EU lässt erste harte Massnahmen zum Green Deal erkennen
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EU lässt erste harte Massnahmen zum Green Deal erkennen

Brüssel. Bis 2050 soll Europa als erster Kontinent klimaneutral sein. Deshalb will die EU u.a. im Zertifizierungsdschungel aufräumen und das Kreislauf-System Cradle-to-Cradle zum Prinzip machen. Ebenso kommt Greenwashing an den Pranger. Das alles betrifft auch die Hotellerie.

ZIA-Geschäftsführer Gero Gosslar warnte auf dem Sachwerte Kolloquium 2020 in München davor, das Thema "Grün" auf die leichte Schulter zu nehmen. Die Immobilienbranche und damit auch die Hotellerie stehen vor einem hohen Investitionsbedarf, prophezeite Gosslar. Ursula von der Leyen startete ihre EU-Präsidentschaft mit dem "Green Deal". "Wie ernst es ihr damit ist, daran lässt sie keinen Zweifel aufkommen", betonte Gero Gosslar erneut. So drohte sie in Davos kürzlich den Wirtschaftsführern und Politikern bei klimaschädlichen Einfuhren in die EU mit zusätzlichen Kosten durch Klima-Zölle.

Am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz letzte Woche sondierte EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn mit Abgeordneten des Haushalts-, Europa- und Wissenschaftsausschusses die Lage und stellte dabei insbesondere auf die Verhandlungen zum mehrjährigen Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis 2027 und das intensive Arbeitsprogramm der von-der-Leyen-Kommission mit ihrem "Green Deal" und der "Konferenz zur Zukunft Europas" ab. Vize-Präsident Frans Timmermans, in dessen Bereich das Thema organisatorisch fällt, habe, so Gosslar, eine besonders mächtige Position, das sollte niemand unterschätzen. Er könne bei allen Deals der EU intervenieren. Im Gegensatz zur bisherigen Struktur der Juncker-Kommission haben die Spitzenbeamten nun Zugang zu den Generaldirektionen der Exekutive.

Die EU plant, Cradle to Cradle  zu pushen, um ihre Klimaziele zu erreichen.Foto: airborne77 Fotolia com

Cradle-to-Cradle
wird ein Prinzip

Im Zentrum des "Green Deals" steht der eine Billiarde Euro schwere Investitionsplan, wovon knapp die Hälfte aus dem EU-Haushalt kommen soll. Doch über die Umsetzung des ambitionierten Ziels ist noch wenig zu hören. Den grössten Investitionsbedarf sieht die EU-Kommission im Gebäudesektor: Neubau, Sanierung, Renovierung. Im Juni will die Kommission Massnahmen vorlegen, wie zumindest die Ziele 2030 erreicht werden können. Dabei wird es u.a. darum gehen, EU-Vorschriften wie die Energieeffizienz-Richtlinie für Gebäude auf Klimaschutz-Tauglichkeit hin zu überprüfen und – wenn nötig – anzupassen.

Inzwischen ist zwar von Investoren-Seite die Nachfrage nach "grünen Gebäuden" hoch, doch die Renovierungsrate in der EU liegt derzeit bei gerade einmal einem Prozent und die Errichtung von effizienten Neubauten bei nur ein bis zwei Prozent pro Jahr. Meist werden die höheren Kosten bei Planung und Bau angeführt. Selten wird dabei berücksichtigt, die ökologischen Gebäude auch über die Nutzungsdauer in Bezug auf Betriebs- und Instandhaltungskosten zu vergleichen.

Zertifizierungen sollen deshalb sicherstellen, dass es sich um ein energie-effizientes, ökologisches Gebäude handelt. Darauf legen Investoren vor allem im internationalen und im Fondsbereich viel Wert. Nach Gosslar wird aber auch in dem Bereich einiges anders werden. Bislang gäbe es zwar viele Zertifizierungen, doch die seien sehr heterogen und wenig vergleichbar. Das führe eher zu Verwirrung als zu Transparenz. Durch eine Taxonomie müssten sie vergleichbar gemacht werden, um auch ein zunehmendes Greenwashing zu verhindern.

Ein einheitliches Regelwerk mit einheitlichen Kriterien, Berechnungsmassstäben und Klassifikationen wäre daher von Vorteil, ähnlich wie es im Entwurf der Taxonomie-Verordnung der EU-Kommission vorgesehen: Solch ein einheitliches EU-Klassifikationssystems zur Bewertung soll sagen, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit ökologisch nachhaltig ist. Gleichzeitig bedeutet die Begutachtung jedes grösseren Bauwerks nach konventioneller Prüfung durch Ingenieure einen immen-sen Aufwand, der angesichts des Fehlens qualifizierter Fachkräfte massiver wird. Das bedeutet: Es werden zukünftig auch verstärkt digitale Lösungen dafür genutzt werden müssen.

Aufräumen bei den Zertifizierungen

Neben Zertifizierungen ist auch effizienteres, energieschonendes Bauen ein grosses Thema. Das beginnt beim Einsatz nachhaltiger und wiederverwendbarer Ressourcen. Es geht dabei auch um die gezielte Auswahl von Materialien für Bauprojekte, die potenziell unendliche Lebenszyklen durchlaufen können. Nachwachsende Rohstoffe, wie Holz, stehen dabei besonders im Fokus. Im Gegensatz zum Recycling oder zum Konzept der Ökobilanz geht "Cradle To Cradle" weiter. Dem Konzept liegen drei Prinzipien zugrunde: das Verständnis von Abfall als Nahrung, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Unterstützung von Diversität. Betrachtet werden dabei sowohl ökonomische als auch ökologische und soziale Aspekte bei der Auswahl der Materialien und Baustoffe. Es erlaubt vielfältige Perspektiven auf die Herstellung und Nutzung von Produkten. So entstehen neue Ideen, die über konventionelle Methoden und Sichtweisen hinausgehen.

Den bestehenden Gebäudebestand energetisch zu sanieren, kommt dabei auch eine grosse Bedeutung zu. 2018 wurde die aus 2010 stammende EU-Gebäuderichtlinie überarbeitet, bis März 2020 muss sie in nationales Recht umgesetzt sein. Bis dahin sind auch langfristige Strategie zur Unterstützung der Renovierung in einen in hohem Masse energieeffizienten Gebäudestand vorzulegen.

Eines ist bereits jetzt klar: Der Plan wird viele Veränderungen für die Immobilien- und Baubranche bringen. Aber auch die Finanzbranche wird davon nicht unbehelligt bleiben. Man müsse dabei immer auch das "grosse Bild" sehen, warnt daher ZIA Geschäftsführer Gero Gosslar. Den Green Deal auf die leichte Schulter zu nehmen, sei riskant, zumal er auch ein die Finanz- und Sachwertbranche betreffen könne. Plan der EU sei es, vor allem Anreize zu schaffen und auf Verbote zu verzichten, so Gosslar weiter, doch das komme de facto einem Verbot gleich, denn ohne positive Klimabilanz werde keiner mehr kaufen. Bis März 2020 will die Kommission die Klima-Neutralität in einem Gesetz festschreiben. / BB

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