Das Gebäude Hirn steuert alles Fachkonferenz für Smart Buildings zeigte Nur gemeinsam gehts voran
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Das Gebäude-Hirn steuert alles

Fachkonferenz für Smart Buildings zeigte: Nur gemeinsam geht's voran

Das Netzwerk der Zukunft verknüpft smarte Gebäude mit dem Menschen. Der Trend ist unumkehrbar.Foto: Sashkin stock.adobe.com

Aachen. Es war ein bisschen wie futuristisches Speed-Dating. Auf der zweitägigen Fachtagung "Smart Building Solutions 2019" im Cluster Smart Logistik der RWTH Aachen zeigten Wissenschaftler, Startups, Projektentwickler und Investoren innovative Lösungen für intelligente Gebäude, zukunftsfähige Quartiere und wie Städteplanung im digitalen Zeitalter aussehen könnte. Das Motto dabei: Allein war gestern, heute gilt: Zusammen sind wir stärker. Ein Ausflug in eine Zukunft, die schon näher ist, als viele glauben.

An der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen hat die Zukunft bereits begonnen. Grosse Fensterflächen im Cluster Smart Logistik geben den Blick auf eine Halle frei, in der viel geschraubt und gebaut wird, immer wieder flitzen kleine Roboter durch die Gegend. Im Konferenzraum ein Stockwerk darüber stand ein Prototyp des e.GO Life ganz bescheiden in der Ecke. Das günstige E-Auto ist eine Innovation aus Aachen. Kürzlich wurden die ersten Kundenfahrzeuge ausgeliefert.

Eines davon ging an Armin Laschet, Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen. Günther Schuh, der Entwickler des Autos, ist Ingenieur und Professor für Produktionssystematik an der RWTH. Auf der Tagung referierte er über Mobilität als Treiber zukünftiger urbaner Strukturen, sprach über neue Innenstädte, multifunktionale Hubs an den Einfallstrassen und über stressfreies Parken. Fortschritt und Infrastruktur würden einander bedingen, so Schuh. Immer mehr Menschen würden im urbanen Raum leben und arbeiten, wodurch die Schadstoffbelastung immer mehr zunähme. Deshalb müsse das Mobilitätsangebot angepasst werden.

Für Schuh ist Parken am Strassenrad verschwendete Verkehrsfläche. Seine Idee: eng getaktete, gepoolte Shuttles, sogenannte Mover, die verfügbare Flächen besser nutzen und mehr Passagiere transportieren können. Gesteuert wird alles durch ein Verkehrsleitsystem. Es müsse auch eine neue Immobilien-Klasse entstehen. Seine Idee: e.2GO Hubs im Einfallsbereich der Städte, die den Autofahrer allerlei integrierte Mobilitätslösungen für die Innenstadt anbieten. z.B. ÖNV, Shuttles, Räder, E-Scooter, Parken, Tanken und eine Vielzahl anderer Dienstleistungen, wie Tagungsräume, Supermärkte, Paket-Abholstationen. Stressfreies Parken sieht für ihn so aus: Anhalten, aussteigen, Smartphone zücken und das Auto per App-Befehl zum Einparken schicken...

e.GO Life - ein Auto, das in Aachen erfunden wurde. Mit ihm sollen Mobility Hubs im Einfallsbereich der Städte entstehen.Foto: SBS

Insgesamt hörten sich rund 150 Investoren, Projektentwickler und Berater 22 Fachvorträge und Panel-Diskussionen an und diskutierten mit den hochkarätigen Referenten über neue Technologien und Methoden, smarte Gebäude, IT-Sicherheitsfragen, die Transformation urbaner Räume und wie sehr die Immobilienwelt durch digitale Geschäftsmodelle noch revolutioniert werden wird. Sie erhielten Einblicke in neueste Entwicklungen konkreter Plattformkonzepte, über Möglichkeiten von Business Analytics und dem Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie zukünftigen Strategien im Facility-Management. Organisiert wurde die Tagung vom neu gegründeten RWTH Aachen Campus "Center Smart Commercial Building" in Kooperation mit Drees & Sommer, dem Urban Land Institute, Fraunhofer FIT und dem FIR, einer branchenübergreifenden Forschungs- und Ausbildungseinrichtung an der RWTH Aachen.

Austausch der Old & New Economy

Fakt ist: Wer künftig in der Bau- und Immobilien-Wirtschaft eine führende Rolle einnehmen will, muss Planungs-, Gebäude- und Nutzerdaten intelligent miteinander verknüpfen und dabei den Plattform-Gedanken verinnerlichen. "Wenn wir so viel Veränderung wollen, brauchen wir eine Atmosphäre, in der Unternehmen stärker miteinander kommunizieren", so Gerhard Gundergan, Leiter Geschäftsbereich Forschung FIR und Bereichsleiter Business Transformation an der FIR.

Startups üben dabei mit ihren innovativen Technologien einigen Druck auf die Old Economy, also die traditionsreichen Immobilien-Unternehmen, aus. Sie waren in Aachen daher ebenfalls in den Dialog eingebunden, darunter beispielsweise PropTechs wie Enlighted Inc, Ting-it Technologies; Bit Stone Capital Management, AI and IoT –Microsoft, NavVis und Signify. Marco Hofmann Head of LoB Real Estate bei SAP SE hob den Kooperationsgedanken ganz deutlich hervor: "Neuheiten schnell auf den Markt bringen und dabei höchste Nutzeranforderungen zu erfüllen – das schaffen wenige Unternehmen im Alleingang. Strategische Innovations-Partnerschaften werden daher immer wichtiger"

Auch Drees & Sommer setzt sich stark mit der Zukunft auseinander und kooperiert deshalb mit mehr als 25 Startups. "Wir verstehen uns vor allem als Dolmetscher zwischen alter und neuer Welt", so Steffen Szeidl, Vorstand der Drees & Sommer SE ihr Engagement. In Basel forscht man zum Thema BIM, in Berlin zu neuen Büro-Konzepten und in Eindhoven seien der Cradle to Cradle-Ansatz und wiederverwertbare Baustoffe im Fokus. Und in Aachen entwickle und teste man mit Industrie- und Forschungspartnern u.a. intelligente Gebäude.

SmarteGebäude längst unverzichtbar

Ob wir es wollen oder nicht: Der Trend zum Smart Building ist unumkehrbar. IT-Giganten wie Google, Apple oder Amazon haben dies längst erkannt. Beste Beispiele dafür sind der milliardenschwere Erwerb des Smart Home-Anbieters Nest durch Google, die Integration der neuen "Home"-App in das Apple-Betriebssystem iOS 10 oder die Entwicklung des Amazon-Lautsprechers "Echo", einer sprachbasierten Steuerungszentrale für ein ganzes Haus.

Marco Hofmann, SAP: Strategische Innovations-Partnerschaften werden immer wichtiger.Foto: SBS

Vorreiter für Smart Building Lösungen sind Büro- und Wohngebäude, aber auch in den anderen Asset-Klassen ermöglichen digitale Technologien neue Anwendungen und Nutzungsszenarien: In Einkaufszentren sorgen intelligente Shopping-Assistenten dafür, dass jeder Käufer ein massgeschneidertes Einkaufserlebnis samt individualisierter Rabatt-Angebote erhält. Die intelligente Hotel-Immobilie erkennt den Gast, der sich online eingecheckt hat, bereits beim Eintritt in das Gebäude. Komfort-Funktionen lassen sich anhand der bereits gespeicherten Präferenzen steuern. Lift-Türen öffnen sich, sobald sich der Gast mit seinem Smartphone nähert. Das Licht begleitet ihn durch die Flure. Die Zimmertür öffnet er per Code und in seinem Hotelzimmer erklingt seine Lieblingsmusik. Vom Bett aus kann er Heizung, Lüftung und Beschattung regeln. Via Heatmap weiss der Putzdienst am nächsten Tag, wann der Gast das Zimmer verlassen hat. Die Abrechnung für das Housekeeping erfolgt dann automatisch anhand der aufgezeichneten Verweildauer der Reinigungskraft.

Smart Buildings: ein Innovationsmotor

Wie könnte die Zukunft noch aussehen? Sind wir bald ohne Smartphones unterwegs, tragen wir stattdessen intelligente ¬Brillen oder andere Wearables, statt Laptops nehmen wir faltbare Bildschirme? Zur Arbeit würden wir wie gewohnt in Bürogebäude gehen, doch es gibt keine festen Arbeitsplätze mehr. Eine intelligente Zentrale kennt unseren Terminkalender und unsere Vorlieben sowie die Auslastungssituation des Gebäudes und weist uns aufgrund dieser Infos den für uns an dem Tag passenden Arbeitsplatz zu. Ist um Mittag die Kantine zu voll, erhalten sie eine Push Nachricht, besser noch zu warten.

Im "Cube Berlin", einem Projekt des österreichischen Immobilien-Entwicklers CA Immo, wird das nun umgesetzt. Der auch architektonisch erwähnenswerte 100 Millionen-Euro-Bau soll Ende des Jahres eröffnen und zu den smartesten Bürogebäuden der Welt zählen. Die Technik wird bereits seit 2017 getestet. "Smart zielt dabei weniger auf die reine Technik ab, sondern ist die Philosophie, den Nutzer in den Mittelpunkt zu stellen", so Klaus Dederichs, Leiter der Abteilung Informations- und Kommunikations-Technologie bei Drees & Sommer.

Die gesamte Gebäudetechnik wird vernetzt sein: Klimatisierung, Zugangsberechtigung, Parkplatz-Zuteilung, Aufzüge, Raum-Belegung, Innen-Navigation und Kommunikation. Ein gebäudeeigenes Computergehirn – Brain – koordiniert alles und lernt dazu. Es formuliert daraus Verbesserungsvorschläge und optimiert das System auf dieser Grundlage fortlaufend. Die Überprüfung des "Brains" erfolgt in mehreren Laboren in Aachen und zentral auf einem grossen Leitstand, auf dem die Abläufe visualisiert und ausgewertet werden. Die Optimierung erfolgt meist in direkter Kooperation mit den Herstellern der technischen Komponenten. "Hier geht es nicht mehr nur um Einzellösungen, die teilweise schon länger technisch machbar sind, sondern um die Vernetzung der gesamten Technik in einem selbstlernenden Computer-System", beschreiben Matthias Schmidt von CA Immo und Klaus Dederichs die Konzeption.

Mix it: Urbane Intelligenz im Quartier

Einen Schritt weiter geht die Taurecon Real Estate Consulting GmbH, sie will ein ganzes Quartier intelligent machen. Sie wollen aber auch Ökonomie und Nachhaltigkeit verbinden. Und so entsteht westlich der Berliner Heidestrasse auf 85.000 qm das "Quartier Heidestrasse" mit Gewerbe-, Gastro- und Einzelhandelsflächen sowie einem Hotel und 920 Wohnungen, von denen ein Viertel gefördert werden. Ziel ist es, kurze Wege zwischen Wohnen und Arbeiten, eine intelligente Infrastruktur – von ÖPNV über ärztliche Versorgung oder Kultur bis hin zu schnellem Internet, zu bewerkstelligen.

Steffen Szeidl, Drees & Sommer: Wir sind die Dolmetscher zwischen alter und neuer Welt.Foto: Drees & Sommer  

Sie setzen dabei sehr auf aktives Asset- und Quartier-Management. "Durch Digitalisierung soll hier ein Mehrwert geschaffen werden, der für die Bewohner den Komfort steigert und alltägliche Prozesse verbessert", unterstrich Thomas Bergander, Gründer und Geschäftsführer von Taurecon. Auch hier werden alle Daten in ein "Brain" gespeist. Wichtig sei, dass jeder, der dort lebe, seine Daten auch einsehe könne. Auch der Comunity-Gedanke spiele eine wichtige Rolle und wirke gegen die immer grössere Vereinsamung. Bergander warnte aber gleichzeitig, dass nicht alles was machbar sei, auch sinnvoll sei. So würden im Quartier die Schliesssysteme nicht nur per Handy durch schlüssellose Systeme, sondern auch traditionell per Schlüssel zu öffnen sein. Sein Motto: Mix it!

LiFi: Licht kann mehr als leuchten

Neben bekannteren Technologie-Bereichen wie Blockchain und künstlicher Intelligenz fanden sich auch Tech-Trends auf der Konferenz, die nach Science Fiction klangen: "LiFi" beispielsweise. Signify, eine Ausgründung von Philips, beschäftigt sich schon lange damit. Sie wollen mit Licht ganz neue Anwendungen ermöglichen, etwa intelligente Lichtsteuerung in Supermärkten, die auch erfasst, wo die Kunden sich entlang bewegen. Sie wollen aber auch das WiFi durch LiFi ersetzen und eine stabile Alternative zur herkömmlichen Daten-Übertragung schaffen, die oft an ihre Grenzen stösst. Signify entwickelte deswegen die neuartige LiFi Technologie, die eine Internet-Verbindung via Lichtwellen ermöglicht. Dabei wird die Lichtquelle zum Internet-Router, der eine stabile und schnelle Breitband-Verbindung liefert.

Sicherheitsfragen zu Beschäftigen

Je stärker Gebäude vernetzt sind, desto mehr steigt auch das Sicherheitsrisiko. Experten des amerikanischen Forschungsinstituts Memoori zufolge sind bereits 2,7 Milliarden intelligente Steuerungs- und Regelungsgeräte und 84% der verbauten Gebäude-Automationssysteme mit dem Internet verbunden. "Nur mit Backsteinen und Erde lässt sich heute kein Haus mehr bauen. Stattdessen geht es für Investoren darum, die künftige Nutzungsform von Gebäuden abzuschätzen und entlang der Nutzer-Bedürfnisse eine passende Digitalisierungsstrategie abzuleiten", so Thomas Simon, Geschäftsführer der IT-Beratungsfirma ComConsult. Da ein digitalisiertes Gebäude aber laufend Daten erhebe und verarbeite, sei ein hoher Datensicherheits-Standard unerlässlich. Die Separierung von Netzen, der Einsatz von Firewalls und eine vernünftige Betriebstechnik müssen hier die Richtung weisen.

Nach zwei Tagen mit über 20 hochkarätigen Programmpunkten waren sich die Teilnehmer einig, dass Hashtag #SBS2019 eine coole Veranstaltung für Entscheider der Old Economy und für Influencer der New Economy war. / Beatrix Boutonnet

 

 

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