Da wartet viel Arbeit Präsidentenwechsel bei der ÖHV Michaela Reitterer blickt zurück
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Da wartet viel Arbeit

Präsidentenwechsel bei der ÖHV – Michaela Reitterer blickt zurück

Staffelstab-Übergabe beim ÖHV mitten in der Corona-Krise: Es gibt viel zu tun.Foto: Adobe Stock comicsans

Wien. Corona liess den Jahreskongress der Österreichischen Hoteliervereinigung Mitte Januar ausfallen, den Präsidenten-Wechsel aber vollzog man. Walter Veit folgt Michaela Reitterer. Im Rückblick sagt die scheidende, ebenso beliebte wie kritische Präsidentin: "Erst als es keinen Tourismus mehr gab, wurde seine Rolle richtig sichtbar und anerkannt." Sie selbst würde aber nie in die Politik gehen. Ketten werden vermehrt in die Ferienhotellerie einsteigen, sagt sie, und in der Stadt braucht es neue Betreiber-Modelle.

Michaela Reitterer musste am 17. Januar 2022 aus ihrer Funktion scheiden. Die ÖHV-Statuten liessen keinen Spielraum bis zum aufgeschobenen Kongresstermin im Mai. Die engagierte Präsidentin stand die maximal erlaubte Zeit von drei mal drei Jahren an der ÖHV-Spitze. Zum Abschluss wurde sie mit Lob überhäuft und einem hochprofessionellen Facebook-Video seitens der ÖHV geehrt. hospitalityInside.com stand die Funktionärin und erfolgreiche Hotelière drei Tage vor ihrem Abschied für das nachfolgende Interview zur Verfügung.

Sie übergab ihr ÖHV-Amt am 17. Januar an den bisherigen Salzburger Landesvorsitzendem Walter Veit, zu dem es keinen Gegenkandidaten gab. Veit ist zwar ein gebürtiger Wiener, doch repräsentiert er den typischen österreichischen Ferienhotelier. Familie Veit besitzt und führt seit Jahrzehnten das Hotel Enzian im Wintersportort Obertauern. Veit war bereits mehrere Jahre Aufsichtsratsvorsitzender der einst von der ÖHV-gegründeten Einkaufsgenossenschaft Hogast. Der innerfamiliäre gleitende Übergang im Hotel Enzian auf die nächste Generation ermöglicht es ihm nun, die ÖHV-Spitze zu übernehmen.

Inhaltlich will Veit nicht viel Zeit verlieren, sondern vollen Fokus auf das Krisen-Management legen. Oberste Priorität hat die Bewältigung von Pandemie und Wirtschaftskrise: "Nichts ist dringender." Schliesslich sei der Tourismus besonders stark von der aktuellen Krise betroffen.

Blumen für eine Top-Lobbyistin: Der neue Präsident Walter Veit bedankt sich bei Michaela Reitterer.Foto: OEHV

"Wir sehen die Bemühungen der Politik. Ohne Entschädigungen gäbe es die Hotellerie heute wohl nicht mehr. Doch vieles bleibt auf der Strecke, dauert extrem lang, ist praxisfremd und überkomplex", so Veit. Das beginnt bei den Verordnungen und geht bis hin zur Abwicklung von Entschädigungen. "Kommt die Liquidität erst in den Unternehmen an, wenn der Antragsteller in Konkurs geht, ist es zu spät", fordert er von der Politik deutlich mehr Abstimmung mit der Praxis.

"Dass uns die Infektionszahlen nach Silvester um die Ohren fliegen, wenn wir die Gäste um 22 Uhr aus dem kontrollierten Umfeld bei professionellen Gastgebern hinauskomplimentieren, war von Anfang an klar. Da hätten viele Infektionen vermieden werden können", nennt Veit ein aktuelles Beispiel. Die Folgen der Fehleinschätzung trage zum wiederholten Mal der Tourismus: "Die Infektionszahlen steigen ins Endlose, die Hotels sind beinahe leer. Wenn der Bund bei den Förderungen nicht nachjustiert, gibt es ein unschönes Erwachen", fürchtet Veit.

Wie hat Michaela Reitterer die vergangenen Jahre erlebt? Welche Erwartungen wurden erfüllt, welche enttäuscht? Sie stand unserem Österreich-Korrespondenten Fred Fettner Rede und Antwort.

Frau Reitterer, Sie scheiden als Präsidentin unter sehr ungewöhnlichen Rahmenbedingungen aus. Sind Sie froh, in diesen harten Zeiten für die Branche die Präsidentenbürde ablegen zu können?

Es gibt keine passende Situation für ein Ende. Aber ich bin sehr froh, dass es bei uns in der ÖHV festgeschrieben ist: drei Perioden à drei Jahre – und dann ist Schluss. Denn ich halte es für wichtig, dass sich Organisationen immer wieder neu erfinden. Mit neuen Vorstellungen, neuem Wording... Natürlich bin ich ein bisserl traurig, denn es war eine aufregende Zeit. Ich habe viel gelernt, tolle Menschen erlebt und spannende Diskussionen geführt. Aber es wird mir nichts ausmachen, jetzt mehr Zeit für die Familie zu haben. Es gibt keinen Schritt ohne Nachteil und Vorteil.

Die Corona-Zeiten haben ihre Funktion mit Inhalten gefüllt, an die Sie zu Beginn wohl nicht dachten...

Ja, die beiden vergangenen Jahre waren "outstanding". Ich führte tausende Hotelier- und Politiker-Telefonate. Da war viel Leid, Verzweiflung, Ungewissheit, aber auch Zynismus dabei. Das macht auch etwas mit dem eigenen Energiehaushalt. Hinzu kam meine Sorge um das eigene Hotel. Es sind so schwierige Zeiten geworden – dies war bei der langjährigen Erfolgsstory des Tourismus sicher nicht zu erwarten. Ich war ja angetreten, um dem Tourismus in Österreich die ihm zustehende Bedeutung zu schaffen. Wir waren als wirtschaftliche Kraft gegenwertig, der Erfolg wurde auch politisch als gegeben betrachtet.

Für die Wahl zur ÖHV-Chefin brachte Michaela Reitter 'drei No Go's' mit: Sie war eine Frau, kam aus Wien und aus einem 3-Sterne-Hotel.Foto: Florian Lechner Voels

Ich bin mir zwar sicher, dass es uns schon in den ersten Jahren gelungen ist, die Wertigkeit der Tourismuswirtschaft in Österreich besser zu zeigen, aber so richtig schaffte es erst der Lockdown. Erst als es keinen Tourismus mehr gab, wurde seine Rolle richtig sichtbar und anerkannt.

Wie ist die Lage der Hotellerie aktuell?

Die Diskussion über Über-Förderungen, wie es jetzt gerade geschieht, finde ich zynisch. Da geht es vielleicht um einige, wenige Hotels. Vor allem gab es den 80-prozentigen Umsatzersatz nur einen Monat lang, darauf folgte ein langer Lockdown bei vollen Kühlhäusern und mit geringerem Umsatz-Ersatz. Alle Unterstützungen waren und sind mehr als notwendig, denn wenn man amtlich schliesst, muss man auch das Überleben absichern.

2022 wird es für einige Betriebe erstmals eng werden. Kurzarbeit und Unterstützungen wird es nur mehr bis März geben. Gerade die Frage um geleistete Mieten, welche die Cofag als nicht gerechtfertigt sieht und dafür von den Hotels erhaltene Unterstützungen zurückfordern will, darf nicht in einzelnen, endlosen Prozessen enden. Da wartet viel Arbeit auf das neue ÖHV-Präsidium.

Wie sieht das Hotel in 10 Jahren aus, wodurch wird es sich von heute unterscheiden?

Anders als vor neun Jahren glaube ich heute, dass viele Ketten auch in der Ferienhotellerie Fuss fassen werden. Die Schere zwischen Hotels mit intensiver und ohne jede Dienstleistung wird weiter aufgehen. Also wird die Bereitschaft zur Zahlung für Dienstleistungen zum entscheidenden Kriterium. Das ist vielleicht einer der wenigen Punkte, die für Stadt- und Ferienhotels gleichermassen gilt. Familiengeführte Hotels werden eher noch unter den Häusern mit intensiver Dienstleistung zu finden sein. In der Stadt sind eigentümergeführte Hotels heute schon rar, auch weil Betreiberfamilien kaum im gleichen Umfang Banksicherheiten erhalten wie Konzerne. Es werden also neue Betreiber-Modelle kommen müssen.

Sie wurden ja einst schon als Ministerin gehandelt. Ein Kelch, der vorübergegangen ist – oder eine Perspektive?

Wenn ich etwas in den letzten beiden Jahren gelernt habe, dann die Überzeugung, nie in die Politik zu gehen. Als Unternehmerin ist es unmöglich, für Entscheidungen anderer den Kopf hinhalten zu müssen. Ich bleibe mit den für mich interessanten Ministerien sicher in Kontakt, stehe bei Fragen gerne zur Verfügung, aber selbst in die Politik gehen – nein, danke!

Die eigene Bevölkerung akzeptiert Tourismus nur noch in nachhaltiger Form, ist Michaela Reitterer überzeugt.Foto: Hotel Stadthalle Wien 

Man fragt retrospektiv immer nach den Superlativen. Was war ihre ärgerlichste Niederlage oder Enttäuschung?

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer für Beherbergung von 10 auf 13% war nicht nur eine politische Niederlage, sondern auch eine menschliche Enttäuschung. Der Finanzminister hat es mir ins Gesicht versprochen – und auch im Radio-Interview wiederholt – dass diese Erhöhung keinesfalls angedacht sei. Drei Monate später war sie Realität. Er hat mich einfach angelogen – und Kanzler Reinhold Mitterlehner hat nach seinem Sturz gesagt, die 13% seien einer seiner grössten Fehler gewesen, denn eine komplette Branche sei der regierenden ÖVP damit verloren gegangen.

Und was war die grösste Freude?

Ich könnte sagen, wie das Gesetz zum Ende der Ratenparität durchgegangen ist. Oder dass ich unseren Mitgliederstand von 1.250 auf 1.640 Mitglieder erhöhen konnte. Aber wenn ich ehrlich bin: Es war der Moment, als ich zur Präsidentin gewählt wurde. Denn ich vereinte drei No-Go's für die ÖHV: Ich war eine Frau, aus Wien und hatte nur ein 3 Sterne-Hotel. Die Wahl hat mich wirklich mit Stolz erfüllt.

Geht die Zeit der Frauen-Regentschaft im österreichischen Tourismus allmählich wieder zu Ende? (Red: Im Jahr 2018/19 hatten fünf Frauen einflussreiche Positionen im Tourismus inne, u.a. bei den Branchenverbänden ÖHV, Wirtschaftskammer, der Österreich Werbung und im Tourismusministerium.)

Ja, leider. Aber immerhin kann ich sagen, dass es die beste Zeit war, die Österreichs Tourismus erlebt hat.

Was werden Sie persönlich nun machen?

Ich war ja im Hotel täglich präsent, selbst wenn unsere Mitarbeitenden gewohnt waren, dass ich häufig ausser Haus war. Aber ich bin froh, dass ich Zeit für mich haben werde. Um zu regenerieren, werde ich auch sicher Betriebe meiner Kolleginnen und Kollegen besuchen. Ich freue mich, mehr Zeit für mich zu haben. Ich hatte im Lockdown plötzlich Zeit für Sport gehabt, für Nordic Walking, Fitness und Golf. Das war leider das erste, was ich nachher wieder gestrichen habe. Aber natürlich freue ich mich auf mehr Zeit mit meinen Enkelkindern – und werde, so schnell es geht, endlich wieder zu meinem Sohn fahren, der in Vietnam lebt.

Inhaltlich werde ich mich dem Nachhaltigkeitsthema weiter widmen. Ich bin überzeugt, dass nachhaltiger Tourismus die Zukunft sein muss. Sonst akzeptiert in Europa die eigene Bevölkerung den Tourismus nicht mehr. Tourismus gehört in den Green Deal hinein.

Weiters brauchen wir Qualitätstourismus. Es geht nicht, jedes Zimmer billig zu verschleudern. Wenn jemand meine Expertise haben möchte, dann werde ich die zur Verfügung stellen. Selbst habe ich so viel Geld für Fehler ausgegeben, dass es schön wäre, andere davor bewahren zu können. Etwa als Beraterin, aber ein eigenes Institut werde ich nicht aufmachen.

Herzlichen Dank für das Gespräch, Frau Reitterer!

Interview: Fred Fettner

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