerie fast nicht möglich.Foto: frederike asael photography

Inzwischen liegen auch Zahlen vor: Nach einem Bericht von Roland Schegg, Professor am Institut für Tourismus der Fachhochschule Westschweiz HES-SO Valais-Wallis, steht die Branche kurz vor dem Kollaps. Der im Auftrag von Hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus erstellte Bericht basiert auf einer Befragung von über 2.000 Tourismusbetrieben im Land, darunter Hotels, Gastrobetriebe, Parahotellerie und Bergbahnen am 23./24. März. Ziel der Befragung war eine Evaluation der Auswirkungen der Coronavirus-Krise auf die betriebswirtschaftlichen Kennzahlen der Unternehmungen sowie eine Einschätzung des Konkurs-Risikos. Der vorliegende Bericht basiert auf den Antworten von 2.056 Betrieben, wobei Hotels mit 41% die grösste Gruppe stellen, gefolgt von Betrieben aus der Parahotellerie mit 25%.

Die voraussichtlichen monatlichen Umsatz-Einbussen bei den Schweizer Hotels für die Monate März, April und Mai sind mit respektive 69, 90 und 73% massiv. Eine Top-Down Hochrechnung, ausgehend vom geschätzten jährlichen Gesamtumsatz der Hotel-Branche von 10.2 Milliarden Franken, kommt auf einen Umsatz-Verlust von März bis Mai auf Einbussen von knapp 2 Milliarden Franken.

"Im Durchschnitt verliert jedes Hotel in unserer Stichprobe für März bis Mai zwischen 260.000 und 280.000 Franken pro Monat, das heisst mit rund einer dreiviertel Million Franken für die Periode", so Schegg. Die geschätzten kumulierten Verluste für die über 1.200 Tourismusbetriebe in der Stichprobe für März bis Mai belaufen sich auf rund 640 Millionen Franken und diejenigen für die Hotels auf 627 Millionen Franken, so dass alleine für die befragten Tourismus-Betriebe der Umfrage ein Umsatzverlust von knapp 1,3 Milliarden Franken geschätzt werden kann.

Bis Ende dieses Jahres sollen dem gesamtschweizerischen Tourismus – bisher mit einem Umsatz von 10,2 Milliarden Franken – durch das Coronavirus 6,4 Milliarden Franken entgehen – es wäre ein Umsatz-Rückgang um 18%. Als eine erste Konsequenz aus der Krise sind 57% der befragten Betriebe aktuell wegen der Coronavirus-Krise geschlossen und 21% teilweise geschlossen.

Wie die Umfrage ergab, sind der Kanton Tessin und Städte wie Zürich, Basel und Genf am stärksten von den Einbussen betroffen – hier schlägt der komplette Einbruch des Geschäfts- und Kongress-Tourismus ins Kontor. Im April ist Schegg zufolge ein Umsatz-Rückgang um 90% zu erwarten. Jeder vierte Tourismusbetrieb sei "existenziell gefährdet", erklärte Martin Nydegger, Direktor von Schweiz Tourismus, gegenüber Schweizer Medien.

Die Wahrscheinlichkeit eines Konkurses wird gemäss der Studie im Schnitt auf 19% geschätzt, wobei es hier grosse Unterschiede in einzelnen Segmenten gibt: Das Risiko wird im Tessin auf 36% geschätzt, im Kanton Waadt auf 29%, in Genf und Zürich auf 28 respektive 24%. In den klassischen Ferienregionen wird die Konkurs-Gefahr momentan noch kleiner eingestuft, was Schegg darauf zurückführt, dass die meisten Betriebe im April den Betrieb nach Ende der Wintersaison ohnehin geschlossen hätten. "Es sind vor allem Betrieb aus der Gastronomie und der Hotellerie, welche des Konkurs-Risiko deutlich höher einschätzen als Betriebe anderer Sektoren", so Schegg.

Erholung erst in 2021

Marie Seiler, Partner und Head Real Estate Advisory bei PwC PricewaterhouseCoopers Schweiz, rechnet erst ab dem ersten Quartal 2021 mit einer Erholung. Die Pandemie betreffe fast alle gleichermassen. "Nahezu alle Hotels haben zugemacht, mit wenigen Ausnahmen, wie das Dolder in Zürich oder das Kempinski Le Mirador bei Lausanne. Diese haben auf einen stark eingeschränkten Betrieb mit wenigen Zimmern und nahezu keiner Gastronomie umgestellt. So verbleiben sie zwar über die Osterferien den Stammgästen treu, sehr profitabel wird dieser Betrieb aber wahrscheinlich nicht sein".

Alternative Nutzungen sind fast nur in der Stadt-Hotellerie möglich. "Hotels im mittlerem Preissegment bieten Unterkünfte für Obdachlose oder Extensionen für den überlasteten Gesundheitssektor, für Patienten, Ärzte und Spitalpersonal. Wir gehen davon aus, dass sich dieser Bereich auch schneller erholen wird als die Ferienhotellerie."

Auch Marie Seiler spricht von einer schon jetzt existenziellen Bedrohung der Unternehmen. "In der DACH-Region werden von den Regierungen Hilfspakete geschnürt. Sie sind aber mehr auf systemwichtige grosse Betriebe zugeschnitten. Der Mittelmarkt bleibt am stärksten betroffen. Es gibt Hotel-Ketten, die sehr gut kapitalisiert sind. Am stärksten leiden die mittleren Betriebe, die oft mit einer fixen Miete die Hotels pachten. Sie können zwar mit Stundungen die nächsten Monate überstehen, sie sind aber nicht genügend profitabel, um die geschuldete Miete in einer überschaubaren Zeit zurückzuzahlen.

Die grossen Betriebe haben oft Management-Verträge und werden in der Schweiz durch Kurzarbeit von der zweiten grossen Kostenposition entlastet. Für sie ist die Schliessung die beste Strategie und sie werden auch nachträglich keine übermässige Belastung mit den gestundeten Mieten verkraften müssen", umreisst sie die aktuelle Handlungsfähigkeit.

Hyper-Luxushotels offen für Utra-Reiche

Sollte der Shutdown länger als bis zum Sommer anhalten, glaubt die Expertin von PwC, "dass mehr als ein Drittel der Hotelbetriebe mit der Insolvenz zu kämpfen haben wird". Auch vor Covid-19 hatten viele Hotelbetriebe bereits Mühe, die Profitabilität aufrechtzuerhalten. Bis zur erhofften Erholung im ersten Quartal 2021 würden sich Hotels wohl im Discounting der Zimmerpreise gegenseitig übertrumpfen, so dass eine vollständige Normalisierung der RevPAR erst erst Mitte/Ende 2021 zu erwarten sei.

In einer besonderen, positiven Situation sieht Marie Seiler die schweizerischen Luxushotels. Sie leiden zwar auch, sind aber besser kapitalisiert. "Das Chedi in Andermatt hat temporär geschlossen und auf dem Bürgenstock ist lediglich das Waldhotel teilweise in Betrieb", zählt sie Beispiele auf. "Teils ausgenommen von dieser Entwicklung ist der Hyperluxus-Segment. Dieses ist teils voll ausgebucht als Covid-19 Retreat für Ultra-Reiche. Das Luxus-Segment der Stadthotellerie wird in der Erholungsphase sicherlich noch etwas stärker leiden. Wie nach jeder Krise werden sich insbesondere Geschäftsreisende mehr auf 4-Sterne-Segment konzentrieren. Das ist eine Chance für das gehobene Segment." Ob es unter den Luxushotels Verkäufe von "distressed properties" geben wird, könne man vielleicht im August oder September erkennen. / Birgitt Wüst

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