Erst geht es um die Gesundheit jetzt um alles Nach Corona Österreich erwartet Investitionsbremse und Markt Bereinigung
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Erst geht es um die Gesundheit, jetzt um alles

Nach Corona: Österreich erwartet Investitionsbremse und Markt-Bereinigung

Für Ferienhotels in Österreich werden die Corona-Folgen zur Gratwanderung, die Stadthotels bringt das Virus nahe an den Abgrund.Foto: theALPS

Wien. Am Donnerstag, 28. Mai, war es soweit: Zwei Wochen nach den Gastronomie-Betrieben durften in Österreich die Hotels wieder öffnen bzw. wieder Touristen aufnehmen. Ein erster Lichtstrahl für die Ferienhotels, die an Pfingsten überwiegend gut gebucht waren, während selbst Wien und Salzburg fast leer blieben. Renommierte Hoteliers fordern fürs wirtschaftliche Überleben jetzt grundsätzliche Änderungen.

Wie in Deutschland hat es eine generell verordnete bundesweite Betriebsschliessung nie gegeben – lediglich für touristische Übernachtungen. Deshalb verzeichnete Wien z.B. im April einen Rückgang von 98,1% bei den Übernachtungen. Bis zu den Quarantäne-Verordnungen ab 16. März hatte das Land trotz anfänglich schlechter Schneelage noch einen Rekordwinter verzeichnen können.

Daher zeigt die Halbjahresbilanz nur einen Rückgang von 18,1% auf. Die Gästezahl entsprach etwa dem Winter 2006/7. Der Mai wurde dann katastrophal, selbst wenn Pfingsten regional sehr gut gebucht war. So lockten die Kärntner Seen, aber auch die Thermenregionen im Osten viele Wiener an. Wobei sich laut ÖHV viele Thermen und Wellnessbetriebe aus Sicherheitsgründen bei der Auslastung eine Obergrenze von 70% gesetzt hatten. Doch bei 70% beginne erst deren Wirtschaftlichkeit.

In Kärnten meldeten einige Hotels sogar Vollbelegung. Andere erwiesen sich zwar als ausgebucht, die Gäste blieben aber dann aus. Manche führen das auf die Witterung zurück, andere erkennen aber einen Trend zu Mehrfach-Buchungen. Der geltenden Empfehlung, die Gäste durch den Verzicht auf Rücktrittsgebühren zu Buchungen zu animieren, begegnen diese Betriebe zunehmend mit Skepsis, vor allem mit Blick auf die Hochsaison im Sommer.

Etliche Saison-Hotels bleiben freiwillig noch länger geschlossen.Foto: unsplash Nik Lanus

Nach Einschätzung der Wirtschaftskammer hatte zu Pfingsten ohnehin nur rund die Hälfte der Betriebe offen. Für Wien verlautete Tourismus-Geschäftsführer Norbert Kettner, dass 55% noch geschlossen waren. In der Bundeshauptstadt lag die durchschnittliche Auslastung, ebenso wie in den westösterreichischen Bundesländern, dadurch bei nur 15%.

ÖHV-Präsidentin Michaela Reitterer zeigte mit ihrem Boutiquehotel Stadthalle in Wien, was Initiative bringen kann. Mit ihrer Aktion "Loge & Logis", bei der sie die Zimmer als Fensterlogen für ein Konzert im Innenhof samt Übernachtung anbot, erzielte sie am Konzerttag 68% Auslastung.

Ferienhotels gut belegt, City-Hotels fast leer

Ansonsten stellt man sich auf karge Zeiten ein. Sepp Schellhorn, Hotelier des Seehof Goldegg, und Gastronom, u.a. in der Stadt Salzburg, sowie Abgeordneter der NEOS im Nationalrat, beurteilt das erste Wochenende so: "Im Ferienhotel war es durchaus positiv, aber in der Stadt lagen wir bei 10% des normalen Umsatzes." Er erwartet erst für 2024 die volle Rückkehr des Geschäfts in der Stadt, Reitterer hofft für Wien auf 2023.

Während es für namhafte Hoteliers wie Reitterer und Schellhorn ausser Debatte stand, auch unter widrigen Bedingungen – und zum Teil mit grossem Werbeaufwand unterlegt – ihre Betriebe zu öffnen, zeigen sich vor allem personalintensive Saisonbetriebe noch sehr zurückhaltend. Ein entsprechendes Beispiel ist Hintertux am Ende des Zillertals. Die "Talkaser" Familie Dengg startete als Eigentümer der Bergbahnen am 28.5. am Hintertuxer Gletscher wieder in die Skisaison. "Ischgl ist Ischgl. Wir hatten in Tux in den zehn Wochen nur drei Corona-Fälle", sieht Geschäftsführer Matthias Dengg kein Imageproblem. Am sonnigen Pfingstmontag kurvten 1.000 Skifahrer auf 3.000 Metern über die winterlichen Pisten. Im Winter sind es an Spitzentagen 8.000. Doch man war zufrieden, denn im Mai sind alljährlich ohnehin überwiegend nur Skiteams am Gletscher. Deshalb blieben auch die Dengg-Hotels Berghof und Alpenhof geschlossen. So, wie fast alle 4 Sterne-Hotels von Tux – "wie jedes Jahr um diese Zeit", betont Dengg.

"Als die gesamte Opposition im Nationalrat alle Beschlüsse der Regierung mitgetragen hat, habe ich gesagt: Erst geht es um die Gesundheit, aber nach der Gesundheit geht's um alles!" Nach internationaler Ansicht hat Österreich die Gesundheitskrise recht gut gehändelt. Das unterstreichen einige Zahlen. Auch wenn's makaber scheint, die deutlichsten Werte zeigen die Todesfälle:

Pro 100.000 Einwohner starben in Österreich 7,56, in Deutschland 10,33, in Frankreich und Schweden 43 und in Grossbritannien 59 Menschen an oder mit einer Covid-19-Infektion. Weil nicht immer zwischen "an" oder "mit" Covid-19 unterschieden wird, ist ein Blick auf die Mortalitätsrate vielleicht noch aussagekräftiger.

Sie zeigt nicht nur, dass die Balkanstaaten wirklich kaum betroffen waren, sondern dass in Österreich dieser Wert nie auffällig in die Höhe schnellte. Er lag sogar in Woche 5, also zu einem Zeitpunkt, als noch kein Corona-Fall bekannt war, am höchsten. Wirklich dramatisch war die Situation in Grossbritannien, Spanien, aber auch Belgien und den Niederlanden, die über dem italienischen Durchschnittswert lagen.

Die Zeit der geschlossenen Grenzen ist Mitte Juni fast in ganz Europa vorbei. Aufwind in Sicht.Foto: harmen jelle van mourik unsplash

Kündigungen wären billiger

Abgesehen von mehreren Untersuchungsausschüssen und Gerichten, die sich mit dem katastrophalen Start in Ischgl beschäftigten, wird über die Gesundheitsmassnahmen ausnahmslos positiv Bilanz gezogen – wenn auch immer mit dem Hinweis auf die Gefahr einer zweiten Welle. Weniger glücklich zeigt man sich über die ökonomischen Auswirkungen und der viel zu langsamen Rückkehr in die Normalität. Schellhorn illustriert die dramatische Situation: "Würde ich so weitermachen, müsste ich die Insolvenz anmelden."

Selbst die so gelobte Möglichkeit zur Kurzarbeit, bei der in der geringsten Ausprägung die Mitarbeiter 10% arbeiten, aber 80% verdienen nennt Schellhorn eine Falle. "32 von 45 Mitarbeitern sind in Kurzarbeit. Wir haben keinem gekündigt. Aber dann kamen erst die Reise-Beschränkungen." Kurzarbeit sei überdies keine Unternehmensförderung, sondern eine soziale Massnahme. Billiger wären trotzdem Kündigungen gewesen.

Schellhorns Überlebens-Portfolio umfasst unterschiedliche Punkte. Selbst die Grenzöffnung zu Deutschland Mitte Juni sei nur ein kleiner Hoffnungsschimmer. Er prognostiziert Folgendes: "Von den 150 Millionen Übernachtungen, die Österreich im Vorjahr hatte, werden Deutsche und Österreicher 2020 etwa 65 Millionen schaffen." Über 35 Millionen waren es bereits im Winter, also rechnet Schellhorn mit einem Rückgang von über 20 Millionen Nächten auch aus diesen beiden Märkten für die Sommer-Saison. Es wird nicht ganz so schlimm kommen, denn der uneingeschränkte Grenzverkehr zu den Nachbarstaaten ist seit zwei ab dem 15. Juni Tagen wieder gestattet. Wegfallen werden jedoch noch länger der transkontinentale Reiseverkehr und der nach Grossbritannien. Der Gesamtanteil der von Corona besonders betroffenen Staaten China, USA, Russland, Brasilien am Wien Tourismus lag im Sommer 2019 immerhin bei 13,7%.

Die für die Tourismus-Wirtschaft relevanten Massnahmen im Rahmen des 38 Milliarden-Euro-Rettungspakets der österreichischen Bundesregierung umfassen Corona-Kurzarbeit und einen "Neustartbonus", den Härtefall-Fonds, Haftungen und Fixkosten-Zuschüsse im Rahmen des Corona-Hilfsfonds sowie steuerliche Erleichterungen.

Zins, Kredite und Steuern aussetzen?

Schellhorn fordert für das wirtschaftliche Überleben der Tourismusbetriebe – vom Reisebüro bis zum Hotelbetrieb – grundsätzliche Änderungen. "Stadthotels, die traditionell zu Jahresbeginn ihre schwachen Monate haben, leiden besonders unter der angespannten Liquidität, das wird sich weit in den Herbst ziehen. Darum wollen wir eine Freeze-Lösung, die drei Sonderlösungen als Schutzschirm inkludieren: Zins, Kredit und Steuer müssen mindestens ein Jahr ausgesetzt werden. Die Bilanzjahre 2019/2020/2021 müssen zusammengezogen werden". Derartige Sonderlösungen seien gerechtfertigt, denn der Tourismus werde später auf die Beine kommen als andere Branchen.

Nach einer ersten Einschätzung der ÖHV habe Österreichs Hotellerie zehn Jahresgewinne verloren. Erst bei 55 bis 60% Auslastung beginnen Qualitätshotels rentabel zu arbeiten. Weil der Gewinn nur bei 2% vom Jahresumsatz liege, werde dieses Jahr kein österreichisches Hotel einen Gewinn erzielen. Dass bei zwei Schliess-Monaten zehn Jahresgewinne verloren wären, ist allerdings eine Milchmädchen-Rechnung, die weder reduzierte Kosten noch Unterstützungszahlungen berücksichtigt. Doch unbestritten bleibt, dass zahlreiche Betriebe durch die Krise in die Insolvenz schlittern werden. Siehe dazu auch das Interview mit ÖHV-Präsidentin Michaela Reitter im separaten Interview. / Fred Fettner

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