Ein komplizierter Booster Die neuen Aufgaben von AccorInvest AccorHotels und Bazin verhandelt
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Ein komplizierter Booster

Die neuen Aufgaben von AccorInvest & AccorHotels – und Bazin verhandelt

Neues Marken-Doppel am Wiener Hauptbahnhof – mit einem 266 Zimmer grossen Novotel und einem 311 Zimmer-Ibis. Die Markenführung liegt seit Juli bei AccorHotels.

Paris/München. AccorHotels-Manager in diesen Tagen überhaupt zu einem Termin zu bewegen, ist schwer: Das gigantische "Booster"-Projekt hat alle Mitarbeiter fest im Griff – auch weil immer noch sehr viele Fragen offen sind. Umso wohltuender, letzte Woche Andrea Agrusow zu einem ersten Gespräch im Novotel Airport München zu treffen. Die neue COO von AccorInvest Central Europe ist auch Vorsitzende der Geschäftsführung von AccorInvest Germany – und damit eines der ersten neuen Gesichter in der neu geordneten Accor-Welt. Ihr zur Seite: Michael Verhoff, Geschäftsführer Human Resources bei AccorInvest. Auch seine Anwesenheit hatte seinen Grund. Seit 1. Juli 2017 ist AccorInvest unter dem Dach der Accor S.A. nun zuständig für Immobilien, Pacht und Miete – und ist damit ab sofort strikt von der AccorHotels getrennt. Diese ist "nur noch" Management-Vertrags-Partner von AccorInvest.

CEO Sébastien Bazin hat, wie mehrfach berichtet, die Trennung von AccorHotels und AccorInvest im Konzern zum 1. Juli durchgesetzt, jetzt folgt die Realisierung dieses sogenannten "Booster-Projekts", wobei dessen Ausgang noch völlig offen ist.

Andrea Agrusow, eine gebürtige Slowakin, ist als studierte Ökonomin und Steuerberaterin eine strukturierte, analyse-starke Frau. Das ist nach dem zweistündigen Gespräch klar. In der Slowakei und in Deutschland sammelte sie über 20Jahre Immobilien-Erfahrung als Senior Tax Manager bei der KPMG in Bratislava, als Fonds-Managerin bei Deka Immobilien in Frankfurt/Main und zuletzt, seit 2010, bei CBRE Global Investors Germany, eben falls in Frankfurt. Dort hatte sie bereits eine ähnliche Aufgabe zu erfüllen: nämlich die CBRE Global Investors in zwei Gesellschaften zu teilen. 2012 wurde sie zur CFO und Geschäftsführerin u.a. für Finanzmanagement, Controlling, Risiko-Management, Human Resources und IT ernannt. Sie bringt also viele Eigenschaften mit sich, die ihre Chefs in Paris, John Ozinga und Laurent Picheral, der CEO und der COO von AccorInvest Global, schätzen müssten.

"Ich bin auch Mitglied im globalen Executive Committee", berichtet Agrusow. In diesem Kreis trifft die Verantwortliche für die Märkte Deutschland, Österreich und die Schweiz ein-/zweimal monatlich ihre Kollegen aus den anderen Regionen, ebenso wie die Verantwortlichen von Finanzen, Asset Management, HR und Technik. Das 12köpfige Komittee ist vergleichbar mit dem Vorstand einer deutschen Aktiengesellschaft und entscheidet beispielsweise über alle Projekte mit mehr als fünf Millionen Euro Budget. Allein dieser Zirkel deutet an, dass Accor im Jahr 2017 – genau 50 Jahre nach seiner Gründung durch Paul Dubrule und Gerard Pélisson – dabei ist, ein neues Kapitel Hotelgeschichte anzustossen. Es muss halt nur noch gut gehen.

Das Bazin-Ziel: Anschluss an die Global Player

Andrea Angrusow und Michael Verhoff: Immobilien und Mitarbeiter sind die Schätze.Foto: map

"Ich bewundere Sébastien Bazin dafür, dass er diese Entscheidung getroffen hat", sagt die Immobilien-Fachfrau, "neben den Hotel-Services, also dem operativen Knowhow der Firma, sind die Immobilien und die Mitarbeiter die Schätze". Waren dann Accors Asset Light-Strategie, der Abverkauf ganzer Immobilien-Pakete und die sich meist daran anschliessenden Sale-and-lease-Back Deals in den letzten zehn Jahren ein unnötiger Umweg gewesen? "Nein", antwortet sie, "aber Immobilien zu verkaufen, ist schliesslich einfach – wenn der Preis egal ist". Bazin geht es, wie auch schon mehrfach an dieser Stelle berichtet, um die maximale Wert-Steigerung der Immobilien. Agrusow fügt hinzu: Diese Sale-and-lease-Back Deals müsse man als einen separaten Zug sehen: Sie waren richtig, weil man damit die Super-Performer unter den Hotels stützte, Accor sich aber gleichzeitig von den Gewinn-killenden Pacht-Verträgen lösen konnte.

Jetzt geht es also weiter auf Bazins Pfad der Immobilien-Wertmaximierung. AccorInvest ist heute schon ein Powerhouse: Das Unternehmen umfasst derzeit Hotels im Volumen von weltweit 6,6 Milliarden Euro; 70% der Häuser befinden sich im Eigentum des Konzerns, 30% in Miete. Die Häuser liegen überwiegend in Frankreich, Deutschland und den Niederlanden. Bazin aber will ein globales Powerhouse – und damit aufschliessen zu den Global Playern wie Marriott oder Hilton, die schon vor Jahrzehnten die Trennung in Betreiben und Besitzen vorgenommen haben. Bazin wiederum wäre nicht Bazin, wenn sein Modell nicht wieder etwas anders wäre als das der Giganten.

Die Neuordnung und neuen Zuständigkeiten

Sowohl AccorHotels wie auch AccorInvest sind jetzt beide 100prozentige Töchter der Accor SA, jede ist aber eine eigene Holding. Neu und anders als üblich wurden die Aufgaben verteilt: Die Hotel-Immobilien und die Abschlüsse für Miet- und Pacht-Verträge liegen jetzt bei AccorInvest, Zu den Immobilien zählen, wie gerade erwähnt, neben den Hotels im Eigentum auch noch die Miet-/Pacht-Hotels. AccorInvest wird künftig also nur noch über diese beiden Schienen wachsen: über den Ankauf weiterer Immobilien und über Pacht-Verträge. Verständlich, dass Andrea Agrusow deshalb nochmals ausdrücklich darauf hinweist, dass AccorInvest nicht drauf aus ist, künftig gar keine Pacht-Verträge mehr abzuschliessen, aber: "Sie sind nur kein Fokus mehr".

Das andere neue Unternehmen seit 1. Juli, AccorHotels, ist künftig "nur noch" Partner von AccorInvest. Unter dem Dach von AccorHotels agieren alle anderen Hotels, die unter einem Management- und Franchise-Vertrag laufen; mit deren Immobilien hat AccorInvest nichts mehr zu tun. AccorHotels hingegen kümmert sich u.a. um die Markenführung, den Vertrieb und die Vermarktung dieser Hotels.

An dieser Stelle darf angemerkt werden, dass es kein guter Schachzug von Bazin im Rahmen dieser Unternehmens-Neuordnung ist, dass der alte Name "AccorHotels" – der bis zu diesem Sommer als Dach über allen Hotelmarken und damit für den operativen Arm der Kette stand – weiterverwendet wird, jetzt aber mit einer völlig neuen Aufgabenstellung bedacht ist, welche mit der klassischen Operation nichts mehr zu tun hat. Das dürfte selbst bei Insidern und Geschäftspartnern für anhaltende Verwirrung sorgen.

Novotel und Ibis München-Arnulfpark: zwei Immobilien, die zu AccorInvest gehören.Foto: Christoph Weiss, AccorHotels

Deshalb nochmals zurück: Die Immobilien-Gesellschaft AccorInvest ist seit 1. Juli nun auch verantwortlich für alle Mitarbeiter der jeweiligenHotels: "Wir stellen Direktoren wie Mitarbeiter ein und sind verantwortlich für deren Bezahlung", stellt Michael Verhoff klar. Bislang fiel Personal stets in den Zuständigkeitsbereich einer Betreiber-Gesellschaft. Hauptgrund für diese Umstellung ist laut Verhoff: "Die Mitarbeiter mit ihren langjährigen Erfahrungen sind unser Kapital. Ein General Manager wird mit seinem Team künftig noch stärker in wichtige Entscheidungen eingebunden sein, denn er kennt sein Hotel, seine Gäste und deren Bedürfnisse am besten".

Mit der Schaffung der beiden neuen, getrennten Unternehmen übernahm Verhoff für den deutschsprachigen Raum 200 Mitarbeiter von AccorHotels. "In keiner Region ist jemand entlassen worden", merkt er an und stellt in Aussicht, dass angesichts des erwarteten Wachstums der Gruppe eher noch neue Mitarbeiter akquiriert werden.

AccorHotels muss Services jetzt verkaufen

AccorHotels bezeichnen Agrusow und Verhoff als "strategischen und äusserst wichtigen Berater für AccorInvest" und als "externen Partner, bei dem wir künftig einzelne Leistungen wie z.B. Trainings, Marketing, Kommunikation, Sales, digitale Services etc. einkaufen werden". AccorHotels hat seit 1. Juli also keine eigenen Hotels und keine Mitarbeiter in den Hotels mehr unter seinem Dach, sondern ist "nur noch" Management-Partner von AccorInvest – "und bleibt auch der einzige Management-Partner", wie beide betonen. Gedankenspiele wie sie im Juni noch beschrieben wurden, dass Accor-Immobilien künftig auch andere, fremde, eventuell sogar konkurrierende Hotel-Betreiber haben würden, verwarf Agrusow: "Davon ist mir nichts bekannt, und es würde auch keinen Sinn machen".

Unter dem Dach von AccorHotels sammeln sich also nun die Management- und Franchise-Hotels und die Expertise in puncto Marken-Strategie und -Führung. Die Franchise-Hotels fallen diesem Unternehmen zu, weil die Franchise-Nehmer einzig der Marke verpflichtet sind und nur den betriebswirtschaftlichen Erfolg dieser Marke pushen sollen. Die Personal-Kosten der Franchise-Hotels trägt der jeweilige Franchisenehmer.

Der Hoteldirektor, der bei AccorInvest beschäftigt ist, wird durch die Abteilungen von AccorHotels strategisch beraten. Er muss beispielsweise eine Investition von 600.000 Euro für ein neues F&B-Konzept begründen können und sicherstellen, dass er die erwartete Rendite erfüllt. In Summe heisst das: Mit einer erfolgreichen, massgeschneiderten Beratung wird AccorHotels seine eigenen Incentive Fees verbessern, welche AccorInvest zahlt. Agrusow ist sich sicher: "Diese Unternehmens-Trennung wird die Services von AccorHotels weiterhin steigern, deren Professionalität und Effizienz noch mehr erhöhen".

Mercure Bristol, Stuttgart-Sindelfingen. Accor-CEO Bazin möchte über eine gute Performance der Marken die Lust der Investoren stimulieren.

Bazin in Verhandlungen
mit den Mega-Investoren

Mit dieser neuen Zuständigkeits-Verteilung positioniert sich AccorInvest nach aussen ganz offensichtlich stärker als AccorHotels, die letztlich dem Druck des Immobilien-Powerhouses gerecht werden müssen. In der Tat: AccorInvest Global – seit Juli übrigens mit einem Büro in der Steueroase Luxemburg zuhause – macht sich hübsch für potenzielle Investoren.

hospitalityInside-Informationen zufolge flirtet Sebastien Bazin, Chef der Accor S.A., in diesen Tagen heftig: Er verhandelt intensiv mit kapitalkräftigen Investoren. Es ist anzunehmen, dass es sich dabei um viele grosse Namen aus dem Pool der Institutionellen Investoren, um Konglomerate und/oder Staatsfonds handelt. Solche Investoren sollen sich ab sofort an der S.A.-Tochter AccorInvest beteiligen dürfen. Damit werden sie auch Einsicht in die Performance in den regionalen Immobilien-Gesellschaften unter AccorInvest erhalten, z.B. für die DACH-Region. Und sie haben künftig Einfluss auf HR.

Von den derzeit 198 Accor-Hotels in Deutschland z.B. befinden sich 68% im Eigentum, berichtet Andrea Agrusow. "Wir möchten unser Eigentum sogar noch ausbauen ", sagt sie. Keinen Zugriff haben ihr zufolge die Investoren auf die einzelnen Betreiber-Gesellschaften und deren KPIs. "Das ist ausgeschlossen", stellt sie klar.

Je mehr fremde Investoren ins AccorInvest-Boot steigen, umso unruhiger könnte vielleicht die See werden. Dem will Bazin offenbar durch langfristige Betreiber-Verträge mit einer Exklusivitätsperiode für Accor-Marken entgegenwirken. Ob aus 20 Jahren dann – wie Ende Juni berichtet – 50 Jahre werden können, ist nach der Kenntnis von hospitalityInside immer noch offen. Wahrscheinlich jedenfalls ist laut Agrusow, dass es für unterschiedliche Marken unterschiedliche Laufzeiten geben könnte.

Die Gedankenspiele nehmen in dieser Phase kein Ende. Da tauchen weitere Fragen auf wie "Was passiert, wenn die neuen Investoren und neuen AccorInvest-Shareholder auf neue Marken drängen?"

Investoren offenbar noch zögerlich

Auskunft darüber, wie viele Investoren Anteile an AccorInvest erwerben möchten und in welcher Höhe, erwartet man für Ende Oktober, den Einstieg der ersten Investoren noch vor Jahresende. Wie hospitalityInside.com aus gut informierten Kreisen erfuhr, springen Investoren nicht so schnell wie erwartet auf die neue Accor-Strategie auf. Bis Juli ist kommuniziert worden, dass Accor Paris unter Umständen bis zu 70% seiner Anteile verkaufen würde; diese Zahl dürfte sich damit aber vermutlich reduzieren.

Der Einfluss der neuen Kapitalgeber und die Höhe ihres Anteils hängt nun entscheidend von Bazins Verhandlungsgeschick ab. Bis dahin muss AccorInvest zusehen, dass die bestehenden Hotel-Immobilien gut in Schuss bleiben und dass neue Hotelprojekte strategisch entwickelt werden Vermutlich wird dafür ein Budget von mehreren hundert Millionen notwendig sein, global und über alle Marken hinweg.
Das Booster-Projekt ist das ehrgeizigste in der 50jährigen Geschichte von Accor. Wenn Sébastien Bazin erfolgreich ist, könnte sich daraus ein neues Geschäftsmodell für die ganze Branche entwickeln. Schafft er es nicht, könnte aus Accor Chinesen-Futter werden. / Maria Pütz-Willems

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