Eine Frage von Versuch und Irrtum Megatrend Mixed Use Es gibt kein Patentrezept
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Eine Frage von Versuch und Irrtum

Megatrend Mixed Use: Es gibt kein Patentrezept

Mixed Use-Konzepte schaffen Synergien und hauchen Immobilien Leben ein.Foto: John Reed

München. Der Begriff Mixed Use ist in aller Munde. Die einen verstehen darunter verschiedene Gewerbe und Dienstleistungen unter einem Dach, die anderen sehen sie auf einem Grundstück nebeneinander versammelt und an dritter Stelle wird der Begriff heute auch häufig in Verbindung mit Quartiersentwicklungen genutzt. Welche Rolle Beherbergungsbetriebe dabei spielen und wer ihre Idealpartner sind, beleuchtete eine illustre Diskussionsrunde.

So sieht der Idealfall aus: Unter dem Dach eines Gebäudes versammelte unterschiedlichste Nutzungsmöglichkeiten schaffen Synergien und hauchen der Immobilie so Leben ein. Zu dieser Quintessenz gelangten die Podiumsteilnehmer der ausserordentlich lebhaften Diskussion zum Thema Mixed Use im Rahmen des "Hospitality Industry Dialogue" auf der Expo Real München. Nicht ganz so einig war man, welche Objekte idealerweise für hybride Formen der Gästebeherbergung geeignet sind.

Wobei schon die Definitionen einiges abverlangen, wie Moderatorin Anett Gregorius, Geschäftsführerin von Apartmentservice, klarstellte: "Nutzungsmischung heisst: Es handelt sich um mehrere Gebäude auf einem Grundstück, die unterschiedlich genutzt werden. Bei der Mischnutzung ist die unterschiedliche Nutzung in einem Gebäude gegeben." Zusätzlich gibt es noch Quartier-Konzepte, meist über 50.000 Quadratmeter Fläche mit mehreren Grundstücken, die nach einem Gesamtkonzept entwickelt werden.

Mixed Use braucht Gemeinschaft

Mixed Use trifft den Zeitgeist. Wenn Lifestyle im Marketing die Zielgruppe ersetzt, sich Menschen nicht über Alter, Geschlecht und Beruf, sondern über Lebensform und -einstellung definieren, verschmelzen nicht nur Arbeit und Freizeit, sondern auch die Zeiten und Orte, wo diese stattfinden. "Mixed Use in der Co-Create-City ist der bauliche Ausdruck globaler Megatrends", formulierte es Amandus Samsøe Sattler vom Architekturbüro Allmann Sattler Wappner.

Auf der Expo Real 2019 diskutierten Anett Gregorius, Niels Berl, Thomas Scherer, Amandus Samsøe Sattler und Alexander Trobitz den Megatrend Mixed Use.Foto: HI

Die Architektur schafft eine Voraussetzung, doch für Thomas Scherer, geschäftsführender Gesellschafter von  denkmalneu.gastgeber, kommt der entscheidende Moment, um Hybrid-Immobilien zu Erfolgsmodellen werden zu lassen, danach: "Das Haus ist die Hülle, die sich durch die Menschen füllt. Wir schaffen wie bei den Felix Suiten in Leipzig die Voraussetzungen dafür".

Das hier angesprochene zweite "Lebendige Haus" der Gruppe folgte nach drei Jahren der ersten Entwicklung am Zwinger in Dresden. Es wurde erst vor wenigen Monaten am Leipziger Augustusplatz eröffnet und gilt schon jetzt als ein Musterbeispiel für Mixed Use. Neben den 5-Sterne-Felix-Suiten beherbergt es Gastronomie, Lebensmittelhändler Edeka, ein Fitnesscenter und vieles mehr. Die Gesamtnutzfläche umfasst rund 70.000 qm.

Im Idealfall entstehe in einem Mixed Use-Objekt eine echte Gemeinschaft erklärte Niels Berl, Direktor Deutschland der Co-Living-Marke The Collective. "Unabhängig, ob sich alles unter einem Dach abspielt, oder als gesamtes Quartier entwickelt wird". The Collective im Londoner Stadtviertel Canary Wharf Collective ist dafür das Vorzeigebeispiel seines Unternehmens. Wer sein Konzept konsequent umsetzen wolle, müsse selbst zum Immobilien-Entwickler werden. "Wir vollziehen zunehmend diesen Wechsel vom Betreiber zum Entwickler von Co-Living, weil es die passenden Objekte so oft nicht gibt". Tote Micro-City-Komplexe seien als Entwicklungsbasis schwierig und erschwerten das Entstehen von Gemeinschaften. "Entscheidend sind die Gemeinschaftsflächen, egal wer dort präsent ist. Das kann auch eine Fahrrad-Werkstatt mit Café sein." Zusätzlich benötige es heute neben dem Verwalter jeweils eine soziale Anlaufstelle für die Menschen.

In Mixed Use-Objekten sollte sich eine echte Gemeinschaft bilden – wie im The Collective in Londons Canary Wharf.Foto: The Collective

Es gibt kein ultimatives Dream Team

Das allumfassende Patentrezept, welche Partner zusammenfinden müssen, lieferte die Diskussion verständlicherweise nicht. Denn auch hybride Konzepte können ohne sorgfältige Vorbereitung, Durchführung und Nachbearbeitung gnadenlos scheitern, wie Alexander Trobitz, Leiter Hotel Services, BNP Paribas Real Estate, zu bedenken gab. Sein Unternehmen sei mit an Board, wenn es um die Suche der passenden Hotel- oder Apartmentbetreiber gehe, die mit den anderen Mietern harmonieren könnten.

Auch Thomas Scherer musste an seinem Konzept bereits Anpassungen vornehmen, sie waren Konsequenzen von Misserfolgen in der Vergangenheit: "Es wurden früher viele Gemeinschaftsräume teuer gebaut, die in den seltensten Fällen genutzt wurden. Ausser es hat jemand im Haus die Gemeinschaft selbst in die Hand genommen," erklärte er. Wobei Amandus Samsøe Sattler zu bedenken gab, dass nicht alles freiwillig geschehe. Oft seien die Konsequenzen die Folgen von Flächen- oder Ressourcen-Knappheit. So sei bei Projekten in Kopenhagen das soziale Miteinander einer "Mixed Use Co-Creation-City" von der Stadt gefordert.

Die von Anett Gregorius erwünschte Offenbarung von "Dream Teams" erfolgte bei der Diskussion in München nur zögerlich. Scherer führte das "John Reed"-Ko.nzept von Fitness-Studio-Marktführer McFit an, der 2100 qm in Leipzig bespielt. "Das funktioniert prächtig: So hat das Fitness-Studio  schon 200 Mitgliedschaften aus dem Haus gewonnen. Bei grösseren Objekten waren es bis zu 500. Das ist ein kleines Add-on. Es war bei uns aber auch fast immer Co-Worker mit dabei".

Auf die Differenzierung kommt es an

Unbestreitbar sind neben unterschiedlichsten Hospitality-Spielarten  Hostels, Serviced Apartments, Boutique-, Lifestyle-Hotel bis hin zu Studenten-Wohnungen  immer auch Gastronomie-Ideen eingebunden. "Sie sind die Magneten, die lokal nach aussen wirken. Der Anker für die Immobilie ist aber immer das Hotel, flankiert von Serviced Apartments", sagte Trobitz. Dem Anker wird rund ein Viertel der Gesamtfläche vorbehalten. Wenn innerhalb von Mixed Use mehrere Hospitality-Konzepte Platz finden, dann fragt sich Trobitz, ob bei manchen Umsetzungen wirklich der nötige Abstand gegeben ist. "Wenn da innerhalb eines Hauses 3-Sterne mit 3,5-Sterne-Hotelkonzepten konkurrieren, ist das gefährlich. Es braucht bei dieser Nähe eine logische Differenzierung".

Neben der optimalen Nutzungsform spielte auf der Expo Real naturgemäss auch die Suche nach der idealen Immobilie eine Rolle. Wobei diese vor allem eine grosse innere Gestaltungsmöglichkeit auszeichnen sollte.

Das Lebendige Haus in Leipzig beherbergt auf rund 70.000 qm neben den 5-Sterne-Felix Suiten u.a. Gastronomie, Lebensmittelhändler und ein Fitnesscenter. Foto: Andreas Schmidt  

"Aber zu grosse Flexibilität führt auch zu wenig Architektur-Aussage. Es lassen sich gerade in historischen Bestandsimmobilien auch gute hybride Nutzungen unterbringen", gab Sattler zu bedenken und rannte damit bei Scherer offene Türen ein. Auch ihm geht es um die Erkennbarkeit in der Stadt. Dafür führte er neben dem Zwinger und der alten Hauptpost Leipzig auch das in Bau befindliche Projekt Alte Post mit 50.000 qm im Zentrum Wiens an.

"Natürlich fragt man sich, welcher Investor will sich das antun? Denn Mixed Use reduziert zwar das Risiko, ist aber komplizierter", so Scherer. In einer schlechten Marktphase sei ein Mischkonzept jedoch lukrativer. Früher sei sein Unternehmen davon ausgegangen, dass das Haus nie teurer als Faktor 20 sein dürfe, inzwischen sei man bei 25 angelangt. "Was darüber liegt, hat mit nachhaltigem Investment nichts mehr zu tun".

Vor der Entwicklung eines Mixed Use-Konzeptes sollten die Gebäude jedenfalls leer stehen und man sollte nie den Fehler machen, einzelne Gebäudeteile an Nutzer zu verkaufen. Insgesamt seien Mixed Use-Immobilien zwar weiterhin in ihrer Investment-Fähigkeit schwieriger als andere, führte Trobitz an, doch noch vor zehn Jahren seien sie im Gegensatz zu heute fast unverkäuflich gewesen. Ob Altbestand oder Neubau, für Berl muss das Gebäude architektonisch funktionieren, damit es eine Chance hat: "Es darf keine Pseudo-Lounge haben, sondern ausreichend Gemeinschaftsflächen".

Oft seien derartige Projekte auch eine Frage von Versuch & Irrtum. "Wir trauten uns auch in London zu, in einer unmöglichen Lage umgeben von Eisenbahnschienen ein Objekt mit 550 Einheiten umzusetzen. Wir schafften eine eigene Destination – und sie ist seit drei Jahren zu 98 Prozent belegt", heisst es von The Collective. Eine Garantie dafür gibt es aber keine. / Fred Fettner

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