Der lange Weg zum gesunden Globus Neues Sustainability Ranking Die Länder sind noch weit voneinander entfernt
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Der lange Weg zum gesunden Globus

Neues Sustainability Ranking: Die Länder sind noch weit voneinander entfernt

Die SDGs der UNWTO sind ein guter Wegweiser für ein globales Konzept mit ökologischen, sozialen und ökonomischen Kriterien.Foto: unsplash

Wien. Mal stellt das neue Sustainability Ranking von Euromonitor europäische Länder an die Spitze, mal sind es sehr kleine Destinationen oder gar Exoten. Mal ist die Bewertung logisch, mal absurd. Nachhaltigkeit lässt sich auch nicht in Rankings pressen.

Das neu erstellte Sustainability Ranking 2020 des Forschungsinstituts Euromonitor International (Titel: Top Countries for Sustainable Tourism. Embracing a Green Transformation for Travel Recovery) zeigt Skandinavien und Österreich unter 99 Staaten an der Spitze Wobei sich diese Bewertung weit über den reinen Umweltschutz-Gedanken hinausbewegt. Da entsprechend der Sustainable Development Goals der UNWTO neben ökologischen auch soziale und ökonomische Kriterien berücksichtigt wurden, entstand über weite Strecken eine europäische Dominanz.

Inwieweit der Konsument die Nachhaltigkeit post-Corona verstärkt honoriert, erwies sich bei Diskussionen im Rahmen der ITB Now als wiederkehrende Glaubensfrage. Rolf Freitag, IPK international, darf hier als ein typischer Vertreter angeführt werden: "Ich erwarte mehr Nachhaltigkeit, höhere Aufmerksamkeit für den Klimaschutz, weniger Overtourism. Ich habe zumindest die Hoffnung, dass die Pandemie so wirkt."

Auf diese Hoffnung allein will sich sein Kollege Martin Lohmann vom NIT Kiel nicht verlassen. Befragungen anhand der jüngsten Reiseanalyse würden zeigen: "Auf der Nachfrageseite gibt es wenig Indikatoren dafür, dass Nachhaltigkeit zum tragenden Buchungskriterium wird." Auch wenn Nachhaltigkeit gerade für deutsche Reisende ein Thema bleibe, werde sich "rein wegen Corona" nichts verändern. "Es bleibt eine gesellschaftliche Aufgabe, den Tourismus nachhaltiger zu gestalten", erwartet der Tourismusforscher, sofern sich von legaler oder steuerpolitischer Seite nichts ändert. Dem widerspricht Petra Hedorfer, Leiterin der Deutschen Zentrale für Tourismus, entschieden: "Wir sehen bei allen Kunden-Befragungen wachsendes Interesse an Nachhaltigkeit."

Umweltfreundliche Deutsche Bahn: Trotzdem ist das Auto momentan das bevorzugte Transportmittel.Foto: DB

Kunden reduzieren
künftig Flüge

Doch gerade bei der Nachhaltigkeit zeigt sich eine starke Tendenz, in Umfragen wie sozial erwünscht zu antworten. Auch vor diesem Hintergrund ist eine internationale Forschung der Amadeus IT Group zu diesem Thema zu betrachten: 46% der Reisebüros gaben an, Reisende würden versuchen ihren CO2-Fussabdruck zu reduzieren. 69% der Reisenden behaupteten Gleiches über sich. 39% der Reisebüros erwarten, dass Menschen weniger fliegen werden. 52% der Reisenden behaupten das von sich. Unter den Reisebüro-Managern bemerkten nur 46%, dass Reisende Nachhaltigkeit überhaupt als wichtiges Kriterium in ihre Reisen einbeziehen.

Unterschätzen Touristiker die Verhaltensänderung der Menschen, wie Amadeus vermutet, oder kennen sie ihre Kunden einfach besser? Die Flug-IT-Spezialisten von Amadeus erwarten jedenfalls, wie viele Protagonisten, dass die erzwungene Pause durch die Pandemie den Menschen Zeit und Raum gegeben habe, um zu bemerken, wie sich das Reisen auf den Planeten und lokale Gemeinschaften auswirke. Jüngere Generationen würden diesen umweltbewussten Reisetrend anführen. Dieser Punkt wird ebenfalls durch ein Zahlenbeispiel illustriert: 47% der GenX/Baby Boomer planen, Zahl und Länge ihrer Flugreisen zu reduzieren. In der jüngeren GenZ/Millennials liegt dieser Wert bei 62%.

Neben den dokumentierten Absichtserklärungen gibt es aber auch konkrete Handlungen. Nicht alle unterstreichen den Trend zu wachsendem Umweltbewusstsein. Positiv im Sinne des notwendigen Klimaschutzes wirkt sich in der Krise die drastische Reduktion des Flugverkehrs aus. Das ist unbestritten. Ob bei der Rückkehr zur "Normalität" ein Nachholeffekt auftreten wird – oder Flugreisen, speziell Fernflüge, als entbehrlich reduziert werden, darf noch diskutiert werden. Ob es nachhaltiger ist, Geschäftsreisen durch Online-Meetings zu ersetzen, wird ebenfalls erst überprüft. Eine Studie vom Deutschen Öko-Institut belegt, dass manch traditionelle Kongresse und Messen die Umwelt weniger belasteten als deren virtuelle Nachfolger.

Aktuell: Clean statt Green und leere Züge

Als absolut schlecht für die Umwelt gelten zumindest zwei aktuelle Trends: zum einen der Wechsel von der Bahn aufs Auto. Gerade 2019 haben touristische Bahnreisen einen Aufschwung erlebt, besonders das Image der Bahn hat sich positiv gewandelt. Jetzt schlafen die neu angeschafften Schlafwagenzüge für den ökologischen Europaverkehr seit einem Jahr in den Remisen, formulierte es eine ÖBB-Sprecherin. Ob der Bahn-Boom wieder rasch zurückkehren wird, steht in den Sternen.

Österreich ist bereits auf einem guten Weg zu nachhaltigem Tourismus.Foto: edu grande unsplash

Das neue Faible fürs eigene Auto – zur Not kann man's ja hybrid oder elektrisch betreiben – könnte längerfristig anhalten. Denn die Experten verkünden eine "neue Stadtflucht". Wer weiterhin das Home Office nutzen will, sucht sich eine kostengünstigere Bleibe im erweiterten Speckgürtel der Städte. Dort ist der ÖPNV dünn, Autos werden benötigt.

Die Tendenz zum Individualverkehr steht auch für den Trend, der gerne als "clean is better than green" bezeichnet wird. War es vor dem Covid-19-Ausbruch eines der wichtigsten Nachhaltigkeitskriterien – auch für Hotels –, möglichst ökologische Reinigungsmittel zu nutzen, ist nun der garantierte Virenkiller entscheidend. Hygiene steht also an vorderster Stelle.

Ranking: Skandinavien und Österreich vorn

Die beste Ausgangsposition in Sachen nachhaltiger Tourismus haben Skandinavien und Österreich. Zumindest wenn man dem umfassenden Ranking von Euromonitor International vertrauen kann. 99 Staaten wurden in Augenschein genommen. Gesamtsieger wurde Schweden vor Finnland und Österreich. Die Schweiz rangiert auf Rang 11, Deutschland auf 16, unmittelbar vor den drei Benelux-Staaten. Auf den letzten Plätzen landeten Indien und Pakistan. Die grossen touristischen Destinationen liegen im vorderen Mittelfeld: Frankreich liegt auf Platz 9, Kroatien als bester kleinerer Mittelmeer-Anrainer auf 13, auf Spanien auf 25, Griechenland auf 32, Italien auf 34, Grossbritannien auf 40, Arabische Emirate auf 58, Thailand auf 76.

Spannend ist der kurze Blick auf die einzelnen Kategorien. Während in der Gesamtwertung europäische Staaten die ersten 20 Plätze belegen, sind unter "Environmental Sustainability" nur noch Kroatien und Österreich vertreten... Die Säule der ökologischen Nachhaltigkeit umfasst fünf Kategorien: Klima, Natur-Assets, Umweltverschmutzung, Energie und Wasser. Mosambik besetzt laut Euromonitor die Spitze, weil das Land über zahlreiche Nationalparks und weitere Schutzgebiete verfügt, die häufig von Gemeinden betrieben werden. Die biologische Vielfalt werde durch den Naturtourismus geschützt, der wiederum eine alternative Einnahmequelle zur Wilderei darstellt. Die Kombination von geringer Umweltverschmutzung, grüner Energie und grosser Landschaftschutzgebiete war auch für die guten Positionen von Kroatien und Österreich verantwortlich.

Unter "Risiko" summieren sich Naturkatastrophen, geopolitische Unwägbarkeiten und Krankheiten. Dass hier just Saudi-Arabien auf Platz 1 steht, wirkt absurd: "Trotz gemeldeter Fälle von Menschenrechtsverletzungen kann das Land auf eine starke Bilanz in Bezug auf die Erhaltung der Natur und des kulturellen Erbes verweisen", lautet die Begründung.

Dass auch Belarus im Ranking sehr gut platziert ist und die grössten Verbesserungen bei Russland gesehen wurden, passt da irgendwie dazu. "Länder wie Russland, Kanada und Kasachstan profitieren von einer grossen geografischen Landmasse und eher geringen Quoten gefährdeter Fische, Säugetiere und Vogelarten", erklärt Euromonitor die Resultate.

Wie kommt also die Bewertung dieser Kategorie im Detail zustande: je 40% Sicherheit und Artenschutz, 20% Gesundheitsversorgung. Für die Sicherheit werden der World Risk Index und der Global Terrorism Index berücksichtigt, die Gesundheit orientiert sich an den Durchschnittsausgaben pro Person und dem Durchschnittsalter der Bevölkerung. Für "Endangered" wird die Zahl bedrohter Tierarten aber auch in geringem Mass vorhandene Weltkulturerebestätten berücksichtigt.

Schweden ist der absolute Pionier in Nachhaltigkeit.Foto: unsplash jon flobrant

Nachfrage und Ressourcen

Auch mit der Kategorie "Sustainable Demand" hat man's nicht so leicht. Die Forderung nach der Vermarktung von nachhaltigem Tourismus sei ein komplexer Spagat. Jede Destination stehe dabei vor der Herausforderung, die Bevölkerung nicht zu überfordern und Natur und Umwelt nicht zu schädigen. "Die Level von Resilienz, Wertschöpfung und Ausmass des Overtourism bestimmen, wie nachhaltig die Tourismus-Nachfrage eines Landes ist", heisst es in der Begründung. Am besten erfüllen diese Aufgabe demnach Island, Australien, Norwegen und Neuseeland.

Island stehe "trotz der Herausforderungen des Overtourism" an der Spitze. Zwar habe das Land auch einen der schlechtesten Anteile des Binnentourismus, doch wiegen die hohen täglichen Ausgaben pro Besucher das mehr als auf. Positiv wird die sinnvolle Verteilung der Touristenströme und -einnahmen entlang der bekannten Route 1 bewertet. Neuseeland gilt aufgrund seines robusten heimischen Tourismusmarktes und der hohen Ausgaben pro Reise als beispielhaft. Die grössten Verbesserungen wurden in dieser Kategorie in der Slowakei und Tschechien geortet.

Die Säule für nachhaltige Unterkünfte umfasst die Ressourcen-Nutzung durch Hotels in Bezug auf Energie, Wasser und CO2-Bilanz. Negativ wurde aber auch die Dominanz reiner Full-Service-Hotels bewertet, positiv eine Vielfalt des Übernachtungsangebots wie etwa Camping oder Farm Holidays. Die grössten Verbesserungen wurden in Kroatien, Belarus, Chile und Finnland festgestellt.

Sieger ist Schweden

Selbstverständlich wohnt diesen Rankings viel Subjektivität inne. "Wir haben in unserer Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel, nachhaltigste Destination zu sein", durfte sich Petra Stolba aus Österreich freuen. Insgesamt erwartet sie eine Änderung des touristischen Geschäftsmodells in der Form, dass das Tourismusangebot stärker in regionale Kreisläufe eingebunden werde. Doch auch Schweiz Tourismus-Chef Jörg-Peter Krebs sieht sein Land als eines der nachhaltigsten Reiseländer. "Mit 'Swisstainable' wollen wir vom Hidden Champion zum Nachhaltigkeits-Leader werden. Die neue Nachhaltigkeitsstrategie wird aktuell eher nach innen umgesetzt, aber nach der Pandemie werden wir Swisstainable verstärkt ins Schaufenster stellen."

Wie Caroline Bremner, Leiterin von Euromonitor International, bei der Präsentation erklärte, seien es keineswegs nur kleine Staaten wie die Südsee-Idylle Palau, die sich als nachhaltige Tourismus-Destinationen präsentieren wollen. Das gelte ebenso für Deutschland oder die USA. "Das liegt auf der Hand. 66,4% der Verbraucher weltweit wollen 2021, dass ihr tägliches Handeln positive Auswirkungen auf die Umwelt hat", betont sie.

Die Siegernation Schweden würde dem im Tourismus am besten gerecht. "Schweden ist ein Pionier in der Lebenszyklus-Analyse, die entscheidend ist, um die vollständigen Auswirkungen des Verbraucher-Verhaltens und der Konsum-Muster zu verstehen", analysiert Bremner. Das Land engagiere sich stark für die SDGs und schütze das arktische Eis und den Permafrost, um den Klimawandel zu stoppen. Bis 2045 sollen überdies Netto-Null-Emissionen. Dieser letzte, wichtige Begriff bedeutet, dass alle durch Menschen verursachten Treibhausgas-Emissionen durch Reduktionsmassnahmen wieder aus der Atmosphäre entfernt werden müssen und somit die Klimabilanz der Erde netto, also nach den Abzügen durch natürliche und künstliche Senken, Null beträgt. Damit wäre die Menschheit klimaneutral und die globale Temperatur würde sich stabilisieren.

Den Report kann man sich von dieser Website kostenlos herunterladen. / Fred Fettner

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