Eine Sommer Saison mit Schüttelfrost
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Eine Sommer-Saison mit Schüttelfrost

Berlin/Wien. Auf den ersten Blick sieht die Sommer-Saison für die Branche in Deutschland und Österreich erfreulich aus. Die Buchungsgeschwindigkeit verlangsamt sich aber schon. Dabei ist die Reiselust deutlich grösser als 2019. Und leider sind da noch die Kosten…

Das Hotel Consulting Unternehmen mrp hotels mit Hauptsitz in Wien meldet in einer aktuellen Analyse eine starke Erholung des Tourismus in den Sommermonaten und danach. "Wir sehen jetzt schon hohe Auslastungen und eine hohe Nachfrage in den Sommer-Destinationen und Ferienregionen. Buchungszahlen könnten vielerorts aus unserer Sicht nicht nur die ohnehin schon sehr guten Zahlen aus dem Jahr 2021 übertreffen, sondern sogar über jenen von 2019 liegen – sofern uns Corona, Ukraine und Inflation nicht noch einen Strich durch die Rechnung machen. Stellenweise lässt die Geschwindigkeit an neuen Buchungen nach," erläutert Martin Schaffer, Geschäftsführender Partner mrp hotels.

Deutschland nähert sich 2019-Niveau

Der positive Trend deutete sich laut mrp-Recherchen bereits im Frühjahr an. So kamen im April dieses Jahres z.B. in Schleswig-Holstein nach Angaben des Statistikamts Nord rund 736.000 Übernachtungsgäste an und damit nur unwesentlich weniger als im Spitzenjahr 2019. Die Anzahl der gebuchten Übernachtungen lag im April 2022 mit gut 3 Millionen Nächten bereits leicht über dem Niveau aus 2019.

Sommer 2022: Das Reisefieber ist hoch, es bringt die Hoteliers aber auch noch aus vielen anderen Gründen ins Schwitzen.Foto: AdobeStock

In Deutschland zeigt sich insgesamt eine ähnlich positive Entwicklung, auch wenn die Übernachtungszahlen nicht an das Vorkrisen-Niveau aus 2019 reichen. Das statistische Bundesamt registrierte für April 2022 deutschlandweit rund 35,7 Millionen Übernachtungen, damit 11,7% weniger als im April 2019.

Die Gründe für gute Buchungszahlen liegen für Schaffer u.a. im aufgestauten Urlaubsverlangen, aber auch im Business-Segment: "Nach rund zwei Jahren Pandemie bemerken wir, dass die Lust zu reisen, weltweit ungebrochen hoch ist – oder sogar noch stärker als 2019. Gleichzeitig finden wieder grosse Kongresse statt, die zusätzlich eine positive Auswirkung auf die Buchungslage haben.”

Schwachpunkt Transport und Rohstoffe

Ein Problem sieht mrp auf den Flughäfen – speziell den grossen Hubs: Der akute Personalmangel führte bereits zu Problemen an Pfingsten in Amsterdam, London und Berlin. Auch der Wiener Flughafen werde in den Sommer-Monaten davon betroffen sein. Allerdings haben Deutschland und Österreich den Vorteil, überwiegend als erdgebundene Reisedestination zu gelten. Was aber auch nichts daran ändert, dass Lufthansa, Eurowings und Swiss allein für Juli 900 Flüge aus Deutschland heraus gestrichen haben.

Hinzu kommt: Die Hotellerie ist wie jede andere Branche in Folge des Ukraine-Konflikts von höheren Rohstoff- und Energiepreisen betroffen, ebenso wie von der rentabilitätsbedrohlichen Inflation. "Um einigermassen profitabel zu sein, wird die Hotellerie gezwungen sein, die Preise anzuheben und das deutlich über Vorkrisenniveau – damit wird der Urlaub für die Konsumenten teurer, wobei zusätzlich auch der Inflationsdruck eine nicht unerhebliche Rolle spielt und dadurch möglicherweise auf die Konsumlust drückt", erklärt Schaffer.

Kongresse helfen Österreichs Städten

In Österreich entwickelten sich neben den Ferien-Destinationen in den vergangenen Monaten die Auslastungszahlen des Wiener Hotelmarktes äusserst positiv – und im Durchschnitt besser als in den übrigen Landeshauptstädten. Dies hängt mit der Rückkehr des Kulturangebots und der Kongresse zusammen. Allerdings ist speziell am Wiener Markt eine Ambivalenz zu beobachten, denn Wien hat im Vergleich zu den anderen Städten am meisten aufzuholen.

Eine Besonderheit dabei ist, dass die Österreicher das eigene Land als Urlaubsdestination wiederentdeckt haben. Dabei erlebte die klassische Sommerfrische wie schon in den vergangenen beiden Jahren ihr Comeback – und davon profitieren vor allem die ländlicheren Regionen und die Ferienhotellerie. "Der heimische Tourismus ist spätestens seit den Mai-Feiertagen wieder stark im Aufwärtstrend und vielerorts annähernd wieder auf Vorkrisenniveau", so Schaffer weiter.

Dies ist als Ausgleich zu weiter ausbleibenden Herkunftsmärkten von essenzieller Bedeutung: Während beispielsweise die wichtigsten europäischen Quellmärkte für Österreich wie Niederlande und Deutschland bereits das Niveau von 2019 übertreffen, bleiben die Gäste aus Asien fast komplett aus. Hier ist auch mittelfristig keine Erholung in Sicht.

Weitere Herausforderungen für die Branche

Neben Inflation und Energiekosten ist der akute Mitarbeiter-Mangel ein riesiges Problem in der Hotellerie, begleitet von höheren Gehältern und verschärften Trends wie einem kurzfristigen Buchungsverhalten müssen sich die Betriebe einstellen und mit einem hohen Mass an Flexibilität inklusive kurzfristiger Storno-Möglichkeiten.

Schaffer abschliessend: "Wenn wir mit Hoteliers sprechen, bemerken wir eine positive Grund- oder, wenn man so will, auch Aufbruchstimmung. Durch die hohe Nachfrage sehen wir auch ein Steigen der Raten in den Ferien-Destinationen, aber auch den Städten - die Preissensibilität scheint in den letzten Wochen wie ausgehebelt zu sein. Ich denke, dass damit schon viel gewonnen ist, auch wenn noch ein langer Weg zur vollen Erholung vor uns liegt.”

Dehoga bleibt skeptischer

Etwas weniger optimistisch als mrp schätzt der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband die Lage im deutschen Gastgewerbe ein. Die Ergebnisse der jüngsten Dehoga-Umfrage zum Mai zeigen: Die Energiekosten, Lebensmittelpreise und Personalkosten bereiteten den Betrieben allergrösste Sorgen. Besonders bitter sei zudem, dass gute Nachfrage oft nicht bedient werden könne, da Mitarbeiter fehlten. Anfang Juni beklagten rund 60% der Betriebe einen akuten Mitarbeiter-Mangel. Aber auch Dehoga-Präsident Guido Zöllick räumte ein, dass bei vielen Betrieben dank der anziehenden Nachfrage seit April die Zuversicht wachse. Umso mehr erwartet er jetzt von der Politik Planbarkeit und verlässliche Perspektiven.

Jobmotor stottert weiter

Die Pandemie hat den gastgewerblichen Jobmotor in Deutschland mit voller Wucht getroffen. Der höchste Rückgang bei den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten wurde im Mai 2021 nach dem langen Lockdown mit 14,5% registriert, das entspricht mehr als 160.000 Mitarbeiter weniger als im Mai 2019. Erfreulich sei indes, dass nicht wenige Mitarbeiter zurückkehrten und auch wieder neue Mitarbeiter gewonnen werden konnten. Im März dieses Jahres zählte die Bundesagentur für Arbeit 1.004.700 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte in der Branche. Das sind 63.699 weniger als im März 2019, aber schon rund 61.000 mehr als im März 2021.

Dramatische Rückgänge gab es auch bei den Azubi-Zahlen. "Aktuell erlernen fast 41.500 junge Menschen einen unserer sechs Ausbildungsberufe. 2019 waren es gut 51.000", teilte Zöllick mit.

Hoffnungen auf dem Deutschland-Tourismus

Wie die Österreicher haben auch die Deutschen während der Pandemie ihre Heimat als Reisedestination entdeckt. Hoteliers und Gastronomen setzen jetzt auf eine gute Sommersaison. "Der Nachholbedarf ist gross", erklärte Zöllick. In vielen Regionen gebe es berechtigten Anlass zur Hoffnung, dass die Betriebe in diesem Jahr an das Umsatz-Niveau von 2019 herankämen. Die touristische Nachfrage erhole sich schneller als die geschäftliche, das hätten auch die vergangenen Sommer gezeigt. "Messen, Firmen-Veranstaltungen und Geschäftsreisen finden auch wieder statt, aber noch nicht auf dem Vorkrisenniveau."

Als eine zentrale Massnahme zur Zukunftssicherung der Branche fordern sowohl der Dehoga als auch der Bundesverband der Systemgastronomie die Beibehaltung der Mehrwertsteuer-Senkung auf aktuell 7%. Die Massnahme war zur Stärkung der Gastronomie zum 1. Juli 2020 eingeführt worden und gilt noch bis Ende des Jahres. BdS-Hauptgeschäftsführerin Andrea Belegante sagt dazu: "Diese Massnahme über 2022 hinaus zu verlängern, ist wichtig und würde ein dringend benötigtes Signal an unsere überwiegend mittelständischen Unternehmen richten." - Die Dehoga-Publikation "Neustart 2022" mit Daten und Fakten zur Corona-Bilanz und den Erwartungen der Branche an die Politik steht unter diesem Link zum Download bereit. / red

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