Es gibt keine nicht nachhaltigen Hotels mehr Die Deutsche Seereederei bereinigt ihre Marken und entwickelt alles neu
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Es gibt keine nicht-nachhaltigen Hotels mehr

Die Deutsche Seereederei bereinigt ihre Marken und entwickelt alles neu

Arosa Resort auf der Insel Sylt: Künftige Hotels sollen kompakter werden.Foto: Roman Matejov Fotografie Sylt 

Hamburg. Von der traditionellen, nur langsam gewachsenen Unternehmensgruppe hin zu einem dynamischeren "Green Tech Hospitality Leisure-Unternehmen"… Flott formuliert die Webseite der Deutschen Seereederei diese Wende, die ab sofort nur noch unter Nachhaltigkeitsaspekten weitersegelt. Geschäftsführer Carsten Wilmsen erläutert die selbstgesteckten "grünen" Kriterien und die neuen Marken-Profile bei Arosa, aja und Henri Hotels. Die Kern-Message: Partner werden kann nur noch, wer Green Tech mitträgt.

Die ganze Branche ist in Bewegung und auf der Suche nach neuen Ansätzen, Lösungen. Carsten Wilmsen macht den Eindruck, dass er Druck aushält – ohne selbst übereilte Entscheidungen zu treffen. Der Ingenieur wechselte nach über 20 Jahren im Flughafen-Immobilien-Geschäft im Mai 2020 als Geschäftsführer zur DSR Immobilien Development GmbH, einer Tochter der Deutschen Seereederei in Hamburg. Ein Jahr später avancierte er zum zweiten Geschäftsführer in der DSR, neben deren Gründer und geschäftsführendem Gesellschafter Horst Rahe.

Seit diesem Oktober ist Wilmsen Geschäftsführer der Rubus Development GmbH, die aufgrund neuer Beteiligungsverhältnisse aus der bisherigen DSR Immobilien Development GmbH hervorging. Hinter Rubus steht ein gemeinsames Beteiligungsunternehmen der Deutschen Seereederei GmbH und der Implenia Real Estate GmbH aus der Schweiz zur Entwicklung von Ferienhotel-Immobilien. Implenia entwickelt und optimiert Gebäude und Hotels, Alt- wie Neubauten. Allein zehn Experten kümmern sich ausschliesslich um die Produkt-Entwicklung, sagt Wilmsen.

Carsten Wilmsen will Nachhaltigkeit konsequent umsetzen.Foto: Deutsche  Seereederei 

Der Bauingenieur und erfahrene Asset- und Property-Manager verantwortet nun den Wandel einer traditionellen, nur langsam gewachsenen Unternehmensgruppe hin zu einem dynamischeren "Green Tech Hospitality Leisure-Unternehmen", wie es die DSR-Webseite flott formuliert. Er selbst kommt aus der Flughafen-Branche und entschied sich nach 22 Jahren für den Sprung in die Hotellerie, der er ein enormes Entwicklungs-Potenzial zutraut.

Deshalb unterstützt er Rahes rigorose Forderung nach einer "Green Hospitality Agenda", mit der auch er Investoren wie Betreiber zum Umdenken motivieren will. "Wir werden keine nicht-nachhaltigen Hotels mehr betreiben!" Das ist das übergeordnete Ziel, das sich die DSR seit drei Jahren gesetzt hat und an deren Umsetzung konsequent gearbeitet wird.

Ein Referenz-Corpus für drei Marken

Die neue Aufstellung der Firmen-Struktur hinter der DSR hat als erstes dazu beigetragen, die drei DSR-Hotelmarken Arosa, aja und Henri Hotels zu hinterfragen. Das Resultat: Für alle drei Marken wird künftig vieles standardisiert werden. Im Detail: Entwickelt wird ein "Referenz Design" für einen Immobilien-Corpus, der zu 80% die Bedürfnisse der drei Marken trifft. Heisst: ein Gerüst für alle, mit anbaubaren Modulen zur Individualisierung der jeweiligen Marke.

Konkret muss man sich das so vorstellen: Ein Mega-Thema der Zukunft ist Energie. Hotel-Immobilien der Zukunft müssen diesen Kosten-Treiber kontrollieren können, denn ein Hotel kennt eigentlich nur zwei Energie-Peaks – morgens und abends, wenn die Gäste aufstehen, duschen oder ins Hotel zurückkommen. Wie kann man diese täglichen Energiekurven glätten? Durch Energie-Speicherung?

Die zweite Ebene, die Wilmsen angehen will, ist die der Operation und der Mitarbeiter. System und menschliche Kompetenz können es im Verbund schaffen, den Abfall um 40% zu reduzieren und dabei zu hinterfragen, aus welchen – recycelbaren – Rohstoffen das Interior Design künftig gestaltet werden soll. Der Wirtschaftskreislauf des Materials, im Fachjargon "Cradle-to-Cradle" genannt, wird einen immensen Einfluss auf Bau und Konzeption eines Hotels haben.

"In allen unseren 16 Hotels werden wir alles auf den Prüfstand stellen, hinterfragen jede Schraube und analysieren unsere Prozesse", beschreibt Carsten Wilmsen den neuen Ansatz.

aja Garmisch-Partenkirchen: Die Marke wird künftig weniger Zimmer zählen.Foto: DSR

Kein GU mehr notwendig

Die DSR im neuen Konstrukt mit Rubus und Implenia wird künftig Hotels unter technologischen Gesichtspunkten wie auch unter gezielten Effizienz- und Nachhaltigkeits-Gesichtspunkten weitgehend vorfertigen lassen: "Mit einem Vorfertigungsgrad von bis zu 80% wird Bauen sicher schneller und günstiger, aber auch qualitativ verbessert werden können", so Wilmsens Fazit. Die verbleibenden 20% müssen offen gehalten werden, um das Grundstück und den Bau ans jeweilige Konzept anzupassen. Auch Building Information Modeling wird die Produkt-Entwicklung mitsteuern, so dass Wilmsen am Ende "keinen klassischen GU mehr sucht, sondern Projektpartner und Zulieferer, die Module in hohem Vorfertigungsgrad anbieten können".

Diese neue Art, an den Bau und den Betrieb eines Hotels heranzugehen, wird sich auf alle drei DSR-Hotelmarken Arosa, aja und Henri Hotels auswirken – und darüber hinaus weitere neue Aspekte wie z.B. die Mobilität der Gäste vor Ort mitberücksichtigen. Idealerweise soll der Gast sein Auto am Hotel stehenlassen und sich dann mit umweltfreundlicheren, elektrischen Vehikeln weiterbewegen. "Momentan planen wir eigene Mobilitätsangebote mit denen lokaler Partner vor Ort zu verknüpfen und gemeinsame Konzepte zu entwickeln", lässt Wilmsen wissen.

Das gilt für alle künftigen Standorte. Derzeit sind die DSR-Developer auf Suche nach Grundstücken und Hotels an der Ost- und Nordsee unterwegs, eruieren aber auch Chancen an der polnischen Ostsee. In Deutschland bleiben natürlich die Alpen und das Alpen-Vorland weiter attraktiv. Ein grosser Fokus liegt auf Tirol, Österreich, wo auch schon etliche Standort-Analysen stattfinden, wohingegen die Schweiz aus Kostengründen eher ausscheidet.

Folgende Kriterien müssen für DSR-Hotelimmobilien künftig gelten: Sie werden nur noch in Destinationen mit Ganzjahres-Tourismus stehen, die mindestens 250.000 Übernachtungen pro Jahr listen und deren touristisches Potenzial seit über zwei Generationen besteht. Darüber hinaus muss die Location gut erreichbar sein und die Gemeinde selbst sollte sich zu Nachhaltigkeit bekennen. Gemeinden, in denen die gastgewerblichen Betriebe vier Monate im Jahr geschlossen haben, werden laut Wilmsen nicht mehr berücksichtigt werden.

Downsizing und mehr Qualität für die Marken

War unter diesen Gesichtspunkten die Absage der Gemeinde von Mittenwald im Oktober dieses Jahres für ein 196 Zimmer grosses aja Hotel ein Nachteil oder ein Vorteil? Ein Bürgerentscheid hatte das Projekt abgelehnt, wobei es aus der Brille von Carsten Wilmsen schon ein guter Standort gewesen wäre, vor allem da das neue Hotel dort eines der "neuen Generation" geworden wäre. "Der Standort bleibt im Kern interessant, aber wir würden vielleicht nicht mehr mit rund 200 Zimmern dorthin gehen". Nur 20 km entfernt davon hat zudem erst in diesem Sommer das aja Garmisch-Partenkirchen mit 229 Zimmern eröffnet.

aja Hotels in Grössenordnungen zwischen 200 bis 250 Zimmern seien keine Antwort mehr auf Fragen von heute, fügt der Immobilien-Entwickler Wilmsen nachdenklich hinzu. Sieben Resorts dieser Marke sind in Betrieb, die nächsten werden kleiner ausfallen und nur 120 bis 150 Zimmer zählen. Downsizing ist der Trend – einhergehend mit gesteigerter Qualität.

Henri Hotel Berlin: Diese Marke wird neu positioniert werden unter 'Henri Metropolitan'.Foto: DSR 

Auch die bislang sehr grossen Resorts unter der Marke Arosa soll künftig kleiner werden und bei weiterhin sehr hohem Qualitätsniveau unter dem Titel Arosa-Hideaway positioniert werden. Anders als beim weitläufigen Arosa am Scharmützelsee in Bad Saarow östlich von Berlin, das die DSR Hotel Holding seit dem ersten Lockdown nicht mehr öffnete – werden Resorts künftig "kompakter und in hoher Qualität" gebaut werden. Zudem arbeitet die DSR an einem Apartment-Produkt für Selbstversorger. Derzeit gibt es noch drei Arosa Resorts in Kitzbühel, Sylt und Travemünde.

Die dritte Marke Henri Hotels, hinter der sich ein Boutique-Konzept in der Stadt verbirgt, wird künftig als "Henri Metropolitan" Marke geführt werden und nur noch in Standorten mit hohem Bleisure-Anteil. Henri gibt es derzeit viermal: in Berlin, Hamburg, Düsseldorf und Wien. Welchen Weg diese Marke nehmen soll, kann man u.U. ablesen am künftigen Hotel Elite in Seefeld, Tirol, das Rubus Development gekauft hat und bis 2023 von 27 auf etwa 75 Zimmer ausbauen will, samt Spa. Es soll eines der ersten neuen Henri Garden House-Produkte werden mit einem individuell gestalteten Garten als signature feature, hiess es schon während der Expo Real im Oktober von Rubus.

Investoren werden offener

Die Justierung der Marken-Profile, gepaart mit dem konsequenten Nachhaltigkeitsansatz, fördere das Interesse bisheriger Investoren – Family Offices wie Institutionelle – an weiteren Hotels. "Wir sehen einen signifikanten Wandel im Denken", sagt Carsten Wilmsen, "es gibt keine Diskussionen mehr über ein nötiges höheres Investment in nachhaltige Hotel-Immobilien". Die Partner seien deutlich offener geworden, gleichzeitig müsse man aber auch als Entwickler und Betreiber mit offenen Karten spielen, damit der Investor einfach verstehe, wo sein Benefit in späteren Jahren liege. Wilmsen schätzt, dass die DSR-Hotels der neuen, nachhaltigen Generation um etwa 20% teurer ausfallen werden als traditionelle Hotels.

Mit dem kommenden Jahr will die DSR auch auf die Pächter ihrer Bestandsimmobilien zugehen, um über einen Energie-Check erste Einsparungspotentiale zu evaluieren. Bei jedem Hotel, ob alt oder neu, werden alternative Systeme und Energiequellen ausgelotet werden.

Nachhaltigkeit spricht vor allem viele junge Reisende an, wie viele Studien inzwischen darlegen. Kombiniert mit dem erwarteten Anteil an Digitalisierung ist sich Wilmsen sicher, junge moderne und auch wirtschaftliche Hotels bauen und betreiben zu können – selbst wenn es keine physische Rezeption mehr geben sollte.

Das wäre sicher auch eine wichtige Komponente in der Vermarktung von Reisen. Im September ist die DER Touristik Group ein Joint Venture mit der DSR Hotel Holding eingegangen. Über den Reiseveranstalter sollen künftig auch die drei DSR-Hotemarken vertrieben werden, um "Marktführer im umweltfreundlichen und nachhaltigen Tourismus in Europa" zu werden, wie beide Partner es in der gemeinsamen Pressemitteilung formulierten. / Maria Pütz-Willems

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