Definitiv am Limit Die DACH Region schlägt Alarm Kritik an den Politiker Argumenten
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Definitiv am Limit

Die DACH-Region schlägt Alarm - Kritik an den Politiker-Argumenten

Von 2G+ bis zum Lockdown für Ungeimpfte: die Aussichten für die Branche sind in Deutschland und Österreich alles andere als heiter.Foto: Adobe Stock Andreas Prott 

Berlin/Wien/Bern. Der Jahreswechsel hat in der DACH-Region nicht zur erhofften Corona-Entspannung, sondern zu weiteren Einschränkungen und mehr Chaos geführt. Die Branche schlägt Alarm und ist nun definitiv am Limit angekommen. Auf sie gehört wird von der Politik nur am Rande.

DEUTSCHLAND: Föderaler Kuddel-Muddel hält an

In Deutschland bleiben sowohl die Corona-Situation als auch die Corona-Regelungen weiterhin ziemlich unübersichtlich, zudem sind die Zeitungen gefüllt mit widersprüchlichen Meldungen zur geplanten Einführung einer Impfpflicht. Die Wirtschaft leidet unter der Ungewissheit. Im Gegensatz zu den bisherigen Virus-Varianten, die meist ihre Hotspots in Bayern, Sachsen und Thüringen hatten, hat die Omikron-Variante vor allem den Nordwesten Deutschlands im Griff und bahnt sich von dort einen Weg in den Süden.

Bereits Ende Dezember prognostizierte das Institut der Deutschen Wirtschaft dem Land einen harten wirtschaftlichen Einschnitt durch Omikron. Die Verschärfung der Corona-Massnahmen zur Bekämpfung der Omikron-Variante drohen nach dessen Berechnungen vor allem im Gastgewerbe und im stationären Einzelhandel tiefe Spuren zu hinterlassen. Die neue Welle und die damit verbundenen Einschränkungen erhöhten den Verlust beim Bruttoinlandsprodukt noch einmal um 5 bis 15 Milliarden Euro. Die Corona-Schäden im ersten Quartal könnten sich damit auf bis zu 50 Milliarden Euro summieren.

Umfrage: Fast zwei Drittel existenzgefährdet

Im Gastgewerbe sorgt vor allem die fast flächendeckende Einführung einer 2G plus Regelung für Angst und Unmut. Die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes belegen die katastrophalen Umsatzverluste in dem für das Gastgewerbe besonders wichtigen Weihnachts- und Silvestergeschäft. "Der Umsatz unserer Branche brach im Dezember um die Hälfte gegenüber dem Vorkrisenjahr 2019 ein", erklärt Dehoga-Präsident Guido Zöllick.

Die Folgen: 55,7% der Unternehmer sehen ihren Betrieb aktuell in seiner Existenz gefährdet. Bereits im November betrug der Umsatzverlust - 34,1%. "Vielfach sind Liquiditätsreserven aufgebraucht. Deshalb erwarten wir jetzt von der Politik, dass alle Unternehmen die notwendige finanzielle Unterstützung bekommen, die ihre Existenz und den Erhalt der Arbeitsplätze sichern", so Zöllick. Verantwortlich für die erheblichen Umsatzverluste sind die seit Wochen geltenden 2G oder 2G+ Zugangsregelungen, Kontakt-Beschränkungen, Veranstaltungsverbote, Sperrzeit-Regelungen sowie Schliessungen von Clubs und Discotheken.

Gemäss der Dehoga-Umfrage beläuft sich der Umsatz-Rückgang für das Gesamtjahr 2021 im Vergleich zum Vorkrisenjahr 2019 auf durchschnittlich 41%. Zu den aktuell grössten Herausforderungen zählen die Unternehmer laut Umfrage: Einschränkungen durch Verordnungen, Absage von Veranstaltungen, fehlende Nachfrage, Mitarbeiter-Gewinnung, nicht ausreichende Hilfen. An der Umfrage des Bundesverbandes zur wirtschaftlichen Lage hatten sich in der Zeit vom 3.-6. Januar 2022 insgesamt 9.300 gastgewerbliche Betriebe aus ganz Deutschland beteiligt.

Kann uns eine Impfpflicht der Normalität ein Stück näher und Gäste wieder in die Restaurants und Hotels bringen? Deutschland diskutiert…Foto: Hyttalo Souza unsplash

"Das versteht keiner mehr"

"Mit der flächendeckenden und pauschalen Einführung der 2G-Plus-Regel drückt man das Gastgewerbe an die Wand," erklärt auch der Präsident des Hotel- und Gastronomieverbandes Dehoga Hessen, Gerald Kink. Die aktuellen Hotspot-Regelungen in Hessen, die zur 2G+ Regel in Regionen mit einer hohen Inzidenz führten, machten deutlich, dass die Umsätze noch tiefer in den Keller rauschten. "Doch ist hier wenigstens ein hoher Inzidenzwert von 350 ein fester Massstab, der auch wieder verlassen werden könne. Pauschal nun überall 2G+ einzuführen und weder auf die Inzidenz noch die Belegung der Intensivstationen zu schauen, das versteht in unserer Branche keiner mehr," so Kink, der in diesem Zusammenhang erhebliche Zweifel an der rechtlichen Verhältnismässigkeit äussert und rechtliche Schritte für die Branche ankündigt.

Unterdessen darf sich der Dehoga Bayern über Beschlüsse seines Ministerrates freuen, die 2G+ Regel nicht umzusetzen. Allerdings herrschen dort schon grundsätzlich strengere Regeln. Dehoga Bayern-Präsidentin Angela Inselkammer: "Das ist die richtige Entscheidung, da auch der Expertenrat der Bundesregierung im Vorfeld der Ministerpräsidenten-Konferenz keinerlei Handlungsbedarf in der Gastronomie gesehen hat. Wir danken stellvertretend Ministerpräsident Markus Söder, dass er mit Augenmass entschieden hat. Denn anders als in anderen Ländern sind in Bayern Schankwirtschaften, Bars, Clubs und Diskotheken bereits seit langem komplett geschlossen. Zudem sind in bayerischen Betrieben, ebenfalls im Gegensatz zu anderen Ländern, auch laute Musik und Tanzen verboten, darüber hinaus gelten bei uns mit die schärfsten Sperrzeit-Regelungen. Vor diesem Hintergrund, aber auch weil es nur bei einem Prozent aller entsprechenden behördlichen Kontrollen im Gastgewerbe Beanstandungen gab, stellte sich sehr wohl die Frage, ob 2G+ einen infektiologischen Mehrwert gehabt hätte und damit verhältnismässig gewesen wäre."

Ruf nach Impfpflicht und optimierten Zahlen

Langfristig werde nur eine hohe Impfquote den Weg in die Normalität ermöglichen, so das IW. Eine allgemeine Impfpflicht würde nach Einschätzung des Instituts diesen Prozess beschleunigen und für eine Entlastung in den Krankenhäusern sorgen. Die deutsche Bundesregierung hat sich grundsätzlich bereits für eine Impfpflicht ausgesprochen, erst am 12. Januar betonte Bundeskanzler Olaf Scholz erneut, dass er eine allgemeine Impfpflicht für alle über 18-Jährigen wolle und keine, die auf bestimmte Berufs- oder Altersgruppen beschränkt sei. Doch für all die vorgesehenen Auffrischungen und die Impfpflicht hat Deutschland nicht genügend Impfstoff.

Ärzte kritisieren die Richtigkeit der Zahlen

Wie u.a. die Tageszeitung FAZ berichtet, hat Gesundheitsminister Karl Lauterbach nun fünf Millionen Dosen Biontech-Impfstoff aus einem EU-Kontingent für Rumänien bestellt, der ab 24. Januar zur Verfügung stünde. Unterdessen mehren sich nicht nur unter deutschen, sondern auch unter weiteren europäischen Wissenschaftlern und Klinik-Chefärzten Aussagen, dass die gemeldeten Corona-Zahlen an Aussagekraft verlören.

Der italienische Chefarzt für Infektionskrankheiten am Krankenhaus Genua, Matteo Bassetti, äusserte beispielsweise, dass 34% der sogenannten "Covid-Einweisungen ins Krankenhaus in Wahrheit Patienten mit anderen Beschwerden seien, die nach einem positiven Corona-Testergebnis aber als Covid-19-Fälle verbucht werden müssten. Der gleiche Fehler würde bei der Registrierung der Todesursache gemacht. Werde ein Patient wegen einer Erkrankung eingeliefert, positiv getestet und sterbe im Anschluss, würde er automatisch als Covid-19-Todesfall vermerkt. Ähnlich hatte auch der Chef-Virologe der Charité in Berlin, Christian Drosten, bereits vor einigen Tagen argumentiert.

 

ÖSTERREICH: Regelungen im Dauerwechsel 

Die Skilifte in Österreich standen im März 2020 still – dafür bekommen die Betreiber nun eine Entschädigung.Foto: Ötztal Tourismus 

In Österreichs Winter haben sich über die Weihnachtsfeiertage weder die schlimmsten noch optimistischsten Erwartungen erfüllt. Auch wenn zum aktuellen Zeitpunkt noch keine statistischen Zahlen vorliegen, wird die Einschätzung der Österreichischen Hoteliervereinigung breit geteilt: "Nachdem die Weihnachtsferien trotz erschwerter Vorzeichen kurz davor in vielen Ferienbetrieben gut verlaufen sind, steht mit der immer stärker werdenden Omikron-Welle die nächste Herausforderung an”, formuliert es Generalsekretär Markus Gratzer. Relativ weit von einer Erholung ist aber die Stadthotellerie speziell in Wien entfernt.

Nach dem Ende der Weihnachtsferien erliess Österreich neue Massnahmen. Seit 11. Januar gilt generell die FFP2-Maskenpflicht auch im Aussenbereich, wenn zwei Meter Abstand zwischen Menschen nicht möglich ist. Einzelne Bundesländer können stark frequentierte Plätze als FFP2-maskenpflichtig definieren. Zusätzlich gilt Home Office nun als Regel, nicht mehr als Möglichkeit.

Was gerne "übersehen" wird: Weiterhin gilt – abseits lebenswichtiger Versorgung und Freizeit in der Natur – ein verordneter Lockdown für alle "Nicht-Geimpften", also jenes knappe Viertel der Bevölkerung, das weder geimpft noch genesen ist. Dieses theoretische Verbot wird seit wenigen Tagen von verschärfter Kontrolle begleitet. Die Kontrollen betreffen die Gastronomie – und nun auch den Handel, wo die Unternehmen nun ebenfalls für Eintrittskontrollen verantwortlich sind. Ab 3. Februar können bei groben Vergehen gegen Covid-19-Massnahmen temporäre Betretungsverbote gegen die Betriebe verhängt werden.

Maske tragen und Quarantäne neu definiert

Schon drei Tage zuvor traten neue Quarantäne-Regeln in Kraft, die insgesamt Erleichterungen brachten. Die Unterscheidung zwischen direkten und indirekten Kontakten ist gefallen. Es gibt nur noch unmittelbare Kontaktpersonen. Wer den Booster bereits erhalten hat und mit FFP2-Maske in Kontakt mit einer ebenfalls Maske-tragenden, infizierten Person war, gilt nun nicht mehr als Kontaktperson. Muss also nicht in Quarantäne. Alle Kontaktpersonen können sich nun ab dem 5. Tag mit einem negativen PCR-Test freitesten, ebenso positiv getestete Menschen.

“Alles wird gut“ … Die Schweizer sind optimistisch und hoffen,ohne grössere Einschränkungen durch die Pandemie zu kommen.Foto: Adobe Stock Adrien 

Wie der Geschäftsführer Tourismus der WKÖ, Manfred Katzenschlager, betonte, seien diese Erleichterungen angesichts des ohnehin bestehenden Fachkräftemangels für den Tourismus besonders wertvoll. Denn nach den vorhergehenden Regelungen hätten viele Betriebe nach Omikron-Fällen wegen Personalmangels schliessen müssen.

Mehr Minus als in 2020

Die Wirtschaftskammer fordert daher weiterhin die Umsetzung dringend notwendiger Hilfsmassnahmen. Denn die aktuellen Umsatzsteuer-Voranmeldungen von Beherbergung und Gastronomie würden zeigen, dass die beiden Sparten trotz des starken Sommers von Januar bis Oktober 2021 ein Umsatzminus von 37,2% verzeichneten. 2020 waren es bereits -27,1% gewesen.

Zusätzlicher Schmerzpunkt: Die vorübergehende Senkung der Mehrwertsteuer von 10% und 20% auf einheitlich 5% wurde nicht wie gewünscht fortgesetzt, sondern endete mit Jahreswechsel.

Mehr Glück hatten zuletzt die österreichischen Bergbahnen. Einerseits konnten an Corona-Hilfen flossen nach unterschiedlichen Quellen rund 300 Millionen Euro an Hilfsgeldern, andererseits entschied nun der Verfassungsgerichtshof als oberste Instanz, dass den Bergbahnen für die amtlich verfügte Schliessung im März 2020 entgegen der bisherigen Rechtsansicht eine Entschädigung im Sinne des Pandemie-Gesetzes zusteht. Dabei soll es um rund 100 Millionen Euro gehen.


SCHWEIZ: Skirennen mit Zuschauern

Vor allem beim Winter-Tourismus blickt Österreichs Tourismusbranche immer wieder hinüber zu den Schweizer Nachbarn. Im Vorjahr neidvoll, da dort die Hotels nicht geschlossen waren – und auch dieses Jahr ortet man in der Schweiz mehr Grosszügigkeit. Weniger neidvoll blickt man auf die Zahlen: Am 10. Januar verzeichnete die Schweiz über 60.000 neue Infektionsfälle, im 7-Tage-Schnitt immer noch 25.000. Der Kanton Zürich erwartet nächste Woche bis zu 40.000 Fälle. In Österreich waren es zuletzt etwas über 10.000 Fälle.

Bemerkenswert ist zusätzlich der Vergleich der ausgewerteten Tests. In der Schweiz waren es 221.000 in Österreich 380.000. Der positive Anteil erreichte bei PCR-Tests ein Drittel aller Tests, bei Antigen-Test ein Viertel. In Österreich waren an diesem Tag 2% aller PCR-Tests positiv.

Vor diesem Hintergrund lösten die Skirennen in Adelboden in Österreich grosses Erstaunen aus. Während in Österreich schweren Herzens alle Weltcup-Wettbewerbe ohne Publikum stattfinden, waren im schweizerischen Adelboden 13.000 Zuschauer dabei – grossteils jubelnd ohne Maske. Was den zweitplatzierten Österreicher Manuel Feller zur launischen Feststellunjg veranlasste: "Die Schweizer gehen hier offenbar einen anderen Weg. Die wollen an einem Wochenende alle durchseuchen." Er sprach damit den meisten österreichischen Touristikern aus der Seele, welche im Kampf gegen Omikron die aktuellen Massnahmen – darunter weiterhin eine Gastronomie-Sperrstunde um 22 Uhr – akzeptieren. / Fred Fettner, sst

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14.1.2022

Rom/Madrid/Brüssel/Amsterdam/Paris. Diese Weihnachts- und Wintersaison ist schlimmer als 2020. Der Frust der Hoteliers sowie der Branchenverbände in Italien, Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden wächst. Sie alle sehen nur eines: Die Politik reagiert über Nacht, mit drastischen Überraschungen, sich ständig ändernden Regeln und lässt fast keinen Willen erkennen, angemessen zu reagieren. Die Angst vor Omikron verstärkt vielmehr den Aktionismus. Unsere Korrespondenten berichten.

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