Es darf kein Selbstzweck sein Keynote Drees Sommer Der Weg zur smarten Immobilie ist noch lang
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Es darf kein Selbstzweck sein

Keynote Drees & Sommer: Der Weg zur smarten Immobilie ist noch lang

Total digital soll das Projekt The Ship in Köln werden.Foto: The Ship

München. Die Digitalisierung hält viel Potential für die Immobilienwirtschaft bereit – und mindestens ebenso viele Stolperfallen. Um diese zu umgehen und Fehlinvestitionen zu vermeiden, müssen vorab einige essentielle Fragen geklärt werden. Wie so ein Prozess ablaufen kann und worauf besonders zu achten ist, erklärte Klaus Dederichs, Geschäftsführer ICT bei Drees & Sommer Aachen, vergangene Woche in seinem Keynote-Vortrag im NOVA3-Forum auf der Expo Real in München.

"Digitalisierung darf kein Selbstzweck sein. Sie muss Teil einer Vision sein", konstatierte Dederichs. Das Problem sei, dass jeder etwas anderes unter Digitalisierung versteht. Deshalb müssten sich die Beteiligten erst einmal darüber verständigen, was sie mit Hilfe der Digitalisierung erreichen möchten. Die Potentiale sind vielfältig: von der Reduzierung der Betriebskosten oder der Energie- und Prozess-Optimierung über die Steigerung des Immobilienwerts, der Mieteinnahmen oder der Mieter-Zufriedenheit bis hin zur Business-Transformation oder der Erschliessung ganz neuer Geschäftsmodelle.

Aktuell sieht es in der Praxis jedoch häufig so aus: "Wir investieren in Konzepte, die nicht funktionieren. Wir reden über Desk-Sharing und finden morgens Handtücher über die Stühle gelegt, damit die Mitarbeiter am nächsten Tag wieder am gleichen Arbeitsplatz sitzen können". Damit solche Fehlinvestitionen nicht passieren, muss eine neue Gebäudekonzeption her. Das Ziel: ein "Customized Smart Building" mit integriertem Mobilitätskonzept. Das erfordert neues Denken.

Den Menschen als Vorbild

Klaus Dederichs: Die Bausteine definieren!Foto: Drees & Sommer

"Der schlafende Riese, der in Zukunft erwacht, muss anders aussehen", so Dederichs. Als Vorbild dafür dient Drees & Sommer der Mensch. Sie sehen intelligente Gebäude als eine Art Organismus mit Rückgrat, Organen und Haut. Wie der Mensch verfügt auch das Smart Building über ein Gehirn, genannt "Brain", das alle Teile des Gebäudes miteinander vernetzt. Um das zu gewährleisten, muss man zuerst verstehen, wie ein Gebäude funktioniert und welche Erwartungen und Bedürfnisse die einzelnen Nutzergruppen haben. Ob Co-Worker, Worker, Gastronom, Besucher, Logistiker, Mieter oder Facility-Manager: Jeder Stakeholder einer Immobilie hat andere Erwartungen an deren Struktur und Funktionsweise. Und andere Bedürfnisse. Pro Immobilie können das bis zu 200 verschiedene Interessensgruppen sein, schätzt er.

Deshalb erarbeitet das Team von Drees & Sommer mit seinen Kunden etwas, das sie "Userbility" nennen, und bedient sich dabei der Methode des Design Thinking. Bei der Userbility handelt es sich um eine Anforderungsmanagement-Struktur, bei der in einem ersten Schritt potentielle Digitalisierungsbausteine definiert werden und diese dann den Personas, also den zukünftigen Stakeholdern, zugeordnet werden. Legt man diese dann wie Overhead-Folien übereinander, lässt sich leicht erkennen, welche Bausteine die meisten Treffer haben – das heisst, welche Digitalisierungs-Bausteine für die meisten Stakeholder relevant sind. In diese lohne es sich zu investieren, erläutert Dederichs. Die Kommunikation zwischen Planung und realem Leben funktioniere dann durch KI: Anhand von Daten, die laufend erhoben werden, lernt das Gebäude von seinen Nutzern.

Design by Security

Dederichs betont, wie wichtig es in Zukunft sein wird, offene Systeme und Schnittstellen zu haben: "Mieter und Nutzungen wechseln – und das Gebäude muss sich an die neuen User und ihre Bedürfnisse anpassen können". Auch wenn nicht jeder 5G und WLAN6 benötigen wird, muss ein Smart Building dies ermöglichen. Dabei stellt sich die Frage, wer das WLAN6-Netz aufbaut. Der Vermieter? Oder der Projektentwickler?

Neben der Bereitstellung der Infrastruktur müssen auch Sicherheitsfragen vorab geklärt werden: So sind beispielsweise einige Funk-Frequenzen leichter zu hacken als andere, was zum Problem werden kann, wenn bestimmte Elemente im Gebäude darüber miteinander kommunizieren. Deshalb plädiert der Experte u.a. dafür, ein Funkfrequenz-Kataster aufzubauen, und rät: Jedes intelligente Gebäude muss mit einem Cyber Security-Management-System geplant und betrieben werden. Das bedeutet, dass die Sicherheitsaspekte von Hard- und Software-Komponenten schon während der Entwicklungsphase berücksichtigt werden müssen – ganz nach dem Grundsatz "Security by Design".

Diese steigende Komplexität intelligenter Immobilien erschliesst bzw. erfordert auch neue Geschäftsfelder. Da Facility Manager die Wartung der Systeme zukünftig nicht mehr werden leisten könnten, sieht Dederichs IoT-Managed-Services als neue Dienstleistung.

Pilotprojekt für solch ein "Customized Smart Building" ist nach wie vor der Cube Berlin, der derzeit durch die CA Immo direkt am Hauptbahnhof entsteht und das intelligenteste Gebäude Europas werden soll. "Die Inbetriebnahme hat bereits vor zwei Jahren begonnen – da war das Gebäude noch gar nicht gebaut", so Dederichs. Weitere Objekte sind in Planung, z.B. "The Ship" in Köln oder das "Quartier Heidestrasse" in Berlin.

Wie die nachfolgende Diskussion mit Art-Invest, citizenM und Hilton Hotels über das Thema "More profit in sight: Real Estate as a service" zeigte, liegen die Vorstellungen zwischen Investoren/Entwicklern und Betreibern in der Hotellerie nach wie vor weit auseinander. / Malin Flamm

Anm.d.Red: Dieser Artikel setzt auch Gedanken fort von einem Artikel im Mai 2019 über die Fachtagung "Smart Building Solutions 2019" an der RWTH Aachen wie auch von der Diskussion an der Expo Real 2018 und vom HospitalityInside Think Tank 2018.

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