Die Hotels sterben langsam Wie Investoren und Betreiber auf den Druck in Deutschland reagieren
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Die Hotels sterben langsam

Wie Investoren und Betreiber auf den Druck in Deutschland reagieren

Das Ellington Hotel in Berlin wird in Büros umgewandelt. Mit diesem Schicksal ist es leider nicht allein…Foto: Amin Akhtar

Wiesbaden. Umwandlungen von Hotels in Büros, Projekte auf Eis, leises Sterben kleinerer und grösserer Betreiber, Vormarsch alternativer Beherbergungskonzepte: Der deutsche Hotelmarkt befindet sich mitten in einem Strukturwandel, auch wenn die Mehrheit der Branchenvertreter die Augen davor gerne noch verschliesst. Den Ursachen auf der Spur ist Susanne Stauss.

In Berlin ist das Hotelsterben am sichtbarsten. "Hier findet ein relativ substanzieller Rückgang des Angebots statt", bestätigt Alexander Trobitz, Geschäftsführer und Head of Hotel Services bei BNP Paribas. Auch bei Colliers und CBRE blickt man teils besorgt, teils hoffnungsvoll auf die zahlreichen Umwandlungen in der deutschen Bundeshauptstadt.

Beispiele: In Büros umgewandelt werden das Ellington Hotel, das RIU Plaza, aber auch Teile des Sheraton Hotels Esplanade. Gleiches gilt für das frühere Swissôtel und das Hotel Mondial am Kurfürstendamm, dessen Mobiliar derzeit versteigert wird. Ebenfalls anderen Zwecken zugeführt wurden, so Trobitz, der Sylter Hof und das Best Western an der Urania. Und auch das Ende 2021 geschlossene, erst 2013 eröffnete Boutiquehotel i31 soll dem Vernehmen nach anderen Zwecken zugeführt werden.

"Berlin ist der heisseste Markt für Umwandlungen, weil dort der Büromarkt boomt", weiss auch Olivia Kaussen, Geschäftsführerin und Head of Hotel Services Deutschland bei CRRE. "Dort sind die Unterschiede zwischen Hotel- und Büromiete am höchsten." Einfach sei die Umwandlung eines Hotels in Büroraum allerdings nicht, weshalb es dann meist zu Abrissen käme. "Hotelzimmern fehlt die Deckenhöhe für die Unterbringung der Kabel. Büros benötigen eine höherer lichte Raumhöhe. Deshalb wird auch beim Sheraton Esplanade der Bürotrakt neu gebaut."

'Kleinere Betriebsgesellschaften sind Wackelkandidaten', so Martin Schaffer.Foto: Annette Koroll

Anders, so zeigt René Schappner von Colliers International auf der Veranstaltung "Hotel Return 2022" in Frankfurt auf, sei dies beim RIU Plaza und beim Ellington, die beide in ihrem ersten Leben schon einmal Büros waren. Er gehe davon aus, dass der Berliner Hotelmarkt durch die vielen Schliessungen mittelfristig einen regelrechten Sprung nach vorn machen könne.

Nicht so dramatisch wie in Berlin bereinigt sich der Markt in anderen deutschen Städten. In Frankfurt/Main allerdings schlossen drei Flemings Hotels gleich zu Beginn der Pandemie und die Zukunft der Villa Kennedy bleibt ebenso ungewiss wie die des privaten Luxushotels Hessischen Hofes. Bei ersterem wurde die Immobilie an einen Seniorenheim-Betreiber verkauft, was zu Spekulationen führte, zweiteres wurde im Zuge der Pandemie eben mal eingemottet.

Vieles spricht gegen Projekt-Entwicklungen

"Projekt-Entwicklungen oder Hotel-Neubauten sind aus der jetzigen Perspektive nur schwer möglich", erklärt Trobitz und zählt Gründe auf:

1. Die Baukosten sind im Zuge der Lieferengpässe so stark gestiegen, dass sie gegenüber möglichen Pacht-Steigerungen unverhältnismässig sind. In Teilen sind sie gar nicht kalkulierbar. Für Stahl, Beton oder Dämmung werden Tagespreise aufgerufen. Doch niemand kann heute absehen, wie etwa die Tagespreise in zwei Jahren aussehen, wenn der Bau fortgeschritten ist.

2. Banken sind aktuell nur sehr eingeschränkt bereit, Hotels zu finanzieren. Und selbst wenn, sehen sich Bauherren mit Zins-Steigerungen konfrontiert. Zudem liegt die Beleihungsgrenze durchschnittlich bei 50 bis 55 Prozent. Die Kaufpreis-Faktoren sinken jedoch, beim Exit müssen Abstriche gemacht werden. "Das macht Hotel-Immobilien für Entwickler tendenziell uninteressant, denn jeder Entwickler will die Immobilie ja auch irgendwann verkaufen", so Trobitz.

3. Der Betreibermarkt schrumpft ebenso. Selbst erste, solide agierende Betriebsgesellschaften überleben nicht. "Viele möchten zwar expandieren, sie sind aber zu stark von der Krise betroffen und benötigen Zeit für die Erholung", so Trobitz. Projekt-Entwicklungen, die mit sehr expansiven Betreiber-Gruppen abgeschlossen wurden, denen im Zuge der Pandemie die Puste ausging, seien unverkäuflich geworden….

Der Druck, in Hotels zu investieren ist derzeit gross, weiss Alexander Trobitz.BNP Paribas

Trobitz geht davon aus, dass die Stagnation bei den Projekt-Entwicklungen noch ein bis zwei Jahre andauern werden, was dem Markt an sich guttun werde. Ganz zum Erliegen kommen Entwicklungen jedoch nicht: "Einige einfacher gelagerte, sehr standardisierte Projekte werden vermutlich dennoch durchgeführt werden, weil leichte Pacht-Steigerungen angesichts der derzeitigen operativen Entwicklung realisierbar erscheinen", erklärt er. Gleiches gelte für Hotels, die im Zuge von Quartiersentwicklungen geplant seien.

Juristisches Zerren hat begonnen

Fast alle Bauherren, deren Bauprozess bereits begonnen habe, versuchten nun, ihr Betriebsmodell zu optimieren. Für viele der 2018 oder 2019 abgeschlossenen Pacht-Verträge fänden derzeit Nachverhandlungen statt. Dabei suchten die Entwickler nach juristischen Lösungen, um ihre nach heutigen Gesichtspunkten nicht mehr als solide geltenden Betreiber hinauszukicken und stattdessen auf gut kapitalisierte Gruppen zu setzen. Die bisherigen Vertragspartner wiederum versuchten, die Verhandlungen auszusitzen, um eine Abbruch-Fee zu kassieren.

"Der Markt war vor der Pandemie klar überhitzt, was nicht zuletzt auch auf das niedrige Zinsniveau zurückzuführen war", so Trobitz. Das alles fliegt der Branche jetzt geballt um die Ohren.

Fixpacht unter Druck

Betreiberwechsel sind inzwischen auch bei bestehenden Betrieben an der Tagesordnung. "Davon werden wir noch mehr sehen", ist auch Schappner überzeugt. Und Martin Schaffer, Geschäftsführer von MRP Hotels, betonte auf der "Hotel Return 2022": "Kleinere Betriebsgesellschaften sind Wackelkandidaten. Wenn man als Eigentümer viele davon auf seinen Immobilien hat, dann kann das ein Problem sein."

Das Fixpacht-Modell sei unter Druck geraten, die Finanzierung von Betreibergesellschaften eine Herausforderung. Die aktuelle Situation mache es sehr schwer, belastbare Business-Pläne zu erstellen. "Eine Auskunft über Creditreform einzuholen, ist sinnlos. Die Einträge dort sind in der Regel zwei Jahre alt, aus heutiger Sicht also aus der Steinzeit", sagt er.

Einzige Konsequenz für die Betreiber sei, sich tief in die Bücher schauen zu lassen bzw. von sich aus eine grosse Transparenz an den Tag zu legen. Schaffer geht von einem Insolvenz-Rückstau bei den Betreibern aus. Bei der Bewertung von Hotels erlebe das DCF-Verfahren derzeit eine Renaissance. Dafür muss der Unternehmer dem Investor einen Einblick in seine Rechnungslegung gewähren. Bei der Vertragsgestaltung werde zudem mehr Wert auf eine klare Formulierung der Force Majeure Klausel und die Exitfähigkeit gelegt. "Grosse institutionelle Investoren kaufen zudem nur, wenn es Garantien gibt", so Schaffer. Dabei stelle sich aber auch die Frage, wie lange aktuell gehypte Betreiber dies durchhalten könnten.

Nach dem Haus in St. Pauli 2020 eröffnet Premier Inn demnächst das sechste Hotel in Hamburg.Foto: Günter Lenz

Betreiber-Wechsel-Spiele

Derweil schreiten Übernahmen und Fusionen weiter voran. Die Success Hotels aus Stuttgart werden weitgehend von der HR-Group aufgefangen werden, wie hospitalityInside im Mai exklusiv berichtete. In Wiesbaden spielt sich derweil ein Betreiberkrimi ab: Ein als prizeotel geplantes Haus, das ursprünglich in diesem Sommer eröffnen sollte, wird in den regionalen Medien bereits als neues Premier Inn angekündigt. prizeotel bestätigt zwar, in einer juristischen Auseinandersetzung mit dem Eigentümer zu stehen, von einer Vertragsauflösung aber habe man noch nichts gehört.

Als Betreiber-Lieblinge gelten bei den Entwicklern derzeit vor allem Gruppen wie B&B, Motel One oder Premier Inn. "Die Entwickler von Premier Inn geben richtig Vollgas, auch auf jeder Baustelle wird auf Hochtouren gearbeitet", weiss Trobitz. Übertriebene Pachthöhen sind ihm nicht bekannt. "Eigentümern ist es heute mehr wert, einen Betreiber zu haben, der seine realistischen Verträge einhält als einen, der viel verspricht, es aber nicht halten kann."

Fabien Zschweigert, Director Transaction Hotels bei Invesco Real Estate, betont auf der "Hotel Return 2022": "Wir haben uns als Betreiber während der Krise Westmont ins Boot geholt, die jetzt 13 Midscale Hotels inklusive der Marke Holiday Inn Express für uns betreiben [Red: voriger Betreiber war Event Hotels/Tidal Operations]. Das war ein Glücksgriff. Für uns sind Clustering und Grösse wichtig. Westmont ist auch an der Kapitalseite beteiligt. So ziehen Betreiber und Investor auch am selben Strang".

Nicht jeder Segment-Wechsel passt

An Übernahmen bestehender Betriebe sind auch Player aus relativ jungen Hospitality-Segmenten interessiert. So gab beispielsweise Eigentümer Patrizia gerade bekannt, das bisherige Novotel in Hamburg künftig von Numa führen zu lassen. Das Rioca in Offenbach wurde von I Live gekauft und das Novum Hotel Belmondo in Hamburg ist inzwischen ein Studentenwohnheim. Namen wie Numa – ebenso wie Limehome oder Koncept Hotels – gewinnen übrigens auch verstärktes Investoren-Interesse: Ihre voll-technologisierten Konzepte mit fast null Personal versprechen in diesen Monaten Lösungen.

Potenzielle Umwandlungen in Seniorenheime sieht Schappner ähnlich kritisch wie die in Büros. "Nur ein sehr, sehr kleiner Teil der Objekte kommt für Senior Living in Frage. Den meisten mangelt es an entsprechenden Treppenhäusern, Flur- und Türbreiten, Fahrstuhlgrössen und behindertengerechten Badezimmern". Es bleibt auf jeden Fall spannend, ob die Newcomer unter den Betreiber sich bei der nächsten Krise tatsächlich als die grossen Heilsbringer erweisen. Erfahrung auf diesem Gebiet haben sie bisher jedenfalls noch nicht.

Investoren interessieren sich für Konzepte wie das von Limehome – hier eines der sechs Häuser in Erfurt.Foto: Limehome  

Kapital unter Druck

Im Gegensatz zur angespannten Lage bei Finanzierung und Entwicklung erholt sich die Branche im operativen Bereich zusehends. "Viele Hotels waren nur temporär geschlossen und kommen nun nach und nach wieder zurück, denn seit April zieht das Geschäft deutlich an", so Trobitz. Auch die Raten-Entwicklung sei teilweise beachtlich. "Der Mai war ein guter Monat, Juli und August boomen regelrecht", erklärt der BNP Paribas-Manager. Und auch Olivia Kaussen sagt: "Das Jahr 2022 lief gut an, die Erholung kam viel schneller als gedacht. Viele Hoteliers sind begeistert von der Buchungslage, teilweise erreichen sie das Niveau von 2019. Viele aufgeschobene Reisen werden nachgeholt." Selbst US-Amerikaner seien verstärkt unterwegs.

Dies könnte dazu führen, dass – wenn auch sehr selektiv – in Hotels investiert wird. "Es ist sehr, sehr viel Geld eingesammelt worden und es besteht ein starker Druck, in Hotels zu investieren. Zu Beginn der Pandemie waren viele davon überzeugt, dass Betreiber reihenweise umfallen und haben auf Schnäppchen gehofft. Doch das haben die staatlichen Hilfen in Deutschland bisher weitgehend verhindert", so Trobitz. Was jetzt in Hotels fliesse, funktioniere in Core-Neubauten mit Top-Betreibern und guten Standorten oder eben in Value Add – günstiger Opportunität.

Limitierter Resort-Boom

Auch das Interesse an Ferienhotels sei sehr gross, hier mangele es aber eher an investmentfähigen Betreibern. "In Deutschland kommen nur sehr wenige Standorte dafür in Frage, die Küste, die Alpen und notfalls noch der Schwarzwald." Ganz anders sei die Lage in anderen europäischen Ländern, wo derzeit sehr viele Hotels verkauft würden. "Wir werden ein paar Resort-Entwicklungen sehen, auch Übernahmen privater Resorts", glaubt auch Schappner.

Ansonsten sieht er das Gros der Verkäufe in Deutschland ebenfalls im Segment Value Add mit einem gewissen opportunistischen Ansatz. "Resorthotels zu entwickeln, braucht deutlich mehr Kompetenz als Serviced Apartments", betont der Colliers-Manager. "Wir kennen einige Institutionelle, die sich das Thema Resort anschauen, aber nicht mit 300 Millionen Euro-Fonds."

Baukosten machen Hotels uninteressant

Je höher die Baukosten steigen, desto uninteressanter werden Hotels für Investoren. "In der Büromiete sehen wir teilweise eine Koppelung der Mieten an die Baupreis-Steigerung. In der Hotellerie werden wir das nicht erleben", ist Schappner überzeugt. Zumal sich die aktuelle Inflation bei der Warenbeschaffung deutlich auf die Gewinne der Branche auswirken dürfte, wie MRP-Manager Schaffer aufzeigt. "Ein durchschnittliches Ferienhotel müsste dafür einen 10 bis 15 Prozent höheren GOP erzielen. Wenn dann auch noch die Pacht steigt, ist Land unter."

Zimmerraten und F&B-Preise müssten um mindestens 20 Prozent erhöht werden. "Wer das nicht schafft, wird 2023 massiv leiden", so der Berater. Eine Auslastung auf dem Niveau 2019 helfe nicht, wenn die Preise nicht erhöht werden. "Wir müssen die Inflation als Big Picture sehen." Obwohl Investoren mit höheren Zinsen und Baukosten-Steigerungen kämpften, seien Pacht-Erhöhungen angesichts der operativen Herausforderungen nicht umsetzbar. / Susanne Stauss 

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