Da gab es keinen OTA Komfort AccorHotels schliesst seine Vertriebsplattform für unabhängige Hotels
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Da gab es keinen OTA-Komfort

AccorHotels schliesst seine Vertriebsplattform für unabhängige Hotels

In Harmonie: Aktuell listet AccorHotels auf seiner Website noch unabhängige Hotels unter den eigenen Marken – aber das wird sich bald ändern.

Paris. AccorHotels schliesst seine Vertriebs-Plattform, die unabhängigen Hotels ermöglichte, am Marktplatz von AccorHotels teilzunehmen. "Nicht genügend Traffic" wird als Grund angegeben. Nur 2.200 Hotels hatten sich angemeldet, anstatt der 10.000 erwarteten Häuser. Diese Nachricht wurde nach der Entlassung von Romain Roulleau, Senior VP eCommerce and Digital Services, sowie von zwei Mitdirektoren von Fastbooking bekannt gegeben. 22 Millionen Euros später hat AccorHotels seine Lektion auf die harte Tour gelernt. Das ist Sébastien Bazins erste Niederlage in nicht enden wollenden Reihe von Übernahmen und Kursänderungen seit seinem Antritt als CEO. Aber das scheint die Gruppe nicht aufzuhalten. Die Transformation geht mit einem neuen Digital-Team weiter und mit dem Launch von AccorLocal an diesem Wochenende.

Vor einigen Tagen gab der CEO von AccorHotels, Sébastien Bazin, gegenüber den Franchise-Nehmern der Gruppe bei deren Jahres-Versammlung in Spanien bekannt: www.accorhotels.com listet nicht länger unabhängige Hotels auf seinem Marktplatz - eine Geste der Beschwichtigung gegenüber denjenigen, die von Anfang an ganz klar gegen diese Initiative gewesen waren.

Im Bestreben, mit Expedia und Booking.com zu konkurrieren und eine neue Umsatz-Quelle über ein eigenes Kommissions-Modell zu generieren, hatte AccorHotels im Juni 2015 den Start eines Marktplatzes angekündigt, der "einer Reihe ausgewählter" unabhängigen Hoteliers in aller Welt offen steht. Die Plattform galt als Meilenstein für die digitale Transformation der Gruppe, die 2014 gestartet wurde und in der Welt der Hotellerie, in der Hotel-Ketten nur selten ihre Konkurrenz fördern, als Einhorn galt. Aber AccorHotels sah das Programm als Möglichkeit, sein Online-Angebot zu vergrössern, einem grösseren Kundenstamm ein One-Stop-Shop-Erlebnis zu bieten und durch die Kommissionen pro Buchung zusätzliche Einnahmen zu generieren.

Bazin war damals ambitioniert und vielleicht auch ein wenig zu zuversichtlich mit seinem Traum, ein weltweiter Anbieter neben den Marktführern zu werden. "Die Leute kennen GAFA und schon bald werden sie auch über BATA reden", sagte er einst. Auf dem Papier sah der Plan gut und solide aus, aber die Realität auf dem Markt war härter als erwartet, das Anwerben der Hotels kompliziert und die Investment-Rendite enttäuschend.

Chief Digital Officer Maud Bailly, zuständig für die neue Strategie.

Enttäuschte Hoteliers: Kein OTA-Komfort

Damals, 2015, listete die Plattform von AccorHotels 3.700 Marken-Hotels mit dem Ziel, 10.000 Einheiten in 328 Städten und 80 Ländern bis 2018 zu erreichen. Letztes Jahr korrigierte die Gruppe diese Zahlen nach unten und konnte bis heute lediglich 2.200 unabhängige Hotels überzeugen, sich der Plattform anzuschliessen, zusätzlich zu den 4.100 Marken-Hotels, die rund zur Hälfte Franchise-Nehmer sind. Letztere waren sich mit AccorHotels von Anfang an uneins und sagten voraus, dass die Initiative für "interne Konkurrenz" und "einen Kannibalisierungs-Effekt" sorgen würde.

War ihr Druck der Grund, weshalb der Marktplatz geschlossen wird? Dem Management von AccorHotels zufolge waren es die "mageren Conversion-Raten" durch Aussenstehende. "Die Ergebnisse bleiben unter den Erwartungen zurück und die meisten Kunden von accorhotels.com ziehen Marken-Hotels von AccorHotels vor, wenn sie nach Unterkünften auf unserer Plattform suchen", so ein Sprecher.

Einige Hoteliers, die sich an dem Marktplatz angemeldet hatten und auch an das Konzept glaubten, reagierten online auf die Ankündigung von AccorHotels, sie nun fallenzulassen: Für einen Hotelier war es "ein Albtraum aus technischer Sicht", sein Haus auf der Plattform zu vermarkten, "verglichen mit dem Komfort, den OTAs versprechen". Ein anderer wiederum gab an, dass die Kommissionen nicht so fair waren wie angekündigt: "Sie waren genauso hoch oder manchmal sogar noch höher als die von Online-Agenturen".

Die unabhängigen Hoteliers, die in Frankreich zwei Drittel des Marktes ausmachen und einst von AccorHotels als "starke Wachstums-Quelle" identifiziert wurden, und nun auf das offizielle Schreiben warten, das ihre Partnerschaft mit AccorHotels beendet, stehen wieder alleine da. Die wenigen, die sich dem Marktplatz angeschlossen hatten, bezeichneten das Erlebnis als Zeit- und Geld-Verschwendung.

CEO Sébastien Bazin: ein Mann mit Vision, der viele begeistert. Jetzt kam der erste Rückschlag.

AccorHotels hat rund 22 Millionen in die Plattform investiert, aber das war nicht genug. Sehr viel mehr war notwendig, um online für Aufmerksamkeit zu sorgen, etwas, das Priceline und Expedia perfektioniert haben, indem sie jedes Jahr Milliarden an Google zahlen, um Traffic auf ihre Website zu lenken. Allerdings dürfen wir nicht vergessen: AccorHotels hat bisher insgesamt rund 225 Millionen Euro in die Digitalisierung investiert. In diesem Punkt hat die Gruppe keine Konkurrenz.

Zwei Jahre nach Ankündigung einer neuen Ära für AccorHotels wirkt Sébastien Bazins Vertriebs-Vision heute eher wie eine verblasste Illusion. Die OTAs sind stark, organisiert, finanziell gut aufgestellt und den Hotel-Ketten um Längen voraus, wenn es um Technologie und Innovation geht. Und sie werden nicht einfach so verschwinden.

Drei Schlüssel-Personen im eCommerce weg

Für AccorHotels ist dieses "Scheitern" nicht das Ende der digitalen Transformation, die die Gruppe 2014 startete. Im Gegenteil, vielmehr bedeutet dies, sich neu zu aufzustellen und sich auf neue Herausforderungen zu konzentrieren. "Die Marktplatz-Initiative ist nicht länger ausschlaggebend für die Strategie der Gruppe und ihr neues Profil von heute", bestätigte ein Sprecher bei AccorHotels. Unter der Leitung von Maud Bailly, der neuen Chief Digital Officer seit April, hat die Abteilung für Digitales einen klaren Auftrag: Sie soll die Strategie der Gruppe stärken, darunter Loyalty, Verkauf, ein neues Marken-Bewusstsein und natürlich neue Services wie die Vermietung von Luxus-Apartments, Concierge etc… Bailly wird eng mit Gilles de Richemond zusammenarbeiten.

Zusammen übernehmen sie die Aufgaben von Romain Roulleau, der als SVP eCommerce and Digital Services das Unternehmen in diesem September verlassen hat. Im Oktober folgten ihm Jean Luc Chrétien und Guillaume de Marcillac, beide Do-Direktoren von Fastbooking; sie wurden von der Gruppe diskret entlassen. Die drei Männer waren die Haupt-Akteure auf dem Marktplatz und mit dem Start von AccorHotels' Digital Factory im April 2015 eng verbunden.

Und wie geht es weiter? Über Fastbooking bietet diese Abteilung unabhängigen Hotels Dienstleistungen an, darunter digitales Marketing und Vertriebs-Tools, unterstützt von Availpro seit dessen Übernahme im April. Macht die Digital Factory nach wie vor Sinn, nachdem AccorHotels den Spezialisten für Geschäftsreise-Reservierungen, Gekko, für geschätzte 100 Millionen Euro übernommen hat? Im Bestreben, mit den OTAs mithalten zu können, sammelt Sébastien Bazin eine ganze Reihe von Technologie-Unternehmen, deren Experten als "mittelmässig" gelten, vielleicht abgesehen von Gekko. Ist das Geld gut investiert? Der Markt wird es zeigen.

Networking mit der Nachbarschaft: An diesem Wochenende startetAccorLocal.

Dieses Wochenende Start von AccorLocal

Aktuell ist die Gruppe damit beschäftigt, ihr 50jähriges Jubiläum mit ihrem neuen und innovativen Konzept "AccorLocal" zu feiern. Am Sonntag werden die lokalen "Helden" des Alltags in über 2.000 Hotels der Gruppe eingeladen, um zwischen den Bewohnern vor Ort und Hotel-Mitarbeitern eine vertrauensvolle Beziehung aufzubauen, wovon letztendlich die Gäste, Besucher, Nachbarn und die Hotels von AccorHotels profitieren.

Services, die über AccorLocal angeboten werden, sind vom jeweiligen Hotel abhängig und ermöglichen Anwohnern, die Hotel-Einrichtungen zu nutzen, sie können sich aber auch etwas ins Hotel liefern lassen, das sie später abholen.

Über AccorLocal sagte Sébastien Bazin: "In den letzten 50 Jahren haben Millionen Kunden weltweit der Expertise von AccorHotels in puncto Gastfreundschaft vertraut. Wenn sie durch die Türe eines unserer Hotels spazieren, können sie sicher sein, zu jeder Tageszeit einen persönlichen Service durch unsere über 250.000 Mitarbeiter vorzufinden, die unsere grosse Leidenschaft für Gastfreundschaft und Service teilen. Wir wollen diesen unvergleichlichen Reichtum nun in den Dienst der Gemeinschaft stellen, indem wir ein ganz neues Modell an sozialen Vernetzungen aufbauen, von dem kleine Unternehmen, örtliche Gemeinschaften und die Mitarbeiter in unseren Hotels profitieren… Auf diese Weise stellt AccorLocal eine neue Stufe in der Diversifizierung bei den Aktivitäten unserer Gruppe dar und verleiht unserem Versprechen, den Alltag möglichst vieler Menschen zu verbessern, noch mehr Antriebskraft."

Diversifizierung ist gut, ausser man verliert dabei aus den Augen, wer man eigentlich ist. Der Versuch, sich zu einem globalen Vertriebs-Partner zu entwickeln, ist für AccorHotels nicht gut ausgegangen. Ein Disruptor zu werden, zahlt sich nur dann aus, wenn die Gruppe ihr Kerngeschäft nicht aus den Augen verliert, nämlich, Leuten Unterkünfte anzubieten. In ihrer Pressemitteilung bezeichnet sich das Unternehmen selbst nicht als Hotel-Kette, sondern als weltführende Reise- & Lifestyle-Gruppe und digitalen Innovator … Wie heisst es doch so schön: Durch Schein zum Sein! / Sarah Douag

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