Der klebrige Kunde Accor Abschied: SVP Daniela Schade über Veränderungen im Commercial Mix
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Der klebrige Kunde

Accor-Abschied: SVP Daniela Schade über Veränderungen im Commercial Mix

25hours gehört zu den individualisierten Marken des Accor-Konzerns - und hat das Image der Gruppe positiv mit verändert.Foto: 25hours Hotels

München. Ihre Karriere spiegelt exakt den Wandel vom klassischen Sales & Marketing in der Branche bis zur "Commercial World" im Jahr 2020. Daniela Schade verlässt heute nach 15 Jahren Accor: als Geschäftsführerin von Accor in Deutschland und als Senior Vice President Commercial Development für Deutschland, Österreich und die Schweiz. Was hat sich gewandelt, wohin treibt die Branche in diesem wichtigen Bereich, in dem die Stellschrauben für den Kontakt mit dem Kunden und für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens gesetzt werden? Ein Gespräch über Veränderung.

Daniela, 15 Jahre Accor bedeuten auch 15 Jahre Wandel, sowohl in der Branche wie auch bei der grösste Kette Europas und erst recht in der eigenen "Abteilung": Zu Deiner Verantwortung gehören bis heute Sales, Marketing, Loyalty-Programme, das Web, Customer Relationship Management und Customer Touchpoints, genauso wie Pricing und Revenue. Allein diese Aufzählung zeigt schon die Mega-Veränderungen in relativ kurzer Zeit. Was war der grösste "Aufreger"?

Die grösste Herausforderung war die Distribution. Wir alle waren zu lange zu abhängig von den OTAs, wir sind zu stark und zu schnell auf diesen Umsatz-Kanal aufgesprungen – anstatt intensiver über Direktbuchungen und Pricing mit Kundenbindung nachzudenken. Das verändert sich gerade noch einmal durch die Corona-Krise.

Daniela Schade: Die Kunst ist es, Marken voneinander abzugrenzen.Foto: Accor

Was hat sich in diesen 15 Jahren bei Accor verändert?

Als ich 2006 als VP National Sales in München startete, zählte Accor 11 Hotel-Marken, heute sind es 39. Damals war Accor die Firma mit den "Novotels mit den Plastikbädern an der Autobahn" (sie lacht rückblickend), heute ist das Image der Gruppe und der einzelnen Marken ein ganz anderes und vor allem sehr positiv. Keine andere Kette ist in dieser Zeit so schnell gewachsen. Accor hat sich selbst mehrfach neu erfunden. Es war und ist unglaublich spannend.

Nicht nur bei Accor, in der gesamten Hotellerie hat es eine nie dagewesene Markenflut gegeben. An welcher Commercial-Schraube muss man am heftigsten drehen, um eine neue Marke zum Revenue-Erfolg zu machen?

Die Kunst ist, Marken voneinander abzugrenzen. Das ist Accor angesichts seines gewaltigen Wachstums in grossen Teilen gelungen. Wir haben uns u.a. von streng standardisierten zu individuelleren Marken entwickelt – Beispiele sind 25hours, Mama Shelter oder Tribe. Mit ihnen sind wir dem Zeitgeist gefolgt, haben den Kontakt zu den Kunden verbessert und gleichzeitig unseren unterschiedlichen Eigentümer weitere Entwicklungschancen gegeben. Jede Marke braucht eine kritische Grösse. Corona ist nun wieder eine neue Entwicklung, lässt aber Raum zum Nachdenken und Optimieren.

Bei welchen Säulen des Commercial Development – wie oben einzeln aufgelistet – hat eine Hotelgruppe denn heute noch den grössten individuellen Gestaltungsspielraum?

In der Vernetzung der einzelnen Säulen. Als ich bei Accor begann, steckte das einfache Channel Management noch in den Kinderschuhen. Heute orientiert sich der kommerzielle Erfolg an zwei "Schlüsseln": daran, das Produkt erlebbar zu machen und sich die Loyalität des Kunden zu sichern. Der neue Fokus liegt damit auf einem starken Loyalty-Programm und auf Customer Retention. Das alte Giesskannen-Prinzip gilt nicht mehr, individualisierte Messages über alle Touch Points hinweg sind jetzt gefragt.

Die Guest Experience nimmt uns alle in die Pflicht. Wir analysieren heute den "customer lifetime value". Intern hat eine Kollegin dafür den witzigen, aber treffenden Begriff "customer stickiness" geprägt – wie lange "klebt" der Kunde an uns?

Kann man die Kundentreue überhaupt noch steuern angesichts von 39 Marken in der eigenen Gruppe und hunderten von ähnlichen Marken draussen im Markt?

Ja, das geht. Uns hat hier in den letzten eineinhalb Jahren wirklich unser neues Loyalty-Programm ALL mit seinem Lifestyle-Ansatz geholfen, das weggeht vom reinen Punktesammeln. Es geht dabei nicht mehr nur um das Buchen eines Betts für eine Nacht, sondern um buchbare Erlebnisse wie Konzerte, Food Festivals oder den Besuch eines Sterne-Restaurants. Diese grosse Vielfalt ist eine wichtige Komponente im "Klebstoff".

Das war die Markenwelt von Accor im Jahr 2016, als FRHI dazu kam. Heute zählt die Gruppe allein 39 Hotel-Marken - und mit den 'New Business'-Marken sogar 51.Foto: Accor

Accor hat etliche Hotelgruppen bzw. Marken gekauft – und damit in der Regel auch eine andere Gäste-Kultur. Kann man Loyalty einfach zukaufen?

Wir haben es durch die Übernahme von Fairmont Raffles Swissotel erlebt: Die Verschmelzung der Loyalty-Programme hat viel länger gedauert als erwartet. Aber es machte Sinn, weil wir so unser Luxus-Segment stark anreichern konnten. Einfacher war es natürlich bei 25hours oder Mövenpick Hotels: Beide verfügten über keine Programme. Loyalty-Programme gehören aber zur DNA eines Unternehmens, weil sie einen echten Mehrwert für die Gäste schaffen können. Jeder versucht ein "Retention Programm" zu etablieren.

Damit sind dann der klassische Verkauf und die Pflege von Key Accounts endgültig tabu?

Es hat sich grundlegend verändert, ja. Wir stellen um auf Storytelling und Social Selling. Wir bewegen uns von einzelnen Channels weg hin zu einer grossen technologisch vernetzten Plattform. Meiner Meinung nach hat Accor gelernt: Das Budget einer Hotelgruppe für Technologie allein wird nie so gross sein wie das von grossen OTAs. Deshalb müssen wir sie einfach als Öffner zu einem weiteren Kanal betrachten, der seinen Platz im Commercial Mix hat.

Für mich stellt sich eine ganz andere, gewichtige und kritische Frage: Ist unser Kunde ein OTA-Kunde oder ein Accor-Kunde? Ein Hotel, das seinen Kunden über den OTA bekommt, hat vor dem Aufenthalt nur wenige Details über diesen Kunden. Unser grosser Vorteil ist jedoch, dass der Gast physisch bei uns vor Ort ist und hier liegt ein Riesen-Potential. Aber selbst das werden wir auch allein gar nicht mehr voll ausschöpfen können, sondern nur in Kooperation mit Partnern.

Wenn die Kernfrage der Zukunft damit heisst "Was machen wir aus dem Gast-Kontakt?", dann ist aber auch die Operation und jeder einzelne Mitarbeiter im Hotel gefordert, richtig?

Absolut, das bedeutet, wir müssen die Marke im Hotel leben – vorleben, auch durch einen intensiveren, massgeschneiderten Service am Gast.

Luxus im Fairmont Monte Carlo: Die 'Touch Points' mit dem Kunden entscheiden über die Loyalität.Foto: Eric Cuvillier Paris 2008

Das kollidiert aber mit dem Kostendruck der Hotels, vor allem bei Budget- oder Economy-Marken. Wird es bei Accor dann doch vielleicht Roboter geben, auch wenn CEO Sébastien Bazin sich das immer noch nicht vorstellen kann?

(Sie lacht.) Ich kann mir durchaus vorstellen, dass ein kleiner Roboter mir das Frühstück aufs Zimmer bringt.

Welchen Rat gibst Du Deinen Kollegen bei Accor und in der Branche mit auf den Weg?

Bleibt neugierig! Bleibt immer in Bewegung! Akzeptiert einen Status nie als final. Überdenkt alles. Veränderung gehört immer dazu, es ist Teil unseres Lebens.

Und was verändert sich bei Dir ab Montag?

Dann werde ich zwei Wochen lang in den Bergen sein und meine Gedanken danach neu sortieren, in aller Ruhe. Corona hat auch mich zum Nachdenken gebracht. Ich werfe mich sozusagen selbst aus dem Hamsterrad… Aber ich bin Accor sehr dankbar dafür, dass ich so viele Umdrehungen mitmachen durfte.

Alles Gute und dankeschön für dieses Gespräch!

Interview: Maria Pütz-Willems

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