Die Impf und Test Turbulenzen halten an
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Die Impf- und Test-Turbulenzen halten an

Augsburg. Die Impf-Offensive in Deutschland rollt nur langsam, und deutsche Kapriolen halten an. Reiseanbieter konzentrierten sich auf Geimpfte, die ersten Länder öffnen nur für sie. Travel Manager wollen aber Geimpfte nicht bevorzugen. Ende Juni kommt jetzt das "Grüne Zertifikat" der EU.

In Deutschland sind es jetzt die Hausärzte, die am schnellsten impfen können. Betriebsärzte sollen folgen, und Ruby wie Amano Hotels würden ab Mai ihre Mitarbeiter impfen, wenn sie denn Impfstoff erhalten und impfen dürfen. Bei BASF ist bereits Pionier-Stimmung angesagt: Seit Donnerstag impft der Konzern als erstes Unternehmen in Deutschland ausgewählte Mitarbeiter im eigenen Impfzentrum. 4.000 von 39.000 Mitarbeitern sollen beim Pilotprojekt von Bund und Rheinland-Pfalz in den kommenden Wochen, gemäss der allgemein vorgeschriebenen Impf-Reihenfolge, ein Angebot erhalten.

Auch andere Konzerne wie Daimler oder die Allianz dringen auf eine Erlaubnis. In Bayern könnten Ende April im Rahmen eines Modellprojekts tatsächlich zehn Unternehmen die Genehmigung erhalten, Mitarbeiter gegen Corona zu impfen. Und der Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing wäre sogar, laut Medienberichten, "bereit, Menschen eine Impfung zu ermöglichen, auch wenn sie nicht für uns arbeiten".

Beim Thema Impfen geben sich die Arbeitgeber übrigens offener als beim Thema Schnelltests.

Am 20. Februar sah die BILD Zeitung schon die Vorteile der Geimpften.Foto: map

Travel Manager: Impfen persönlich klären

Die Travel Manager der Konzerne sind mit Blick auf ihre Mitarbeiter längst ready-to-go. Wenn die nationalen und internationalen Reisebeschränkungen gelockert werden – mit möglichst einheitlichen Regelungen –, ziehen sie sofort neue, angepasste Sicherheitskonzepte aus der Tasche und schicken ihre Mitarbeiter zum Kunden. Wird dabei die Impfung zum Dienstreise-Kriterium und zieht damit eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ein?

Christoph Carnier, Senior Director Head of Procurement Category Travel, Fleet & Events beim Pharma-Unternehmen Merck, winkte in einem Expertentalk von SAP Concur Ende März 2021 ab und sagte, dass es bei Merck keine Bevorzugung von Geimpften geben wird. Auch Rüdiger Bruss, Global Category Manager bei UBS, kann sich kein zentrales Register mit Geimpften vorstellen. Schon jetzt gäbe es Personen, die aufgrund einer Krankheit oder persönlicher Gründe nicht reisen wollen und genauso Länder, die immer schon bestimmte Impfungen für eine Einreise vorschreiben. Das Thema Reisen ohne Corona-Impfung sei deshalb immer individuell mit dem Mitarbeiter zu klären.

Albert James Küng, Head of Global Travel Management bei Siemens, verweist wiederum darauf, dass eine Testpflicht in vielen Ländern schon jetzt Realität ist und dies beim Impfen bald ebenso der Fall sein könnte. So gesehen könnte dies "Folgen auf mögliche Aufgabenbereiche haben", sagt er.

Fliegen nur noch mit Zertifikat

Derweil schaffen die Airlines eigene Fakten. Wer ab 1. Mai 2021 nach Singapur fliegt, kann den Travel Pass der IATA nutzen, um die PCR-Testergebnisse vor dem Abflug und bei der Ankunft an den Einwanderungskontrollen am Changi Airport bzw. den Fluggesellschaften mitzuteilen. Die Lufthansa testet, wie berichtet, eine Gesundheitsapp, die das Fliegen einfacher machen soll und dafür Impf- und Testdaten sammelt, Und Qatar Airways hat gerade den weltweit ersten Flug durchgeführt, auf dem ausschliesslich geimpfte Crew-Mitglieder und Passagiere an Bord waren, die wiederum von geimpftem Bodenpersonal eingecheckt wurden.

Israel setzt Massstäbe

Unterdessen hat diese Woche Israel angekündigt, in einem ersten Öffnungsschritt ab 23. Mai 2021 Gruppen von Urlaubern wieder nach Israel einreisen zu lassen, wenn sie eine Impfung gegen Covid-19 nachweisen können. Auch negative Corona-Tests sollen zur Einreise notwendig sein.

Nach Griechenland sollen Urlauber aus den anderen EU-Staaten ab 14. Mai 2021 wieder ohne Quarantänepflicht einreisen können, informierte die Regierung am Montag. Als Voraussetzung gilt aber, dass die Urlauber geimpft sind oder einen negativen PCR-Test vorzeigen. Auch Dänemark hat gerade Lockerungen seiner Reisebeschränkungen in einem Phasenmodell angekündigt. Ab 1. Mai und Phase 2 sollen demnach geimpfte Touristen aus EU- und Schengen-Ländern mit vertretbaren Infektionszahlen ohne Test und Quarantäne einreisen können.

EU: Ende Juni kommt das Grüne Zertifikat

Rechtzeitig zu den Sommerferien in Deutschland soll das einheitliche Covid-Zertifikat für einfacheres Reisen in Europa Ende Juni startklar sein. "Natürlich möchten wir vor dem Sommer bereit sein", sagte EU-Justizkommissar Didier Reynders am Dienstag im Europaparlament. Bislang hatte die EU-Kommission den 1. Juni als Stichtag genannt. Reynders zufolge ist für Anfang Juni nun eine Pilotphase geplant.

Die EU-Kommission hatte im März, wie berichtet, die Einführung eines "Grünen Zertifikats" vorgeschlagen – angelehnt an den "Grünen Pass" für Geimpfte in Israel. Das Dokument soll Impfungen, Ergebnisse zugelassener Tests und Informationen zu überstandenen Infektionen festhalten und EU-weit anerkannt werden. Vor allem Urlaubsländer wie Griechenland oder Spanien, deren Wirtschaft stark vom Tourismus abhängt, hatten sich für das Vorhaben eingesetzt. Aber auch die Bundesregierung unterstützt das Vorhaben und den straffen Zeitplan.

Airlines haben bereits begonnen, Test-Korridore und Impf-Zertifikate zu testen. Photo: unsplash etienne jong

Nach dem Vorschlag der EU-Kommission soll jeder das Zertifikat – digital oder auf Papier - kostenlos bekommen, alle EU-Staaten sollen es anerkennen. Zentraler Punkt ist ein QR-Code, der die Sicherheit und Echtheit des Zertifikats garantieren soll. Grundsätzlich soll es den EU-Staaten jedoch überlassen bleiben, welche Vorteile sie Geimpften, Getesteten oder Genesenen gewähren. So können sie beispielsweise weiter Quarantäne oder Tests verlangen.

Die EU-Kommission arbeitet an einer gemeinsamen Plattform als Rahmen der nationalen Anwendungen. In Deutschland sollen der US-Konzern IBM, das Software-Unternehmen Ubirch, die IT-Genossenschaft govdigital und der IT-Dienstleister Bechtle die Plattform entwickeln. Auf politischer Ebene müssen sich sowohl die EU-Staaten als auch das Europaparlament noch auf eine Linie verständigen, ehe sie miteinander über eine gemeinsame Position verhandeln. Das Parlament hatte sich deshalb bereits für ein Eilverfahren entschieden.

Jedoch äusserten die Abgeordneten u.a. Datenschutz-Bedenken. EU-Justizkommissar Reynders trat dem nun entgegen. Der Grundsatz der Daten-Minimierung werde eingehalten. Tatsächlich sei der Satz an persönlichen Informationen kleiner als im gelben Impfbuch der Weltgesundheitsorganisation.
Das Zertifikat solle nicht mehr benutzt werden, sobald die WHO die Pandemie für beendet erklärt habe, sagte Reynders. Für den Fall neuer Pandemien solle das In-strument jedoch im "Werkzeugkasten" gelassen werden.

Geimpfte und Grundrechte: Hoffnung für Hotellerie

Der Druck auf die Politik in Deutschland wächst unterdessen, Geimpfte von der Grundrechte-Einschränkung zu befreien, vor allem von der Quarantäne-Pflicht für geimpfte Rückkehrer.

Dies nicht zuletzt, weil Gerichte aktuelle Beschränkungen für Geimpfte bald kippen könnten. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht machte diese Woche Geimpften bereits entsprechende Hoffnungen mit Blick auf aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse, wonach von Geimpften kaum mehr ein Infektionsrisiko ausgeht. Schon im Februar sagte sie, dass sie sich gut vorstellen könne, dass Gastronomen und Hoteliers Geimpften den Zugang möglich machen. Für Menschen mit einem negativen Schnelltest müsse dies jedoch auch gelten, betonte die Ministerin.

Für Reiseanbieter werden Geimpfte zugleich immer mehr zur neuen begehrten Zielgruppe. Alltours hatte bereits angekündigt, voraussichtlich ab Herbst nur noch Geimpfte in seinen Hotels zuzulassen. Der Münchner Slow-Trekking-Veranstalter Hauser Exkursionen plant sogar die Einführung einer neuen Produkt-Kategorie für Geimpfte und Genesene. Derzeit unterteilt der Anbieter sein Angebot in gänzlich ohne Quarantäne durchführbare Reisen und solche ohne Einreise-Quarantäne, die aber bei der Rückkehr nach Deutschland Quarantäne und/oder Corona-Tests erfordern. Eine dritte Kategorie für Geimpfte und Genesene soll bald folgen.

Deutsche Kapriolen
beim Testen

Während also immer mehr Länder die Einreise für Geimpfte und Genesene ohne Beschränkungen gestatten und Reiseanbieter darauf reagieren, versinkt Deutschland bei zu geringer Impfquote weiter im Test-Klein-Klein. Nach den Schulen kommt die Testpflicht nun auch in Unternehmen; allerdings streiten sich Wirtschaft und Politik noch um die Kostenaufteilung und darüber, ob überhaupt die pro Woche benötigten rund 45 Millionen Schnelltests, rechnet u.a. Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf, für ein zweimaliges Testen pro Mitarbeiter sichergestellt werden können. Zugleich melden einzelne Corona-Testzentren, dass sie wegen verzögerter Zahlungen von Bund und Ländern teilweise die Terminvergabe eingestellt haben und vielleicht auch schliessen müssen.

Virologen kritisieren Inzidenzwert als einziges Kriterium

Virologen kritisierten zudem diese Woche in einem Offenen Brief, dass beim ausschliesslichen Fokus auf den Inzidenzwert nicht die aktuelle Zusammensetzung der Infizierten nach Alter, Lebensräumen und Bevölkerungsgruppen berücksichtigt werde – etwas was sich gerade jetzt im Vergleich zur ersten und zweiten Welle unterscheiden könnte. "Eine leicht zu bestimmende und zu kommunizierende Bemessungsgrundlage wäre die tägliche Anzahl der Covid-bedingten intensiv-stationären Neuaufnahmen, differenziert nach Landkreis des Patienten-Wohnortes, Alter und Geschlecht mit Berücksichtigung diesbezüglicher zeitlicher Trends", sagen die Virologen Detlev Krüger und Klaus Stöhr.

Gericht: Schnelltests nicht zuverlässig

In Mecklenburg-Vorpommern wundert sich wiederum der Ferienhausbetreiber Oliver Roeber vom Kutscherhaus in Sassnitz, dass das Land die Einreise von Touristen blockiert, weil Schnelltests nicht zuverlässig genug seien. Bei Schulen, Friseuren und Einkaufszentren würde man dagegen diese schon als "Art Geheimwaffe" einsetzen. Gemeinsam mit 50 anderen Vermietern von Ferienwohnungen klagt er derzeit gegen das Beherbergungsverbot in Mecklenburg-Vorpommern. "Es ist eine politische Schizophrenie, wenn man überall den Einsatz von Schnelltests fordert, sich aber gleichzeitig weigert, diese für echte Öffnungsschritte aus der Krise einzusetzen", sagt Roebers Rechtsanwältin Dr. Katja Kleist von der Kanzlei Kleist in dem Zusammenhang.

Die Schweiz öffnet derweil ab 19. April 2021 immerhin wieder ihre Restaurant-Terrassen, zudem sind kleinere Veranstaltungen wieder möglich. Und in Tübingen hofft man auf eine Fortführung des Modellprojekts, während weitere Modell-Regionen in ganz Deutschland gerade ihre Konzepte aufbauen. Doch das an diesem Montag bundesweit deklarierte neue bzw. verschärfte Infektionsschutzgesetz könnte dies eventuell auch noch verhindern, sollte das Parlament dem in den nächsten Tagen zustimmen. / syk

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